Normen
AVG §45 Abs2;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art144 Abs2;
B-VG Art89 Abs2;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 Abs10a;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Ein Beamter des Landesgendarmeriekommandos Tirol (Verkehrsabteilung) erstattete am 6. Dezember 1987 die Anzeige, der Beschwerdeführer habe am 7. November 1987 als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws (Marke Jaguar) auf der Inntalautobahn A12 im Gemeindegebiet Silz in Fahrtrichtung Roppen (Westen) um 14.28.53 Uhr bei Kilometer 116,0 die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit um 67 km/h und um 14.29.24 Uhr bei Kilometer 117,7 (Simmeringgalerie) die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte höchste zulässige Geschwindigkeit von 100 km/h um 50 km/h überschritten. Die Überschreitungen seien im Zuge einer Zivilstreife festgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe im Gemeindegebiet Rietz (Kilometer 107) die Zivilstreife mit sehr hoher Geschwindigkeit überholt. Obwohl die Zivilstreife zeitweise über 200 km/h gefahren sei (bei 200 km/h schalte sich die Traffipaxanlage aus), sei es ihr zunächst nicht möglich gewesen, dem Beschwerdeführer näher zu kommen. Bei Kilometer 116 sei der Pkw mit einer Geschwindigkeit von 197 km/h gemessen worden, im Bereich der 100 km/h-Beschränkung bei Kilometer 117,7 sei der Beschwerdeführer noch immer 150 km/h gefahren. Die Geschwindigkeit sei durch die Traffipaxanlage gemessen und fotografiert worden (Fotos wurden vorgelegt). Der Beschwerdeführer habe angegeben, das Fahrzeug gehe sehr gut, weshalb man eine höhere Geschwindigkeit nicht merke.
Bei einer Beschuldigtenvernehmung im Rechtshilfeweg am 19. Februar 1988 (Vorwurf der Übertretungen nach § 20 Abs. 2 und § 52 lit. a Z. 10a StVO) erklärte der Beschwerdeführer, er werde sich durch einen Rechtsanwalt schriftlich äußern. Eine solche Äußerung erfolgte innerhalb der eingeräumten Frist nicht. Auch ein Versuch einer Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers brachte mangels Erreichbarkeit des Beschwerdeführers kein Ergebnis.
Erst am 22. August 1988 erstattete der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in der er ausführte, ohnedies bereits bei der Gendarmerie ein Geständnis abgelegt zu haben, das er ausdrücklich aufrecht erhalte. Der Beschwerdeführer glaube aber nicht, eine Geschwindigkeit von 200 km/h eingehalten zu haben. Ein Sicherheitsabschlag von 10 % würde eine Überschreitung von 48 km/h ergeben. Da er die Geschwindigkeitsüberschreitungen in einem Zug begangen habe, sei eine zweimalige Bestrafung nicht gerechtfertigt.
Der Meldungsleger wiederholte am 29. August 1988 als Zeuge die in der Anzeige enthaltenen Angaben. Die Geschwindigkeitsüberschreitungen seien unter Einhaltung eines gleichbleibenden Abstandes gemessen worden.
In seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 1988 wiederholte der Beschwerdeführer vor allem sein bisheriges Vorbringen.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 16. November 1988 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 7. November 1987 als Lenker des dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws auf der Inntalautobahn A12 in Richtung Westen fahrend, 1. um 14.28.53 Uhr im Gemeindegebiet von Silz bei Kilometer 116 die auf Autobahnen gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit um 67 km/h überschritten und 2. um
14.29.24 Uhr im Gemeindegebiet von Silz bei Kilometer 117,7 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 50 km/h überschritten. Er habe hiedurch Übertretungen zu 1. nach § 20 Abs. 2 StVO und zu 2. nach § 52 lit. a Z. 10a StVO begangen. Über ihn wurden gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO Geldstrafen von S 6.000,--
und S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von 10 und 8 Tagen) verhängt. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Sachverhalt auf Grund der Anzeige und der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers erwiesen sei. Nach Wiedergabe der Stellungnahmen des Beschwerdeführers sowie der Zeugenaussage des Meldungslegers wurde weiters dargelegt, es bestehe kein Anlaß, an der Richtigkeit der Angaben des Meldungslegers zu zweifeln. Das Nachfahren mit einem Zivilstreifenfahrzeug und das Ablesen der Geschwindigkeit von einer Traffipaxanlage, die geeicht sei, stelle eine geeignete Grundlage für die Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitungen dar. Es liege kein fortgesetztes Delikt vor, da es sich gegenständlich um zwei verschiedene selbständige Taten handle. Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung, wobei auf einschlägige Vorstrafen verwiesen wurde.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer im wesentlichen abermals darauf, daß nach der Vorarlberger Praxis (der Beschwerdeführer wohnt in Vorarlberg) immer ein Sicherheitsabschlag von 10 % gemacht werde. Überdies liege wegen des Zusammenhangs nur ein Delikt vor.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. Dezember 1988 wurde der Berufung nur insofern Folge gegeben, als die Geldstrafen auf S 4.000,-- und S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von 7 und 4 Tagen) herabgesetzt und der Spruch dahin modifiziert wurde, daß das Ausmaß der jeweiligen Geschwindigkeitsüberschreitung in Cirka-Angaben zur Last gelegt werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, es seien die vom Beschwerdeführer eingehaltenen Geschwindigkeiten durch Nachfahren in gleichbleibendem Abstand und Ablesen der Traffipaxanlage festgestellt worden. Dies sei auch durch Lichtbilder festgehalten worden. Die Feststellung der Geschwindigkeit durch Nachfahren und Ablesen des Tachometers sei nach der Judikatur als verläßliche Ermittlungsart anerkannt, und zwar selbst bei Verwendung eines nicht geeichten Tachometers. Es handle sich hiebei um Ungefährwerte. Deshalb seien die Überschreitungen auch als Cirka-Angaben vorgeworfen worden. Jedenfalls liege in beiden Fällen eine erhebliche Überschreitung der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor, und zwar selbst dann, wenn man einen 10 %igen Sicherheitsabschlag annehme. Unter einem fortgesetzten Delikt sei eine Mehrheit von an sich selbständigen, nacheinander gesetzten Handlungen zu verstehen, die jede für sich den Tatbestand desselben Deliktes erfülle, wobei die Mehrheit der Handlungen durch ein gemeinsames Band zu einer rechtlichen Einheit und damit rechtlich als ein einziges Delikt behandelt werde. Da vorliegend durch die Geschwindigkeitsüberschreitungen verschiedene Tatbestände erfüllt worden seien, nämlich einmal der nach § 52 lit. a Z. 10a, das andere Mal der nach § 20 Abs. 2 StVO, könne schon deshalb nicht von einem fortgesetzten Delikt gesprochen werden. Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 10. März 1989, B 223/89-3, deren Behandlung ablehnte und sie mit Beschluß vom 24. April 1989 dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof wiederholten Bedenken verfassungsrechtlicher Art im Zusammenhang mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention ist darauf hinzuweisen, daß davon auszugehen ist, daß der Verfassungsgerichtshof seinen Ablehnungsbeschluß erst nach intensivem Studium des Falles und nach entsprechend sorgfältigen Überlegungen gefaßt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1988, Zl. 88/10/0046). Der Beschwerdeführer hat vor dem Verwaltungsgerichtshof keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt, sondern lediglich auf sein Vorbringen in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof Bezug genommen, sodaß sich daher der Verwaltungsgerichtshof nicht zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof veranlaßt sieht.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen zu haben, vertritt jedoch die Ansicht, das Verfahren sei mangelhaft geblieben, da ihm ein Recht auf Fragestellung an den Meldungsleger verweigert und im übrigen keine Sicherheitsabschläge für Meßungenauigkeiten vorgenommen worden seien, weshalb die ziffernmäßige Höhe der Überschreitungen bestritten werde.
Dem erstgenannten Einwand ist zu entgegnen, daß eine Gegenüberstellung mit einem Zeugen nur dann, wenn dies aus besonderen Gründen, z.B. im Falle der Möglichkeit einer Personenverwechslung, notwendig ist, zu erfolgen hat. Ein Rechtsanspruch auf persönliche Fragestellung an den Zeugen durch den Beschwer-deführer sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, Anm. 7 zu § 43 VStG sowie die E 1 bis 3, 5, 6 und 8, S. 717 f.).
Hinsichtlich des weiteren Einwandes übersieht der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde ohnedies seinem Vorbringen insofern Rechnung getragen hat, als sie die angenommenen Geschwindigkeitsüberschreitungen als Cirka-Angaben bezeichnete. Im übrigen ist das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung kein Tatbestandsmerkmal (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1987, Zl. 85/03/0060). Es genügt die spruchmäßige Feststellung, daß die Geschwindigkeit überschritten wurde. Vor allem aber hat die belangte Behörde ohnedies den Umstand, daß es sich bei den Geschwindigkeitsangaben um "Ungefährwerte" handelt, bei der Strafbemessung berücksichtigt, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides beweist und insbesondere aus diesem Grund auch die Strafen erheblich herabgesetzt. Den anders lautenden Ausführungen des Beschwerdeführers kommt daher keine Berechtigung zu. Soweit der Beschwerdeführer eine Reihe von Möglichkeiten aufzählt, wodurch es zu gewissen Fehlerquellen bei der Geschwindigkeitsmessung kommen könne, ist ihm auch zu erwidern, daß er keine konkreten Anhaltspunkte für eine tatsächliche Fehlmessung aufzuzeigen vermochte. Bloße Erkundungsbeweise sind aber unzulässig.
Mit der Rüge, es hätte ihm nur ein fortgesetztes Delikt zur Last gelegt werden dürfen, verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Zwar ist es richtig, daß derjenige, der eine Strecke, auf der in unmittelbarer Aufeinanderfolge durch Straßenverkehrszeichen (§ 52 lit. a Z. 10a StVO) kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkungen verschiedener Höhe zu beachten sind (z.B. 70 und 100 km/h), mit einer gegenüber diesen verschiedenen erlaubten Geschwindigkeiten überhöhten Geschwindigkeit in einem Zug befährt, nur ein Delikt nach § 52 lit. a Z. 10a StVO zu verantworten hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1984, Zl. 83/03/0321). Voraussetzung ist jedoch, daß es sich um eine Verletzung desselben Deliktes handelt. Wurden jedoch verschiedene Verwaltungsvorschriften verletzt, so stellen Übertretungen der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h bzw. der auf Autobahnen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h einen Verstoß gegen § 20 Abs. 2 StVO, aber Übertretungen der durch Gebotszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit einen Verstoß gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO dar, so werden zwei selbständige Delikte begangen, die auch getrennt zu bestrafen sind (vgl. z.B. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1984). Mit dem Hinweis auf verschiedene Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, da es sich jeweils um dasselbe Delikt betreffende Fälle handelt bzw. im Erkenntnis vom 11. November 1987, Zl. 86/03/0237, ausdrücklich dargelegt wird, daß Übertretungen nach § 20 Abs. 2 StVO und solche nach § 52 lit. a Z. 10a StVO getrennt zu bestrafen sind. Im vorliegenden Fall wurden dem Beschwerdeführer eine Überschreitung der auf Autobahnen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h (Verstoß gegen § 20 Abs. 2 StVO) sowie eine Überschreitung der durch Straßenverkehrszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h (Verstoß gegen § 52 lit. a Z. 10a StVO) zur Last gelegt, somit verschiedene Delikte, sodaß auch jeweils eine gesonderte Bestrafung zu erfolgen hatte.
Da es somit dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, die von ihm behaupteten Rechtsverletzungen darzutun, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Wien, am 25. Oktober 1989
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