Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 idF 2010/059;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 Abs1 idF 2010/059;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 Abs1;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 idF 2010/059;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 idF 2010/059;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 Abs1 idF 2010/059;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 Abs1;
KinderbetreuungsG OÖ 2007 §28 idF 2010/059;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit an die belangte Behörde gerichtetem Schreiben vom 24. Oktober 2011 beantragte die Beschwerdeführerin gemäß § 28 Abs. 2 zweiter Satz Oö. Kinderbetreuungsgesetz (Oö. KBG) die Entscheidung über die Leistung des Gastbeitrages für das Kind L.M., wohnhaft im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Partei, für den Besuch des Gemeindekindergartens der Beschwerdeführerin im Kindergartenjahr 2010/2011, da über die Leistung des Gastbeitrages keine Einigung erzielt worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde, dass die mitbeteiligte Partei im Kindergartenjahr 2010/2011 für den Besuch des Gemeindekindergartens der Beschwerdeführerin durch das erwähnte Kind keinen Gastbeitrag zu entrichten habe.
Als Rechtsgrundlagen wurden § 28 Oö. Kinderbetreuungsgesetz, LGBl. Nr. 39/2007, idF. LGBl. Nr. 59/2010, sowie § 13 Oö. Elternbeitragsverordnung 2011, LGBl. Nr. 102/2010, angeführt.
Begründend führte die belangte Behörde - nach Darlegung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen aus, dass nicht nachvollziehbar sei, wann das Kind L.M. in den Kindergarten der Beschwerdeführerin aufgenommen worden sei.
Die Beschwerdeführerin habe in ihrer "ergänzenden Stellungnahme" vom 5. Dezember 2011 ausgeführt:
"Als ergänzende Begründung wird zu den Kindern … und L.M. angeführt, dass beide Kinder von den in Hohenzell wohnhaften Großeltern bzw. der Großmutter täglich vom Kindergarten abgeholt und nach Kindergartenende beaufsichtigt werden, da bei beiden Kindern beide Elternteile ganztägig berufstätig sind. …"
Die Kindeseltern hätten im Verfahren folgende Stellungnahme abgegeben:
"Unser Haus steht zwar rein geografisch gerade noch auf Gebiet der Stadtgemeinde Ried, die Grenze zum Gemeindegebiet von Hohenzell verläuft aber in unmittelbarer Nähe. … Mein Mann ist ganztägig in einer Bank, ich arbeite als Lehrerin in Teilzeit. Stundenplanbedingt liegen meine Unterrichtszeiten jedes Jahr anders, aber immer 2-3 mal pro Woche mittags/nachmittags, fallweise im Blockunterricht auch ganztags. Während dieser gesamten Zeit versorgt meine Mutter, die in Hohenzell lebt, die Kinder. Ihr Haus liegt direkt an der Fahrstrecke des Kindergartenbusses, die Kinder können dort aussteigen, was meiner Mutter Zeit und unnötige Fahrtwege zur Abholung erspart. Und natürlich auch uns, weil die Kinder auch sonst zu Hause abgeholt und nach Hause gebracht werden. Dies wäre in Ried nicht möglich! Kurzum, für das Wohl der Kinder und in Folge der ganzen Familie ist der Besuch des Kindergartens Hohenzell von erheblicher Bedeutung. …"
Bezüglich der Angaben der Beschwerdeführerin, das Kind werde von der im dortigen Gemeindegebiet wohnhaften Großmutter täglich vom Kindergarten abgeholt und nach Kindergartenende beaufsichtigt, da beide Elternteile ganztägig berufstätig seien, lägen weder eine Meldebestätigung "der Großeltern" noch Nachweise über die Arbeitszeiten der Eltern vor, weshalb eine abschließende Beurteilung der Angaben nicht erfolgen könne.
Zur Stellungnahme der Kindeseltern führte die belangte Behörde aus, dass für deren Arbeitszeiten zur Beurteilung eines bedarfsgerechten Angebotes keine Nachweise vorlägen. Die Öffnungszeiten zweier näher genannter Kinderbetreuungseinrichtungen der mitbeteiligten Partei seien jeweils von Montag bis Freitag von 6.45 Uhr bis 17.15 Uhr. Eine bedarfsgerechte Unterbringung in der Hauptwohnsitzgemeinde scheine somit mangels Überprüfbarkeit der beruflichen Verpflichtungen der Kindeseltern gegeben. Hinsichtlich der Angaben, wonach die in Hohenzell lebende Großmutter das Kind versorge, sei das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale gemäß § 28 Oö. KBG nicht nachgewiesen worden.
Auf Grund des dargelegten Sachverhalts sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 28 des Oö. Kinderbetreuungsgesetzes, LGBl. 39/2007 idF.
LGBl. Nr. 59/2010 (Oö. KBG), lautet:
"§ 28
Gastbeiträge
(1) Besucht ein Kind eine Kinderbetreuungseinrichtung in einer anderen Gemeinde als der Hauptwohnsitzgemeinde, ist - ausgenommen vom Besuch einer betrieblichen oder freien Kinderbetreuungseinrichtung - von der Hauptwohnsitzgemeinde ein angemessener Gastbeitrag zu entrichten, sofern in der Hauptwohnsitzgemeinde kein entsprechendes bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung steht oder die familiäre Situation des betreffenden Kindes oder das Kindeswohl den Besuch einer gemeindefremden Kinderbetreuungseinrichtung erfordern.
(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung die Mindesthöhe des Gastbeitrags festzusetzen. Im Fall der Nichteinigung über die Leistung des Gastbeitrags entscheidet auf Antrag einer Gemeinde die Landesregierung mit Bescheid."
Die Gesetzesmaterialien (AB Beil 181/2010 zu den Wortprotokollen des Oö. Landtages, 27. GP) führen zu dem durch das Gesetz LGBl. Nr. 59/2010 neu gefassten § 28 Oö. KBG aus:
"Die Leistung von Gastbeiträgen war auch bisher bereits möglich, jedoch abhängig von den privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Gemeinden und Rechtsträgern. Mit der Neuregelung wird eine Verpflichtung zur Leistung des Gastbeitrags unter den gesetzlichen Prämissen geschaffen und damit sichergestellt, dass gemeindeübergreifende Lösungen auch verstärkt realisiert werden. Daraus ergibt sich auch die hoheitliche Entscheidungsverpflichtung der Aufsichtsbehörde im Fall der Nichteinigung.
Für die Leistung eines Gastbeitrages sprechen daher insbesondere z.B. folgende Umstände:
- kein Platz für das unter 3-jährige Kind in der Hauptwohnsitzgemeinde,
- Kind besucht den Kindergarten am Arbeitsort der Eltern/Wohnort der Großeltern, da sonst keine Abholmöglichkeit bzw. anschließende Betreuungsmöglichkeit gegeben ist,
- Öffnungszeiten, die sich mit den Arbeitszeiten der Eltern vereinbaren lassen,
- Besuch eines Hortes, der der besuchten Schule angeschlossen ist,
- Vermeidung von Wechsel der Kinderbetreuungseinrichtung im Sinn einer kontinuierlichen Förderung.
…"
In Durchführung des § 28 Abs. 2 erster Satz Oö. KBG regelt § 13 der Oö. Elternbeitragsverordnung 2011 die Mindesthöhe des Gastbeitrages.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die Beschwerdeführerin hätte das Vorliegen der in § 28 Abs. 1 Oö. KBG normierten Voraussetzungen (durch Vorlage entsprechender Belege zu den Arbeitszeiten der Kindeseltern, Wohnsitzmeldung der Großmutter) nicht nachgewiesen, weshalb für den Besuch des genannten Kindes im Kindergarten der Beschwerdeführerin keine Gastbeiträge zu leisten seien.
Dagegen bringt die Beschwerde im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe ohne Begründung die "Feststellung eines Sachverhaltes, wie ihn die Kindeseltern beschrieben haben", abgelehnt.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht.
Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass die mitbeteiligte Partei die Hauptwohnsitzgemeinde des genannten Kindes ist. Unstrittig ist weiters, dass ein "Fall der Nichteinigung" zwischen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei über die Leistung des Gastbeitrages für das Kind L.M. im Sinne des § 28 Abs. 2 Oö. KBG vorliegt.
§ 28 Abs. 1 Oö. KBG knüpft die Verpflichtung der Hauptwohnsitzgemeinde eines Kindes zur Entrichtung eines Gastbeitrages für den Besuch einer Kinderbetreuungseinrichtung einer anderen Gemeinde an das Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen, wobei nach dem klaren Gesetzeswortlaut (argum: "oder") diese Verpflichtung schon dann entsteht, wenn auch nur einer dieser Tatbestände erfüllt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2013, Zl. 2012/10/0149).
Durch die in den erwähnten Gesetzesmaterialien näher genannten "Umstände" werden die die Beitragspflicht auslösenden Tatbestände des § 28 Abs. 1 Oö. KBG beispielhaft konkretisiert. Demnach wird die Beitragspflicht der Hauptwohnsitzgemeinde etwa in dem Fall begründet, dass ein Kind - mangels Abhol- bzw. anschließender Betreuungsmöglichkeit (durch die Kindeseltern) - den Kindergarten am Wohnort der Großeltern besucht.
Die Beschwerdeführerin und die Kindeseltern haben in ihren von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahmen als Grund für den Besuch des Kindes L.M. des Kindergartens der Beschwerdeführerin übereinstimmend ausgeführt, dass - infolge der (ganztägigen) Berufstätigkeit der Kindeseltern - das Kind von der im Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin wohnenden Großmutter abgeholt und nach Kindergartenende beaufsichtigt werde. Bei Zutreffen dieser Angaben wäre die Verpflichtung der mitbeteiligten Partei zur Leistung des Gastbeitrages im Sinne des § 28 Abs. 1 Oö. KBG demnach gegeben.
Die belangte Behörde hat dazu im angefochtenen Bescheid keine (gegenteiligen) Feststellungen getroffen. Sie stützt die Verneinung der Gastbeitragspflicht durch die mitbeteiligte Partei vielmehr darauf, dass die Beschwerdeführerin keine "Nachweise" für die Richtigkeit der von ihnen getätigten Angaben erbracht hätten, weshalb der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Anspruch auf Gastbeitragsleistung dem Grunde nach nicht überprüfbar und diesem daher nicht stattzugeben gewesen sei.
Diese Erwägungen erweisen sich als verfehlt.
Gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AVG hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnung enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des Sachverhalts die Behörde trifft und von dieser nicht auf die Parteien überwälzt werden kann. Allerdings befreit die Offizialmaxime die Parteien nicht davon, durch substanziiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Eine solche Mitwirkungspflicht ist dann anzunehmen, wenn der behördlichen Ermittlung faktische Grenzen gesetzt sind, die Behörde also nicht (mehr) in der Lage ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden bzw. sich relevante Daten amtswegig zu verschaffen, bzw. wenn die im Hinblick auf den gesetzlichen Tatbestand erforderlichen Feststellungen ein entsprechendes Vorbringen und "Bescheinigungsanbieten" der Partei voraussetzen. Jedenfalls ist es gemäß § 39 Abs. 2 AVG Aufgabe der Behörde, der Partei mitzuteilen, welche Angaben noch benötigt werden, sowie sie aufzufordern, für ihre Angaben Beweise anzubieten und damit insofern wiederum eine Mitwirkungspflicht der Partei auszulösen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht keinesfalls so weit, dass sich die Behörde die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens ersparen könnte, zu der sie gemäß § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen verpflichtet ist (vgl. zu all dem Hengstschläger/Leeb, AVG, § 39 Rz. 9 ff, und die dort wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gegenüber weder Zweifel an der Richtigkeit der von ihr in der oberwähnten Stellungnahme vom 5. Dezember 2011 getätigten Angaben geäußert, noch wurde die Beschwerdeführerin zu deren Konkretisierung bzw. zur Beibringung von entsprechenden Belegen aufgefordert.
Aus dem Umstand, dass die Kindeseltern - denen im vorliegenden Verfahren nach § 28 Abs. 1 Oö. KBG keine Parteistellung zukam - der Aufforderung der Behörde, näher genannte "Nachweise (z.B. Bestätigung der Hauptwohnsitzgemeinde zum KBE-Platz, Besuchsbestätigungen der Einrichtung, Bestätigungen der Dienstgeber über Arbeitszeiten der Eltern, notwendige Meldebestätigungen, etc.)" vorzulegen, nicht bzw. nicht ausreichend nachkamen, kann mangels Mitwirkungspflicht der Eltern für den Standpunkt der belangten Behörde nichts gewonnen werden.
Eine - zur Ablehnung des von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Anspruchs auf Gastbeitragsleistung führende - Verletzung der Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin, wie sie von der belangten Behörde im Ergebnis angenommen wurde, liegt nicht vor.
Die belangte Behörde hat es demnach zu Unrecht unterlassen, geeignete Feststellungen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu treffen.
Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit relevanten Begründungsmängeln behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II. Nr. 455.
Wien, am 22. Oktober 2013
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