VwGH 2013/07/0227

VwGH2013/07/022724.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 4. September 2013, Zl. ABT13-32.00-297/2012-118, betreffend Anordnungen nach § 21a WRG 1959 (mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. P M in S, 2. DI A L in D, beide vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10), zu Recht erkannt:

Normen

62014CJ0346 Kommission / Österreich ;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art131 Abs2;
EURallg;
VwGG §28 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §47 Abs4;
VwRallg;
WRG 1959 §104a Abs2;
WRG 1959 §116 Abs1 lita;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:2013070227.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 2007 wurde den mitbeteiligten Parteien die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung des Projektes "Trinkwasserkraftwerk Seebach - Kraftwerk Schwarze Sulm, Ausbaustufe Teil A" nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk des Bescheides versehenen Planunterlagen, der im Bescheid enthaltenen Vorhabenbeschreibung sowie des Befundes, befristet bis zum 31. Dezember 2066, erteilt.

2 Begründend führte die belangte Behörde im Zusammenhang mit § 104a WRG 1959 unter anderem aus, dass vom Kraftwerksprojekt zwei Wasserkörper betroffen seien. Der "untere" Wasserkörper OK 8027901 befinde sich in einem "nicht sehr guten", teilweise sogar schlechten Zustand und werde durch das Projekt nicht verändert. Im "oberen" Wasserkörper OK 8026600 sei in einem Teilbereich von etwa 8 km einer der in § 30a WRG 1959 genannten Zustände von einer Verschlechterung um eine Stufe, nämlich von "sehr gut" auf "gut" betroffen.

3 § 104a Abs. 1 WRG 1959 verlange als Zielzustand in seiner Z. 1a das Erreichen eines guten Zustandes. Dieser Zustand werde auch bei Verwirklichung des Projektes weiterhin erreicht. Rechtlich gesehen sei diese Verschlechterung von "sehr gut" auf "gut" die "geringstmögliche negative Auswirkung", die bewirke, dass ein Projekt an den Vorgaben des § 104a Abs. 2 WRG 1959 zu messen sei.

4 Dieser - im Vergleich zu anderen möglichen negativen Auswirkungen - eher geringen negativen Auswirkung des Projekts auf die in § 30a WRG 1959 genannten Ziele stünden die gutachtlich schlüssig belegten regionalen und überregionalen Vorteile des konkreten Wasserkraftwerksprojektes für die Umwelt, für das Klima und für die Wirtschaft gegenüber. Da durch das gegenständliche Vorhaben schadstofffreie Energie in beträchtlichem Ausmaß bereitgestellt werden könne, müsse auch dahingehend von der belangten Behörde ein hohes öffentliches Interesse an dieser Maßnahme für die nachhaltige Energieentwicklung erkannt werden.

5 In Abwägung dieser Umstände des zu beurteilenden Falles komme die belangte Behörde zum Schluss, dass die öffentlichen Interessen an der Errichtung des Kraftwerkes Schwarze Sulm gegenüber den festgelegten Beeinträchtigungen der in §§ 30 ff, 104 und 104a WRG 1959 angeführten Umweltziele durch das Projekt deutlich überwiegen würden. Das Vorhaben sei daher unter Zugrundelegung des § 104a Abs. 2 WRG 1959 bewilligungsfähig.

6 Aufgrund einer Berufung der belangten Behörde als wasserwirtschaftliches Planungsorgan wurde mit Spruchpunkt I. des Bescheides der beschwerdeführenden Partei vom 30. November 2009 der Antrag der mitbeteiligten Parteien auf wasserrechtliche Bewilligung für das Projekt "Kraftwerk Schwarze Sulm, Ausbaustufe Teil A" abgewiesen.

7 Begründend führte die beschwerdeführende Partei in diesem Bescheid im Wesentlichen aus, dass die Prüfung der Voraussetzungen, aufgrund derer ein Durchbrechen des Verschlechterungsverbots gemäß § 104a Abs. 2 Z. 1 bis Z. 3 WRG 1959 zulässig sei, ergeben habe, dass im Hinblick auf das vorliegende Projekt weder im Sinne der Z. 1 ein übergeordnetes öffentliches Interesse und ein Nutzen für die nachhaltige Entwicklung, welcher den Nutzen der Zielverwirklichung der §§ 30a, c und d übersteige, vorliegen würde, noch gemäß Z. 2 dieser Bestimmung alle praktikablen Vorkehrungen getroffen worden wären, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächen- oder Grundwasserkörpers zu mindern. Das Vorliegen dieser Elemente sei die Voraussetzung für die wasserrechtliche Genehmigung von Vorhaben mit Auswirkung auf den Gewässerzustand (§ 104a WRG 1959).

8 Dagegen erhoben die mitbeteiligten Parteien als Konsenswerber Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

9 Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 55 Abs. 1 lit. g und der Wortfolgen " ,im Fall der Parteistellung (§ 102 Abs. 1 lit. h) beizuziehen" sowie "in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie" in § 55 Abs. 4 sowie des § 102 Abs. 1 lit. h WRG 1959, BGBl. Nr. 215 idF BGBl. I Nr. 87/2005 ein.

10 Mit Erkenntnis vom 16. März 2012, Zl. G 126/11, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die genannten Bestimmungen verfassungswidrig waren.

11 Mit Erkenntnis vom 16. März 2012, Zl. B 51/10-13, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die mitbeteiligten Parteien durch Spruchpunkt I. des Bescheides der beschwerdeführenden Partei vom 30. November 2009 wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden seien. Unter einem wurde dieser Bescheid aufgehoben.

12 Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass der Beschwerdeführer in seinem Bescheid vom 30. November 2009 verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen angewendet habe, aufgrund derer der belangten Behörde als wasserwirtschaftliches Planungsorgan Parteistellung und damit auch ein Berufungsrecht im Verfahren erster Instanz zugekommen sei. Es sei nach Lage des Falles offenkundig, dass die Anwendung dieser Bestimmungen für die Rechtsstellung der mitbeteiligten Parteien als Konsenswerber nachteilig gewesen sei. Diese seien durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt worden. Der Bescheid der beschwerdeführenden Partei vom 30. November 2009 sei daher im Hinblick auf den - ausschließlich angefochtenen - Spruchpunkt I. aufzuheben gewesen, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen sei.

13 Mit Bescheid der beschwerdeführenden Partei vom 24. April 2012 wurde im fortgesetzten Verfahren die Berufung der belangten Behörde als wasserwirtschaftliches Planungsorgan mangels Parteistellung zurückgewiesen.

14 In der gegen den Bewilligungsbescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 2007 erhobenen Amtsbeschwerde vom 22. Mai 2012 stellte die beschwerdeführende Partei den Antrag, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben. Begründend führte sie aus, dass die belangte Behörde in dem Bewilligungsbescheid rechtswidrig zum Schluss gekommen sei, dass die öffentlichen Interessen an der Errichtung des Kraftwerkes Schwarze Sulm gegenüber den festgestellten Beeinträchtigungen der in §§ 30 ff, 104 und 104a WRG 1959 angeführten Umweltziele durch das Projekt deutlich überwiegen würden. Durch die mangelhafte Anwendung des § 104 WRG 1959 widerspreche die belangte Behörde dem Unionsrecht, insbesondere der EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG (WRRL).

15 Mit Beschluss vom 26. Juni 2012, Zl. 2012/07/0107, wies der Verwaltungsgerichtshof die Amtsbeschwerde der beschwerdeführenden Partei als verspätet zurück.

16 Mit Schreiben vom 3. Mai 2012 regte die beschwerdeführende Partei eine Prüfung der Bewilligung der belangten Behörde vom 24. Mai 2007 gemäß § 21a WRG 1959 durch die belangte Behörde als Wasserrechtsbehörde erster Instanz an. Die beschwerdeführende Partei verwies auf Umstände, auf die im Zusammenhang mit der Prüfung gemäß § 104a WRG 1959 bei der Erteilung der Bewilligung nicht geachtet worden sei. So würden insbesondere auch die Ermittlungsergebnisse des Berufungsverfahrens gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 2007 eine Prüfung der bestehenden Bewilligung nahelegen.

17 Die belangte Behörde leitete das Verfahren nach § 21a WRG 1959 mit Schreiben vom 11. Juli 2012 ein.

18 Im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2013 wurde der Zustand der Schwarzen Sulm diskutiert. Die mitbeteiligten Parteien legten Unterlagen vor und argumentierten, dass im Quellgebiet der Schwarzen Sulm Wasserentnahmen des Wasserverbandes Koralm im Ausmaß von mindestens 31 l/s bis maximal 71 l/s erfolgen würden. Die Wasserentnahmen im Quellbereich würden dazu führen, dass an der Schwarzen Sulm für den gesamten Oberflächenwasserkörper 802660000 das Qualitätsziel für den "sehr guten" hydromorphologischen Zustand nicht mehr erreicht werden könne.

19 Als Ergebnis der Verhandlung wurde festgehalten, dass die von den mitbeteiligten Parteien vorgelegten Unterlagen und vorgebrachten Argumente (im Oberlauf der Schwarzen Sulm werde für den Wasserverband Koralm Quellwasser im Ausmaß von 60 l/s abgezogen) eine Neubewertung des Oberflächenwasserkörpers 802660000 durch das Bewertungsteam erforderten. Durch die Errichtung des Kraftwerks sei keine Verschlechterung der Oberflächenwasserkörper 802660000 und 802790090 ("guter" Zustand) gegeben, weswegen § 104a WRG 1959 mangels Verschlechterung des Gewässerzustandes nicht zur Anwendung gelange. Im weiteren Verfahren nach § 21a WRG 1959 habe daher eine Prüfung der zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen gemäß § 105 WRG 1959 zu erfolgen.

20 Im weiteren Verfahren wurden sodann die öffentlichen Interessen gemäß § 105 WRG 1959 geprüft, die das gegenständliche Kraftwerk berühren könnte. In diesem Zusammenhang wurde ausgeführt, dass sich teilweise im Hinblick auf den Stand der Technik Änderungen ergeben hätten, so insbesondere eine Änderung der Vorgaben für die Festlegung der Pflichtwasserdotierung.

21 Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. September 2013 wurden die mitbeteiligten Parteien als Konsensinhaber des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides der belangten Behörde vom 24. Mai 2007 zur Erreichung des Anpassungszieles "Pflichtwasserdotierung der Ausleitungsstrecke entsprechend den Vorgaben der Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer idF BGBl. II Nr. 461/2010" verpflichtet, innerhalb von drei Wochen (gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides) Projektunterlagen vorzulegen, die Folgendes beinhalten müssten:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

28 Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

29 Gemäß § 116 Abs. 1 lit. a WRG 1959 kann der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unbeschadet des § 33 Abs. 10 und des § 54 Abs. 3 WRG 1959 gegen Bescheide, die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften widersprechen, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben.

30 Die Grenzen des Rechtsstreites werden bei Amtsbeschwerden durch die Anfechtungserklärung des Beschwerdeführers gezogen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2004, Zlen. 2003/05/0218, 0219, VwSlg 16.431A/2004).

31 Die gemäß § 28 Abs. 2 VwGG an die Stelle der Beschwerdepunkte tretende Erklärung über den Umfang der Anfechtung lautet in der vorliegenden Amtsbeschwerde wie folgt:

"In dem dem beschwerdegegenständlichen Bescheid gem. § 21a WRG zugrundeliegenden Bewilligungsbescheid wurde von der belangten Behörde eine Ausnahme vom Grundsatz der Verschlechterung zugestanden, weil als Ergebnis der Interessenabwägung nach § 104a WRG das ‚öffentliche Interesse' an der Erzeugung erneuerbarer Energien gegenüber jenem an der Haltung eines sehr guten ökologischen (insbesondere hydromorphologischen) Zustandes als überwiegend beurteilt wurde.

Im beschwerdegegenständlichen Bescheid wird mit der Begründung einer zwischenzeitlichen Änderung der Sachlage (Quelle) einerseits und einer Änderung der Rechtslage (QZV Ökologie OG) andererseits als Maßstab für das nicht hinreichend geschützte öffentliche Interesse lediglich der ‚gute' ökologische (insbesondere hydromorphologische) Zustand festgestellt.

Der beschwerdegegenständliche Bescheid ist mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, da die Verpflichtung der Konsenswerber zur Vorlage von Projektvorlagen nach § 21a WRG auf Grundlage einer (unions)rechtswidrigen Durchführung der Neubewertung des Oberflächenwasserkörpers OWK 802660000 ausgesprochen wurde. Die richtige Interpretation (nach Anhang V der WRRL) des § 12 QZV Ökologie OG hätte zu einem anderen Ergebnis (nämlich die richtige Bewertung des OWK 802660000 als ‚sehr guten' Zustand und weiterer Folge die Versagung der Ausnahmebewilligung gem. § 104a WRG) führen müssen. Die Umstände betreffen einerseits die irrtümliche Annahme der Änderung der Sachlage und andererseits die mangelhafte rechtliche Beurteilung im gegenständlichen § 21a-Verfahren."

32 Im Zusammenhang mit dem Widerspruch zu "gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften" im Sinne des § 116 Abs. 1 lit. a WRG 1959 hält die Amtsbeschwerde fest, dass sich die belangte Behörde mit ihrer Interpretation des § 12 Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer über Anhang V WRRL hinwegsetze. Sie komme nämlich - entgegen dem klaren Wortlaut der nationalen Vorgabe des § 12 Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer - zu dem Ergebnis, dass mehr als geringfügige Wasserentnahmen im Einzugsgebiet (des Oberlaufs) eines Gewässers dazu führen würden, dass die für die Gewässerökologie maßgebliche Menge und Dynamik der Strömung auch in einem Wasserkörper weit unterhalb im Gewässer gestört werden würde. Als Ergebnis dieser rechtswidrigen Auslegung des § 12 Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer werde ein bislang als "sehr gut" ausgewiesener Wasserkörper als "gut" bewertet. Damit konterkariere die Vornahme einer Bewertung auf diese Art und Weise mittelbar die Anwendung der Regelung des Art. 4 der WRRL, wonach Verschlechterungen eines Oberflächenwasserkörpers nur in Ausnahmefällen zulässig seien.

33 Prozessgegenstand des vorliegenden Amtsbeschwerdeverfahrens kann gemäß § 116 Abs. 1 lit. a WRG 1959 allein ein Widerspruch zu "gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften" sein. Diesen Widerspruch sieht die beschwerdeführende Partei in einer rechtswidrigen Auslegung des § 12 Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer, die im Ergebnis dazu führen würde, einen bislang als "sehr gut" ausgewiesenen Wasserkörper als "gut" zu bewerten. Eine solche Vorgangsweise verunmögliche die Anwendung der Bestimmung des Art. 4 WRRL, wonach Verschlechterungen eines Oberflächenwasserkörpers nur in Ausnahmefällen zulässig seien. Die richtige Interpretation des § 12 Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer hätte zu einer Bewertung als "sehr guten" Zustand geführt, welcher Umstand in weiterer Folge - entgegen dem Bescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 2007 - die Versagung der Ausnahmebewilligung gemäß § 104a WRG 1959 herbeigeführt hätte.

34 Die beschwerdeführende Partei sieht im Vorgehen der belangten Behörde gleichsam den Versuch deren ursprünglich unionsrechtlichen Vorschriften widersprechenden Bescheid vom 24. Mai 2007 mit einer neuerlich unionsrechtlichen Vorschriften (Anhang V der WRRL) widersprechenden Interpretation des § 12 Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer im Nachhinein zu sanieren.

35 Diese Argumentation entbehrt seit dem Urteil des EuGH vom 4. Mai 2016, C-346/14 , Kommission gegen Österreich, jeglicher Grundlage.

36 Diesem Urteil lag die Klage der Europäischen Kommission gegen die Republik Österreich zugrunde, wonach letztere dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 7 der WRRL verstoßen habe, dass mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 2007 das beschwerdegegenständliche Kraftwerk an der Schwarzen Sulm bewilligt worden sei. Dieser Bescheid vom 24. Mai 2007 habe nämlich gegen die Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 lit. a Z. i der WRRL verstoßen, die notwendigen Maßnahmen durchzuführen, um eine Verschlechterung des Zustandes aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern.

37 Das streitige Vorhaben führe nach Ansicht der Europäischen Kommission unter Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nach Art. 4 Abs. 1 der WRRL zu einer Herabstufung des Zustandes des Oberflächenwasserkörpers der Schwarzen Sulm. Während nämlich der Bescheid vom 24. Mai 2007 diesen Zustand als "sehr gut" bewertet habe, werde das Vorhaben den Zustand in "gut" umwandeln und daher zu einer Verschlechterung führen. Für die Zwecke der Feststellung einer solchen Verschlechterung sei unbeachtlich, dass die belangte Behörde diesen Zustand durch ihren Bescheid vom 4. September 2013 letztlich selbst als "gut" eingestuft habe, da dieser Bescheid nicht unter Wahrung der verfahrensmäßigen Anforderungen gemäß den Art. 13 und 14 dieser Richtlinie ausgestellt worden sei. So könne trotz der Herabstufung des Gewässerzustandes durch diesen Bescheid nicht davon ausgegangen werden, dass das Vorhaben keine Verschlechterungen dieses Zustandes zur Folge habe. Nach Auffassung der Europäischen Kommission könnte deshalb der Bescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 2007, mit dem das streitige Vorhaben bewilligt worden sei, nur rechtens sein, wenn die Bedingungen gemäß Art. 4 Abs. 7 der WRRL für die Gewährung einer Ausnahme vom Verschlechterungsverbot erfüllt gewesen seien. Die Republik Österreich habe weder ordnungsgemäß geprüft, ob diese Ausnahme wirksam hätte durchgesetzt werden können, noch habe sie jedenfalls den Rückgriff auf eine solche Ausnahme hinreichend begründet. Die Republik Österreich hätte insoweit berücksichtigen müssen, dass die Kapazität des vom Bescheid vom 24. Mai 2007 betroffenen Wasserkraftwerkes für die regionale und nationale Energieversorgung "unerheblich" sein werde. Der Mitgliedstaat habe aber entgegen den Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 7 der WRRL weder Ermittlungen über mögliche Ausweichstandorte angestellt, noch andere erneuerbare Energiequellen überhaupt in Betracht gezogen. Folglich könne die Verschlechterung des Zustandes des Oberflächenwasserkörpers der Schwarzen Sulm, zu der das streitige Vorhaben führen werde, nicht auf der Grundlage dieser Bestimmung gerechtfertigt werden.

38 Der EuGH wies diese Klage der Europäischen Kommission mit seinem zitierten Urteil vom 4. Mai 2016 als unbegründet ab.

39 Der EuGH ging in seinen Entscheidungsgründen von einer "zumindest teilweisen Verschlechterung des Oberflächenwasserkörpers" durch das beschwerdegegenständliche Vorhaben aus. In einem Teilbereich von in etwa 8 km käme es zu einer Verschlechterung um eine Stufe, nämlich von "sehr gut" auf "gut".

40 Zur Ausnahme vom Verschlechterungsverbot gemäß Art. 4 Abs. 7 der WRRL hielt der EuGH fest:

"80 Somit hat der Landeshauptmann der Steiermark - entgegen den Ausführungen der Kommission - das streitige Vorhaben insgesamt, nämlich einschließlich seiner unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Ziele der Richtlinie 2000/60 , geprüft und seine Vorteile und negative Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächenwasserkörpers der Schwarzen Sulm gegeneinander abgewogen. Insbesondere hat er im Rahmen dieser Prüfung berücksichtigt, dass dieser Fluss von sehr hoher ökologischer Qualität ist, aber angenommen, dass angesichts der verschiedenen von dem Vorhaben zu erwartenden Vorteile die damit verbundenen öffentlichen Interessen eindeutig die Auswirkungen für das von dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Vermeidung einer Verschlechterung übersteigen. Er hat sich daher nicht bloß in abstrakter Weise auf das übergeordnete allgemeine Interesse gestützt, das die Erzeugung erneuerbarer Energien darstellt, sondern seiner Schlussfolgerung, dass die Bedingungen für eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot erfüllt seien, eine detaillierte und spezifische wissenschaftliche Prüfung dieses Vorhabens zugrunde gelegt.

81 Aus alledem folgt, dass der Landeshauptmann der Steiermark, der sich unter Zugrundelegung eines Gutachtens des Instituts geäußert hat, das ihm die maßgebenden Informationen über die Auswirkungen des streitigen Vorhabens zur Verfügung stellen konnte, sämtliche in Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60 vorgesehene Bedingungen berücksichtigt hat und zu Recht annehmen konnte, dass diese erfüllt sind.

82 Um die Bewertung, zu der der Landeshauptmann der Steiermark gelangt ist, anzufechten, macht die Kommission insbesondere geltend, dass die Wasserkraft nur eine neben anderen erneuerbaren Energien sei und dass die Energie, die von dem Wasserkraftwerk, auf das sich das streitige Vorhaben beziehe, erzeugt werde, nur geringfügige Auswirkungen auf die Stromversorgung sowohl auf regionaler als auch auf nationaler Ebene habe. Mangels spezifischer Rügen der Kommission, mit denen beispielsweise dargetan werden könnte, worin die Lückenhaftigkeit und Fehlerhaftigkeit des in Rn. 75 des vorliegenden Urteils genannten Gutachtens, dessen Schlussfolgerungen in den Bescheid von 2007 aufgenommen worden sind, aufgrund einer unzureichenden Prüfung der ökologischen Auswirkungen dieses Vorhabens auf den Zustand des Oberflächenwasserkörpers der Schwarzen Sulm oder die fehlende Verlässlichkeit, mit der die Vorhersagen der Wasserkrafterzeugung behaftet seien, besteht, und mangels Vergleichskriterien, anhand deren die geplante Elektrizitätserzeugung im Verhältnis zum Umfang dieses Vorhabens als gering eingestuft werden könnte, ist festzustellen, dass die Kommission die geltend gemachte Vertragsverletzung nicht dargetan hat."

41 Die von der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom 24. Mai 2007 eingenommene Rechtsansicht, dass das Kraftwerk Schwarze Sulm gemäß § 104a Abs. 2 WRG 1959 bewilligungsfähig sei, wurde nunmehr durch das Urteil des EuGH vom 4. Mai 2016, C-346/14 , bestätigt. Nach Ansicht des EuGH war die Genehmigung unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten - trotz der zugrunde gelegten Verschlechterung der Wasserqualität der Schwarzen Sulm - zulässig, weil die Errichtung des Wasserkraftwerkes im Hinblick auf das Ziel der Schaffung erneuerbarer Energiequellen im öffentlichen Interesse liege und die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung eine ausreichende Prüfung der gegenläufigen Interessen vorgenommen habe.

42 Die Amtsbeschwerde geht im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren davon aus, dass der beschwerdegegenständliche Oberflächenwasserkörper richtig als "sehr gut" bewertet hätte werden müssen und dies zur Versagung der Bewilligung gemäß § 104a WRG 1959 geführt hätte. Der EuGH teilt diese Rechtsansicht der beschwerdeführenden Partei nicht. Damit liegt aber die geltend gemachte Unionsrechtswidrigkeit nicht vor.

43 Angesichts dessen kann es dahinstehen, ob die nachträglich in der Begründung des angefochtenen Bescheides vorgenommene Bewertung des Oberflächenwasserkörpers als "gut" ihrerseits unionsrechtswidrig gewesen ist oder nicht. Zum einen ist die Begründung eines Bescheides nicht der Rechtskraft fähig und entfaltet damit - von hier nicht maßgeblichen Ausnahmefällen abgesehen - keine Bindungswirkung (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 19. Juli 2007, Zl. 2006/07/0111, mwN, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 2005, Rdn. 2 zu § 60). Zum anderen ist im Amtsbeschwerdeverfahren das Rechtsschutzbedürfnis im Interesse des Organs an der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des objektiv rechtmäßigen Zustandes zu erblicken (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 92). Angesichts der Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 4. Mai 2016, C-346/14 , erweist sich die Bewilligung der belangten Behörde vom 24. Mai 2007 auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten als rechtmäßig. An dieser Rechtmäßigkeit vermag auch der allein bindende Spruch des hier angefochtenen Bescheides vom 4. September 2013 nichts zu ändern. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides - im vorliegenden Fall seiner Begründungsausführungen - nicht berufen; die in der Amtsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen unionsrechtlicher Natur besitzen nämlich nur (mehr) theoretische Bedeutung (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Mai 2012, Zl. 2009/07/0199, mwN).

44 Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

45 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

46 Die Beschwerdebefugnis des Bundesministers nach § 116 WRG 1959 ist ein Fall der sogenannten Amtsbeschwerde nach Art. 131 Abs. 2 B-VG, daher findet nach § 47 Abs. 4 VwGG für die belangte Behörde kein Aufwandersatz statt. Ihr Kostenantrag war zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2013, Zl. 2010/07/0219, mwN).

Wien, am 24. Mai 2016

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