VwGH 90/02/0120

VwGH90/02/01203.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. Mai 1990, Zl. I/7-St-F-89147, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §4 Abs5 idF 1983/174;
VStG §3 Abs1;
VStG §44a lita;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §4 Abs5 idF 1983/174;
VStG §3 Abs1;
VStG §44a lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, daß sein Verhalten als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftwagens am 17. Mai 1987 gegen

21.20 Uhr insofern mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, als er im Ortsgebiet von H. an einem näher beschriebenen Ort an ein dort abgestelltes Fahrzeug (mit bestimmtem Kennzeichen) gestoßen sei, wobei an diesem erheblicher Sachschaden entstanden sei. In der Folge habe es der Beschwerdeführer unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden zu verständigen, obwohl er der Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, weder seinen Namen noch seine Anschrift nachgewiesen habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Zustellung des angefochtenen Bescheides sei am 17. Mai 1990, sohin nicht innerhalb der Frist des § 31 Abs. 3 VStG 1950 erfolgt, wodurch Verjährung eingetreten sei, vermag ihm der Gerichtshof nicht zu folgen. Hiezu genügt es, auf die Regelung des § 32 Abs. 2 AVG 1950 zu verweisen. Sollte das Vorbringen des Beschwerdeführers dahin zu verstehen sein, daß die Zustellung nicht "in direktem Weg" an seinen Rechtsvertreter hätte erfolgen dürfen, so ginge dies an der Vorschrift des § 9 Abs. 1 erster Satz Zustellgesetz vorbei.

Der Beschwerdeführer behauptet auch eingetretene Verfolgungsverjährung, weil es unterlassen worden sei, fristgemäß die "Feststellung" zu treffen, daß beim gegenständlichen Vorfall überhaupt ein anderes Fahrzeug beschädigt worden sei; nach Ansicht des Beschwerdeführers hätte es einer näheren Beschreibung dieses Fahrzeuges, zumindest in bezug auf das Kennzeichen bedurft, zumal feststehe, daß eine Verständigung der Gendarmerie nicht notwendig sei, wenn ein "Fremdschaden" nicht eingetreten sei. Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten. In diesem Zusammenhang ist der Beschwerdeführer auf die hg.

Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zlen. 88/02/0215, 0216) zu verweisen, wonach es nicht zu den wesentlichen Tatbestandselementen des § 4 Abs. 5 StVO zählt, daß die bei dem Unfall verursachten Schäden im einzelnen beschrieben werden; desgleichen genügt es, das wesentliche Tatbestandselement des ursächlichen Zusammenhanges mit erfolgten Beschädigungen im Spruch zu nennen, ohne an dieser Stelle nähere Umstände über den Unfallhergang auszuführen. Im Lichte dieser Rechtsprechung erachtet es der Verwaltungsgerichtshof auch nicht für erforderlich, daß innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 eine Verfolgungshandlung gesetzt wird, welche die vom Beschwerdeführer vermißten Feststellungen enthält.

Zu Unrecht wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie habe keine Ermittlungen in der Richtung durchgeführt, ob ein Identitätsnachweis im Sinne des § 4 Abs. 5 zweiter Satz StVO stattgefunden habe. Abgesehen davon, daß auch der Beschwerdeführer die tatsächliche Durchführung eines solchen Nachweises nicht behauptet, bietet die Aktenlage hiefür keinerlei Anhaltspunkt.

Aber auch die weitere vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit (des Inhaltes) des angefochtenen Bescheides, daß nämlich die belangte Behörde Bestandteile des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht wiederholt, sondern "unerwähnt" gelassen habe, liegt nicht vor. Es entspricht nämlich der ständigen hg. Rechtsprechung, daß die Berufungsbehörde jene Teile des erstinstanzlichen Bescheides, welche sie sich zu eigen macht, nicht zu wiederholen braucht.

Das Schwergewicht des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren lag in seiner Behauptung, er habe anläßlich des in Rede stehenden Verkehrsunfalles eine Kopfverletzung erlitten und habe sich infolge des erlittenen Unfallschocks in einem Zustand der eingeschränkten "Disposition- Diskretionsfähigkeit" befunden. Die belangte Behörde hatte hiezu u.a. ein Gutachten eines medizinischen Amtssachverständigen eingeholt, wonach der Beschwerdeführer sehr wohl in der Lage gewesen sei, seiner in § 4 Abs. 5 StVO begründeten Verständigungspflicht nachzukommen.

Der Beschwerdeführer setzt sich mit diesem Gutachten weitwendig auseinander und legt dar, daß die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen sei, dieses Gutachten ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Vielmehr wäre sie seiner Ansicht nach zu einer entsprechenden Ergänzung des Ermittlungsverfahrens verpflichtet gewesen.

Diesem Beschwerdevorbringen ist nicht zu folgen: Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht nämlich auch hervor, daß der Beschwerdeführer unmittelbar nach dem Verkehrsunfall, nämlich um 21.35 Uhr des Tattages, bei einem Gendarmerieposten angerufen und sich nach dem Aufenthalt seines Bruders (eines Gendarmeriebeamten) erkundigt habe. Obzwar der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei, derartige "zielgerichtete" Handlungen zu setzen, habe er nicht die Gelegenheit aufgegriffen, Meldung über den Verkehrsunfall zu erstatten. Für ein bewußtes Handeln spreche auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer noch in derselben Nacht mehrmals seine von ihm geschiedene Gattin angerufen habe, welcher er erzählt habe, daß er in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen sei.

Ausgehend von diesen Darlegungen der belangten Behörde, denen der Beschwerdeführers nichts Zielführendes entgegenzusetzen vermag, und dem Umstand, daß er nicht einmal behauptete, irgendeine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen zu haben, bedurfte es im Beschwerdefall gar keiner Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zur Lösung der Frage, ob der Beschwerdeführer sich auf mangelnde Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 VStG 1950 zu berufen vermochte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 1. April 1987, Zl. 86/03/0243). Die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers gehen daher ins Leere.

Ein sogenannter "Unfallschock" kann im übrigen nach dieser Rechtsprechung nur in besonders gelagerten Fällen und bei einer gravierenden psychischen Ausnahmesituation das Unterlassen eines pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigen. Anhaltspunkte dafür bestehen jedoch nach der Aktenlage nicht. Einem dispositionsfähig gebliebenen Unfallbeteiligten ist trotz eines sogenannten Unfallschocks in Verbindung mit einer begreiflichen affektiven Erschütterung pflichtgemäßes Verhalten zumutbar, zumal von einem Kraftfahrer, welcher die Risiken einer Teilnahme am Straßenverkehrs auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter- und Willensstärke zu verlangen ist, daß er den Schock über den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 1. April 1987, Zl. 86/03/0243).

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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