Normen
32003R0343 Dublin-II;
FrÄG 2011;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs2a;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
32003R0343 Dublin-II;
FrÄG 2011;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs2a;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der bekämpfte Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkte I. und III.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein pakistanischer Staatsangehöriger, wurde am 30. Juli 2013, nachdem er gemäß den Bestimmungen der Dublin II-Verordnung aus der Schweiz nach Österreich überstellt worden war, am Flughafen Wien-Schwechat gemäß § 39 Abs. 3 Z 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) festgenommen. Über ihn wurde in der Folge mit Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich (LPD) vom 31. Juli 2013 gemäß § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer asylrechtlichen Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
In der Begründung zitierte die LPD zunächst § 76 Abs. 2 FPG. Nach der - als Rechtsgrundlage für die Schubhaftverhängung herangezogenen - Z 3 dieser Bestimmung könne die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz (ua.) eine durchsetzbare Ausweisung erlassen worden sei. Offenbar unter Bezugnahme auf diesen Schubhafttatbestand stellte die LPD dann fest, es bestehe gegen den Mitbeteiligten eine vom Bundesasylamt erlassene, seit 17. August 2012 durchsetzbare asylrechtliche Ausweisung.
Zur weiteren Begründung führte die LPD aus, der Mitbeteiligte sei am 30. Juli 2013 am Flughafen Wien-Schwechat ohne gültiges Reisedokument und mittellos "angetroffen" worden. Es sei festgestellt worden, dass er in der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, für dessen Prüfung gemäß der Dublin II-Verordnung Österreich zuständig sei. Der Mitbeteiligte habe bereits am 11. Juli 2012 nach seiner illegalen Einreise nach Österreich einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Nach dessen Abweisung sei der Mitbeteiligte unrechtmäßig nach Deutschland gereist; von dort sei er am 6. Dezember 2012 "gem. Dublin-Übereinkommen" nach Österreich abgeschoben worden. Unmittelbar nach seiner Ankunft habe er einen Asylfolgeantrag gestellt, über den rechtskräftig negativ (samt Ausweisung nach Pakistan) entschieden worden sei. Danach sei der Mitbeteiligte unrechtmäßig in die Schweiz gereist, wo er neuerlich einen offensichtlich unbegründeten Asylantrag gestellt habe, um sich unter Missbrauch der asylrechtlichen Schutzbestimmungen den Aufenthalt im Schengenraum zu verschaffen. Nachdem der Mitbeteiligte ungeachtet der zwei gegen ihn erlassenen asylrechtlichen Ausweisungen nicht in sein Heimatland zurückgekehrt sei, sondern sich weiterhin widerrechtlich im Bundesgebiet und anderen Staaten aufgehalten habe, sei davon auszugehen, dass er auch in Hinkunft nicht bereit sein werde, nach Pakistan auszureisen. Somit sei anzunehmen, dass sich der Mitbeteiligte bei Belassung "auf freiem Fuß" dem asylrechtlichen Ausweisungsverfahren sowie aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entziehen und versuchen würde, "illegal" im Bundesgebiet bzw. im Schengengebiet Aufenthalt zu nehmen. Da der Mitbeteiligte offensichtlich nicht bereit sei, behördliche Entscheidungen zu akzeptieren, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er Anordnungen im Zuge eines gelinderen Mittels befolgen würde. Die Schubhaft sei somit das einzig taugliche Sicherungsmittel, um den ordnungsgemäßen Ablauf des Asylverfahrens und die "dauerhafte Außerlandesschaffung" des Mitbeteiligten zu gewährleisten.
Der Mitbeteiligte erhob mit Schriftsatz vom 1. August 2013 eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 FPG.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. August 2013 gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (der belangte UVS) der Schubhaftbeschwerde Folge und stellte die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 31. Juli 2013 und der darauf gegründeten Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft fest (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG festgestellt, dass (auch) die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen (Spruchpunkt II.). Schließlich wurde der Bund zum Kostenersatz verpflichtet (Spruchpunkt III.).
Nach zusammengefasster Wiedergabe des Verfahrensganges führte der belangte UVS begründend aus, die Administrativbeschwerde erweise sich - "bezogen auf die nach der Rechtsauffassung des UVS NÖ äußerst rigide Judikatur des VwGH" - hinsichtlich der Zulässigkeit der Verhängung der Schubhaft "auf der Rechtsgrundlage des § 76 FPG" als berechtigt. Daran anschließend führte der belangte UVS unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, wörtlich Folgendes aus:
"Der Umstand, dass ein Asylwerber sich bereits in einem anderen Land illegal aufgehalten hat, illegal nach Österreich eingereist ist, der Fremde sich nach zweimaligem negativen Asylverfahren in andere Schengen-Staaten abgesetzt hat, die soziale Integration sowie der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt fehlt, ein neuerlicher Asylantrag in Österreich gestellt wurde, obwohl dessen Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde, die illegale Einreise aus dem (offenbar gemeint: ins) Ausland erfolgte, um die Abschiebung nach Pakistan zu verhindern, rechtfertigt für sich nicht den Schluss, dass der nunmehrige Beschwerdeführer (Mitbeteiligte) neuerlich unrechtmäßig in einen anderen Schengenstaat weiterziehen und sich so dem Verfahren entziehen wird."
Fallbezogen kam der belangte UVS nach der Zitierung mehrerer Rechtssätze aus Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes dann zu folgendem Ergebnis (sinnstörende Formulierungen im Original):
"Zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers (Mitbeteiligten) gab es keine dahingehenden so konkreten Anhaltspunkte, dass dieser nunmehrige Beschwerdeführer sich den behördlichen Verfahren vor den österreichischen Behörden zu entziehen trachtete, dies auch in Zusammenschau mit seinen niederschriftlichen Angaben, kann auch gegenständlich kein sozialschädliches Verhalten in gravierendem Ausmaß, führend zum berechtigten Ausspruch der Schubhaft, den Bescheid zugrunde gelegt werden, da auch von keiner ausgesprochen hohen kriminellen Neigung oder Energie in der Person dieses pakistanischen Staatsbürgers gesprochen werden kann.
Zu berücksichtigen ist auch der Umstand, dass die Ausstellung der pakistanischen Heimreisezertifikate entgegen der Stellungnahme der LPD NÖ derzeit nicht rasch und komplikationslos vor sich geht, dieses Faktum notorisch ist.
Aus obigen Ausführungen erhellt, dass die verhängte Schubhaft und die Aufrechterhaltung dieser bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des UVS NÖ durch die LPD NÖ - Polizeidirektion Schwechat - der Überprüfung der Voraussetzungen in Hinblick auf die ständige restriktive VwGH-Judikatur nicht standhalten kann, und wäre gegenständlich mit einem gelinderen Mittel gemäß § 77 FPG - allenfalls regelmäßige zeitmäßig gesehen engmaschige Meldungen bei der Polizei - das Auslangen zu finden gewesen."
Gegen diesen Bescheid - nach der Anfechtungserklärung allerdings nur gegen Spruchpunkt I. und erkennbar auch gegen die damit zusammenhängende Kostenentscheidung im Spruchpunkt III. - richtet sich die vorliegende Beschwerde der LPD, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage seitens des belangten UVS erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF des BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen § 76 Abs. 2 und § 77 Abs. 1 und 3 FPG (in der im Juli/August 2013 geltenden Fassung des FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38) lauteten:
"Schubhaft
§ 76
...
(2) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn
1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder
4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.
Gelinderes Mittel
§ 77. (1) Die Behörde hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) ...
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
- 1. in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
- 2. sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu einer vergleichbaren Konstellation - Asylantragstellung in der Schweiz und unmittelbar nach der auf die Dublin II-Verordnung gegründeten, mit Zustimmung Österreichs erfolgten Rückschiebung vorgenommene Schubhaftanordnung - unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 19. März 2013, Zl. 2011/21/0128, in seinem Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2011/21/0250, dargelegt, dass in einem solchen Fall die Verhängung der Schubhaft nur nach § 76 Abs. 2 (oder nach dem fallbezogen allerdings nicht einschlägigen Abs. 2a) FPG in Betracht komme, weil der in einem anderen Mitgliedstaat gestellte Asylantrag auch als in Österreich gestellt anzusehen sei. Die Schubhaftanordnung wurde von der LPD im Bescheid vom 31. Juli 2013 somit zu Recht auf § 76 Abs. 2 FPG gestützt, und zwar angesichts der gegen den Mitbeteiligten damals bestehenden durchsetzbaren asylrechtlichen Ausweisung zutreffend auf dessen Z 3 (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0012).
Der belangte UVS hat im angefochtenen Bescheid die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insofern richtig wiedergegeben, als die Behörden (auch) in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Von der Anordnung der Schubhaft ist jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist. Schubhaft darf auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FPG gestützt werden soll, stets nur "ultima ratio" sein (vgl. des Näheren unter Berücksichtigung der Vorjudikatur, auch des Verfassungsgerichtshofes, das Erkenntnis vom 26. August 2010, Zl. 2010/21/0234, Punkt 3.1. der Entscheidungsgründe, und darauf Bezug nehmend Punkt 2.2.1. des Erkenntnisses vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0008). Demnach wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen, wenn das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (vgl. zur geltenden Fassung des § 77 FPG das Erkenntnis vom 11. Juni 2013, Zl. 2012/21/0114, und darauf Bezug nehmend Punkt 2.3.1. und 2.3.2. des vorstehend genannten Erkenntnisses vom 2. August 2013).
Bereits in dem auch von der belangten Behörde angeführten Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, hat der Verwaltungsgerichtshof näher dargelegt, dass die Tatbestände der Z 1, Z 2 und Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG insoweit aufeinander abgestimmt sind, als sie jeweils verschiedene Phasen des Asylverfahrens erfassen und diesen jeweils zugeordnet sind: Ist das Ausweisungsverfahren noch gar nicht eingeleitet, so greift der Tatbestand der Z 4; dieser wird nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens durch jenen der Z 2 abgelöst, an dessen Stelle wiederum - wenn es nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens auch tatsächlich zu einer durchsetzbaren Ausweisung kommt - schließlich der Tatbestand der Z 1 tritt. Insgesamt ergibt sich damit ein der Chronologie des Asylverfahrensablaufes entsprechend gestuftes Schubhaftregime. Ergänzend führte der Verwaltungsgerichtshof dann in seinem Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2006/21/0389, zur Z 3 des § 76 Abs. 2 FPG aus, diese Bestimmung sei in dieses System eingepasst. Aus den ErläutRV zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP 92) ergebe sich, dass der Tatbestand der Z 3 - wie jener der Z 4 - die Schubhaftnahme von Asylwerbern ermöglichen soll, deren Antrag voraussichtlich nicht zu einem Erfolg führen werde. Ist das durch die Einleitung eines Ausweisungsverfahrens manifestiert, so greife der Tatbestand der Z 2, der damit nicht nur die Z 4, sondern auch die Z 3 ablöse. Mit diesem Tatbestand werde somit ebenfalls - wie in § 76 Abs. 2 Z 4 FPG - auf die Phase vor der Einleitung eines Ausweisungsverfahrens abgestellt.
Nun hat der Verwaltungsgerichtshof zwar zum Schubhaftgrund nach § 76 Abs. 2 Z 4 FPG schon wiederholt klargestellt, dass ungeachtet des Vorliegens des in dieser Bestimmung enthaltenen Tatbestandes die Inhaftierung eines asylsuchenden Fremden nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem Verfahrensstadium ein "Untertauchen" befürchten lassen. Für eine solche Befürchtung müssen vor allem aus dem bisherigen Verhalten des Fremden ableitbare spezifische Hinweise bestehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2007/21/0523, mwN). In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von dem Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, in ständiger Rechtsprechung judiziert, es könne dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls nicht zugesonnen werden, er sei davon ausgegangen, alle potenziellen "Dublin-Fälle" seien statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher bereits mehrfach betont, dass die Verhängung der Schubhaft in "Dublin-Fällen" nicht zu einer "Standardmaßnahme" gegen Asylwerber werden dürfe. Es müssten vielmehr besondere Gesichtspunkte vorliegen, die erkennen ließen, es handle sich um eine von den typischen "Dublin-Fällen" abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Fremden geschlossen werden könne (vgl. dazu des Näheren etwa das Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2007/21/0093, mwN; siehe zum Ganzen auch das Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0054).
Auf diese - von ihm als "äußerst rigide" bzw. "restriktiv" bezeichnete - Judikatur hat sich der belangte UVS im angefochtenen Bescheid bezogen. Damit hat er die Rechtslage verkannt. Abgesehen davon, dass der vorliegende Fall angesichts des bisherigen Verhaltens des Mitbeteiligten ohnehin "besondere Gesichtspunkte" im oben erwähnten Sinn aufweist (siehe dazu des Näheren noch unten), hat der belangte UVS bei seiner Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, aber vor allem außer Acht gelassen, dass es hier nicht um einen "Dublin-Fall" iSd Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG geht, sondern um eine unter die Z 3 der genannten Bestimmung zu subsumierende Konstellation, bei der - wenngleich sie ebenfalls die erste Phase des Asylverfahrens betrifft - eine andere Ausgangslage besteht. Der Tatbestand der Z 3 des § 76 Abs. 2 FPG stellt nach den ErläutRV zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP 91 f) nämlich auf Fälle ab, in denen Fremde nach Erlassung eines durchsetzbaren fremdenpolizeilichen Titels zur Aufenthaltsbeendigung offensichtlich nur um Asyl ansuchen, um den Vollzug dieses Titels zu unterlaufen und um der Festnahme und in weiterer Folge der Schubhaft zu entgehen. Das sollte durch diesen damals neu geschaffenen Schubhafttatbestand verhindert werden. Die Überlegung, dass dieser Schubhaftgrund der missbräuchlichen Asylantragstellung zur Verhinderung des Vollzugs einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegen wirken soll, gilt aber nicht nur bei einer bestehenden fremdenpolizeilichen Ausweisung, sondern auch für den Fall des Bestehens einer durchsetzbaren asylrechtlichen Ausweisung, der von der zitierten Regelung seit dem FrÄG 2011 auch erfasst wird (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0012).
Vor diesem Hintergrund hätte - wie die Amtsbeschwerde im Ergebnis zutreffend aufzeigt - kein Zweifel bestehen dürfen, dass das bisherige Verhalten des Mitbeteiligten (zu dessen Relevanz bei der Prüfung des Sicherungsbedarfs siehe etwa die Nachweise in dem schon genannten Erkenntnis vom 11. Juni 2013, Zl. 2012/21/00114) nur den von der LPD gezogenen Schluss zuließ, die Schubhaft sei das einzig taugliche Sicherungsmittel, um den ordnungsgemäßen Ablauf des Asylverfahrens und die Abschiebung des Mitbeteiligten in seinen Herkunftsstaat zu gewährleisten. Der Mitbeteiligte hat nicht nur der gegen ihn mit Bescheid vom 17. August 2012 rechtskräftig erlassenen Ausweisung nach Pakistan keine Folge geleistet, sondern hat auch versucht, der bevorstehenden Abschiebung durch seine Weiterreise nach Deutschland zu entgehen. Nach seiner Rücküberstellung und neuerlichen negativen Erledigung eines Asylfolgeantrages samt Ausweisung nach Pakistan unterlief der Mitbeteiligte wiederum deren Vollzug, indem er sich illegal in die Schweiz begab. Das rechtfertigte die Annahme der LPD, der Mitbeteiligte werde auch in Hinkunft nicht bereit sein, nach Pakistan auszureisen oder Aufträgen im Rahmen eines gelinderen Mittels Folge zu leisten.
Die gegenteilige Auffassung des belangten UVS erweist sich demnach als nicht stichhältig und sie ließ sich - wie dargelegt - jedenfalls auch nicht mit der von ihm zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründen. Im Übrigen kann dieser Judikatur auch nicht entnommen werden, Schubhaft wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Fremde ein "sozialschädliches Verhalten in gravierendem Ausmaß" gesetzt habe oder eine "ausgesprochen hohe kriminelle Neigung oder Energie" aufweise.
In der Administrativbeschwerde wurde zwar im Rahmen der Ausführungen zum Sicherungserfordernis ohne weitere Begründung behauptet, im Falle des Mitbeteiligten komme es "offenkundig zu keiner alsbaldigen Abschiebung". Ein Vorbringen, für den Mitbeteiligten sei auf Dauer kein Heimreisezertifikat erlangbar, enthielt sie nicht. Der Umstand, dass die Ausstellung pakistanischer Heimreisezertifikate "derzeit nicht rasch und komplikationslos" vor sich gehe, wurde daher vom belangten UVS aus Eigenem ins Spiel gebracht. Für diese - im Widerspruch zum gegenteiligen Vorbringen der LPD getroffene - angeblich "notorische" Annahme blieb der belangte UVS aber jeden Nachweis schuldig. Diese Überlegung, der im Übrigen bei der hier primär zur Verfahrenssicherung angeordneten Schubhaft in der vorliegend zu beurteilenden frühen Phase des Asylverfahrens noch keine maßgebliche Bedeutung zukam, ist daher nicht geeignet, den angefochtenen Bescheid zu tragen. Auch das macht die Amtsbeschwerde zu Recht geltend.
Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes im angefochtenen Umfang aufzuheben.
Wien, am 20. Februar 2014
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