Normen
BVergG §28;
BVergG §320;
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §5 Abs1;
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §6 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BVergG §28;
BVergG §320;
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §5 Abs1;
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §6 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) führte ein offenes Verfahren betreffend einen Bauauftrag zur Beschaffung der Prozesstechnik für die Produktionsapotheke in den Landeskliniken St.P. und Wr.N.
Die Beschwerdeführerin beteiligte sich an diesem Vergabeverfahren mit einem rechtzeitig abgegebenen Angebot. Per Fax vom 21. Februar 2013 wurde die Beschwerdeführerin über das Ausscheiden ihres Angebotes informiert. Am 22. März 2013 wurde seitens der Auftraggeberin der Widerruf des Vergabeverfahrens bekannt gemacht.
Die Auftraggeberin leitete in weiterer Folge ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006 ein, wobei die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren nicht zur Angebotslegung eingeladen wurde.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die nach Befassung der Schlichtungsstelle vorgelegten Anträge der Beschwerdeführerin
- die Durchführung des Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung betreffend die "Prozesstechnik der Produktionsapotheken der Landeskliniken St.P. und Wr.N." für nichtig zu erklären,
- in eventu, die Wahl der Direktvergabe betreffend die "Prozesstechnik für die Produktionsapotheke der Landeskliniken St.P. und Wr.N." für nichtig zu erklären,
- in eventu, die Aufforderung zur Anbotsabgabe im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung betreffend "Prozesstechnik der Produktionsapotheken der Landeskliniken St.P. und Wr.N." für nichtig zu erklären,
- in eventu, die Aufforderung zur Angebotsabgabe im nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung betreffend "Prozesstechnik der Produktionsapotheken der Landeskliniken St.P. und Wr.N" für nichtig zu erklären, bzw.
- festzustellen, dass die Durchführung des Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung betreffend die "Prozesstechnik für die Produktionsapotheke der Landeskliniken St.P. und Wr.N." wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht zu Recht erfolgte,
- in eventu festzustellen, dass die Wahl der Direktvergabe nicht zu Recht erfolgte,
- in eventu festzustellen, dass beim Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung die Wahl des Vergabeverfahrens nicht zu Recht erfolgte,
- in eventu festzustellen, dass die Zuschlagserteilung ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß § 131 BVergG 2006 wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens rechtswidrig war,
zurück.
Diesen Ausspruch stützte die belangte Behörde undifferenziert auf die "§§ 28, 103, 106 bis 110, 113 bis 115, 129 BVergG 2006, § 3, § 4, § 5, § 6, § 19 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz".
Zur Zurückweisung mangels Antragslegitimation führte die belangte Behörde in ihrer Begründung zusammengefasst aus, in das verfahrensgegenständliche Folgeverfahren würden nur jene Unternehmer miteinbezogen werden dürfen, deren Angebot nicht im vorangegangenen offenen Verfahren ausgeschieden worden sei. Das Angebot der Beschwerdeführerin sei mit der Entscheidung vom 21. Februar 2013 ausgeschieden worden. Diese Ausscheidensentscheidung sei unbekämpft geblieben. Ebenfalls unbekämpft geblieben sei der Widerruf der ursprünglichen Ausschreibung. § 28 Abs. 1 letzter Satz BVergG 2006 nehme diejenigen Bieter vom Folgeverfahren aus, deren Angebote nach § 129 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006 ausgeschieden worden seien. Einem Unternehmer, der gemäß § 28 Abs. 1 BVergG 2006 zum Folgeverfahren nicht eingeladen werden dürfe, komme auch keine Legitimation hinsichtlich der Frage zu, in welcher Form und mit welchem Ergebnis dieses durchzuführen sei.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf eine Gegenschrift.
Die mitbeteiligte Partei beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4.1. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
4.2. § 28 des Bundesvergabegesetzes 2006 (BVergG 2006), in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2012, lautet auszugsweise:
"Wahl des Verhandlungsverfahrens bei Bauaufträgen
§ 28. (1) Bauaufträge können im Verhandlungsverfahren nach vorheriger Bekanntmachung vergeben werden, wenn
1. im Rahmen eines durchgeführten offenen oder nicht offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung oder eines durchgeführten wettbewerblichen Dialoges keine ordnungsgemäßen Angebote oder nur Angebote abgegeben worden sind, die nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes unannehmbar sind, und die ursprünglichen Bedingungen für den Bauauftrag nicht grundlegend geändert werden, oder
2. (...)
Im Falle der Z 1 kann von der Bekanntmachung Abstand genommen werden, wenn der Auftraggeber in das betreffende Verhandlungsverfahren nur jene befugten, zuverlässigen und leistungsfähigen Unternehmer einbezieht, deren Angebote nicht im Verlauf des vorangegangenen offenen oder nicht offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung oder des vorangegangenen wettbewerblichen Dialoges gemäß § 129 Abs. 1 Z 1 ausgeschieden wurden und die Angebote unterbreitet haben, die den Anforderungen der §§ 106 bis 110 und 113 bis 115 entsprochen haben.
(...)"
Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetzes, LGBl. 7200-2, lauten auszugsweise:
"§ 5
Einleitung des Verfahrens zur Nichtigerklärung
(1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines den Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) unterliegenden Vertrages behauptet, kann die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. (...)
§ 6
Einleitung des Feststellungsverfahrens
(1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines den Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist, die Feststellung beantragen, dass
1. die die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht zu Recht erfolgte, oder
2. wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde, oder
3. die Erklärung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war, oder
4. die Zuschlagserteilung ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) rechtswidrig war, oder
5. der Zuschlag bei der Vergabe einer Leistung aufgrund einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems wegen eines Verstoßes gegen die §§ 152 Abs. 4 bis 6, 158 Abs. 2 bis 5 oder 290 Abs. 2 bis 5 des Bundesvergabegesetzes 2006, BGBl. I Nr. 17 in der Fassung BGBl. I Nr. 128/2013, rechtswidrig war.
(...)"
4.3. Die Beschwerde bringt vor, der angefochtene Bescheid verletze die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf meritorische Entscheidung und wendet sich gegen die Rechtsansicht der Behörde, der Beschwerdeführerin komme keine Antragslegitimation zu, weil diese als ausgeschlossene Bieterin im vorangegangenen offenen Vergabeverfahren nicht zu dem Folgeverfahren gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006 eingeladen hätte werden dürfen.
4.4. Angesichts des umfassenden Gebotes eines effektiven Rechtsschutzes muss auch die fehlerhafte Wahl eines Vergabeverfahrens ohne Bekanntmachung bekämpft werden können, und zwar gerade auch von jenen Unternehmen, die nicht eingeladen wurden an dem betreffenden Vergabeverfahren teilzunehmen (vgl. zur vergleichbaren Regelung der Antragslegitimation des § 320 BVergG 2006 Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg.), Bundesvergabegesetz 2006 Kommentar, § 320 Rz. 26; ebenso Walther/Hauck in Heid/Preslmayr (Hrsg.), Handbuch Vergaberecht3, Rz. 1776).
Indem die belangte Behörde davon ausgeht, der Beschwerdeführerin komme deshalb keine Antragslegitimation zu, weil sie keine Möglichkeit gehabt hätte, an dem Folgeverfahren teilzunehmen, verkennt diese, dass der drohende Schaden der antragstellenden Unternehmer in der vorliegenden Konstellation bereits darin liegt, dass sie in ihrer Möglichkeit beeinträchtigt werden, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2014, 2011/04/0003; zum Eintritt eines Schadens durch die Beeinträchtigung der Möglichkeit, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen, siehe die Erkenntnisse vom 24. Februar 2010, 2009/04/0209, und vom 22. Juni 2011, 2009/04/0128). Fallbezogen liegt der Schaden der Beschwerdeführerinnen in dem Verlust der Möglichkeit der Teilnahme an einem (weiteren) Vergabeverfahren betreffend den zu vergebenden Auftrag, sofern ihr Rechtsstandpunkt, die Auftraggeberin sei nicht berechtigt gewesen, ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 iVm § 28 Abs. 1 letzter Satz BVergG 2006 durchzuführen, zuträfe. Dass die Beschwerdeführerin in dem widerrufenen Vergabeverfahren bereits ausgeschieden worden war, schließt die Möglichkeit einer erfolgreichen Teilnahme der Beschwerdeführerin mit einem neuen Angebot an einem weiteren Vergabeverfahren betreffend denselben Verfahrensgegenstand (mit geänderten Bedingungen) nicht aus. Der die Antragslegitimation der Beschwerdeführerin begründende Tatbestand des drohenden Schadens liegt daher vor.
Zusammengefasst hat die belangte Behörde die Antragslegitimation der Beschwerdeführerin zu Unrecht verneint und den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.
Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
4.5. Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt im vorliegenden Fall geklärt ist, und ausschließlich Rechtsfragen zu lösen waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2014, 2013/07/0169).
4.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 9. September 2015
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