VwGH 85/08/0041

VwGH85/08/004130.5.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Gerscha, über die Beschwerde 1. der H-Gesellschaft m.b.H. und 2. des RH, beide in A, beide vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, Petersbrunnstraße la, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 11. Jänner 1985, Zl. 122.778/2-6/84, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in St. Pölten, Dr. Karl-Renner-Promenade 14- 16, 2. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien II, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Wien XX, Adalbert Stifterstraße 65), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §410 Abs1 Z1;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;
ASVG §410 Abs1 Z1;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Mit Wirkung zum 1. Februar 1976 wurde der Zweitbeschwerdeführer als Dienstnehmer der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft m.b.H. (an deren Stammkapital von S 100.000,-- der Zweitbeschwerdeführer zu S 25.000,-- und die Mitgesellschafterin WH, seine Ehegattin, zu S 75.000,-- beteiligt waren) bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Vollversicherung angemeldet.

Mit Bescheid vom 1. Juli 1976 lehnte die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse die Anmeldung ab und entschied, daß der Zweitbeschwerdeführer ab 1. Februar 1976 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege.

Gegen diesen Bescheid erhob der Zweitbeschwerdeführer am 26. Juli 1976 Einspruch mit der Begründung, daß die Rechtsansicht der Kasse, wonach auf Grund des Hälfteeigentums des Zweitbeschwerdeführers an der Betriebsliegenschaft dessen Dienstnehmereigenschaft nicht angenommen werden könne, unhaltbar erscheine.

Mit Bescheid vom 25. April 1977 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich diesem Einspruch statt und stellte fest, daß der Zweitbeschwerdeführer als Geschäftsführer der Erstbeschwerdeführerin ab 1. Februar 1976 der Voll- und Arbeitslosenversicherung unterliege und die seinerzeitige Anmeldung zur Kenntnis genommen werde. Das Hälfteeigentum des Zweitbeschwerdeführers an der Betriebsliegenschaft vermöge dessen Qualifikation als Dienstnehmer nicht zu ändern.

Gegen diesen Bescheid hat die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse Berufung erhoben.

Mit Bescheid vom 28. April 1983 wies der Bundesminister für soziale Verwaltung diese Berufung ab und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes.

1.2. Mit Eingabe vom 16. Mai 1983 sprach die Erstbeschwerdeführerin gegenüber der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse die Abmeldung des Zweitbeschwerdeführers als Dienstnehmer der Erstbeschwerdeführerin zur Voll- und Arbeitslosenversicherung mit Wirkung zum 30. Juli (richtig wohl: Juni) 1976 aus. Der Zweitbeschwerdeführer habe ab 1. Juli 1976 seine Tätigkeit als Dienstnehmer der Erstbeschwerdeführerin nicht mehr ausgeübt.

Mit Schreiben vom 6. Juni 1983 wurde der Gebietskrankenkasse bekanntgegeben, daß der Zweitbeschwerdeführer bereits bei Gründung der Erstbeschwerdeführerin entsprechenden Einfluß auf die Erstbeschwerdeführerin dergestalt gehabt habe, daß er über 100 % der Geschäftsanteile verfügen habe können, wovon der Zweitbeschwerdeführer ab 1. Juli 1976 Gebrauch gemacht habe.

Mit Eingabe vom 30. Juni 1983 wurde eine Erklärung des Zweitbeschwerdeführers vorgelegt, aus welcher hervorgeht, daß er das in einem Notariatsakt vom 14. Mai 1975 ihm eingeräumte Angebot der Mitgesellschafterin WH (seiner Ehefrau) auf Abtretung ihres Mitgesellschaftsanteiles am 30. Juli 1976 vollinhaltlich angenommen habe. In dieser Eingabe wurde auch ausgeführt, daß der Zweitbeschwerdeführer ab 1. Juli 1976 keine Tätigkeit als Dienstnehmer der Erstbeschwerdeführerin entfaltet habe, sondern ausschließlich als deren Organ tätig geworden sei.

1.3. Mit Bescheid vom 13. Juli 1983 lehnte die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse die von der Erstbeschwerdeführerin am 18. Mai 1983 für den Zweitbeschwerdeführer rückwirkend zum 30. Juni 1976 erstattete Abmeldung ab. Begründend wurde auf die Rechtskraft des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. April 1977 hingewiesen und ausgeführt, daß im Vorverfahren von einer Fortdauer des Bestandes der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht über den 1. Juli 1976 hinaus ausgegangen worden sei, weil anderenfalls die Dauer der Versicherungspflicht zu begrenzen gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer Einspruch erhoben. Gleichzeitig wurde für den Fall, daß dem Antrag nicht stattgegeben werden sollte, aus Gründen anwaltlicher Vorsicht ausdrücklich nochmals die Abmeldung gemäß dem Schreiben vom 16. Mai 1983 mit Wirkung von diesem Zeitpunkt und hilfsweise auch mit Wirkung vom Tage der Einbringung des Einspruches bekanntgegeben.

1.4. Mit Bescheid. vom 8. März 1984 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich den Einspruch ab und bestätigte den Kassenbescheid. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 28. April 1983 den Beschwerdeführern am 6. Mai 1983 zugestellt worden und entfalte daher hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. Februar 1976 bis zur Zustellung seine Rechtskraftwirkung, weshalb auf neue Tatsachen, welche diesen Zeitraum beträfen, nicht einzugehen sei.

Die Beschwerdeführer haben Berufung erhoben.

1.5. Mit Bescheid vom 11. Jänner 1985 gab der Bundesminister für soziale Verwaltung dieser Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes aus seinen zutreffenden Gründen. Der Bescheid der belangten Behörde vom 28. April 1983 sei in Rechtskraft erwachsen und somit auch für das vorliegende Verfahren bindend.

1.6. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht verletzt, daß die für den Zweitbeschwerdeführer rückwirkend zum 30. Juni 1976 erstattete Abmeldung angenommen und ausgesprochen werde, daß der Zweitbeschwerdeführer hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Erstbeschwerdeführerin seit dem 1. Juli 1976 nicht der Vollversicherung nach dem ASVG und dem AlVG unterliege. In eventu werde als weiterer Beschwerdepunkt geltend gemacht, daß die beschwerdeführenden Parteien dadurch in Rechten verletzt worden seien, daß die belangte Behörde der Abmeldung des Zweitbeschwerdeführers zum 16. Mai 1983 (ausgesprochen in der Eingabe von diesem Datum sowie im Einspruch vom 11. August 1983) nicht Rechnung getragen habe. In der Beschwerdebegründung wird geltend gemacht, daß die belangte Behörde zu Unrecht ihre Bindung an den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 28. April 1983, was die Dienstnehmereigenschaft des Zweitbeschwerdeführers hinsichtlich seiner Tätigkeit für die erstbeschwerdeführende Partei anlange, angenommen habe.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Entscheidend ist die Frage nach den mit dem rechtskräftig gewordenen Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 28. April 1983 verbundenen Bindungswirkungen, was wiederum die Lösung der Frage voraussetzt, was Gegenstand des bindenden Abspruches in diesem Bescheid war.

2.1.1. Was den sachlichen Wirkungsbereich dieses Bescheides anlangt, so bedeutet der Abspruch die Feststellung der Versicherungspflicht des Zweitbeschwerdeführers, also die Bejahung der Dienstnehmereigenschaft in seiner Tätigkeit für die erstbeschwerdeführende Partei, wobei sich die Feststellung dieser Qualifikation des Beschäftigungsverhältnisses darauf gründet, daß er in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit bei der erstbeschwerdeführenden Partei tätig gewesen sei. Wenn der Zweitbeschwerdeführer nunmehr seine Dienstnehmereigenschaft bestreitet, so muß ihm entgegengehalten werden, daß er während des gesamten Verwaltungsverfahrens, sowohl vor der Gebietskrankenkasse als auch vor den staatlichen Verwaltungsbehörden Gelegenheit gehabt hätte, das Nichtvorliegen der Merkmale eines Dienstverhältnisses zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Der Zweitbeschwerdeführer hat jedoch nichts dergleichen unternommen, vielmehr trifft das Gegenteil zu: Er wurde als Dienstnehmer mit Wirkung vom 1. Februar 1976 bei der Gebietskrankenkasse von der Erstbeschwerdeführerin angemeldet; er war es, der gegen den die Versicherungspflicht ablehnenden Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 1. Juli 1976 Einspruch erhoben hat; er hat gegen den diesem Einspruch stattgebenden und nunmehr seine Versicherungspflicht bejahenden Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. April 1977 nicht berufen, der bestätigende Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 28. April 1983 erging vielmehr über Berufung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Erst mit seinen Eingaben vom 16. Mai und 30. Juni 1983 versuchten die Beschwerdeführer, in offenkundiger Änderung ihrer bisherigen Haltung im Verfahren, die Dienstnehmereigenschaft des Zweitbeschwerdeführers (ab 1. Juli 1976, in eventu ab 16. Mai 1983) in Frage zu stellen.

2.1.2. Was nun den zeitlichen Geltungsbereich eines Bescheides betreffend die Feststellung der Versicherungspflicht im allgemeinen betrifft, so ist auf das hg. Erkenntnis vom 20. September 1984, Zl. 82/08/0087 = ZfVB 1995/2, hinzuweisen, wonach eine solche Feststellung in einem Bescheid des Sozialversicherungsträgers, daß eine Person ab einem bestimmten Zeitpunkt der Versicherungspflicht unterliege, ein in die Zukunft hinein wirkender Abspruch ist und sich nicht etwa nur auf den Zeitraum bis zur Bescheiderlassung beschränkt. Die gleiche Überlegung muß für den Bescheid des Landeshauptmannes und den des Bundesministers gelten. Wenn der Verwaltungsgerichtshof im eben zitierten Erkenntnis zum Ausdruck zu bringen scheint, daß der damals angefochtene Bescheid des Bundesministers "hinsichtlich der strittigen Versicherungspflicht über den Zeitraum bis zu seiner Erlassung" abspreche, so liegt die Bedeutung dieser Aussage darin, daß der Ministerialbescheid jedenfalls als ein Abspruch über den Zeitraum bis zu seiner Erlassung aufzufassen ist. Da dieser Bescheid Gegenstand des damaligen verwaltungsgerichtlichen Prüfungsverfahrens war, genügte es zum Zwecke der Bestimmung der anzuwendenden Rechtslage (wobei infolge mehrfacher Novellierung mehrere Phasen in Betracht kamen), auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Der Verwaltungsgerichtshof brauchte sich seinerseits hingegen nicht damit befassen, ob die getroffene Feststellung betreffend die Versicherungspflicht auch über diesen Zeitpunkt hinaus - bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage - verbindlich ist. Im vorliegenden Beschwerdefall ist diese Frage von Bedeutung. Sie ist zu bejahen. Die im Instanzenzug verbundenen Behörden haben über einen in die Zukunft hinein offenen Zeitraum abgesprochen. Der den Bescheid des Landeshauptmannes vom 25. April 1977 bestätigende Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 28. April 1983 übernimmt diesen normativen Inhalt aus dem Bescheid des Landeshauptmannes, wonach der Zweitbeschwerdeführer "ab 1. Februar 1976 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege und die seinerzeitige Anmeldung zur Kenntnis genommen" werde.

2.2. Aus diesen Erwägungen folgt, daß - jedenfalls - bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bundesministers vom 28. April 1983 die Versicherungspflicht des Zweitbeschwerdeführers hinsichtlich seiner für die Erstbeschwerdeführerin entfalteten Tätigkeit verbindlich festgestellt wurde.

Das gleiche gilt aber auch für den darnach liegenden Zeitraum (jedenfalls) bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, dessen Rechtmäßigkeit hier zu beurteilen ist. Daran vermochte auch die mit Eingabe vom 16. Mai 1983 erfolgte und mit dem Einspruch vom 11. August 1983 hilfsweise zu diesem Zeitpunkt wiederholte "Abmeldung" des Zweitbeschwerdeführers von der Vollversicherung nichts zu ändern. Der Zweitbeschwerdeführer hat nämlich für den nach Erlassung des Bescheides des Bundesministers vom 28. April 1983 gelegenen Zeitraum keine Änderung der Sachlage behauptet, sondern seine Dienstnehmereigenschaft ab 1. Juli 1976 bestritten und dazu ausschließlich tatsächliche und rechtliche Umstände dargetan, die sich bereits im Jahr 1976, also noch während des Verfahrens, das mit Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 28. April 1983 abgeschlossen wurde, ereignet haben, die die Beschwerdeführer aber trotz gebotener Gelegenheit während dieses Verfahrens nicht vorgebracht haben. Vielmehr hat ja der Zweitbeschwerdeführer in diesem Verwaltungsverfahren noch nach Eintritt des nunmehr behaupteten Verlustes der Dienstnehmereigenschaft mit 1. Juli 1976 am 26. Juli 1976 Einspruch gegen den seine Anmeldung ablehnenden Kassenbescheid vom 1. Juli 1976 erhoben.

Der belangten Behörde ist somit keine Rechtswidrigkeit unterlaufen, wenn sie - im Ergebnis in Übereinstimmung mit der den Bescheiden der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 13. Juli 1983 und des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. März 1984 zugrunde liegenden Rechtsauffassung - von der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mangels einer Änderung der Rechts- und Sachlage nach wie vor verbindlichen, aufrechten Feststellung der Versicherungspflicht des Zweitbeschwerdeführers ausgegangen ist.

2.3. Da der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, macht einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/25/13).

Wien, am 30. Mai 1985

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