VwGH 82/08/0087

VwGH82/08/008720.9.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Waldner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des OK in M, BRD, vertreten durch Dr. Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien II, Leopoldsgasse 51, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 20. April 1982, Zl. 120.472/2-6/82, betreffend Versicherungspflicht und Beitragspflicht in der Sozialversicherung der Bauern (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien II, Schiffamtsgasse 15), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §8 Abs1 Z3 litb idF 1973/031;
BSVG §3;
LAG 1948 §5 idF 1974/782;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litb;
VwGG §42 Abs2 Z2 impl;
ASVG §8 Abs1 Z3 litb idF 1973/031;
BSVG §3;
LAG 1948 §5 idF 1974/782;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litb;
VwGG §42 Abs2 Z2 impl;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit über die Beitragspflicht des Beschwerdeführers abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben; im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Verwaltung) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. Jänner 1981 wurde festgestellt, daß für den Beschwerdeführer gemäß § 2 des Bauern-Pensionsversicherungsgesetzes (B-PVG) vom 1. Oktober 1970 bis 31. Dezember 1978, gemäß § 2 des Bauern-Krankenversicherungsgesetzes (B-KVG) vom 1. Oktober 1965 bis 31. Dezember 1978, gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG vom 1. Oktober 1974 bis 31. Dezember 1978 und gemäß §§ 2 und 3 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG) ab 1. Jänner 1979 Pflichtversicherung in der Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung bestehe. In Beachtung der Verjährungsbestimmungen gemäß §§ 26 B-KVG, 72 ASVG und 39 BSVG seien - so heißt es im Spruch des Bescheides der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. Jänner 1981 weiter - zur Pensionsversicherung ab 1. April 1973, zur Krankenversicherung ab 1. April 1976 und zur Unfallversicherung ab 1. Jänner 1974 Beiträge zu entrichten. Nach der Begründung dieses Bescheides habe sich der Beschwerdeführer am land(forst)wirtschaftlichen Betrieb in G, W-weg 21, am 1. April 1960 vertraglich die lebenslängliche Nutznießung gemäß § 509 ABGB ausbedungen. Dieses Fruchtgenußrecht begründe die im Spruch angeführte Pflichtversicherung, da unabhängig davon, ob der Nutznießer am Betrieb selbst mitarbeite, die Merkmale einer Betriebsführung auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers gegeben seien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch, indem er u.a. behauptet, keinen Betrieb zu führen, da er auf dem Grundstück nicht tätig sei. Der Beschwerdeführer führe daher weder selbst einen Betrieb, noch lasse er einen solchen durch eine dritte Person auf seine Rechnung und Gefahr führen. Der Betrieb sei weder verpachtet noch anderweitig vergeben.

Der beeinspruchte Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. Jänner 1981 wurde mit ihrem weiteren Bescheid vom 9. März 1981 gemäß § 62 Abs. 4 ASVG 1950 dahingehend berichtigt, daß die Versicherungspflicht tatsächlich ab 1. Jänner 1974 - durch einen Schreibfehler sei im Spruch des Bescheides vom 28. Jänner 1981 irrtümlich das Datum 1. Oktober 1974 angeführt worden - bestehe.

Auch gegen diesen Berichtigungsbescheid wurde vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Begründung des Einspruches gegen den Bescheid vom 28. Jänner 1981 Einspruch erhoben.

Der Landeshauptmann von Steiermark gab in seinem Bescheid vom 27. Oktober 1981 den beiden Einsprüchen des Beschwerdeführers gegen die Bescheide der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. Jänner 1981 und vom 9. März 1981 nicht statt, bestätigte diese beiden Bescheide und sprach aus, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Oktober 1965 bis 31. Dezember 1978 gemäß § 2 B-KVG der Krankenversicherungspflicht, vom 1. Oktober 1970 bis 31. Dezember 1978 gemäß § 2 B-PVG der Pensionsversicherungspflicht und vom 1. Jänner 1974 bis 31. Dezember 1978 gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG der Unfallversicherungspflicht unterlegen sei. Ab 1. Jänner 1979 bestehe für den Beschwerdeführer gemäß §§ 2 und 3 BSVG Versicherungspflicht in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung. Ferner wurde im Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Oktober 1981 festgestellt, daß der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der Verjährungsbestimmungen nach den §§ 26 B-KVG, 13 B-PVG, 72 ASVG und 39 BSVG ab 1. April 1976 der Beitragspflicht in der Krankenversicherung, ab 1. April 1973 in der Pensionsversicherung und ab 1. Jänner 1974 in der Unfallversicherung unterliege. Nach der Begründung dieses Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark hätten mit Kaufvertrag vom 1. April 1960 die Brüder H, N und KK die EZ. 919; KG. X, erworben, die laut Einheitswertbescheid auf den 1. Jänner 1970 3,49 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche, 10,42 ha Wald, somit insgesamt 13,91 ha umfasse und einen Einheitswert auf den 1. Jänner 1970 von S 54.000,-- aufweise. Gemäß § 3 des vorerwähnten Kaufvertrages hätten die Käufer ihrem Vater, dem Beschwerdeführer, das lebenslängliche Fruchtgenußrecht des gesamten Kaufobjektes gemäß § 509 ABGB eingeräumt. Von den Eigentümern sei der in Rede stehende landwirtschaftliche Betrieb in der Folge weder geführt noch bewirtschaftet worden. Unbestritten sei, daß der Beschwerdeführer seinen ständigen Wohnort in der BRD habe. Da der in Rede stehende Betrieb weder verpachtet noch anderweitig vergeben sei, werde er zwangsläufig durch die Einräumung des Fruchtgenußrechtes auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers geführt. Die land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit des Beschwerdeführers erstrecke sich nach den durchgeführten Ermittlungen auf eine mehrmalige Begehung der Liegenschaft' pro Jahr, weiters auf die Bewirtschaftung (Ernte) der extensiven Obstanlagen. Nach der geltenden Spruchpraxis sei ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb gemäß § 5 Abs. 1 des Landarbeitsgesetzes bereits gegeben, wenn eine Tätigkeit der land- und forstwirtschaftlichen Produktion im technischen Sinn entwickelt werde, wenn auch eine Gewinnerzielung gar nicht beabsichtigt oder nicht möglich sei. Tatsächlich würden jedoch im Gegenstand land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten im technischen Sinn entfaltet, weshalb das Vorliegen eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes zu bejahen sei. Die Liegenschaft EZ. 919, KG. X, umfasse auch forstwirtschaftliche Flächen. Bei einem Waldbesitz liege eine forstwirtschaftliche Tätigkeit auch dann vor, wenn sie zeitweise nicht in Erscheinung trete, weil naturgemäß der Zeitraum zwischen Aufforstung und Schlägerung ein längerer sei und sich die Tätigkeit inzwischen im wesentlichen auf eine Betreuung des Waldes und die Einhaltung der forstwirtschaftlichen Maßnahmen beschränke. So sei eine alle ein bis zwei Jahre erfolgende Begehung des Waldes durch den Beschwerdeführer bereits als eine forstwirtschaftliche Maßnahme anzusehen.

In der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Oktober 1981 heißt es, daß dagegen gemäß § 415 ASVG in Verbindung mit § 182 BSVG die Berufung zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Oktober 1981 erhob der Beschwerdeführer eine nicht eingeschränkte Berufung. Dieser wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark aus seinen zutreffenden Gründen bestätigt. Zu den Berufungsausführungen wurde im angefochtenen Bescheid noch bemerkt, daß nach den in Österreich geltenden Sozialversicherungsgesetzen die Versicherungspflicht unabhängig vom Willen der Beteiligten dann eintrete, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen. Im gegenständlichen Fall sei unbestritten, daß der Beschwerdeführer Nutznießer eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes sei, auf dem landwirtschaftliche Tätigkeiten im technischen Sinn vorgenommen würden. Der Einheitswert des Betriebes betrage S 59.000,--. Bei diesem Sachverhalt könne die belangte Behörde keine Veranlassung sehen, den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Oktober 1981 in irgendeiner Richtung abzuändern.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nach dem Beschwerdevorbringen habe der Instanzenzug hinsichtlich der Beitragspflicht beim Landeshauptmann geendet. In diesem Punkt sei daher die belangte Behörde zur meritorischen Erledigung der Berufung nicht zuständig gewesen. Nach den Beschwerdeausführungen in der Sache selbst sei es unbestritten, daß der Beschwerdeführer Fruchtgenußberechtiger eines landwirtschaftlichen Grundstückes mit einem Einheitswert in solcher Höhe ist, der die Grenzen der Pflichtversicherung im Sinne der §§ 2 ff BSVG überschreite. Deshalb sei primär zu prüfen, ob die Führung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes vorliege. Damit dies zutreffe, müsse aber in einer Art und Weise verfahren werden, die an sich auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung liege. In diesem Zusammenhang habe die belangte Behörde lediglich die Feststellung getroffen, der Beschwerdeführer sei Nutznießer eines landwirtschaftlichen Betriebes, auf dem landwirtschaftliche Tätigkeiten im technischen Sinn vorgenommen würden. Im übrigen sei der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark aus seinen zutreffenden Gründen bestätigt worden. Darin findet sich lediglich die Feststellung, daß der in Rede stehende Betrieb weder verpachtet noch anderweitig vergeben sei und deshalb zwangsläufig durch die Einräumung des Fruchtgenußrechtes auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers geführt werde. Der Landeshauptmann von Steiermark und die belangte Behörde hielten die mehrmalige Begehung der Liegenschaft für eine forstwirtschaftliche Maßnahme. Der Beschwerdeführer habe im Verfahren ausdrücklich vorgebracht, daß er auf seinem Grundstück - sofern er überhaupt dort weile - höchstens spazieren gehe. Nach der Rechtsprechung werde von einem längeren Zeitraum zwischen Aufforstung und Schlägerung gesprochen, währenddessen sich die Tätigkeit nur auf eine Betreuung des Waldes und Einhaltung der forstwirtschaftlichen Maßnahmen beschränke. Eine zu diesen Zwecken erfolgte Begehung sei als forstwirtschaftliche Maßnahme angesehen worden. Weder aus dem Bescheid der belangten Behörde noch aus jenem des Landeshauptmannes von Steiermark lasse sich entnehmen, daß diese Voraussetzungen im Falle des Beschwerdeführers vorlägen. Richtigerweise könne in einer Begehung nur dann eine landwirtschaftliche Tätigkeit im weitesten Sinne erblickt werden, wenn sie zumindest der Kontrolle bereits früher oder gleichzeitig vorgenommener landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Tätigkeiten im engeren Sinn diene. Die bloße Begehung (wenn auch landwirtschaftlicher) Grundstücke lasse noch keine Schlußfolgerung auf die Zwecke zu, die damit verfolgt würden, solange nicht feststehe, daß sie im Zusammenhang mit forstwirtschaftlichen Maßnahmen im technischen Sinn deren Zwecke mitverfolge, nämlich die Hervorbringung von Produkten aus land(forst)wirtschaftlichen Bodenflächen. Soweit die von der belangten Behörde durch Übernahme der Begründung des Landeshauptmannes von Steiermark festgestellte Begehung der Grundstücke durch den Beschwerdeführer als forstwirtschaftliche Maßnahmen angesehen würden, sei der angefochtene Bescheid mit einem Rechtsirrtum behaftet. Aus welchen Umständen auf eine "Bewirtschaftung (Ernte) der extensiven Obstanlagen" geschlossen worden sei, werde weder im Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark noch im angefochtenen Bescheid ausgeführt, sodaß die belangte Behörde ihrer gesetzlichen Begründungspflicht nicht entsprochen habe. Der Beschwerdeführer könne nicht ausschließen, daß Anrainer Obst von seinem Grundstück geerntet hätten. Ihm sei aus eigener Wahrnehmung darüber aber nichts bekannt, zumal er sich praktisch nie oder nur selten auf dem Grundstück aufhalte und daher von solchen Vorgängen keine Kenntnis haben könne. Auch die von der belangten Behörde übernommene Feststellung der mehrmaligen Begehung des Grundstückes durch den Beschwerdeführer sei weder begründet noch sei dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben worden, zu den diesbezüglichen Beweisergebnissen Stellung zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.) Gemäß § 415 ASVG steht die Berufung an den Bundesminister für soziale Verwaltung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes in den (im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden) Fällen des § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG allgemein, in den Fällen des § 413 Abs. 1 Z. 1 ASVG jedoch nur zu, wenn über die Versicherungspflicht oder die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung entschieden worden ist. Nach § 182 BSVG gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung dieses Bundesgesetzes (mit im Beschwerdefall nicht relevanten Änderungen) die Bestimmungen des 7. Teiles des ASVG, demnach auch dessen § 415.

Nach der von der früheren abweichenden nunmehrigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes steht der Rechtszug an den Bundesminister für soziale Verwaltung in den Fällen des § 413 Abs. 1 Z. 1 ASVG jedenfalls nur dann zu, wenn - von der im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden Frage der Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung abgesehen - über die Versicherungspflicht im Spruche des Bescheides des Landeshauptmannes entschieden wurde (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. November 1978, Slg. N.F. Nr. 9689/A). Auch dann, wenn im Bescheid des Landeshauptmannes sowohl über die Versicherungspflicht als auch über die Beitragsfrage als Hauptfrage abgesprochen wurde, ist der Bundesminister für soziale Verwaltung zur Entscheidung über die Beitragsfrage nicht zuständig (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Mai 1980, Slg. N.F. Nr. 10.121/A). Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. Mai 1968, Slg. N.F. Nr. 7357/A, erfaßt der in den §§ 41 Abs. 1 und 42 Abs. 2 lit. b VwGG 1965 gebrauchte Begriff "Unzuständigkeit der belangten Behörde" auch die Fälle, in denen die Behörde zwar als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zur Behandlung eines Rechtsmittels berufen wäre, dieses aber (wegen Abschneidung des Instanzenzuges) meritorisch nicht erledigen darf. Ihre Zuständigkeit reicht nur insoweit, das Rechtsmittel wegen dessen Unzulässigkeit zurückzuweisen.

Im Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. Jänner 1981 wurde nicht nur festgestellt, daß für den Beschwerdeführer Pflichtversicherung in der (landwirtschaftlichen) Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung bestehe, sondern auch ausgesprochen, daß für diese Versicherungen Beiträge zu entrichten seien. Der Einspruch des Beschwerdeführers richtete sich gegen beide Teile dieses Bescheides. Der Landeshauptmann von Steiermark entschied daher auch über die Beitragspflicht. Die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark war nicht auf die Versicherungspflicht eingeschränkt. Da die belangte Behörde dieser Berufung zur Gänze keine Folge gab, statt sie im Umfang der Beitragspflicht mangels Zuständigkeit zurückzuweisen, hat sie eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukam. Der angefochtene Bescheid war daher insoweit wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

2.) Dem Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. Jänner 1981 ist kein Hinweis zu entnehmen, daß sie in der Frage der Versicherungspflicht etwa nur über den Zeitraum bis zur Erlassung dieses Bescheides absprechen wollte. Daher beschränkt sich auch der im Instanzenzug ergangene, nunmehr angefochtene Bescheid der belangten Behörde nicht nur auf die im Spruch des Bescheides der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 28. Jänner 1981 genannten Zeiten, sondern spricht hinsichtlich der strittigen Versicherungspflicht über den Zeitraum bis zu seiner Erlassung ab. Bezüglich der Versicherungspflicht ist demnach von den im Beurteilungszeitraum in Geltung gestandenen einschlägigen Bestimmungen der jeweiligen Sozialversicherungsgesetzes auszugehen.

In allen diesen in Betracht kommenden und vom Landeshauptmann von Steiermark in seinem Bescheid zitierten Gesetzesstellen ist die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren strittige Voraussetzung für die Pflichtversicherung normiert, daß nämlich natürliche Personen auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes vom 2. Juni 1948, BGBl. Nr. 140, führen.

Gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz des Landarbeitsgesetzes, in der Fassung der 2. Novelle, BGBl. Nr. 782/74, sind Betriebe der Land- und Forstwirtschaft u.a. Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion. Nach § 5 Abs. 2 zweiter Satz des Landarbeitsgesetzes zählen in diesem Rahmen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte ...

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 26. März 1982, Zl. 81/08/0175, unter Zitierung der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes den Begriff der forstwirtschaftlichen Betätigung dargelegt und insbesondere eingehend erörtert, welche Merkmale vorliegen müssen, damit von einem Betrieb im Sinne des Sozialversicherungsrechtes gesprochen werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hält auch im vorliegenden Fall an den im erwähnten Erkenntnis dargelegten Grundsätzen fest.

Darnach ist es in jedem Fall entscheidend, ob tatsächlich bereits Handlungen gesetzt wurden, die sich als eine land(forst) wirtschaftliche Nutzung darstellen oder zumindest eine Prognoseentscheidung rechtfertigen, daß aus den Erträgen künftig wirtschaftlicher Nutzen gezogen werde. Es kommt also auf die vollzogene tatsächliche Nutzung oder zumindest auf die im Hinblick auf künftige Erträge tatsächlich gesetzten Bewirtschaftungshandlungen an.

Die belangte Behörde erblickte - durch Übernahme der Entscheidungsgründe des Landeshauptmannes von Steiermark - in zwei Momenten Hinweise der erwähnten Art auf die betrieblichland(forst)wirtschaftliche Nutzung der gegenständlichen Liegenschaft durch den Beschwerdeführer. Zum einen wird die mehrmalige Begehung dieser Liegenschaft pro Jahr angenommen, zum anderen eine Ernte der extensiven Obstanlagen.

Eine mehrmalige Begehung der Liegenschaft pro Jahr ist für sich allein noch kein Indiz für eine betriebliche Nutzung. Dies in der vorliegenden Angelegenheit umsomehr deswegen, weil der Beschwerdeführer insbesondere in seinem Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern erklärt, sich weder dauernd noch zeitweise in Österreich aufzuhalten. Weder der Landeshauptmann noch die belangte Behörde zeigten in der Begründung ihrer Bescheide entgegen der ihnen im § 60 AVG 1950 auferlegten Verpflichtung die maßgebenden Erwägungen für ihre Sachverhaltsannahme auf, daß der Beschwerdeführer mehrmals pro Jahr die Liegenschaft begehe und dies zum Zwecke einer betrieblichen Nutzung.

Außerdem unterließen es der Landeshauptmann von Steiermark sowie die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides die Beweisergebnisse konkret anzuführen, aus denen sie schlüssig eine dem Beschwerdeführer zuzurechnende Ernte "der extensiven Obstanlagen" als eine Bewirtschaftsmaßnahme im ausschlaggebenden Sinn annehmen kann.

Die gegen das Gebot des § 60 AVG 1950 verstoßende Begründung des angefochtenen Bescheides hat aber zur Folge, daß der Beschwerdeführer über die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen nicht unterrichtet wurde. Diese Begründungslücke hindert auch den Verwaltungsgerichtshof an der seiner Kontrollaufgabe entsprechenden Nachprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Gesetzmäßigkeit seines Inhaltes. Der unterlaufene Verfahrensmangel ist daher als wesentlich anzusehen (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 17. Mai 1984, Zl. 83/08/0022).

Aus den dargelegten Gründen ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid, insoweit mit ihm über die Versicherungspflicht abgesprochen wurde, mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet ist. Er war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben.

Ad 1.) und 2.) Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. b und c VwGG 1965 abgesehen werden.

Soweit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965, insbesondere auf dessen § 50, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 20. September 1984

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