Normen
ASVG;
AuskunftspflichtG 1987 §4;
VwRallg;
ASVG;
AuskunftspflichtG 1987 §4;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm ein Begehren nach dem Auskunftspflichtgesetz abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte mit Eingabe vom 19. April 2010 bei der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) eine Leistung aus den Mitteln des Unterstützungsfonds (§ 84 ASVG).
Mit Schreiben vom 7. Mai 2010 teilte die PVA dem Beschwerdeführer - ohne nähere Begründung - mit, dass in seinem Fall die Voraussetzungen für die Gewährung einer einmaligen Unterstützung nicht gegeben seien und seinem Ersuchen daher nicht entsprochen werden könne.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 brachte der Beschwerdeführer gegenüber der PVA vor, dass - obwohl ein Rechtsanspruch ausgeschlossen werde - über Anträge auf Unterstützung nach Maßgabe vorhandener Mittel und nicht nach Willkür zu entscheiden sei. Eine solche Entscheidung in angemessener Form scheine nicht vorzuliegen. Er ersuchte die PVA, die von ihr verwendeten Richtlinien in der geltenden Fassung zu übersenden oder ihm mitzuteilen, wann er in diese Einsicht nehmen und Kopien anfertigen könne.
Die PVA teilte ihm daraufhin mit Schreiben vom selben Tag mit, dass die Gewährung von Leistungen aus dem Unterstützungsfonds keinesfalls willkürlich erfolge. Eine einmalige Leistung aus dem Unterstützungsfonds sei für alleinstehende Personen möglich, deren Nettoeinkommen die festgesetzte Einkommensgrenze nicht übersteige. Diese Grenze liege für das Jahr 2010 bei monatlich EUR 1.260,--. Da die Pension des Beschwerdeführers in der Höhe von netto EUR 1.324,13 über dem Grenzbetrag liege, habe der Antrag vom April 2010 abgelehnt werden müssen.
Der Beschwerdeführer wiederholte mit Schreiben vom 20. Mai 2010 sein Ersuchen, ihm in die gemäß § 84 Abs. 6 ASVG erlassenen Richtlinien Einsicht zu gewähren bzw. sie in Kopie zu übermitteln.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2010 teilte die PVA dem Beschwerdeführer mit, dass die vom Vorstand festgelegten Richtlinien zur Gewährung von einmaligen Leistungen aus dem Unterstützungsfonds weder versendet noch eingesehen werden könnten. Sie garantierten einheitliche Entscheidungen des Unterstützungsausschusses. Die Einkommensobergrenze für alleinstehende Personen betrage laut den Richtlinien 160% des gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG jeweils festgesetzten Richtsatzes für die Ausgleichszulage, gerundet auf die nächsten vollen zehn Euro. Für 2010 ergebe sich daher eine Einkommensgrenze von EUR 1.260,-- (783,99 x 160% = 1254,38). Auf Grund der Überschreitung der Einkommensgrenze durch das Nettoeinkommen des Beschwerdeführers von EUR 1.324,13 habe sein Antrag vom April 2010 abgelehnt werden müssen.
Mit Schreiben vom 4. August 2010 beantragte der Beschwerdeführer die Erlassung eines Bescheides "zum dekretierten Umstand, wonach die im § 84 ASVG vom Vorstand (des Verwaltungskörpers) erlassene Richtlinien zur Gewährung von Unterstützungen weder versendet noch eingesehen werden können". Unbeschadet des Umstands, dass einmaligen Leistungen aus dem Unterstützungsfonds "ein Rechtsanspruch mängelt", seien solche Richtlinien "Bestandteil des ASVG" und daher einer inhaltlichen Prüfung nicht entzogen. Da die PVA bisher die Herausgabe dieser Richtlinien verweigert habe, sei sie zur Bescheiderlassung verpflichtet. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 urgierte der Beschwerdeführer die Erledigung dieses Antrags.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2010 wies die PVA den Antrag vom 4. August 2010 auf Ausfolgung der Richtlinien zur Gewährung von Leistungen aus dem Unterstützungsfonds zurück. Soweit sich der Antrag vom 4. August 2010 darauf richte, neuerlich Auskunft darüber zu erhalten, weshalb dem Ansuchen auf Gewährung einer einmaligen Unterstützung aus den Mitteln des Unterstützungsfonds nicht entsprochen worden sei, werde dieser abgewiesen. Als Rechtsgrundlage wurden § 84 Abs. 6 ASVG sowie §§ 1 und 4 des Auskunftspflichtgesetzes genannt.
Den gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab.
Begründend hielt sie nach der Darstellung des Verwaltungsgeschehens fest, im vorliegenden Fall sei nicht strittig, dass es sich bei Leistungen aus dem bei der PVA eingerichteten Unterstützungsfonds um freiwillige Leistungen ohne Rechtsanspruch handle; strittig sei hingegen, ob dem Beschwerdeführer die vom Vorstand der PVA für die Erbringung von Leistungen aus dem Unterstützungsfonds erlassenen Richtlinien nach § 84 Abs. 6 ASVG auszufolgen seien. Nach Wiedergabe des § 84 ASVG führte die belangte Behörde sodann aus, Adressat der Richtlinien nach § 84 Abs. 6 ASVG seien ausschließlich die Versicherungsträger, die einen Unterstützungsfonds angelegt hätten. Die Richtlinien hätten den Zweck, bei Vergabe der Leistungen aus dem Unterstützungsfonds die Versicherungsträger zu einer gleichmäßigen Rechtsanwendung anzuleiten. Sie richteten sich nach ihrem Inhalt nicht an die Rechtsunterworfenen und räumten keine Ansprüche ein, sondern seien rein verwaltungsinterne Normen. Der Gesetzgeber habe die Versicherungsträger nicht verpflichtet, die Richtlinien kundzumachen, was ein weiteres Indiz dafür sei, dass sie vom Gesetzgeber selbst nur als Verwaltungsverordnung bzw. generelle Weisung verstanden würden. Ein Rechtsanspruch auf Ausfolgung behördenintern erlassener Weisungen sei aber weder im AVG noch im ASVG normiert. Anträge, die sich nicht auf einen subjektiven Rechtsanspruch stützen könnten, seien zurückzuweisen.
Nach Wiedergabe der §§ 1 und 4 des Auskunftspflichtgesetzes führte die belangte Behörde weiter aus, die PVA habe mit den Schreiben vom 12. Mai 2010 und vom 27. Mai 2010 dargelegt, dass das monatliche Nettoeinkommen des Beschwerdeführers die in den Richtlinien festgelegte Einkommensgrenze übersteige und aus diesem Grund keine Leistung aus dem Unterstützungsfonds gewährt werde. Es sei auch bekannt gegeben worden, wie die Einkommensgrenze nach diesen Richtlinien zu ermitteln sei. Dem Auskunftspflichtgesetz sei somit Genüge getan worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 23. November 2012, B 121/12-11, ab. Über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit Beschluss vom 19. Februar 2013, B 121/12-13, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte PVA über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde erwogen:
1. Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht nach § 17 AVG. Der Beschwerdeführer habe unstrittig Parteistellung im Verfahren auf Gewährung von Unterstützungsleistungen. Ebenso unstrittig seien in diesem Verfahren die Richtlinien der PVA zur Anwendung gekommen. Das subjektive Recht auf Akteneinsicht der Partei umfasse alle Akten und Aktenbestandteile, welche die Sache der Partei beträfen.
Es trifft aber nicht zu, dass der Beschwerdeführer unstrittig Parteistellung im "Verfahren auf Gewährung von Unterstützungsleistungen" hatte. Vielmehr sind offenbar sowohl die PVA als auch der Beschwerdeführer selbst davon ausgegangen, dass die Entscheidung über den Antrag nach § 84 Abs. 6 ASVG nicht in einem rechtsförmlichen Verfahren mittels Bescheids erfolgt (so auch Neumayr in SV-Komm § 84 Rz 21). Dementsprechend hat der Beschwerdeführer keinen Antrag nach § 17 AVG auf Einsicht in die Akten eines konkreten Verwaltungsverfahrens gestellt, sondern -
davon losgelöst - die Ausfolgung der nach § 86 Abs. 6 ASVG erlassenen Richtlinien bzw. die Einsichtnahme in diese Richtlinien begehrt. Dafür besteht aber - unabhängig davon, ob die Richtlinien als Verordnung kundzumachen gewesen wären - keine Rechtsgrundlage.
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf Parteiengehör nach § 45 Abs. 3 AVG rügt und vorbringt, dass er mangels inhaltlicher Offenlegung der Entscheidungsgrundlagen zu keinem Zeitpunkt nachvollziehen habe können, worauf sich der "abweisende Bescheid auf Zuschussgewährung" stütze, übersieht er, dass eine solcher Bescheid nicht erlassen worden ist. Sollte aber ein Bescheid über seinen Antrag auf Gewährung einer Leistung aus dem Unterstützungsfonds ergehen, so wäre eine behauptete Verletzung des Parteiengehörs (ebenso wie des Rechts auf Akteneinsicht) in einem Rechtsmittel gegen diesen Bescheid geltend zu machen.
Die behauptete Rechtsverletzung durch die Zurückweisung des Antrags auf Ausfolgung der nach § 84 Abs. 6 ASVG erlassenen Richtlinien bzw. auf Einsichtnahme in diese liegt daher nicht vor.
Insoweit war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2. Die belangte Behörde hat auch jenen Teil des erstinstanzlichen Bescheides der PVA bestätigt, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers, "soweit (er) sich darauf richtet, neuerlich Auskunft darüber zu erhalten, weshalb dem Ansuchen auf Gewährung einer einmaligen Unterstützung aus den Mitteln des Unterstützungsfonds nicht entsprochen wird" gemäß §§ 1 und 4 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987, abgewiesen wurde.
Zum einen hat der Beschwerdeführer aber einen Antrag dieses Inhalts nicht gestellt. Sein Begehren war vielmehr ausschließlich auf Ausfolgung der Richtlinien bzw. Einsichtnahme in diese gerichtet. Die Abweisung eines nicht gestellten Antrags nach § 4 des Auskunftspflichtgesetzes war rechtswidrig.
Zum anderen war die belangte Behörde in Angelegenheiten des Auskunftspflichtgesetzes zu einer Sachentscheidung über das Rechtsmittel des Beschwerdeführers nicht zuständig: Der Instanzenzug gegen einen Auskunftsverweigerungsbescheid richtet sich nämlich nicht nach der Angelegenheit, in welcher Auskunft begehrt wurde (hier also nach dem ASVG), sondern nach organisatorischen Kriterien. Über ein Rechtsmittel hätte demnach die organisatorisch übergeordnete Behörde zu entscheiden. Der Landeshauptmann von Wien als belangte Behörde ist aber nach dem die Errichtung der PVA normierenden ASVG nicht die der PVA organisatorisch übergeordnete Behörde (vgl. des Näheren - betreffend die Wiener Gebietskrankenkasse, für die die gleichen Organisationsvorschriften des ASVG gelten - das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2002/08/0253, VwSlg. 16.787 A, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Insoweit war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
3. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014 weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 20. März 2014
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