VwGH 85/18/0054

VwGH85/18/005418.10.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schieferer, über die Beschwerde des Dr. RH in W, vertreten durch Dr. Johann Fontanesi, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 28/1/12, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. Dezember 1981, Zl. MA 70-IX/H 112/81/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VStG §25 Abs2;
AVG §18 Abs4;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VStG §25 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 17. Februar 1981 erkannte die Bundespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 52 Z. 10 a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) schuldig, weil er am 20. Februar 1980 um 09.54 Uhr in Wien II, A 20, Höhe Donaukanal in Richtung 22. Bezirk, einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt und die durch Verbotszeichen gemäß § 52 Z. 10 a StVO erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erheblich überschritten habe; gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe 60 Stunden) verhängt.

Die gegen dieses Straferkenntnis vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab und bestätigte das Straferkenntnis in der Schuldfrage mit der Ergänzung, daß die Übertretungsnorm zu lauten habe: § 52 Z. 10 a in Verbindung mit § 20 Abs. 1 StVO; die Geldstrafe wurde auf S 700,-- (Ersatzarreststrafe 42 Stunden) herabgesetzt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe eingewendet, das gegenständliche Fahrzeug sei ihm zwar vom Zulassungsbesitzer überlassen worden, er habe es jedoch weiter verborgt gehabt, könne aber nicht mehr angeben, an welche Person. Außerdem sei von ihm als Substitut der Rechtsanwaltskanzlei Dr. J um 10.00 Uhr ein Termin beim Handelsgericht Wien wahrgenommen worden, was durch die Kanzlei bestätigt worden sei. Diesem Vorbringen sei entgegenzuhalten, daß die Zeugenaussage der Kanzleiangestellten die Angaben des Beschwerdeführers nur insofern bestätigt habe, sie hätte gewußt, daß der Beschwerdeführer "immer die Verhandlungen in dieser Sache gemacht" habe. Angaben, die konkret dafür sprächen, daß der Beschwerdeführer die Verhandlung auch am Tag der Verwaltungsübertretung erledigt habe, habe sie nicht machen können. Aus den Aufzeichnungen im Terminkalender gehe nicht hervor, wer die Verhandlung verrichtet habe. Im Zuge des Berufungsverfahrens sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, eine Abschrift des Tagsatzungsprotokolles vorzulegen; er sei jedoch dieser Aufforderung trotz angemessener Frist nicht nachgekommen, weshalb dieser Beweis als mißlungen angesehen werden könne. Nach Ansicht der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer seine Ausführungen nicht glaubhaft machen können. Außerdem sei es doch das Naheliegendste, wenn der Bfr tatsächlich nicht der verantwortliche Lenker gewesen wäre, dies bereits im Einspruch anzugeben. Die angelastete Tathandlung sei im Hinblick auf die glaubhaften Angaben des Meldungslegers als erwiesen anzusehen, weshalb der Schuldspruch der Erstbehörde zu bestätigen gewesen sei. Die "Spruchabänderung" habe der "ausreichenden Zitierung" gedient. Die Strafe sei spruchgemäß herabgesetzt worden, da der Beschwerdeführer einschlägig nicht vorbestraft sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer meint, als Hauptbeweisstück komme der Akt 10 Cg 26/80 des Handelsgerichtes Wien in Betracht. In dieser Sache habe er am 20. Februar 1980 um 10.00 Uhr die erste Tagsatzung verrichtet. Er sei pünktlich um 10.00 Uhr bzw. noch einige Zeit vor diesem Zeitpunkt vor dem Verhandlungssaal anwesend gewesen, um den Aufruf nicht zu überhören. Dies sei wesentlich gewesen, da er seiner Erinnerung zufolge die beklagte Partei vertreten habe und daher Säumnisfolgen hintanzuhalten gehabt habe. Er habe die Behörde auf diese Akten zuletzt mit Schriftsatz vom 9. Dezember 1981 ausdrücklich aufmerksam gemacht. Die belangte Behörde müsse diesen Schriftsatz, welcher an die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, "gegangen" sei, rechtzeitig vor Verfassen der Berufungsentscheidung erhalten haben. Schließlich sei zwischen Ausarbeitung des angefochtenen Bescheides am 11. Dezember 1981 und Zustellung am 19. Jänner 1982 genügend Zeit vergangen. Die Behörde stelle sich auf den Standpunkt, es obliege ihm als Beschuldigten, den gegenständlichen Akt bzw. eine Abschrift des Tagsatzungsprotokolles vorzulegen. Er habe in dem Schriftsatz vom 9. Dezember 1981 ausgeführt, daß ihm dies derzeit unmöglich sei. Außenstehende hätten in Strafakten keine Akteneinsicht. Dies gelte auch für die beigeschlossenen Zivilakten. Nun verhalte es sich derzeit so, daß er dem Auftrag der belangten Behörde gar nicht habe nachkommen können, da der Akt 10 Cg 26/80 seit dem 12. August 1980 dem Akt 13a Vr 248/80, Ur 131/80 des Kreisgerichtes Korneuburg beigeschlossen sei. Dies lasse sich jederzeit durch Erhebungen beim Handelsgericht Wien bzw. Kreisgericht Korneuburg feststellen. Es hätte daher nur die belangte Behörde die Möglichkeit gehabt, sich diesen Akt beischaffen zu lassen, um daraus die wesentlichen Feststellungen zu treffen, nämlich, daß er, der Beschwerdeführer, am 20. Februar 1980 um 10.00 Uhr die erste Tagsatzung verrichtet habe und es daher nicht möglich gewesen wäre, daß er sechs Minuten vorher auf der 10 km entfernten Südosttangente die Höchstgeschwindigkeit überschritten habe.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht. Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 9. Dezember 1981 (eingelangt bei der Bundespolizeidirektion Wien am 11. Dezember 1981) darauf hingewiesen, daß der Akt mit dem Tagsatzungsprotokoll des Handelsgerichtes Wien 10 Cg 26/80 sich beim Kreisgericht Korneuburg befinde und bei diesem Gericht zum Akt 13a Vr 248/80, Ur 131/80 seit dem 12. August 1980 angeschlossen sei, weshalb er derzeit keinen Zugang dazu habe. Dieser Schriftsatz ist an die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, gerichtet worden; da die belangte Behörde die ergänzenden Ermittlungen von der Bundespolizeidirektion Wien durchführen ließ, war insofern der Schriftsatz des Beschwerdeführers an die Behörde ergangen, an die er auf Grund der Aufforderung zu ergehen hatte. Wenn auch der angefochtene Bescheid mit 11. Dezember 1981, dem gleichen Zeitpunkt also, an dem der Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 9. Dezember 1981 bei der Bundespolizeidirektion Wien einlangte, datiert ist, so ist dies dennoch rechtlich unerheblich, denn die im Datum eines Bescheides zum Ausdruck gekommene Zeitangabe ist für den Eintritt der Rechtswirkungen eines Bescheides ohne Belang (Erkenntnis vom 17. Mai 1965, Slg. Nr. 6693/A). Die belangte Behörde weist in ihrer Gegenschrift darauf hin, daß der in Rede stehende Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 9. Dezember 1981 erst am 20. Jänner 1982 und somit nach Erlassung des angefochtenen Bescheides am 19. Jänner 1982 bei ihr eingelangt sei; er habe daher gar nicht mehr berücksichtigt werden können.

Dem ist entgegenzuhalten, daß - wie bereits oben ausgeführt - der Schriftsatz bereits am 11. Dezember 1981 bei der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, eingelangt ist; der Schriftsatz befand sich somit ab diesem Zeitpunkt bereits, da sich die belangte Behörde im Berufungsverfahren auch zur Gewährung des Parteiengehörs der Erstbehörde bediente, in der der belangten Behörde zuzurechnenden Sphäre; daß dieser Schriftsatz von der Bundespolizeidirektion Wien erst mit Schreiben vom 7. Jänner 1982 der belangten Behörde übersandt wurde, wo er erst am 20. Jänner 1982 einlangte, kann nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, im Sinne des Schriftsatzes vom 9. Dezember 1981 weitere Ermittlungen durchzuführen.

Der Sachverhalt ist nach dem Gesagten in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 18. Oktober 1985

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