VwGH 2013/22/0172

VwGH2013/22/017218.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 17. Mai 2013, Zl. 164.053/2- III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §24 idF 2005/I/101;
AVG §45;
NAG 2005 §41 Abs2 Z4;
AuslBG §24 idF 2005/I/101;
AVG §45;
NAG 2005 §41 Abs2 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) den am 11. Juni 2012 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangten Erstantrag des Beschwerdeführers (eines Staatsangehörigen der Russischen Föderation) auf Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Selbständiger", gewertet als "Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot - Karte", gemäß § 41 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) und § 24 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die schlüssige Darstellung der beabsichtigten selbständigen Erwerbstätigkeit im Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) Niederösterreich vom 11. Oktober 2012 ergebe, dass der Beschwerdeführer mit 51 % Gesellschafter und handelsrechtlicher Geschäftsführer der G Handel GmbH mit Sitz in F sei. Das Unternehmen verfüge über eine Gewerbeberechtigung für den Bereich Kraftfahrzeugtechnik verbunden mit Karosseriebau- und Karosserielackiertechnik. Hinsichtlich eines gesamtwirtschaftlichen Nutzens der selbständigen Erwerbstätigkeit iVm einem Transfer von Investitionskapital ("Richtwert: mindestens EUR 100.00,-" richtig, wie sich dies aus der Wiedergabe des Gutachtens im erstinstanzlichen Bescheid ergibt, EUR 100.000,--) und/oder der Schaffung von Arbeitsplätzen sei nichts vorgebracht worden. Es seien zwar umfassende Unterlagen, vor allem aus Russland, vorgelegt worden. Ein Transfer von Investitionskapital und/oder die Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen sei dadurch jedoch nicht nachgewiesen worden.

Für die Behörde stehe fest, dass die vom Beschwerdeführer angestrebte selbständige Erwerbstätigkeit keinesfalls als die einer Schlüsselkraft im Sinn des § 24 AuslBG angesehen werden könne. Dabei sei auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Behörde nicht an derartige Gutachten (des AMS) gebunden sei. Die beabsichtigte Tätigkeit der G Handel GmbH bestehe im Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Kraftfahrzeugen, und mit der Tätigkeit einer Reparaturwerkstätte für Kraftfahrzeuge. Als Schwerpunkte der Autowerkstatt seien laut dem der Behörde vorgelegten Businessplan der Kauf und Verkauf von Fahrzeugen, die Instandsetzung von Motoren und deren Wartung, die Instandsetzung und Wartung von Getrieben und Fahrwerken, die Diagnose der Kraftfahrzeugelektronik sowie die Wartung und Prüfung der Bremsanlagen genannt. Dass mit dem beabsichtigten Betrieb einer Kfz-Werkstätte ein nachhaltiger Vorteil für die österreichische Wirtschaft einherginge, könne den Ausführungen des Beschwerdeführers bzw. den vorgelegten Unterlagen nicht entnommen werden. Die bloße Anschaffung von diversen Geräten für den Betrieb einer Autowerkstätte im Bereich einer Summe von ca. EUR 30.000,-- sowie die Anmietung einer Lagerhalle vermögen noch keinen Transfer von Investitionskapital nach Österreich darzustellen. Mit der Einstellung von einem Arbeitnehmer (einem Geschäftsführer) könne auch das Kriterium der nachhaltigen Schaffung von Arbeitsplätzen bzw. der Sicherung von solchen nicht erfüllt werden.

Der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, dass ihm das negative Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nicht zugekommen wäre, sei zu entgegnen, dass im erstinstanzlichen Bescheid das Gutachten wortwörtlich zitiert und dieses somit zur Kenntnis gebracht worden sei.

Die Behörde könne in der beabsichtigten selbständigen Tätigkeit daher keinen gesamtwirtschaftlichen Nutzen im Sinn des § 24 AuslBG erkennen und es scheine eine ökonomische Gesamtbedeutung nicht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Weiters sind angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im Mai 2013 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 68/2013 maßgebend.

Gemäß § 41 Abs. 2 Z 4 NAG kann Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Teiles des NAG erfüllen und ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 24 AuslBG vorliegt.

§ 24 AuslBG (in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 101/2005) lautet:

"Erstellung von Gutachten für selbständige Schlüsselkräfte

§ 24. Die nach der beabsichtigten Niederlassung der selbständigen Schlüsselkraft zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen drei Wochen das im Rahmen des fremdenrechtlichen Zulassungsverfahrens gemäß § 41 NAG erforderliche Gutachten über den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Erwerbstätigkeit, insbesondere hinsichtlich des damit verbunden Transfers von Investitionskapital und/oder der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu erstellen. Vor der Erstellung dieses Gutachtens ist das Landesdirektorium anzuhören."

In Bezug auf die Würdigung dieses Gutachtens gelten die in § 45 AVG verankerten allgemeinen Verfahrensgrundsätze der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung und des Parteiengehörs (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. April 2013, 2010/22/0204).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 24 AuslBG, dass für die Beurteilung, ob eine beabsichtigte selbständige Tätigkeit zur Stellung als Schlüsselkraft führt, der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich ist. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliegt, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der selbständigen Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung von neuen oder der Sicherung von gefährdeten Arbeitsplätzen dient. Der Gesetzgeber stellt also darauf ab, ob ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis vom 17. April 2013, mwN).

Im Gutachten des AMS vom 11. Oktober 2012 ist vermerkt, dass weder hinsichtlich eines Transfers von Investitionskapital in maßgeblicher Höhe von etwa EUR 100.000,-- noch der Schaffung oder Sicherung von Arbeitsplätzen Maßgebliches vorgebracht worden sei. Dem schloss sich die erstinstanzliche Behörde an.

In der Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass das Unternehmen auch eine Gewerbeberechtigung für den Handel mit Waren aller Art besitze, für die Anschaffung der notwendigen Geräte (Hebebühne etc.) allein ein Kapital von mindestens EUR 30.000,-- umgesetzt werde, im ersten Jahr zumindest EUR 9.000,-

- an Mietzins bezahlt werde und der Vermieter längerfristig von dieser Investition profitiere, und letztlich eine namentlich genannte Person schon jetzt als Geschäftsführer angemeldet worden sei, woraus sich reine Personalkosten von EUR 36.000,-- im Jahr ergäben.

Der Gerichtshof hegt keine Bedenken gegen die Richtigkeit der behördlichen Ansicht, dass diese genannten Umstände nicht zur Qualifizierung der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Schlüsselkraft führen können.

Von einer maßgeblichen Schaffung oder Sicherung von Arbeitsplätzen kann nämlich keine Rede sein. Weiters führen die Zahlung der Miete und die Anschaffung von Geräten im Wert von "mindestens EUR 30.000,--" nicht zu einem maßgeblichen Transfer von Investitionskapital nach Österreich. Daran ändert die in der Berufung dargelegte und in der Beschwerde relevierte Absicht des Beschwerdeführers nichts, er habe "Automotoren weiterentwickelt bzw. modifiziert und möchte diese in Österreich patentieren lassen und würde dies(...) zu einem Technologietransfer führen, von dem die Wirtschaft nachhaltig profitieren würde". Dieses Vorbringen lässt jegliche Konkretisierung vermissen.

Letztlich kommt auch der Verfahrensrüge keine Berechtigung zu. Dem Beschwerdeführer wurde nämlich mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Inhalt des Gutachtens wörtlich zur Kenntnis gebracht und er hatte die - ohnedies genützte - Möglichkeit, in seiner Berufung dazu Stellung zu nehmen und ein weiteres Vorbringen zu erstatten. Dass dieses nicht zum Erfolg des Antrages führen konnte, wurde bereits dargelegt.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 18. März 2014

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