VwGH 2013/07/0152

VwGH2013/07/015229.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde 1. der Dr. MH und 2. des Dipl. Ing. MH, beide in G, beide vertreten durch Dr. Robert Wiesler, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sporgasse 27/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. Juni 2013, Zl. ABT13- 30.40-951/2013-4, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadt G in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §12 Abs3;
WRG 1959 §41 Abs4;
WRG 1959 §41;
WRG 1959 §63 litb;
WRG 1959 §63 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Antrag auf Aufwandersatz der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt G (der Erstbehörde) vom 5. Dezember 2012 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 41 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung des Hochwasserschutzprojektes L.-Bach, Bauabschnitt 1, von Bachkm 0,958 bis Bach-km 1,482 nach Maßgabe der vorgelegten Projektunterlagen und unter Vorschreibung von verschiedenen Nebenbestimmungen erteilt.

2 Als Auflagen wurde unter anderem Folgendes vorgeschrieben:

"30. Im Rahmen der Ausarbeitung des Detailprojektes für den

2. Bauabschnitt ist eine gemeinsame Optimierung der gesamten Ausbaustrecke des (L.-Baches) (bestehend aus dem verfahrensgegenständlichen 1. Bauabschnitt und aus dem künftigen

2. Bauabschnitt) - für die Feststellung von nachträglich möglichen Verbesserungen (z.B. in Form einer lokalen Erhöhung des künstlichen Reserve-Freibordes im ersten, bereits fertig gestellten Bauabschnitt) - durchzuführen.

Diese nachträglichen Untersuchungen der beiden Bereiche sind mit einer 2D-Modellierung durchzuführen, da etwa ab Ende 2013 damit zu rechnen ist, dass 2D-Hochwasser-Untersuchungen in naher Zukunft ‚Stand der Technik' werden.

31. Da im Rahmen der Gesamtharmonisierung der beiden Bauabschnitte eine weitere Erhöhung der Stützmauer im Bereich der (S.-Straße) 21-23 angestrebt wird, ist eine statische Untersuchung zur Vorbereitung einer etwaigen zusätzlichen Erhöhung durchzuführen.

32. Ist eine statische oder flächenmäßige Sanierung der beiden Uferwände vor der Brücke ‚(S.-Straße)' von Nöten, ist diese Sanierung im Rahmen des 1. Bauabschnittes durchzuführen.

33. Sollte sich während oder nach Beendigung der Baumaßnahmen oder nach Abschluss der Gesamtoptimierung zur Erzielung eines hinreichenden Schutzes öffentlicher oder privater Interessen die Notwendigkeit der Festsetzung weiterer Auflagen ergeben, sind diese nachträglichen Verfügungen vorbehalten."

3 Zugleich wurde in dem angeführten Bescheid im Zuge des bewilligten Projektes gemäß § 63 lit. c iVm §§ 117, 118 WRG 1959 die Enteignung bestimmter Teilflächen näher bezeichneter Grundstücke der KG St. unter gleichzeitiger Zuerkennung von Entschädigungen ausgesprochen, wobei die enteignete Grundfläche im Eigentum der Erstbeschwerdeführerin 4,69 m2, jene im Eigentum des Zweitbeschwerdeführers 3,43 m2 betrug.

4 Schließlich wurde mit dem Bescheid gemäß § 38 Abs. 1 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Geh- und Radweges sowie einer Geh- und Radwegbrücke im Zuge des bewilligten Hochwasserschutzprojektes nach Maßgabe der vorgelegten Projektunterlagen und unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.

5 In der Begründung des Bescheides wird unter anderem ausgeführt, dass von dem bewilligten Projekt samt der damit verbundenen Enteignung ein etwa 4 m2 großer Bereich innerhalb der Mülleinhausung der Wohnhausanlage S.-Straße 21-23 betroffen sei und durch den notwendigen Umbau nur etwa zwei bis drei Mülltonnen oder ein größerer Container unbedingt umgestellt werden müsse. Für eine mögliche Verlegung des Standortes der Mülleinhausung stünden aus wasserbautechnischer Sicht drei technisch mögliche und auf öffentliche Kosten durchführbare Varianten zur Verfügung, wobei die mitbeteiligte Partei als Konsenswerberin die Übernahme der Kosten dafür zugesichert habe.

6 2. Gegen diesen Bescheid erhoben (unter anderem) die nunmehrigen Beschwerdeführer Berufung.

7 Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 2013 gab der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 41, 105 WRG 1959 "insoferne Folge", als er den Entfall der Auflagenpunkte 30.) bis 33.) des erstbehördlichen Bescheides anordnete. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

8 Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen (soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Interesse) aus, nach den Ausführungen eines im Verfahren beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen verbleibe - entgegen einem entsprechenden Berufungsvorbringen - im Bereich der neu zu errichtenden Geh- und Radwegbrücke S.-Straße unter der Tragwerksunterkante dieser Brücke ein Freibord zwischen 48 und 60 cm. Dieses als zusätzliche Sicherheit zur berechneten Hochwasseranschlaglinie dienende Freibord sei aus fachlicher Sicht ausreichend. Hinsichtlich der Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss werde es durch das Projekt im Bereich S.-Straße (die Beschwerdeführer wohnen an deren Hausnummern 21 und 25) zu erheblich positiven Auswirkungen kommen; auch im Bereich der bestehenden Zufahrtsbrücke zur S.-Straße werde es zu keiner Verschlechterung kommen, weil eine rechtsufrige Begleitmauer um bis zu 40 cm erhöht werde. Dadurch könne ein Hochwasserschutz bis zu einem HQ 100 erreicht werden.

9 Soweit in den Berufungen die gleichzeitige Errichtung der Bauabschnitte 1 und 2 gefordert worden sei, weil sonst eine Verschlechterung der Hochwasserabflusssituation im Bereich S.- Straße erfolgen könne, sei - nach den Ausführungen des Amtssachverständigen - der (im erstbehördlichen Bescheid genehmigte) Bauabschnitt 1 als eigenständiger Abschnitt zu betrachten, weil das abwärts des Endes des Bauabschnittes 1 bestehende Bachbett in der Lage sei, die gesamte zufließende Wassermenge abzuführen. Im Falle eines Rückstaues abwärts des Bauabschnittes 1 könne es "nach den derzeit geltenden physikalischen Gesetzen" zu keinem Rückfließen von Wässern nach oben kommen. Mögliche Auswirkungen, bedingt durch Hochwasserschutzmaßnahmen, könnten nur abwärts durch Erhöhung der Hochwasserabflussmengen auftreten; im vorliegenden Fall sei dies nach den vorliegenden Planunterlagen und Berechnungen nicht gegeben.

10 Soweit im erstbehördlichen Bescheid in den Auflagen 30.) bis 33.) eine nachträgliche Betrachtung des Hochwasserabflusses gemeinsam mit dem Bauabschnitt 2 nach Durchführung der Bauarbeiten und allenfalls notwendige Adaptierungsarbeiten im Bereich des Bauabschnittes 1 vorgeschrieben worden seien, habe der Amtssachverständige dies "aus fachlicher Sicht" als nicht zulässig erachtet, weil nur das vorliegende Projekt zu beurteilen sei und daher auch Auswirkungen auf den bachabwärts gelegenen Abschnitt zu berücksichtigen seien. Da keine Auswirkungen auf den bachabwärts gelegenen Abschnitt durch die Maßnahmen im Bauabschnitt 1 zu erwarten seien, seien die genannten Auflagenpunkte aus fachlicher Sicht zu streichen.

11 Soweit in der Berufung die Einbeziehung der neu erstellten 2-D-Abflussberechnung für den L.-Bach verlangt werde, habe der wasserbautechnische Amtssachverständige ausgeführt, dass ein Vergleich jener Untersuchung aus Jänner 2013 und der dem Einreichprojekt auf Basis einer 1-D-Berechnung zugrunde liegenden Untersuchung zeige, dass kein Unterschied zwischen diesen beiden Abflussberechnungen für den gegenständlichen Bereich bestehe. Auch unter alleiniger Berücksichtigung der neuen 2-D-Abflussberechnung würde sich daher kein geändertes Projekt ergeben.

12 Die im vorliegenden Projekt zur Bemessung herangezogenen Parameter seien entsprechend und plausibel. Insgesamt habe der wasserbautechnische Amtssachverständige das vorliegende Projekt als dem Stand der Technik entsprechend bemessen und geplant beurteilt.

13 In ihren Erwägungen führte die belangte Behörde im Kern aus, den Beschwerdeführern komme - da sie im Verfahren auf die Gefahr der Verletzung ihres Grundeigentums hingewiesen hätten - ausgehend von § 41 iVm § 12 Abs. 2 WRG 1959 Parteistellung zu. Sie seien allerdings im Verfahren den Ausführungen des Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten.

14 Durch das Vorliegen der zulässigen Berufung (auch) der Beschwerdeführer werde die Amtspflicht der belangten Behörde ausgelöst, "losgelöst von den in der Berufung vorgetragenen Sachverhalten das Vorhaben in jeder Hinsicht auf das Vorliegen von Bewilligungshindernissen zu untersuchen" und sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung anstelle jener der Erstbehörde zu setzen und demgemäß den bekämpften Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

15 Die im erstbehördlichen Bescheid vorgeschriebenen Auflagen 30.) bis 33.) seien wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit zu streichen, weil eine wasserrechtliche Bewilligung erst dann erteilt werden dürfe, wenn feststehe, dass das geltend gemachte Recht nicht beeinträchtigt werde, vorliegendenfalls also dann, wenn sich die Behörde über die Hochwasserabflussuntersuchung des Projektgebietes (die nach den genannten Auflagen im Nachhinein durchzuführen sei) im Klaren sei.

16 Zum Berufungsvorbringen zu der mit dem erstbehördlichen Bescheid ausgesprochenen Enteignung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass § 41 Abs. 4 WRG 1959 (unter anderem) auf § 12 Abs. 3 WRG 1959 verweise. Es komme somit bezüglich der Möglichkeit, bestehende Rechte durch Einräumung von Zwangsrechten zu beseitigen oder zu beschränken, zur Anwendung der §§ 60 ff WRG 1959. Eine Erteilung der vorliegend erfolgten wasserrechtlichen Bewilligung ohne Zustimmung der betroffenen Eigentümer bzw. ohne Zwangsrechtseinräumung ihnen gegenüber sei rechtlich unzulässig.

17 Für die Verwirklichung des gegenständlichen Hochwasserschutzprojektes sehe das WRG 1959 sehr wohl (insbesondere in § 63 lit. b) die Möglichkeit der Einräumung von Zwangsrechten vor. Durch die Verwirklichung der geplanten Maßnahmen solle den Gefahren und damit den schädlichen Wirkungen im Sinne des § 63 lit. b WRG 1959, die Mensch und Umwelt durch die Hochwassergefahr am L.-Bach drohten, begegnet werden; die Errichtung dieses Projektes sei zur Zielerreichung notwendig. Es bestehe somit auch vor dem auf fachlicher Ebene nicht widerlegten Hintergrund und mangels Anhaltspunkten für das Bestehen anderweitiger effektiver Befriedigungsmöglichkeiten kein Zweifel am Bedarf an dem geplanten Projekt zur Verwirklichung der in § 63 lit. b WRG 1959 genannten Ziele.

18 Zur Frage, ob das Hochwasserschutzprojekt im Vergleich zu den Nachteilen der zu Lasten der Beschwerdeführer vorgenommenen Enteignung überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten lasse, habe schon die Erstbehörde in ihrem Bescheid ausgeführt, dass auf Grundlage der Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen kein Zweifel an der Existenz der Hochwassergefahr im betreffenden Stadtbezirk bestehe und durch die Umsetzung des vorliegenden Projektes in der Natur als wichtiger Schritt im Zuge des Hochwasserschutzprogrammes G Bäche eine wesentliche Verbesserung jedenfalls für unmittelbar angrenzende Liegenschaften und Grundstücke (darunter auch für die Wohnanlage der Beschwerdeführer in der S.-Straße 21-25) eintreten werde. Dieses öffentliche Interesse sei höher zu bewerten als das private Interesse der Beschwerdeführer. Entgegen den gegenteiligen Behauptungen der Beschwerdeführer habe somit schon die Erstbehörde die maßgeblichen Argumente "Für" und "Wider" des in Frage stehenden Projektes ausreichend dargestellt und für die belangte Behörde eine nachvollziehbare und von § 63 WRG 1959 gedeckte Wertentscheidung zugunsten des Projektes getroffen.

19 3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

20 Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet und darin die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21 1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

22 2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. I Nr. 98/2013, lauten wie folgt:

"Grundsätze für die Bewilligung hinsichtlich öffentlicher Interessen und fremder Rechte.

§ 12. (1) Das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung ist derart zu bestimmen, daß das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

(3) Inwiefern jedoch bestehende Rechte - abgesehen von den Bestimmungen des Abs. 4 des § 19 Abs. 1 und des § 40 Abs. 3 - durch Einräumung von Zwangsrechten beseitigt oder beschränkt werden können, richtet sich nach den Vorschriften des achten Abschnittes.

(...)

Besondere bauliche Herstellungen.

§ 38. (1) Zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer oder in Gebieten, für die ein gemäß § 42a Abs. 2 Z 2 zum Zweck der Verringerung hochwasserbedingter nachteiliger Folgen erlassenes wasserwirtschaftliches Regionalprogramm (§ 55g Abs. 1 Z 1) eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht vorsieht, sowie von Unterführungen unter Wasserläufen, schließlich von Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, ist nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Die Bewilligung kann auch zeitlich befristet erteilt werden.

(...)

Schutz- und Regulierungswasserbauten.

§ 41. (1) Zu allen Schutz- und Regulierungswasserbauten in öffentlichen Gewässern einschließlich der Vorkehrungen zur unschädlichen Ableitung von Gebirgswässern nach dem Gesetze vom 30. Juni 1884, RGBl. Nr. 117, muß, sofern sie nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, vor ihrer Ausführung die Bewilligung der Wasserrechtsbehörde eingeholt werden.

(...)

(4) Schutz- und Regulierungswasserbauten einschließlich größerer Räumungsarbeiten sind so auszuführen, daß öffentliche Interessen nicht verletzt werden und eine Beeinträchtigung fremder Rechte vermieden wird. Die Bestimmungen des § 12 Abs. 3 und 4 finden sinngemäß Anwendung.

(...)

ACHTER ABSCHNITT.

Von den Zwangsrechten

Einteilung der Zwangsrechte und allgemeine Bestimmungen.

§ 60. (1) Zwangsrechte im Sinne dieses Abschnittes sind:

(...)

c) die Enteignung (§§ 63 bis 70);

(...)

Enteignung von Liegenschaften und Bauwerken

§ 63. Um die nutzbringende Verwendung der Gewässer zu fördern, um ihren schädlichen Wirkungen zu begegnen, zur geordneten Beseitigung von Abwässern und zum Schutz der Gewässer kann die Wasserrechtsbehörde in dem Maße als erforderlich

(...)

b) für Wasserbauvorhaben, deren Errichtung, Erhaltung oder Betrieb im Vergleich zu den Nachteilen von Zwangsrechten überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten läßt, die notwendigen Dienstbarkeiten einräumen oder entgegenstehende dingliche Rechte einschließlich Nutzungsrechte im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, einschränken oder aufheben, damit die genehmigte Anlage mit den zu ihr gehörigen Werken und Vorrichtungen hergestellt, betrieben und erhalten sowie der Vorschreibung sonstiger Maßnahmen entsprochen werden kann;

c) Liegenschaften und Bauwerke, ferner Werke, Leitungen und Anlagen aller Art ganz oder teilweise enteignen, wenn in den Fällen der unter lit. b bezeichneten Art die Einräumung einer Dienstbarkeit nicht ausreichen würde;

(...)"

23 3. Zu den in § 41 Abs. 4 WRG 1959 genannten "fremden Rechten" zählen jedenfalls auch die Rechte nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, Zl. 2008/07/0089), somit etwa das Grundeigentum.

24 Die Beschwerde macht eine Verletzung des subjektiven Rechts der Beschwerdeführer "auf Unterbleiben einer unzulässigen und das Eigentum der Beschwerdeführer beeinträchtigenden wasserrechtlichen Bewilligung des Hochwasserschutzprojektes (L.- Bach)" und eine Verletzung im Eigentumsrecht der Beschwerdeführer "im allgemeinen" geltend.

25 3.1. Dazu bringt die Beschwerde zunächst vor, mit Blick auf die Verletzung des Eigentumsrechtes der Beschwerdeführer hätte die erteilte wasserrechtliche Bewilligung "keinesfalls erfolgen dürfen".

26 Damit lässt die Beschwerde allerdings die hg. Rechtsprechung zu § 41 WRG 1959 außer Acht, derzufolge - mit Blick auf den in dessen Abs. 4 erhaltenen Verweis auf § 12 Abs. 3 WRG 1959 - eine nach § 41 WRG 1959 erforderliche Bewilligung unter anderem dann zu versagen ist, wenn fremde Rechte dieser Bewilligung entgegenstehen, die nach entsprechender Interessenabwägung nicht durch Zwangsrechte überwunden werden können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Februar 1997, Zl. 96/07/0080, sowie vom 30. September 2010, Zl. 2008/07/0134).

27 Sofern daher die in § 41 Abs. 4 WRG 1959 genannte "Beeinträchtigung fremder Rechte" - im vorliegenden Fall des Grundeigentums - nach § 63 lit. b und c WRG 1959 zulässig ist (s. dazu unten unter Punkt 3.5.), steht sie der Erteilung einer Bewilligung nach § 41 WRG 1959 nicht entgegen. Das in diesem Zusammenhang in der Beschwerde angeführte hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2011, Zl. 2007/07/0126 = VwSlg. 18.141A, steht dem nicht entgegen, betraf jenes Erkenntnis doch eine Bewilligung nach § 38 Abs. 1 WRG 1959. Der weitere in diesem Zusammenhang in der Beschwerde enthaltene Hinweis auf Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu "möglichen Auswirkungen, bedingt durch Hochwasserschutzmaßnahmen" erweist sich im Übrigen als aus dem Zusammenhang gerissen und ist schlicht irreführend.

28 3.2. Mit dem folgenden Beschwerdevorbringen zu einem "erhöhten Risiko im Hochwasserfall auf Grund etwa der Verklausungsgefahr" wegen der geplanten Geh- und Radwegbrücke "mit einem Freibord größer/gleich Null" und dazu, dass eine gemeinsame Betrachtung der Bauabschnitte 1 und 2 "jedenfalls notwendig und sinnvoll" gewesen wäre, tritt die Beschwerde den dazu auf sachverständiger Grundlage gegründeten Erwägungen der belangten Behörde nicht auf fachlich gleicher Ebene entgegen, sodass dieses Vorbringen nicht zielführend ist.

29 3.3. Im Weiteren wendet sich die Beschwerde gegen den im angefochtenen Berufungsbescheid angeordneten Entfall der Auflagen 30.) bis 33.) des erstbehördlichen Bescheides und bringt dazu vor, damit sei eine "von der Rechtssystematik völlig verfehlte und geradezu sinnwidrige" wesentliche Verschlechterung für die Beschwerdeführer verbunden. Diese Vorgangsweise der belangten Behörde sei auch als "schwerer Verfahrensfehler" anzusehen, weil die genannten Auflagen "inhaltlich jedenfalls gerechtfertigt und von wesentlicher Bedeutung" seien, um eine "Gesamtoptimierung zur Erzielung eines hinreichenden Schutzes öffentlicher oder privater Interessen herbeizuführen".

30 In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde allerdings zu Recht erkannt, dass die ihr als Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG eingeräumte Befugnis, "den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern", mangels einer einschränkenden Bestimmung auch das Recht bzw. - wenn die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften dies gebieten - die Pflicht umfasst, den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde auch zum Nachteil des Berufungswerbers abzuändern; ein Verbot einer reformatio in peius ist dem Berufungsverfahren nach dem AVG somit fremd (vgl. die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 91).

31 Die belangte Behörde hat den von ihr angeordneten Entfall der Auflagen 30.) bis 33.) des erstbehördlichen Bescheides erkennbar - unter Zugrundelegung der Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen - damit begründet, dass es durch das bewilligte Projekt (die Realisierung des Bauabschnittes 1 des Hochwasserschutzprojektes L.-Bach) zu keinen negativen Auswirkungen auf den bachabwärts gelegenen Abschnitt komme, weshalb es an einer Rechtsgrundlage für die genannten Auflagen mangle.

32 Dieser Auffassung tritt die Beschwerde mit dem wiedergegebenen Vorbringen, welches im Übrigen eine Verletzung in Rechten der Beschwerdeführer infolge des Entfalls dieser Auflagen nicht konkret behauptet, nicht auf fachlich gleicher Ebene entgegen.

33 3.4. Die Beschwerde bringt weiters vor, die belangte Behörde habe in der Berufung enthaltenes Vorbringen mit Blick "auf die - bei antragsgemäßer Bewilligung des Projektes notwendige - Adaptierung, Neugestaltung bzw allfällige Verlegung des bestehenden Müllplatzes der Beschwerdeführer" nicht behandelt; dieser Müllplatz müsse jedenfalls am derzeitigen Standort bestehen bleiben, weil es andernfalls zu einer Neuparifizierung der gesamten Wohnhausanlage S.-Straße 21-25 kommen müsste.

34 Auch mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan:

35 Soweit darin lediglich auf den Inhalt der Berufungsschrift verwiesen wird, stellt dies nach ständiger hg. Rechtsprechung keine gesetzmäßige Darlegung der Beschwerdegründe im Sinn des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG dar und ist deshalb unbeachtlich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2013, Zl. 2013/07/0088, mwN). Im Übrigen ist schon nach den wiedergegebenen Feststellungen im erstbehördlichen Bescheid - welche die Beschwerdeführer nicht in Frage stellen - ein Verbleib des Müllplatzes ungeachtet der geringfügigen Verkleinerung der Mülleinhausung infolge des bewilligten Projektes (um ca. 4 m2) durchaus möglich.

36 In der im Zusammenhang mit der Nichtbehandlung der "Problematik Müllplatz" erstatteten Verfahrensrüge wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht konkret dargelegt, wird doch nicht dargetan, zu welchen Ergebnissen weitere Ermittlungen der belangten Behörde in dieser Richtung geführt hätten.

37 3.5. Schließlich wendet sich die Beschwerde gegen die von der belangten Behörde zur Begründung der Enteignung von im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Teilflächen vorgenommene Interessenabwägung.

38 Angesichts der von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang getroffenen (oben unter Punkt I.2.) wiedergegebenen Ausführungen kann allerdings keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde "jedes Recht eines anderen aufgrund eines angeblichen (ohnehin tatsächlich nicht vorliegenden) öffentlichen Interesses" schlicht vernachlässigt hätte. Die angeführten Beschwerdeausführungen sind daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Enteignung nach § 63 lit. c WRG 1959 dazutun (vgl. zu dieser Interessenabwägung etwa Bumberger/Hinterwirth, WRG2, E 50 ff zu § 60).

39 4. Die sich insgesamt als unberechtigt erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

40 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Aufwandersatz war abzuweisen, weil nach § 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG einem Mitbeteiligten nur dann Anspruch auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes zukommt, wenn die Gegenschrift durch einen Rechtsanwalt eingebracht wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2012, Zl. 2008/07/0183).

Wien, am 29. September 2016

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