VwGH 85/08/0116

VwGH85/08/011630.1.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, über die Beschwerde der FS Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Gottfried Peloschek, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesministers, für soziale Verwaltung vom 15. Mai 1985, Zl. 122.520/3-6/85, wegen Beitragsvorschreibung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, Wien X, Wienerbergstraße 15- 19), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4;
ASVG §410 Abs1 Z1;
ASVG §68 Abs1;
ASVG §68 Abs2;
ASVG;
AVG §68 Abs1;
ASVG §4;
ASVG §410 Abs1 Z1;
ASVG §68 Abs1;
ASVG §68 Abs2;
ASVG;
AVG §68 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Verwaltung) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin meldete FS am 2. Dezember 1975 mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1975 bei der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse an. Mit Bescheid vom 17. Februar 1976 sprach die Mitbeteiligte aus, daß FS ab 1. Oktober 1975 zur Beschwerdeführerin in keinem die Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1958 begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe und die darauf bezughabende Anmeldung abgelehnt werde. Den dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Einspruch wies der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 29. November 1976 ab.

Der von der Beschwerdeführerin gegen den Einspruchsbescheid erhobenen Berufung gab der Bundesminister für soziale Verwaltung mit Bescheid vom 21. April 1977 keine Folge. Diesen Berufungsbescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. September 1979, Zl. 1304/77, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Darin brachte der Gerichtshof unter anderem zum Ausdruck, daß im fortgesetzten Verfahren bei der Beurteilung der Frage, ob FS Dienstnehmer der Beschwerdeführerin im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG sei, auch die Frage zu prüfen sein werde, ob ihm als Gesellschafter der Beschwerdeführerin auf deren Gestion ein beherrschender Einfluß zukomme. Diese Frage wurde von den Gesellschaftern der Beschwerdeführerin anläßlich einer am 14. Februar 1980 aufgenommenen Niederschrift einstimmig verneint. Mit dem an die Mitbeteiligte gerichteten Schreiben vom 25. März 1980 ersuchte die Beschwerdeführerin, ihr die Beiträge (für FS) für die Zeit von Oktober 1975 bis Februar 1980 vorzuschreiben. Daraufhin übermittelte die Mitbeteiligte der Beschwerdeführerin Kontoauszüge vom 3. Juni 1980 über die Beiträge für die Zeit vom 1. Oktober 1975 bis einschließlich April 1980. Dazu nahm die Beschwerdeführerin im Schreiben vom 1. Juli 1980 Stellung; sie vertrat darin die Auffassung, daß diese Vorschreibungen, soweit sie sich auf die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur Unfallversicherung bezögen, zu Unrecht erfolgten, da FS bei Krankheit oder im Falle eines Unfalles von der Mitbeteiligten keine Leistung erhalten hätte; er sei vielmehr gezwungen gewesen, für die nicht versicherte Zeit privat Vorsorge zu treffen. Vorsorglich wurde um eine Stundung des Beitragsrückstandes ersucht. Dazu vertrat die Mitbeteiligte in ihrem Schreiben vom 10. Juli 1980 die Auffassung, es stehe nunmehr auf Grund der obgenannten Niederschrift vom 14. Februar 1980 fest, daß FS als Dienstnehmer der Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 1975 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege. Gleichzeitig mit der Versicherungspflicht entstehe die Verpflichtung zur Beitragszahlung. Sie sei unabhängig von einem eventuellen Leistungsbezug.

Die Beiträge seien für die Dauer der Versicherung zu entrichten, auch wenn aus einzelnen Sparten der Versicherung kein Leistungsbezug resultiere. Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 24. Juli 1980 gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG die Erlassung eines Bescheides hinsichtlich der Nachverrechnung für den Beitragszeitraum vom 1. Oktober 1975 bis 30. April 1980. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1980 gab die Mitbeteiligte der Beschwerdeführerin bekannt, daß die für FS für die Zeit vom 1. Oktober 1975 bis 30. April 1980 in Höhe von S 251.883,-- vorgeschriebenen Beiträge vorläufig von der Mitbeteiligten nicht eingehoben würden. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, daß die Beitragsvorschreibung wieder aufleben werde, wenn der Bundesminister für soziale Verwaltung im fortgesetzten Verfahren dem Standpunkt der Beschwerdeführerin Rechnung tragen und feststellen sollte, daß FS auf Grund seiner Beschäftigung bei der Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 1975 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem ASVG bzw. dem AlVG unterliege. In diesem Fall werde die Mitbeteiligte im gegebenen Zeitpunkt auf die Beitragsvorschreibung zurückkommen. Mit Bescheid vom 28. April 1983 sprach der Bundesminister für soziale Verwaltung im fortgesetzten Verfahren schließlich aus, daß FS auf Grund seiner Tätigkeit für die Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 1975 der Vollversicherungs- und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1958 unterliege.

Mit dem über neuerlichen Antrag der Beschwerdeführerin erlassenen Bescheid vom 1. September 1983 sprach die Mitbeteiligte aus, daß die Beschwerdeführerin als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG auf Grund näher angeführter gesetzlicher Bestimmungen verpflichtet sei, für die Zeit vom 1. Oktober 1975 bis 28. Februar 1980 Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in der Gesamthöhe von S 251.883,-- an die Mitbeteiligte zu entrichten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die (gemäß § 73 AVG 1950 zuständig gewordene) belangte Behörde den Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den genannten Bescheid der Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab. Zu dem (im Beschwerdeverfahren allein relevanten) Verjährungseinwand der Beschwerdeführerin vertrat die belangte Behörde die Auffassung, es komme weder eine Feststellungsverjährung noch eine im gegenständlichen Verfahren gar nicht aktuelle Einhebungsverjährung zum Tragen. Gemäß § 68 Abs. 1 ASVG letzter Satz werde die Verjährung des Feststellungsrechts durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt werde. Die Frage der Versicherungspflicht als conditio sine qua non der Beitragspflicht müsse in diesem Zusammenhang wohl als die fundamentalste Maßnahme angesehen werden, und zwar auch dann, wenn sich der Umstand, der zu einer Feststellung der Beitragspflicht führen könnte, vorerst nicht verwirklicht habe. Der diesbezügliche Bescheid der Mitbeteiligten vom 17. Februar 1976, der die Versicherungspflicht des FS verneint, aber in der Folge keine Rechtskraft erlangt habe, sei unzweifelhaft für den Beginn des gegenständlichen Zeitraumes innerhalb der Zweijahresfrist erlassen worden. Damit sei die Verjährung unterbrochen worden. Infolge schwebender Verfahren habe diese Unterbrechung bis zur endgültigen Entscheidung der belangten Behörde vom 28. April 1983 angehalten. Vor dieser Entscheidung habe für die Mitbeteiligte kein Rechtstitel für eine Beitragsvorschreibung bestanden. Erst nach Rechtskraft der Entscheidung habe die zweijährige Verjährungsfrist für die Mitbeteiligte neu zu laufen begonnen. Da ihr Bescheid noch im Jahre 1983 auf Antrag der Beschwerdeführerin erlassen worden sei, sei der Verjährungseinwand unbegründet.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand; die Mitbeteiligte beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin vertritt in ihrer Beschwerde zunächst die Auffassung, es sei das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG für die Zeit vom 1. Oktober 1975 bis 28. Februar 1980 spätestens seit 1. März 1982 verjährt, da hinsichtlich dieser Beiträge nur die in dieser Bestimmung vorgesehene zweijährige Verjährungsfrist in Betracht gekommen sei, eine Unterbrechung der Verjährung nach dem letzten Satz des § 68 Abs. 1 leg. cit. (auf Grund der in der Folge angeführten Erwägungen) nicht vorliege und somit die Verjährungsfrist selbst für die Beiträge für Februar 1980 bereits am 1. März 1980 zu laufen begonnen habe. Entgegen der Meinung der belangten Behörde komme dem Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 17. Februar 1976 keine Unterbrechungswirkung im Sinne der genannten Gesetzesstelle zu. Denn es könne nicht ernsthaft behauptet werden, daß ein Bescheid, der die Versicherungspflicht ablehne, eine Maßnahme zum Zwecke der Feststellung von Beitragsverpflichtungen darstelle. Dieser Bescheid enthalte ja gerade das Gegenteil von dem, was die genannte Bestimmung vorsehe. Denn Ablehnung der Versicherungspflicht bedeute Ablehnung von Versicherungsschutz und somit gleichzeitig auch von Beitragszahlungen. Der genannte Bescheid sei daher gegen die Feststellung von Beitragsverbindlichkeiten gerichtet. Gegen die Auslegung der belangten Behörde spreche weiters, daß der Bescheid der mitbeteiligten Partei bereits am 17. Februar 1976 erlassen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der Lauf der Verjährungsfrist für die Beiträge ab Februar 1976 noch gar nicht in Gang gesetzt gewesen; es habe daher der zitierte Bescheid schon rein begrifflich nicht eine Verjährungsfrist, die erst später zu laufen begonnen habe, unterbrechen können.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß - bezogen auf die nachverrechneten Beiträge -

nur die zweijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG sowohl in der ab 1. Jänner 1973 geltenden Fassung der 29. Novelle, BGBl. Nr. 31/1973, als auch in der ab 1. Jänner 1980 geltenden Fassung der 34. Novelle, BGBl. Nr. 530/1979, in Betracht kommt. Strittig ist lediglich, ob ein Unterbrechungstatbestand im Sinne des letzten Satzes des § 68 Abs. 1 leg cit. vorliegt. Darnach (in Verbindung mit dem ersten Satz der zitierten Gesetzesbestimmung) wird die Verjährung des Feststellungsrechtes (das ist: des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen) durch jede zum Zweck der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Welche Maßnahmen geeignet sind, eine solche Unterbrechungswirkung im Sinne dieser Bestimmung wirksam herbeizuführen, ist im Gesetz nicht ausdrücklich angeführt. Das Gesetz verlangt allerdings, daß der Zahlungspflichtige von einer solchen Maßnahme in Kenntnis gesetzt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer solchen Maßnahme jede nach außenhin in Erscheinung tretende und dem Beitragsschuldner zur Kenntnis gebrachte Tätigkeit des zuständigen Versicherungsträgers zu verstehen, die der rechtswirksamen Feststellung der Beitragsschuld dient (vgl. die Erkenntnisse vom 21. März 1985, Zl. 83/08/0135, vom 24. Jänner 1985, Zlen. 83/08/0095, 0096, 0097 und vom 31. Mai 1972, Slg. Nr. 8245/A).

Bei der Beurteilung der Frage, ob der mehrfach genannte Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 17. Februar 1976 eine Maßnahme im Sinne des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG darstellt, ist davon auszugehen, daß die Beitragspflicht, nämlich die Verpflichtung des Beitragsschuldners (im Regelfall des Dienstgebers), auf seine Gefahr und Kosten die fälligen Beiträge an den zuständigen Träger der Krankenversicherung unaufgefordert einzuzahlen (§ 58 Abs. 3 ASVG), im allgemeinen (von den Ausnahmen des § 56 leg. cit. abgesehen) das Bestehen der Pflichtversicherung nach den Bestimmungen der §§ 4 ff ASVG voraussetzt und demgemäß - in der Regel - die Versicherungspflicht die entscheidende Vorfrage der Beitragspflicht (vgl. unter anderem die Erkenntnisse verstärkter Senate vom 13. November 1978, Slg. Nr. 9689/A, und vom 12. Mai 1980, Slg. Nr. 10.121/A) oder - nach den Worten der belangten Behörde - ihre "conditio sine qua non" ist. Daraus folgt aber - entgegen der Auffassung der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei - nicht, daß der die Versicherungspflicht der Person, für die Beiträge gefordert werden, verneinende Abspruch als eine der Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen dienende Maßnahme anzusehen ist. Denn der normative Gehalt einer nur über die Versicherungspflicht (und nicht auch über die Beitragspflicht) als Hauptfrage absprechenden, sie verneinenden Entscheidung besteht lediglich darin, daß die Voraussetzungen der Versicherungspflicht einer Person ab einem bestimmten Zeitpunkt während der Dauer der Beschäftigung, an die der Anmeldende die behauptete Versicherungspflicht geknüpft hat, nicht vorliegen (vgl. zum zeitlichen Wirkungsbereich eines über die Versicherungspflicht absprechenden Bescheides die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1984, Zl. 82/08/0087, vom 30. Mai 1985, Zlen. 85/08/0041, AW 85/08/0011, und vom 4. Juli 1985, Zl. 83/08/0070). Daß diese Entscheidung auch insofern mittelbar für die Entscheidung über die Beitragspflicht von Bedeutung ist, als sie für letztere eine Vorfragenentscheidung durch die in der Hauptsache für sie zuständige Behörde darstellt, läßt sie nicht als eine Maßnahme zum Zwecke der Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen im Sinne des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG erscheinen. Ansonsten müßte auch einem Bescheid, mit dem - bloß - die Versicherungspflicht bejaht wurde (und zwar noch mehr als einem Bescheid, mit dem sie verneint wurde) als "mittelbare Maßnahme" Unterbrechungswirkung für den Fall zukommen, daß trotz der positiven Entscheidung über die Versicherungspflicht keine unmittelbar auf die Feststellung der Beitragszahlungspflicht gerichtete Maßnahme erfolgt. Diese Konsequenz ist aber mit dem aus § 68 Abs. 1 erkennbaren Regelungszweck, nach dem immer dann (aber nur dann) eine Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen eintreten soll, wenn gegenüber dem Beitragsschuldner innerhalb der gesetzten Fristen keine auf die Verpflichtung zur Beitragszahlung gerichtete Maßnahme gesetzt wird, nicht vereinbar. Für die Auffassung der belangten Behörde kann auch nicht etwa ins Treffen geführt werden die mitbeteiligte Partei sei, als Folge ihrer die Versicherungspflicht des FS ablehnenden Entscheidung, an der Rechtsverfolgung in bezug auf die Feststellung der Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Zahlung von Beiträgen im Sinne der Ausführungen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1985, Zl. 83/08/0135, gehindert gewesen und es liege deshalb ein dem in § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG normierten Unterbrechungstatbestand gleichartiger vor. Denn es war der mitbeteiligten Partei, mangels Abspruchs über die Beitragspflicht als Hauptfrage, bis zur Rechtskraft ihres Bescheides über die Versicherungspflicht bei einem allfälligen Verfahren über die Beitragspflicht als Hauptfrage keinesfalls verwehrt, Maßnahmen im Sinne des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG, die nicht unbedingt Bescheide sein müssen, zu treffen, wie es ja auch die mitbeteiligte Partei letztlich mit der Übersendung der Kontoauszüge vom 3. Juni 1980 getan hat.

Diese Übersendung von Kontoauszügen stellte aber eine Maßnahme im Sinne des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG dar, weil sie im Sinne der obigen Ausführungen auf die Feststellung der Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Zahlung von Beiträgen gerichtet war. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar in ihrer Äußerung zur Gegenschrift der mitbeteiligten Partei, es sei, billige man dem Verfahren über die Versicherungspflicht eine unterbrechende Wirkung im Sinne des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG zu, zwischen der obgenannten ergänzenden Erhebung vom 14. Februar 1980 und dem 28. April 1983, dem Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde hinsichtlich der Versicherungspflicht des FS, keine weitere, die Verjährung unterbrechende Maßnahme gesetzt worden, begründet dies aber nicht. In der Beschwerde befaßt sie sich mit der Frage, ob nicht im Hinblick auf das Schreiben der mitbeteiligten Partei vom 2. Oktober 1980 eine Verjährung des Rechtes auf Einforderung der festgestellten Beitragsschulden nach § 68 Abs. 2 ASVG eingetreten sei. Aus diesem Schreiben ergebe sich nämlich, daß die Beitragsschulden der Beschwerdeführerin spätestens mit diesem Tag festgestanden seien. Für die Festsetzung von Beitragsrückständen sei ein Bescheid oder ein Rückstandsausweis nicht erforderlich. Eine Unterbrechung der Einforderungsverjährung nach § 68 Abs. 2 sei deshalb nicht eingetreten, weil nach der Übersendung der Kontoauszüge vom 3. Juni 1980 keinerlei Eintreibungsmaßnahmen mehr gesetzt worden seien, die mitbeteiligte Partei vielmehr die Beitragsnachforderung, die der Höhe nach bereits festgestanden sei, storniert und somit von sich aus von einer Eintreibung der Rückstände Abstand genommen habe. Es könne nicht der Sinn von Verjährungsvorschriften sein, daß Parteien oder Behörden durch einseitige Rechtshandlungen willkürlich Verjährungsvorschriften verlängern oder umgehen könnten.

Abgesehen davon, daß mit dem angefochtenen Bescheid nur über die Feststellung der Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Zahlung von Beiträgen im Sinne des § 68 Abs. 1 leg. cit. entschieden wurde, ist ihrer Auffassung entgegenzuhalten, daß jedenfalls in Fällen, in denen - wie im Beschwerdefall - zwischen dem Beitragsschuldner und dem Krankenversicherungsträger die Verpflichtung des Beitragsschuldners zur Zahlung von Beiträgen strittig ist, von "festgestellten Beitragsschulden" im Sinne des § 68 Abs. 2 ASVG nicht gesprochen werden kann. Andernfalls könnte während eines Streites zwischen dem Beitragsschuldner und dem Krankenversicherungsträger über die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen dem Grund oder der Höhe nach zwar nicht das Feststellungsrecht entsprechend der Bestimmung des § 68 Abs. 1 ASVG, wohl aber das Einforderungsrecht, auf das aber letztlich die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen abzielt, verjähren. Das bedeutet keineswegs, daß der Krankenversicherungsträger "durch einseitige Rechtshandlungen willkürlich Verjährungsvorschriften verlängern oder umgehen könnte". Denn es steht ja dem Beitragsschuldner im Fall eines Streites über die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen frei, eine Klärung dieser Frage dadurch herbeizuführen, daß er die Erlassung eines Bescheides nach § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG, im Falle der Säumnis des Krankenversicherungsträgers die Entscheidung des Landeshauptmannes nach § 410 Abs. 2 leg. cit. und bei dessen Säumnis die Entscheidung des Bundesministers für soziale Verwaltung gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 begehrt. Ein Eingehen auf die Eignung der Maßnahmen der mitbeteiligten Partei zur Unterbrechung der Einhebungsverjährung im Sinne des § 68 Abs. 2 ASVG bedurfte es daher nicht.

Die bezüglichen Argumente müssen aber nach den Beschwerdeausführungen wohl auch so verstanden werden, daß jedenfalls mit dem Schreiben der mitbeteiligten Partei vom 2. Oktober 1980 die Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG wieder zu laufen begonnen habe. Auch dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten. Denn unabhängig davon, ob es außer dem im schon genannten Erkenntnis vom 21. März 1985, Zl. 83/08/0135, behandelten Fall Fallkonstellationen gibt, in denen eine einmal nach § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG eingetretene Unterbrechung der Verjährung wieder zu laufen beginnt, stellt jedenfalls die Mitteilung des Krankversicherungsträgers an den Beitragschuldner im Zuge eines Streites über die Verpflichtung des letzteren zur Zahlung von Beiträgen, es werde - unter Aufrechterhaltung des grundsätzlichen Standpunktes des Krankenversicherungsträgers zur Beitragszahlungspflicht - bis zur Klärung der Versicherungspflicht der Person, für die Beiträge zu entrichten sind, vorläufig von der Einhebung von Beiträgen abgesehen, keinen Umstand dar, der die eingetretene Unterbrechung der Verjährung beenden könnte. Wegen der oben aufgezeigten verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des Beitragsschuldners zur Klärung seiner Beitragszahlungspflicht liegt auch darin keine Unbilligkeit.

Aus diesen Darlegungen folgt, daß jene Beiträge die innerhalb von zwei Jahren vor der Übersendung der Kontoauszüge vom 3. Juni 1980 an die Beschwerdeführerin fällig wurden nicht verjährt sind. Der Einwand der Beschwerdeführerin, es sei die Nachforderung von Beiträgen unbillig und sittenwidrig, weil der Dienstnehmer für diesen Zeitraum keinerlei Ansprüche aus der Kranken- und Unfallversicherung mehr in Anspruch nehmen könne, ist unberechtigt. Denn erstens wäre es, wie bereits ausgeführt wurde, der Beschwerdeführerin freigestanden, bereits ab Beginn des Streites über die Versicherungspflicht des FS eine Klärung der Beitragspflicht dem Grund und der Höhe nach herbeizuführen und auf diese Wiese die Entgegennahme von Beiträgen durch die mitbeteiligte Partei zu erwirken. Zweitens schließt ein Streit zwischen dem Krankenversicherungsträger und dem Beitragsschuldner hinsichtlich der Versicherungspflicht oder der Beitragspflicht weder in der Krankenversicherung zufolge der § 102 Abs. 1 ASVG noch in der Unfallversicherung §§ 86 Abs. 4, 102 Abs. 5 ASVG noch schließlich in der Pensionsversicherung zufolge der §§ 225 Abs. 1 Z. 1 lit. a leg cit. (aber auch nach den §§ 225 Abs. 1 Z. 1 lit. b in Verbindung mit § 230 Abs. 2 lit. a leg. cit.) die Geltendmachung entstandener Leistungsansprüche aus. Allfällige verfahrensrechtliche Erschwernisse der Geltendmachung der Leistungsansprüche während des genannten Streites indizieren keine Unbilligkeit im Sinne einer Unsachlichkeit, erst recht nicht das Nichtbestehen von Ansprüchen, weil - dem Wesen der Sozialversicherung als Schaffung von Riskengemeinschaften entsprechend - nicht jeder Beitragsleistung des einzelnen eine Gegenleistung der Gesamtheit der Versicherten an diesen gegenüberstehen muß (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1964, Zl. 1185/63, und vom 20. Juni 1980, Zl. 595/77).

Da aber nach den obigen Ausführungen die Auffassung der belangten Behörde, es sei die Verjährung des Feststellungsrechtes nach § 68 Abs. 1 ASVG durch den Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 17. Februar 1976 unterbrochen worden, rechtsirrig ist und demgemäß zumindest ein (auf Grund der getroffenen Feststellungen ziffernmäßig nicht abgrenzbarer) Teil der nachverrechneten Beiträge verjährt ist, war der angefochtene Bescheid zur Gänze wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. von der beantragen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 30. Jänner 1986

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