VwGH 87/06/0077

VwGH87/06/007710.12.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Janistyn, über die Beschwerde des Ing. KW und der HW in H, beide vertreten durch Dr. Helmut Rantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria‑Theresien‑Straße 57, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. Juli 1986, Zl. Ve‑550‑1271/1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) T Ges.m.b.H. in I, 2) Stadtgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37
AVG §42
AVG §45 Abs3
AVG §8
BauO Tir 1978 §3 Abs5
BauO Tir 1978 §3 Abs6
BauO Tir 1978 §3 Abs7
BauO Tir 1978 §30
BauO Tir 1978 §30 Abs3 idF 1984/019
BauO Tir 1978 §30 Abs4
BauO Tir 1978 §30 Abs4 idF 1984/019
BauRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987060077.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 11. Mai 1984 ersuchte die erstmitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für einen Um-, Auf- und Zubau des Hauses R‑Straße 8 zum Zwecke der Sanierung dieses Altstadthauses nach Maßgabe eines vorgelegten Planes. Diesem Plan kann entnommen werden, daß im Erdgeschoß unter anderem eine Ordination neu eingerichtet werden soll, in den beiden Obergeschoßen durch verschiedene Abänderungen insgesamt drei Wohnungen beabsichtigt sind und im Dachgeschoß neu eine Großwohnung geplant ist, wobei gleichzeitig das Dach etwas erhöht werden soll (keine Kotierung im Bauplan). Insgesamt sieht der Bauplan nur im Rahmen des Daches (und Dachgeschoßes) nach außen bauliche Veränderungen vor. Zu bemerken ist noch, daß der im Baugesuch (Formular) angegebene Grundeigentümer den Bauplan nicht unterfertigt und auch sonst der Aktenlage nach dem Bauvorhaben der mitbeteiligten Bauwerberin nicht zugestimmt hat.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde beraumte für 7. Juni 1984 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG 1950 eine mündliche Verhandlung an, wobei der Gegenstand der Verhandlung mit „Umbau und die Generalsanierung des Hauses W‑Straße“ umschrieben worden ist. Bei der durchgeführten Verhandlung brachten die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer als unmittelbar östlich angrenzende Nachbarn vor, daß die vorliegenden Aufrißpläne mit der Natur bzw. insbesondere mit dem Altbestand ihres Hauses nicht übereinstimmten. Auf Grund der Pläne müsse geschlossen werden, daß das westseitige Fenster ihres Hauses in der beabsichtigten Dachkonstruktion verschwinden werde. Bevor eine endgültige Stellungnahme zum Projekt abgegeben werden könne, werde beantragt, dem Konsenswerber aufzutragen, eine genaue Bestandaufnahme der derzeitigen Objekte mit genauen Eintragungen der Fenster vorzunehmen. Da auch die derzeitigen Höhenangaben der beabsichtigten Nord- und Südfassade nicht stimmen könnten, seien auch die beabsichtigten Fassaden und Dachhöhen genau in die zu erstellende Bestandaufnahme einzutragen. In der im Akt erliegenden Verhandlungsschrift sind noch die Stellungnahmen weiterer Nachbarn sowie die der Bauwerberin wiedergegeben, welche das Verhandlungsergebnis zur Kenntnis nahm. Dieser Verhandlungsschrift können zwar Beginn und Ende der Verhandlung sowie die anwesenden Personen entnommen werden, nicht aber kann festgestellt werden, ob der anwesende technische Amtssachverständige zu dem Projekt überhaupt Stellung genommen und welche Erklärung der Verhandlungsleiter hinsichtlich der Fortführung des Bauverfahrens abgegeben hat. Als Vertreter des Grundeigentümers wird eine bestimmte Person angeführt, welche auch die Verhandlungsschrift unterfertigt hat, ohne daß jedoch erkennbar wäre, ob eine Vollmacht vorgelegen ist oder nicht.

Im Akt erliegt sodann eine vom planenden Architekten verfaßte Skizze mit der Darstellung des Altbestandes und der beabsichtigten neuen Bauführung im Bereich des Dachgeschosses und Firstes, wobei nunmehr ein Fenster auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer im Dachbereich eingezeichnet ist (zu bemerken ist, daß die Höhenkoten in dieser Planskizze zwar bezüglich des Firstes mit der Höhenkote im Bauplan übereinstimmen, die Vereinbarkeit der Höhenkote Fußboden ‑ Dachgeschoß im Bauplan jedoch mit den nunmehr genauen Höhenkoten nicht gegeben scheint. Mit dem Schreiben vom 25. Juni 1984 wurde dem Vertreter der Beschwerdeführer diese Planskizze überreicht. In einem Schreiben vom 19. Juli 1984 forderte der Vertreter der Beschwerdeführer eine Reihe von baulichen Maßnahmen, wobei auch darauf hingewiesen wurde, daß im Fall einer gütlichen Bereinigung von der Bauwerberin die gesamten Kosten seines Einschreitens bezahlt werden müßten.

Im Akt erliegt sodann eine Reihe von Planskizzen vom 1. August 1984.

In einem Antrag an den Gemeinderat vom 9. Oktober 1984 wurde darauf hingewiesen, daß zur besseren Nutzung und Gestaltung der Straßenfassade anläßlich des Umbaues des Objektes der derzeitig Ost‑West verlaufende First Nord‑Süd gedreht und das Dach um ca. 80 cm angehoben werden soll. Der Dachraum solle für Wohnzwecke ausgebaut werden und die derzeitige Kubatur von ca. 1.200 m3 um 250 m3 vergrößert werden. Der Bauausschuß und der Altstadtausschuß würden einstimmig der Baumassenvermehrung die Zustimmung erteilen. Durch die Baumassenvermehrung werde die Wirtschaftlichkeit der Generalsanierung wesentlich verbessert, die Straßenfassade bekomme durch die Drehung des Dachstuhles und durch die Erhöhung ein entsprechenderes Bild. Dieser Antrag wurde mit Gemeinderatsbeschluß vom 16. Oktober 1984 genehmigt und als Änderung des Bebauungsplanes entsprechend kundgemacht. Im Rahmen dieses Verfahrens betreffend die Erlassung einer Verordnung haben die Beschwerdeführer eine Stellungnahme abgegeben.

Am 14. Februar 1985 fand im Bauamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde eine Besprechung statt, als deren Ergebnis festgehalten wurde, daß die Bauwerberin bereit sei, die Forderungen der Beschwerdeführer dahingehend zu erfüllen, daß die Dachgestaltung zur Nachbarwand bzw. zum Fenster entsprechend den vorgelegten Skizzen des planenden Architekten ausgeführt und die nach dem Umbau freibleibende Westwand des Hauses der Beschwerdeführer mit einem 4 cm Dämmschutz versehen und gefärbelt werde. Im Objekt der Beschwerdeführer solle vor Durchführung der Bauarbeiten eine Begehung zur Feststellung des Baubestandes stattfinden. Die Forderung der Erhaltung der Hofmauer werde zwischen der Bauwerberin und dem Grundeigentümer abgeklärt werden, ebenso die Frage der Kosten für die Vertretung der Beschwerdeführer. Der Vertreter der Beschwerdeführer erklärte sich bereit, für seine Mandantschaft im Falle eines Akzeptes der Forderungen dem geplanten Bauvorhaben zuzustimmen und einen Rechtsmittelverzicht zu erklären.

Nach einem Aktenvermerk vom 7. Mai 1985 erklärte ein Vertreter der Bauwerberin, daß bis auf die Forderung des Rechtsanwaltes Einigung erzielt worden sei. Es wurde ersucht, den Bauakt bis zur Klärung „ruhen zu lassen“.

In einem Schreiben des Vertreters der Beschwerdeführer an den Grundeigentümer vom 19. Juni 1985 erklärte der Anwalt, daß er das grundsätzliche Einverständnis seiner Mandanten und der Bauwerberin hergestellt habe und die von seinen Mandanten geforderten Bedingungen zugesichert worden seien. Einzig die Frage der Kosten sei noch offen und er dürfe um eine konkrete Stellungnahme hiezu bitten, da er doch annehme, daß der Grundeigentümer nach wie vor daran interessiert sei, das Bauvorhaben zu verwirklichen. Bevor die Kostenfrage nicht geklärt sei, könne das Weitere nicht in Angriff genommen werden.

Ohne daß der Aktenlage nach weitere Verfahrensschritte gesetzt wurden, erteilte sodann der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 28. Februar 1986 die angestrebte Baubewilligung, wobei diesem Bescheid der seinerzeitige Einreichplan sowie ein Plan betreffend Dachtraufensicht zugrunde gelegt wurden; hinsichtlich weiterer im Akt erliegender Planskizzen fehlt ein solcher Genehmigungsvermerk. Im Bescheid wurde allerdings beurkundend folgendes festgehalten: „Der Bauwerber und der Anrainer ..... sind übereingekommen, daß die Dachgestaltung zur Nachbarwand bzw. zum Fenster des Anrainers ...... entsprechend den Skizzen des Architekten ...... vom 1.8.1984 ausgeführt wird, und daß weiters die nach dem Umbau freibleibende Westwand des Hauses .......mit einem 4 cm Dämmputz versehen und gefärbelt wird. Der Nachbar ......wird mit seinen Forderungen bezüglich der Kosten für die anwaltschaftliche Vertretung auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen.“ Zur Begründung wurde ausgeführt, daß sich der Bescheid auf das Ergebnis des durchgeführten Augenscheins und die eingehenden Erörterungen des Bauvorhabens mit dem technischen Amtssachverständigen und den Beteiligten unter Bedachtnahme auf die einschlägigen Vorschriften stütze. Nach einem weiteren Verweis auf die vom Gemeinderat beschlossene Abänderung des Bebauungsplanes wurde festgestellt, daß das Bauvorhaben bei plangemäßer Ausführung und Einhaltung der Genehmigungsauflagen in öffentlich‑rechtlicher Hinsicht zulässig sei.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung behaupteten die Beschwerdeführer, daß hinsichtlich des beabsichtigten Objektes und der berechtigten Ansprüche der Beschwerdeführer keine Einigung vorliege. Die Beschwerdeführer hätten sich mit aller Deutlichkeit gegen das geplante Bauvorhaben gewendet, nachdem sie der berechtigten Ansicht hätten sein können, daß dieses Bauvorhaben gegen ihre Vorstellungen als Nachbarn nicht genehmigungsfähig sei und insbesondere dadurch, daß seinerzeit überhaupt unrichtige Pläne vorgelegen seien, unberechtigterweise in ihre Nachbarschaftsrechte eingegriffen worden sei. Um jedoch gute nachbarschaftliche Beziehungen aufrecht zu erhalten, wären sie bereit gewesen, dem Objekt unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung zu erteilen, wobei zumindest auch ein Kostenersatz hätte geleistet werden müssen. Seinerzeit sei mit der Baubehörde vereinbart worden, daß erst dann ein Baubescheid erfließen werde, wenn eine schriftlich unterfertigte Vereinbarung mit allen Parteienwünschen der Behörde vorgelegt werde. Diese Vereinbarung hätte jedoch der Behörde bisher nicht vorgelegt werden können, weil eben eine Vereinbarung in allen Punkten noch nicht zustandegekommen und insbesondere die Kostenfrage noch immer ungeklärt geblieben sei. Es gehe nicht an, ganz einfach einzelne Punkte aus einem Forderungskatalog anzunehmen, andere aber nicht, und dann von einer Parteienvereinbarung zu sprechen. In Wahrheit handle es sich nicht um einen Umbau, sondern um einen Neubau, der auf Grund der bestehenden Bestimmungen nicht genehmigungsfähig sei. Im vorliegenden Fall werde die Dachkonstruktion gänzlich geändert und eine Baumassenvergrößerung vorgenommen. Keinesfalls könne eine Erhöhung des bestehenden Objektes bewilligt werden, auch dann nicht, wenn von der Gemeinde unverständlicherweise eine noch dazu gesetzwidrig zustandegekommene Ausnahme erteilt werde. Durch den Neubau, die Baumassenerhöhung und durch die Erhöhung des Objektes an sich sowie durch die Verdrehung der Dachachse werde in Rechte der Beschwerdeführer eingegriffen und hätten diese zu Recht seinerzeit Einwendungen erhoben, die nunmehr in der Berufung wiederholt würden. Ausdrücklich wurde eingangs der Berufung noch vorgebracht, daß die Bauwerberin nicht grundbücherliche Eigentümerin des Bauplatzes sei, Bauansuchen aber nur vom grundbücherlichen Eigentümer bzw. mit Zustimmung derselben erteilt werden dürften, sodaß es allein schon aus diesem Grunde zur Abweisung des Bauansuchens hätte kommen müssen.

Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 4. Juni 1986 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsbehörde vertrat die Ansicht, daß dem Nachbarn in der Frage des subjektiven Baurechtes ein Mitspracherecht nicht zustehe. Das Bauvorhaben entspreche der hier gegebenen geschlossenen Bauweise, sodaß ein Einhalten von Abständen nicht in Betracht käme. Die mit dem Projekt verbundene Baumassenvermehrung sei durch die erteilte Ausnahme vom Bebauungsplan zu-lässig. Den Forderungen der Beschwerdeführer sei in Wahrheit entsprochen worden, hinsichtlich der Übernahme der anwaltschaftlichen Kosten seien Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt worden, weil die Tiroler Bauordnung ein diesbezügliches Nachbarrecht nicht begründe.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wies die Tiroler Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 23. Juli 1986 als unbegründet ab. Die Gemeindeaufsichtsbehörde stellte sich auf den Rechtsstandpunkt, daß die Beschwerdeführer anläßlich der durchgeführten mündlichen Verhandlung ihre Einwendungen hätten vorbringen können, spätere Einwendungen jedoch nicht berechtigt seien. Die anläßlich der Bauverhandlung vorgelegenen Unterlagen hätten ausgereicht, um entsprechende Nachbarrechte geltend machen zu können, es seien aber lediglich Details des Bestandplanes gerügt worden. Abgesehen davon sei festzuhalten, daß nicht von einem Neubau, sondern nur von einem Umbau sowie einem Zubau ausgegangen werden könne, und durch die im Zuge des Baubewilligungsverfahrens erfolgte Änderung des Bebauungsplanes das Projekt genehmigungsfähig sei, worin keine von der Vorstellungsbehörde zu beachtende Rechtswidrigkeit erblickt werden könne. Durch die anläßlich der Bebauungsplanänderung beschlossene Anhebung des Daches entspreche auch die Bauhöhe den Bestimmungen des Bebauungsplanes. Dem Vorbringen, daß keinesfalls eine gänzliche Einigung erfolgt sei, hielt die Vorstellungsbehörde entgegen, daß subjektiv‑öffentliche Rechte nicht Gegenstand einer Einigung unter Nachbarn sein könnten und ein Kostenersatz für Nachbarn im Baubewilligungsverfahren gesetzlich nicht vorgesehen sei. Der Baubwerber müßte schließlich mit dem grundbücherlichen Eigentümer keineswegs identisch sein, sodaß auch eine vom Grundeigentümer verschiedene Person ein Bauansuchen einbringen und eine Baubewilligung erhalten könne; abgesehen davon sei diese Frage, wie schon der Stadtrat richtig ausgeführt habe, nicht Gegenstand eines möglichen Nachbarrechtes. Wenn in der Vorstellung ein Fensterrecht geltend gemacht werde, so sei dem entgegenzuhalten, daß diese Behauptung eine privatrechtliche Einwendung zum Gegenstand habe, die Frage der Gestaltung des Daches im Bereich des Fensters des Nachbarn daher zu Recht einer einvernehmlichen Lösung zugeführt worden sei. Zusammenfassend seien die Beschwerdeführer durch die Entscheidung des Stadtrates in keinem subjektiv‑öffentlichen Recht, das in der Tiroler Bauordnung begründet sei, verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser Gerichtshof mit Beschluß vom 12. Juni 1987, Zl. B 861/86, jedoch ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Begründung dieses Beschlusses hielt der Verfassungsgerichtshof den Beschwerdeführern entgegen, sie übersehen, daß der Änderung des Bebauungsplanes auch öffentliche Interessen zugrunde gelegen seien, und auch mit dem sonstigen Vorbringen die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

In ihrem ergänzenden Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof behaupten die Beschwerdeführer, die der Bauverhandlung zugrunde gelegenen Pläne hätten sich als nicht ordnungsgemäß und nicht überprüfbar herausgestellt, sodaß die Bauverhandlung auch nicht hätte geschlossen werden können, sondern nur unterbrochen worden sei. Die am Bauverfahren beteiligten Parteien hätten ein Recht, daß sämtliche formellen Voraussetzungen für die Bauverhandlung gegeben seien. Da diese Voraussetzungen zur Bauverhandlung nicht gegeben gewesen seien und entgegen den Zusicherungen der Baubehörde keine weitere Bauverhandlung durchgeführt worden sei, seien die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Außerdem sei die Vorgangsweise der Baubehörde, nach Vorlage der geänderten Pläne keine weitere Bauverhandlung mehr anzusetzen, als Mangelhaftigkeit des Verfahrens anzusehen, was jedenfalls eine Rechtswidrigkeit darstelle und in die Rechte der Beschwerdeführer eingreife. Im gegenständlichen Fall handle es sich nicht um einen Umbau sondern um einen Neubau. Durch diese falsche Zuordnung seien Rechte der Beschwerdeführer verletzt worden. Das nunmehr vorliegende Objekt habe größere Ausmaße, insbesondere höhere Wände, was eindeutig gegen die Bauordnung verstoße und natürlich in Rechte der Anrainer erheblich eingreife. Es stelle eine Rechtswidrigkeit dar, daß die Gemeinde einseitig zu Gunsten der Bauwerberin eine Baumassenerhöhung festgesetzt habe, wodurch Nachbarrechte verletzt würden, obwohl eine Baumassenerhöhung im gegenständlichen Bereich nicht möglich sei und daher als rechtswidrig bezeichnet werden müsse. Durch die Baumassenerhöhung werde in die Rechte der Beschwerdeführer auf Licht, Sonne und Trockenheit eingegriffen. Weiters sei es als rechtswidrig zu bezeichnen, daß die Baubewilligung für eine Bauwerberin erteilt werde, die nicht grundbücherliche Eigentümerin ist, weil nach dem Gesetz nur der grundbücherliche Eigentümer um die Baubewilligung ansuchen und nur diesem die Genehmigung erteilt werden dürfe. Die Erteilung der Baugenehmigung für einen nicht grundbücherlich eingetragenen „Eigentümer“ erweise sich als nichtig.

Über die Beschwerde, den ergänzenden Schriftsatz sowie über die Gegenschrift der belangten Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst ist festzustellen, daß der Nachbar im baubehördlichen Bewilligungsverfahren nach den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 43/1978 (Wiederverlautbarung), in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 19/1984, ein beschränktes Mitspracherecht besitzt, wobei nach § 30 Abs. 4 letzter Satz TBO subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen insbesondere auf Vorschriften gestützt werden können, die die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken vorschreiben oder die Festlegung über die Bauweise, die Bauhöhe, die Abstände von Gebäuden, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz zum Inhalt haben. Der Nachbar besitzt also nicht schlechthin einen Rechtsanspruch darauf, daß das Bauvorhaben alle Bestimmungen, die die Baubehörde wahrzunehmen hat, einhält, wohl aber einen Anspruch darauf, daß eine Baubewilligung jedenfalls dann nicht erteilt wird, wenn ein dem Nachbarn gesetzlich eingeräumtes subjektiv-öffentliches Recht verletzt wird. Zur Wahrnehmung der Rechte des Nachbarn sieht § 29 Abs. 3 TBO auch vor, daß die Nachbarn zur Bauverhandlung zu laden sind.

Im vorliegenden Fall sind die Beschwerdeführer als Nachbarn zur mündlichen Verhandlung vor der Baubehörde erster Instanz ordnungsgemäß unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen worden und sie haben bei dieser Verhandlung, wie in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegeben, keine Einwendungen gegen das Bauvorhaben der mitbeteiligten Bauwerberin erhoben. Sie haben allerdings vorgebracht, daß der Altbestand ihres Hauses im Bauplan nicht richtig wiedergegeben worden sei und befürchtet, daß das westseitige Fenster ihres Hauses in der beabsichtigten Dachkonstruktion „verschwinden“ würde. Sie erklärten, eine endgültige Stellungnahme zum Projekt erst abgeben zu können, wenn eine genaue Bestandaufnahme der derzeitigen Objekte mit genauen Eintragungen der Fenster vorgenommen worden sei, was sie ausdrücklich beantragten. In dieser Verhandlung wurde, soweit der im Akt erliegenden Niederschrift entnommen werden kann, weder eine Vertagung der Verhandlung verfügt, noch wurde das Projekt endgültig abgehandelt, weil nach der Verhandlungsschrift nicht einmal der technische Amtssachverständige zu dem Projekt dahingehend Stellung genommen hat, ob es genehmigungsfähig ist oder nicht bzw. inwieweit die Projektspläne etwa im Hinblick auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Nachbarn ergänzungsbedürftig seien oder nicht. Soweit unter Vorgriff auf die weiteren Verfahrensschritte angenommen werden darf, sind sich bei dieser Verhandlung offensichtlich der Verhandlungsleiter und der technische Amtssachverständige darüber im klaren gewesen, daß das Bauvorhaben den damals geltenden Bestimmungen betreffend Bebauungsplan der Stadtgemeinde nicht entsprochen hat, weil in der Folge aus Anlaß dieses Projektes eine Änderung des Bebauungsplanes beschlossen wurde.

Im Hinblick auf diese ergänzungsbedürftige Verhandlung sowie die danach erfolgte Änderung des Bebauungsplanes hätte die Baubehörde erster Instanz entweder neuerlich eine Verhandlung durchführen oder aber den Nachbarn die erfolgte Änderung der Rechtslage zur Kenntnis bringen müssen. Tatsächlich hat nun die Baubehörde erster Instanz, wie sich aus dem zitierten Aktenvermerk vom 14. Februar 1985 ergibt, eine Einigung zwischen den beschwerdeführenden Nachbarn und der Bauwerberin auf später vorgelegte ergänzende Plandarstellungen erzielt. In sachlicher Hinsicht sind also hinsichtlich des Projektes die beschwerdeführenden Nachbarn mit der Projektswerberin zu einem gemeinsamen Ergebnis gelangt. Lediglich hinsichtlich der Kosten des für die Beschwerdeführer einschreitenden Anwaltes konnte eine Einigung nicht erzielt werden, sodaß aus diesem Grunde die früher in Aussicht gestellte Zustimmung zum Bauvorhaben als Ganzem von den Beschwerdeführern nicht gegeben wurde. Diese Verfahrensschritte, die zumindest zu einer teilweisen Einigung zwischen der Bauwerberin und den beschwerdeführenden Nachbarn geführt haben, haben allerdings nicht die Pflicht der Baubehörde erster Instanz aufgehoben, in formeller Hinsicht auch das Parteiengehör zur geänderten Rechtslage zu gewähren, sodaß in dieser Beziehung der Behörde erster Instanz ein Verfahrensmangel unterlaufen ist. Ein weiterer Verfahrensmangel ist, wie schon erwähnt, der Baubehörde erster Instanz dadurch unterlaufen, daß die Verhandlungsschrift keine Aussagen darüber enthält, wie der technische Amtssachverständige das Bauvorhaben beurteilte und welche weitere Schritte der Verhandlungsleiter bei dieser Verhandlung in Aussicht genommen hat.

Diese Verfahrensmängel sind aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dadurch als geheilt anzusehen, daß die Beschwerdeführer in der Berufung die Möglichkeit hatten, alle jene Gesichtspunkte aufzuzeigen, die sie bei einem ordnungsgemäß ergänzten erstinstanzlichen Verfahren noch vor der Baubehörde erster Instanz hätten vorbringen können. Von dieser Möglichkeit haben die Beschwerdeführer auch Gebrauch gemacht, sodaß die der Behörde erster Instanz unterlaufenen Verfahrensmängel nicht als solche zu werten sind, die zu einer Aufhebung des nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides nach § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG führen müßten. In dieser Beziehung erweist sich daher die Mangelhaftigkeit der Bauverhandlung und des weiteren Verfahrens vor der Baubehörde erster Instanz als keine Rechtswidrigkeit, die, wie die Beschwerdeführer vermeinen, zu einer Aufhebung des nunmehr angefochtenen Bescheides der belangten Behörde zu führen hat.

Daß aber der der Baubehörde erster Instanz schon bei der Bauverhandlung vorliegende Bauplan derart ergänzungsbedürftig geblieben wäre, daß die Beschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als Nachbarn nicht hätten erkennen können, was Gegenstand des Bauvorhabens ist und inwieweit dadurch in ihre Rechte eingegriffen werden könnte, haben die Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht dartun können. Da weiters der Nachbar keinen Rechtsanspruch darauf besitzt, daß die Planunterlagen vollständig sind, können geringfügige Mängel in den Bauplänen keine Beeinträchtigung der Nachbarn bedeuten (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1983, Zl. 82/06/0193, BauSlg. Nr. 59). Da die ergänzten Planunterlagen im Einvernehmen mit den Nachbarn erstellt wurden ‑ dies wird auch in der Beschwerde nicht bestritten ‑, kann durch die vorgenommene Planergänzung nicht zu Recht eine Verletzung von Nachbarrechten behauptet werden (dies wird auch von den Beschwerdeführern nicht behauptet).

Inhaltlich behaupten die Beschwerdeführer, in Wahrheit wäre das Vorhaben der Bauwerberin als Neubau zu qualifizieren, der als solcher in dem hier maßgeblichen Gebiet nicht zulässig sei. Schon die in der Sachverhaltsdarstellung vorgenommene Beschreibung des baubehördlich bewilligten Projektes zeigt, daß dieses Vorbringen nicht zutrifft, weil nach der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 5 TBO ein Neubau die Errichtung eines neuen Gebäudes ist, und zwar auch dann, wenn nach Abtragung eines Gebäudes Teile dieses Gebäudes, wie Fundamente oder Mauern, wieder verwendet werden. Im konkreten Fall ändert sich im Erdgeschoß sowie in den beiden Obergeschoßen am Äußeren des Altbestandes überhaupt nichts, lediglich ein Dachgeschoß wird zusätzlich aufgesetzt und das Dach enthält unter gleichzeitiger Anhebung eine andere Form. Eine solche Bauführung ist als Umbau im Sinne des § 3 Abs. 7 in Verbindung mit einem Zubau (Aufbau) im Sinne des § 3 Abs. 6 TBO zu bezeichnen, sodaß das Vorbringen der Beschwerdeführer sich insoweit als rechtsirrig erweist.

Bezüglich der Gebäudehöhe und der Baumassenerhöhung entspricht das Bauvorhaben dem in dieser Beziehung geänderten Bebauungsplan der Stadtgemeinde, gegen dessen Gesetzmäßigkeit im Hinblick auf die damit erreichte Generalsanierung des Gebäudes im Interesse der Altstadterhaltung keine Bedenken bestehen, wie insbesondere die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen zur Erlassung dieser Verordnung zeigen, und auch der Verfassungsgerichtshof in dem erwähnten Beschluß vom 12. Juni 1987, Zl. B 861/86, zum Ausdruck gebracht hat. In welcher Beziehung aber diese Verordnung einer gesetzlichen Bestimmung widersprechen sollte, konnten die Beschwerdeführer auch in ihrem ergänzenden Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof nicht dartun. Wenn in diesem Zusammenhang behauptet wird, die Baumassenerhöhung greife in Rechte der Anrainer auf Licht, Sonne und Trockenheit ein, so übersehen sie, daß die Tiroler Bauordnung den Nachbarn ein derartiges Recht gar nicht einräumt, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, daß hier im Bereich der geschlossenen Bauweise eine Verbauung des Bauplatzes von Grundgrenze zu Grundgrenze grundsätzlich sogar vorgesehen ist, sofern nicht besondere, hier nicht gegebene Gesichtspunkte zum Tragen kommen.

Die Beschwerdeführer behaupten schließlich, einer vom Grundeigentümer verschiedenen Person hätte die baubehördliche Bewilligung nicht erteilt werden dürfen. In dieser Beziehung verkennen die Beschwerdeführer die Rechtslage. Gerade der Umstand, daß nach § 27 Abs. 2 lit. b TBO der Bauwerber seinem Bauansuchen, sofern es sich um einen Neu-, Zu- oder Umbau handelt, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers bzw. Bauberechtigten anzuschließen hat, zeigt, daß auch eine vom Grundeigentümer verschiedene Person berechtigt ist, ein Ansuchen um Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung einzubringen. Im übrigen haben die Beschwerdeführer vor der Baubehörde erster Instanz auch mit dem Grundeigentümer bezüglich der Projektsänderung verhandelt, sodaß sie in Wahrheit sich darüber im klaren waren, daß der Grundeigentümer der Bauwerberin die Zustimmung zu dem letztlich bewilligten Projekt erteilt hat, mag auch ein derartiger Beleg entsprechend der gesetzlichen Bestimmung dem Bauansuchen nicht beigeschlossen gewesen sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt, wie bereits die gemeindliche Berufungsbehörde und auch die belangte Behörde zutreffend festgestellt haben (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1983, Zl. 83/05/0201, BauSlg. Nr. 154, u.a.), dem Nachbarn in dieser Frage im übrigen ein Mitspracherecht nicht zu. Da auf Grund der dargelegten Erwägungen durch die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung subjektiv-öffentliche Rechte der beschwerdeführenden Nachbarn jedenfalls nicht verletzt wurden, kann es dahingestellt bleiben, ob sie, wie dies die belangte Behörde offensichtlich in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck bringt, zur Gänze tatsächlich als präkludiert anzusehen waren. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich noch veranlaßt festzustellen, daß entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides Gegenstand einer Einigung des Bauwerbers mit Nachbarn auch solche Änderungen eines Projektes sein können, die subjektiv‑öffentliche Nachbarrechte zum Gegenstand haben, weil ein Bauwerber regelmäßig nicht gezwungen ist, in einer bestimmten Art und Weise sein Projekt zu gestalten und er bei der Gestaltung seines Projektes auch Wünsche von Nachbarn, sofern sie keine Gesetzesverletzung bedeuten, zu berücksichtigen imstande ist. Gerade in dieser Beziehung hat im Beschwerdefall die Projektswerberin gewisse Wünsche der beschwerdeführenden Nachbarn berücksichtigt.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich das Beschwerdevorbringen in allen Punkten als nicht begründet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Kostenersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.

Bei der gegebenen Situation erübrigte sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführer, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, 10. Dezember 1987

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