VwGH 85/08/0064

VwGH85/08/006413.6.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Sauberer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des JH in W, vertreten durch Dr. Gerhard Maurer, Rechtsanwalt in Wörgl, Bahnhofstraße 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 22. November 1984, Zl. Vd-3208/7- 84, betreffend Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen gemäß § 68 ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1) AM in N, vertreten durch Dr. Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Salurnerstraße 18, 2) Tiroler Gebietskrankenkasse in Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §225 Abs1 litb
ASVG §33 Abs1 idF 1979/530
ASVG §34 Abs1 idF 1979/530
ASVG §4 Abs2 idF 1979/530
ASVG §68 Abs1
ASVG §68 Abs1 idF 1979/530
ASVG §68 Abs1 Satz2 idF 1979/530
AVG §38
AVG §8
VStG §5 Abs2
VwGG §21 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §47
VwGG §48 Abs1 Z2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1985080064.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem abändernden Teil wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Gegenschrift der Tiroler Gebietskrankenkasse und das darin enthaltene Kostenersatzbegehren werden zurückgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Umsatzsteuer wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 8. Juni 1984 stellte die mitbeteiligte Tiroler Gebietskrankenkasse fest, daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller beim Erstmitbeteiligten ab 1972 bis 15. November 1982 der Sozialversicherungspflicht gemäß § 4 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 AlVG unterliege. Für die Zeit von 1972 bis 21. November 1978 sei jedoch die Verjährung der Beiträge gemäß § 68 Abs. 1 ASVG eingetreten. Nach der Begründung dieses Bescheides sei die Versicherungspflicht aus Anlaß einer Beitragsprüfung festgestellt worden, die beim Erstmitbeteiligten von der Gebietskrankenkasse vom 22. November bis 29. Dezember 1983 durchgeführt worden sei. Der Beschwerdeführer sei durchgehend als Kraftfahrer

sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

Der Erstmitbeteiligte erhob Einspruch.

1.2. Mit Bescheid vom 22. November 1984 wies der Landeshauptmann von Tirol diesen Einspruch als unbegründet ab, änderte jedoch den Bescheid der Gebietskrankenkasse dahingehend ab, daß zur Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge die allgemeine zweijährige Verjährungsfrist anzuwenden sei.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die wesentlichen Kriterien des § 4 Abs. 2 ASVG seien im vorliegenden Vertragsverhältnis erfüllt. Sodann heißt es in der Bescheidbegründung:

"Die Entgeltlichkeit der zwischen Herrn M und Herrn H geschlossenen Vereinbarung steht außer Streit. Wenn der Einspruchswerber geltend macht, die Bezahlung des Herrn H sei ausschließlich erfolgsorientiert und entsprechend den tatsächlich gefahrenen Kilometern erfolgt, so ist ihm entgegenzuhalten, daß diese Merkmale auch bei Akkordarbeitern oder Taglöhnern oder Bezahlung nach Stücklohn in ähnlicher Weise in Erscheinung treten. Von der Gewährung einer festen Vergütung muß jedenfalls auch dann gesprochen werden, wenn diese nach Tagen oder gefahrenen Kilometern abgerechnet wird. Wenngleich der Einspruchswerber und auch der vernommene Zeuge immer betonten, daß Herr H entsprechend dem von der Firma X geleisteten Kilometersatz seine übernommene Tour abgegolten worden sei, ergab sich doch am Ende der mündlichen Verhandlung, daß Herr M an Herrn H nicht die gesamten ihm von der Firma X für dessen Tour zugestandenen Kilometer vergütet habe sondern eine etwas geringere Kilometerzahl, was er glaubwürdig damit begründete, daß er durch Sortieren usw. für Herrn H eine Reihe von Arbeiten vorzunehmen hatte (Seite 10 der Verhandlungsschrift vom 7.11.1984).

Was die Gebundenheit des Herrn H hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsfolge anlangt, ist nach dem gesamten Beweisverfahren diese Bindung eindeutig zu bejahen. Die Arbeitszeit war vorgegeben durch das Einlangen der Zeitschriften am Bahnhof W bzw. in der Folge im Lager des Herrn K und mit der Verpflichtung, die Zeitschriften möglichst vor Geschäftseröffnung der Einzelverkäufer auszuliefern. Daß Herr M sich bei den Einzelhändlern auch erkundigt habe, ob Herr H die Zeitschriften zeitgerecht auslieferte, hat der Einspruchswerber anläßlich der mündlichen Verhandlung selbst bestätigt, sodaß auch die von ihm unmittelbar ausgeübte Kontrolle des Herrn H zu bejahen ist (Verhandlungsschrift Seite 5). Dazu kommt noch die darüberhinausgehende Kontrolle durch Einzelhändler, die nach Darstellung des Einspruchswerbers sich im Falle von Unzukömmlichkeiten ebenfalls an ihn gewendet hätten. Nach Darstellung von Herrn M hat dieser mit Herrn H die von diesem zu befahrende Route mit ihm selbst abgefahren, sodaß auch die Bindung an Arbeitsort und Arbeitsfolge zweifellos gegeben war (Verhandlungsschrift Seite 10).

Was das Verbot der Judikatur anlangt, für Dritte tätig zu sein, ist festzustellen, daß dieses Kriterium gerade bei Teilzeitbeschäftigungen von untergeordneter Bedeutung ist. Die vom Einspruchswerber angeführten Tätigkeiten betreffen insbesondere Werbetätigkeiten, die zweifellos mit der vorliegenden Tätigkeit für Herrn M nichts zu tun haben und jedenfalls auch außerhalb der Zeit gelegen sind, in der Herr H für Herrn M tätig war. Anläßlich der mündlichen Verhandlung hat sich zwar auch ergeben, daß Herr H auf seinen für Herrn M gefahrenen Routen teilweise noch andere Zeitungstransporte einer Konkurrenzfirma der Firma X durchführte. Wenngleich die Angaben über den Zeitraum auseinandergehen, in dem Herr H diese zusätzlichen Zeitungstransporte ausführte, ist unbestritten, daß diese Tätigkeit jedenfalls nur sehr geringfügig war und daß Herr H diese Tätigkeit erst gegen Ende der Beschäftigung bei Herrn M übernommen hat. Daß der Einspruchswerber gegen die Tätigkeit H für eine Konkurrenzfirma der Firma X keine Einwendungen hatte, ist durchaus verständlich, weil durch die Tätigkeit H für Dritte schlimmstenfalls ein Schaden für die Firma X entstehen konnte, sicher aber nicht für Herrn M. Darum ist auch die Verletzung des Verbotes, für Dritte tätig zu sein, das sonst ein gewichtiges Argument gegen ein Dienstverhältnis darstellen würde, im vorliegenden Fall von durchaus untergeordneter Bedeutung. Auch der Einspruchswerber konnte nicht mehr angeben, ob Herr H ihn diesbezüglich um Erlaubnis gebeten habe. Jedenfalls ist aufgrund des Ermittlungsverfahrens erwiesen, daß eine derartige Nebentätigkeit des Herrn H, ursprünglich nicht vereinbart war, da diese Vereinbarung lediglich die abzufahrende Tour, den Zeitpunkt der letzten Zustellung und die Art der Verrechnung betraf. In diesem Punkt widersprach selbst der Einspruchswerber seinen ursprünglichen Angaben und bestätigte er die Aussagen seines Bruders JM und auch von Herrn H (Seite 10 der Verhandlungsschrift).

Aus dieser mageren Vereinbarung ergaben sich auch im nachhinein unterschiedliche Meinungen über die persönliche Leistungspflicht von Herrn H gegenüber Herrn M. Dazu ist festzustellen, daß mangels einer ausdrücklichen anderslautenden Vereinbarung selbstverständlich von der persönlichen Leistungspflicht des Auftragnehmers auszugehen ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß Herr M selbst gegenüber der Firma X nicht persönlich leistungspflichtig ist. Als einzige Ausnahme von dieser persönlichen Leistungspflicht von Herrn H waren zufolge der Aussagen beider Parteien nur die Urlaube von Herrn H vereinbart, wobei zu beachten ist, daß in diesen Fällen Herr H den Urlaub 14 Tage vor Antritt Herrn M zu melden hatte, der dann auch für den Ersatzmann zu sorgen hatte und auch in der Tat sorgte. Wäre man nicht von einer persönlichen Leistungspflicht des Herrn H ausgegangen, wäre diese Vertragsbestimmung jedenfalls sinnlos und unverständlich, weil dann, wenn er nicht selbst leistungspflichtig gewesen wäre, selbstverständlich immer Herr H für seinen Ersatzmann zu sorgen gehabt hätte. Herr M gab zwar anläßlich der mündlichen Verhandlung glaubhaft zu Protokoll, daß für den Krankheitsfall nichts vereinbart worden sei, er leitete daraus auch ab, daß in diesem Fall Herr H für seine Vertretung hätte sorgen müssen, gleichzeitig erklärte er jedoch, daß im Fall eines überraschenden Ausfalls von Herrn H selbstverständlich er selbst dessen Tour wieder mitübernommen hätte.

Was das Entgelt für die Urlaubszeit anlangt, ist als erwiesen anzunehmen, daß Herr H für die Zeit des Entfalls seiner Tätigkeit nicht die laufende kilometermäßige Entlohnung erhielt. Andererseits hat sogar Herr M zugestanden, daß er Herrn H zweimal für den Urlaub je S 2.000,-- gegeben habe, während Herr H selbst von ihm sogar dreimal diesen Betrag für den Urlaub erhalten haben will (Seite 11 der Verhandlungsschrift). Die Schlußfolgerung des Herrn M, es habe sich dabei nicht um ein Urlaubsgeld handeln können, weil Herr H nicht sein Angestellter gewesen sei, ist jedoch nicht geeignet, das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in Zweifel zu ziehen, weil diese Schlußfolgerung in unzulässiger Weise das Ergebnis des Beweisthemas vorwegnimmt.

Schließlich ist auch auf den Kollektivvertrag für Expeditarbeiter, Redaktions- und Verwaltungsgehilfen, Zusteller und Aussteller, abgeschlossen zwischen dem Verband

Österreichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Druck und Papier, hinzuweisen, der zwar auf das vorliegende Vertragsverhältnis nicht anwendbar ist, weil Herr M nicht dem Verband Österreichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger angehört, doch ist in diesem Kollektivvertrag die Tätigkeit eines Zustellers in der Weise umschrieben, daß es jedenfalls ohne Belang ist, ob dieser Zusteller mit eigenem oder ohne eigenes Fahrzeug seine Tätigkeit besorgt. Da diese Zusteller jedoch ohne Unterschied auf das verwendete Fahrzeug als Dienstnehmer bezeichnet werden, ergibt sich, daß die Verwendung des eigenen Fahrzeuges durch Herrn H auch hier nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein kann.

Wenn dem Einspruchswerber auch zuzustimmen ist, daß das von der Tiroler Gebietskrankenkasse zitierte Verwaltungsgerichtshoferke nntnis (29.1.1976, Zl. 955/75) auf den vorliegenden Fall wegen der großen Unterschiede der Vertragsverhältnisse kaum anzuwenden ist, ist unter Berücksichtigung all dieser Umstände die Einspruchsbehörde doch zu der Auffassung gelangt, daß das vorliegende Vertragsverhältnis zumindest von einem Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber denen einer selbständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit gekennzeichnet ist, sodaß die Versicherungspflicht von Herrn H aufgrund seiner Tätigkeit für Herrn M ab 1972 bis 15.11.1982 zu bejahen und der angefochtene Bescheid in diesem Punkt zu bestätigen ist.

Was allerdings die Verjährung der Beiträge anlangt, ist auf § 68 Abs. 1 ASVG zu verweisen, wonach sich die Verjährungsfrist der Feststellung nur dann auf 5 Jahre verlängert, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Aus dem Einspruchsverfahren hat sich jedoch klar ergeben, daß Herr M seine Dienstgebereigenschaft und seine Meldepflichten nicht erkannt hat und wohl auch bei gehöriger Sorgfalt nicht erkennen mußte, weil es sich beim vorliegenden Vertragsverhältnis doch um einen Grenzfall handelt, und Herr M zumindest der Meinung sein konnte, daß sein Vertragsverhältnis mit Herrn H gleich zu beurteilen sei wie jenes zwischen ihm und der Firma X, womit im übrigen nichts über die Sozialversicherungspflicht des Verhältnisses zwischen Herrn M und der Firma X ausgesagt sein soll.

Auf die Vernehmung des Zeugen WD von der Firma X konnte verzichtet werden, obwohl Herr M glaubwürdig aussagte, daß Herr WD auch über das Verhältnis M-H Bescheid wußte, da anläßlich der mündlichen Verhandlung am 7.11.1984 hinreichend geklärt werden konnte, welche Punkte des Rechtsverhältnisses zwischen Herrn M und Herrn H in welcher Form abgesprochen waren und da darüberhinausgehende Informationen an Herrn WD durch Herrn M oder Herrn H für das Vertragsverhältnis zwischen diesen Personen unerheblich sind. Auch die beantragte Einvernahme eines informierten Vertreters des Finanzamtes Kufsteins zur Frage, ob und wann bezüglich des Herrn JH Finanzprüfungen durchgeführt wurden und ob diese Prüfungen die Umsatzsteuer bzw. die Einkommensteuer betrafen, konnte unterbleiben, da einerseits der Vertreter von Herrn H bereits anläßlich der mündlichen Verhandlung ankündigte, diesen Finanzbeamten im Falle seiner Vernehmung nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden und da andererseits die Beurteilung eines Rechtsverhältnisses durch die Finanzverwaltung keinerlei Bindungswirkung für den Bereich der Sozialversicherung entfaltet. Selbst die Bezahlung von Umsatzsteuer durch Herrn H, die dieser jedoch glaubhaft verneinte, könnte lediglich den Beweis dafür erbringen, daß sich eben auch Herr H im damaligen Zeitpunkt über die Natur seines Rechtsverhältnisses zu Herrn M im Irrtum befunden hätte. Da die Sozialversicherungspflicht jedoch kraft Gesetzes und unabhängig von Wissen und Willen der Parteien eintritt, wäre daraus für den vorliegenden Rechtsfall nichts gewonnen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage war die Sozialversicherungspflicht des Herrn Haager zu bejahen, der angefochtene Bescheid jedoch spruchgemäß abzuändern."

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Bekämpft wird der Ausspruch über die Verjährung der Versicherungsbeiträge. Die Legitimation des Beschwerdeführers ergebe sich daraus, daß er Partei des Verwaltungsverfahrens gewesen sei. In der Begründung der Beschwerde heißt es, der erstmitbeteiligte Dienstgeber sei der aus § 68 Abs. 1 ASVG erfließenden Sorgfaltspflicht nicht genügend nachgekommen. Im Einspruch werde vom Erstmitbeteiligten ausgeführt, daß die Frage der Sozialversicherung vom Beschwerdeführer schon in den Vorgesprächen im Jahr 1972 angeschnitten und deshalb ausführlich erörtert worden sei. Der Erstmitbeteiligte habe daher schon zu diesem Zeitpunkt eindeutig seine Meldepflicht erkennen müssen.

Verwunderlich sei auch, warum der Erstmitbeteiligte, wie aus der Niederschrift vom 7. November 1984 hervorgehe, eine Vertretung während seiner unfallsbedingten Erkrankung zur Sozialversicherung angemeldet habe, den Beschwerdeführer jedoch nicht, der eine inhaltlich gleichartige Tätigkeit entfaltet habe.

Von der belangten Behörde werde nicht ausgeführt, warum sie das Vertragsverhältnis als "Grenzfall" bezeichne.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Der Erstmitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift. Die zweitmitbeteiligte Tiroler Gebietskrankenkasse erstattete einen als Gegenschrift bezeichneten Schriftsatz, in dem sie beantragt, der Beschwerde Folge zu geben.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen

2.1. Die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers läßt sich zwar nicht, wie er meint, (bloß) aus seiner Behandlung als Partei des Einspruchsverfahrens ableiten, ergibt sich allerdings aus nachstehenden Erwägungen:

§ 225 Abs. 1 ASVG lautet auszugsweise:

"§ 225. (1) Als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1955 sind anzusehen:

1. Zeiten einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mit Ausnahme der in Z. 2 bezeichneten Zeiten, und zwar

.....

b) sonst von dem Tag an, an dem die Anmeldung beim Versicherungsträger eingelangt oder die Pflichtversicherung ohne vorgehende Anmeldung bescheidmäßig festgestellt worden ist; die vor diesem Tag in einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung bzw. in einem Lehr- oder Ausbildungsverhältnis zurückgelegten Zeiten gelten als Beitragszeiten nur, soweit die Beiträge für diese Zeiten wirksam (§ 230) entrichtet worden sind und für diese Zeiten das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen noch nicht verjährt war (§ 68);"

Der Verwaltungsgerichtshof bejaht die Rechtsverletzungsmöglichkeit des beschwerdeführenden Dienstnehmers durch den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Frage der Verjährung des Feststellungsrechtes von Beiträgen gemäß § 68 ASVG im Hinblick auf die eben wiedergegebene, die Beitragszeiten regelnden Bestimmungen des § 225 Abs. 1 lit. b, allenfalls auch des § 225 Abs. 3 ASVG. Die Legitimation des Beschwerdeführers ist daher ungeachtet des Umstandes, daß der Dienstgeber Träger der Beitragsverpflichtung ist, gegeben.

2.2. Die Feststellung der Beitragspflicht betrifft im Beschwerdefall Entgeltsforderungen frühestens ab 22. November 1978 (die verjährungsunterbrechende Beitragsprüfung begann am 21. November 1983). Da im Zeitpunkt des Inkrafttretens der 34. ASVG-Novelle am 1. Jänner 1980 nach der bis dahin in Geltung gestandenen Regelung des § 68 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 29. Novelle, BGBl. Nr. 31/1973, Verjährung keinesfalls eingetreten war, ist der Prüfung des Beschwerdefalls § 68 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 34. Novelle, BGBl. Nr. 530/1979, zugrundezulegen (vgl. zum zeitlichen Anwendungsbereich der beiden

Novellenfassungen die hg. Erkenntnisse vom 14. November 1985, Zl. 85/08/0114, und vom 12. Dezember 1985, Zl. 85/08/0025 = ZfVB 1986/5 /2166).

2.3.1. § 68 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 34. Novelle lautet:

"Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Februar 1987, Zl. 86/08/0105 = ZfVB 1987/5/2138, u. a. ausgesprochen hat, ist § 68 Abs. 1 zweiter Satz ASVG, auf den Fall, daß überhaupt keine Meldung (also weder innerhalb noch nach Ablauf der Meldefristen) erstattet wird, unanwendbar. Das hat zur Konsequenz, daß in diesen Fällen das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen zwei bzw. fünf Jahren (je nach dem, ob die meldepflichtige Person bei gehöriger Sorgfalt die Meldung als notwendig hätte erkennen müssen oder nicht) ab Fälligkeit der Beiträge verjährt.

2.3.2. Bei der Prüfung der Frage, ob der Erstmitbeteiligte die Meldung des mit dem Beschwerdeführer eingegangenen Beschäftigungsverhältnisses bei der Gebietskrankenkasse "bei gehöriger Sorgfalt als notwendig hätte erkennen müssen", bedarf es zunächst einer Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit der Meldung überhaupt, d.h. mit der der Meldepflicht zugrundeliegenden Frage, ob ein Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG vorlag. Diese im Beitragsverfahren an sich vorfrageweise zu beurteilende Frage ist im vorliegenden Fall durch den in Rechtskraft erwachsenen und vom Erstmitbeteiligten auch vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpften Abspruch des Landeshauptmannes über die Versicherungspflicht entschieden. Diese Entscheidung bindet auch den Verwaltungsgerichtshof. Die Meldepflichtverletzung läßt sich somit nicht etwa deswegen verneinen, weil in Wahrheit gar kein meldepflichtiges Sozialversicherungsverhältnis vorgelegen wäre.

2.3.3. Während für die Verlängerung der Verjährungsfrist nach der 29. Novelle des ASVG im Falle des Unterbleibens einer Meldung keine subjektive Komponente erforderlich war, setzt dies nach der 34. Novelle voraus, daß der Dienstgeber die Angaben, die er unterlassen hat, bei gehöriger Sorgfalt als notwendig hätte erkennen müssen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. April 1985, Zl. 84/08/0133 = ZfVB 1985/6/2264, und vom 12. Dezember 1985, Zl. 85/08/0025, = ZfVB 1986/5/2166).

2.3.4. Die belangte Behörde begründet das Nichtvorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung seitens des Erstmitbeteiligten damit, daß "es sich beim vorliegenden Vertragsverhältnis doch um einen Grenzfall handelt, und Herr M zumindest der Meinung sein konnte, daß sein Vertragsverhältnis mit Herrn H gleich zu beurteilen sei wie jenes zwischen ihm und der Firma X, ....".

Dabei ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich davon auszugehen, daß sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muß und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1985, Zl. 84/08/0133 = ZfVB 1985/6/2264, samt Literaturhinweisen).

Den Meldepflichtigen trifft somit eine Erkundigungspflicht, sofern er seine - objektiv unrichtige - Rechtsauffassung über die Versicherungsfreiheit eines Beschäftigungsverhältnisses im Zeitpunkt der Unterlassung der Meldung nicht etwa auf höchstgerichtliche (und erst später geänderte) Rechtsprechung oder bei Fehlen einer solchen auf eine ständige Verwaltungsübung zu stützen vermag. Insbesondere wird er gehalten sein, sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei der Behörde und/oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewißheit zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1981, Zlen. 81/17/0126, 0127, 0131, zu § 5 Abs. 2 VStG 1950), sowie bei widersprüchlichen Rechtsauffassungen sich mit Gewissenhaftigkeit mit dem Für und Wider eingehend auseinanderzusetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. April 1983, Zl. 82/17/0151, zu § 5 Abs. 2 VStG 1950; siehe ferner, das auf beide zitierte Entscheidungen Bezug nehmende, zu § 68 Abs. 1 ASVG ergangene hg. Erkenntnis vom 22. November 1984, Zl. 83/08/0140 = ZfVB 1985/4/1480).

2.3.5. Der Erstmitbeteiligte hat die Erfüllung dieser seiner Erkundigungspflicht tatsächlich im Zuge des Verwaltungsverfahrens bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vom 29. Dezember 1983, aufgenommen von der Tiroler Gebietskrankenkasse, ausdrücklich behauptet. Dort heißt es auszugsweise:

"Bei Herrn H, sowie bei den zwischenzeitlich als

Zeitungsausfahrer tätig gewesenen Personen ..... wie auch bei den

seit 1.12.1982 tätigen Zeitungsausfahrern ...... handelt es sich

nach meiner Meinung um eine selbständige Tätigkeit. Die Genannten erhielten bzw. erhalten auf Grund der ausgelieferten Rechnungen incl. gesondert ausgewiesener Mehrwertsteuer eine Km-Geldvergütung von mir, wie auch ich selbst von der Fa. X. Meine Erkundigungen sowohl bei meinem Steuerberater Dr. B in I wie auch bei der Fa. X ergab keine andere Rechtsmeinung. Auch meine Zeitungsausfahrertätigkeit sehe ich als selbständige Tätigkeit, nachdem ich sowie auch meine Partner das volle Unternehmerrisiko zu tragen haben. Ein Dienstverhältnis wurde mit meinen Partnern weder in Aussicht gestellt noch in Erwägung gezogen."

Die belangte Behörde hat sich demgegenüber im angefochtenen Bescheid mit dem - auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes durchaus zutreffenden - Hinweis auf das Vorliegen eines "Grenzfalles" begnügt und keine Feststellungen getroffen, ob und in welcher Weise der Erstmitbeteiligte seiner Erkundigungspflicht, wie er behauptet, nachgekommen ist.

2.3.6. Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid lediglich auf Grund des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes zu überprüfen.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und auch die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht dem Gebot der §§ 60 und 67 AVG 1950 in Verbindung mit § 357 Abs. 1 ASVG entspricht. Diese Mängel belasten den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen im angefochtenen Umfang spruchgemäß nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst BGBl. Nr. 206/1989. Neben dem Schriftsatzaufwandpauschale steht ein gesonderter Ersatz der Umsatzsteuer nicht zu.

2.5. Die Tiroler Gebietskrankenkasse hat in einem als Gegenschrift bezeichneten Schriftsatz beantragt, der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der Gebietskrankenkasse Ersatz des Schriftsatzaufwandes zuzusprechen.

Personen, deren rechtliche Interessen im Hinblick auf den angefochtenen Bescheid gleichgelagert mit denen des Beschwerdeführers sind, können nicht als Mitbeteiligte im Sinne des § 21 Abs. 1 VwGG dem Verfahren beigezogen werden. Die "Gegenschrift" samt dem darin enthaltenen Aufhebungsantrag sowie das Kostenersatzbegehren mußten daher zurückgewiesen werden (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 12. März 1968, Zl. 72/68, Slg. N.F. Nr. 7309/A, sowie die Erkenntnisse vom 28. November 1977, Zl. 1445/77, Slg. N.F. Nr. 9441/A, vom 29. Februar 1980, Zlen. 36, 1274/79 = ZfVB 1981/2/605, sowie vom 22. Oktober 1987, Zl. 83/08/0119 = ZfVB 1988/3/1053).

Wien, am 13. Juni 1989

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