Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft M wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe die Personen MP, SSch sowie ROS am 7. November 2009 um 23.50 Uhr im Lokal "C" beschäftigt, ohne diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Sozialversicherung anzumelden. Sie habe hiedurch die Rechtsvorschriften des § 111 Abs. 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 2 ASVG verletzt.
Wegen diesen Verwaltungsübertretungen wurden über die Beschwerdeführerin Geldstrafen von jeweils EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils zwei Tagen) verhängt und sie zum Ersatz der Verfahrenskosten von EUR 219,-- verpflichtet. Hinsichtlich zweier weiterer Personen wurde das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 iVm § 45 Abs. 2 VStG eingestellt.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, und zwar hinsichtlich der Personen MP und SSch nur hinsichtlich der Höhe der verhängten Geldstrafen, zumal sie sich im guten Glauben befunden habe, dass die beiden genannten Personen auf Werkvertragsbasis tätig seien.
Hinsichtlich der dritten Übertretung (ROS) brachte sie "volle Berufung" ein und wandte ein, der Genannte sei in der gegenständlichen Diskothek lediglich auf Werkvertragsbasis als Discjockey tätig. Er habe seine gesamte Ausrüstung zu Auftritten mitgebracht, habe immer wieder die Musik nach seinem eigenen Geschmack und nach seinen eigenen Vorstellungen gestaltet, sodass die Merkmale des künstlerisch tätigen DJs jedenfalls überwogen hätten.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen die Höhe der verhängten Strafen hinsichtlich PM und SSch Folge und setzte die Strafen auf jeweils EUR 365,-- (im Fall der Uneinbringlichkeit je ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe) herab. Hinsichtlich der "vollen Berufung" wies sie die Berufung ab, reduzierte jedoch auch in diesem Fall die verhängte Strafe auf EUR 365,-- (im Uneinbringlichkeitsfall ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe).
Nach Darlegung des Verfahrensganges ging die belangte Behörde von nachstehendem - zusammengefassten - Sachverhalt aus:
"Die Beschwerdeführerin betreibt die Diskothek 'C' als Einzelunternehmerin und verfügt über die erforderliche Gewerbeberechtigung. Im genannten Lokal waren MP, SSch als Kellner tätig, ROS als Discjockey. Am Abend des 7. November 2009 wurden die beiden vorgenannten Personen (richtig: drei vorgenannten Personen) von Mitarbeitern des Finanzamtes im genannten Lokal angetroffen und angezeigt. Diese Anzeige erging auch an die Steiermärkische Gebietskrankenkasse, welche daraufhin am 20. August 2010 einen Bescheid gemäß § 410 Abs. 1 Z 5 ASVG in Verbindung mit § 33 Abs. 1 und Abs. 2 und § 113 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG mit nachstehendem Spruch erließ:
'Frau MR (Anmerkung: Beschwerdeführerin) verabsäumte es, die Personen MP, S Sch und ROS, vor deren Arbeitsbeginn am 7. 11. 2009 bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung anzumelden. Wegen dieser Meldevergehen wird gemäß § 113 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 2.300,-- vorgeschrieben.'
(...) Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Berufung eingebracht, der Berufung wurde mit Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. März 2011 keine Folge gegeben. Eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wurde nicht eingebracht."
Rechtlich erachtete die belangte Behörde, dass rechtskräftige Feststellungsbescheide gemäß § 410 Abs. 1 ASVG in Ansehung der Versicherungspflicht, d.h. hinsichtlich der Frage, ob gegenständlich überhaupt eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vorliege, jedenfalls bindend seien. Erlasse der zuständige Versicherungsträger keinen Feststellungsbescheid über die Versicherungspflicht, sondern gleich einen Bescheid, mit dem der jeweilige Dienstgeber zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen oder wie im vorliegenden Fall zur Entrichtung von Beitragszuschlägen verpflichtet werde, so sei die Frage, ob die betreffende Person im fraglichen Zeitraum in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG beschäftigt und demnach je nach Beschäftigungsausmaß voll- oder teilversichert gewesen sei, eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG.
Im Hinblick auf den gegenständlichen Bescheid der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 20. August 2010, welcher in seinem Spruch ausdrücklich auch auf § 33 Abs. 1 und 2 ASVG Bezug nehme, entfalte dieser eine Bindungswirkung hinsichtlich der Frage, ob die Tätigkeiten des ROS als Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzusehen seien. Aus diesem Grund seien auch keine Feststellungen hinsichtlich der Tätigkeit des ROS in den zu erlassenden Bescheid aufzunehmen.
Im Rahmen der Strafbemessung ging die belangte Behörde davon aus, dass hinsichtlich aller drei Spruchpunkte im Bereich des Verschuldens von einfacher Fahrlässigkeit auszugehen sei, sodass die Strafen auf die Hälfte festzusetzen seien. Gründe für die Anwendung des § 20 VStG seien hingegen nicht zu finden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchteils in Ansehung der Übertretung betreffend ROS wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die belangte Behörde habe als Ausfluss einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der angenommenen Bindungswirkung des Feststellungsbescheides der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 20. August 2010 keine Feststellungen hinsichtlich der Tätigkeit des ROS in den Bescheid aufgenommen. Sie habe es fälschlicherweise unterlassen festzustellen, ob der verwaltungsstrafrechtliche Tatbestand verwirklicht sei und darüber hinaus ob auch ein notwendiges erforderliches Verschulden der Beschwerdeführerin angelastet werden könne.
2. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsbeginn beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden, wobei diese Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden kann (§ 33 Abs. 1a ASVG). Für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a ASVG Pflichtversicherten gilt § 33 Abs. 1 ASVG mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind (§ 33 Abs. 2 ASVG).
Nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG handelt (u.a.) ordnungswidrig, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Die Ordnungswidrigkeit ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen (§ 111 Abs. 2 ASVG).
3. Die belangte Behörde nahm auf Grund des Bescheides der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 20. August 2010 eine Bindungswirkung dahingehend an, dass in dem dortigen Verfahren die Frage geklärt worden sei, ob die Tätigkeiten des Discjockey ROS als Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzusehen seien und legt dieses Ergebnis - ohne dazu Feststellungen zu treffen - seiner Entscheidung zugrunde.
Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass der angesprochene (von der Einspruchsbehörde bestätigte) Bescheid der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 20. August 2010 die Entrichtung eines Beitragszuschlages zum Inhalt hatte.
4. Die Vorschrift des § 38 AVG hat nachstehenden Wortlaut:
"Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. ..."
Dass es sich bei der Vorfrage um eine Frage handeln muss, über die von der anderen Behörde als Hauptfrage zu entscheiden ist, ergibt sich daraus, dass der besondere prozessökonomische Sinn der Vorschrift des § 38 AVG nur dann erreicht werden kann, wenn die andere Entscheidung, deren Ergehen abgewartet wird, in der Folge die Behörde bindet, wobei eine solche Bindungswirkung jedoch immer nur eine Entscheidung über eine Hauptfrage entfaltet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. November 2013, Zl. 2013/03/0070, bzw. vom 22. Oktober 2008, Zl. 2007/06/0066).
Für die Verpflichtung zur Entrichtung eines Beitragszuschlages ist die Frage, ob ROS bei der Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG beschäftigt und demgemäß teil- bzw. vollversichert gewesen ist, eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG (vgl. hierzu das Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 98/08/0263). Da in dem angesprochenen Bescheid vom 20. August 2010 daher nicht als Hauptfrage über den Bestand der Versicherungspflicht abgesprochen wurde, sondern diese Frage nur im Zusammenhang mit der Hauptfrage nach der Verpflichtung zur Entrichtung eines Beitragszuschlages vorfrageweise beurteilt wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 38 AVG berechtigt und in Ermangelung eines bereits anhängigen Verfahrens über diese Vorfrage auch verpflichtet, die Vorfrage hinsichtlich der Dienstnehmereigenschaft nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2001/08/0053).
Wenn sich die belangte Behörde darauf stützt, dass im Bescheid über die Entrichtung des Beitragszuschlages im Spruch auch die Bestimmung des § 33 Abs. 1 und 2 ASVG genannt worden ist, wurde damit aber über das Vorliegen der Versicherungspflicht nicht abgesprochen. Es wurde die Frage nach einer die Pflichtversicherung auslösenden Tätigkeit vielmehr als Vorfrage in der Begründung angesprochen.
Schon deshalb ergibt sich aus dem Bescheid vom 20. August 2010 keine Bindung für die Verwaltungsstrafbehörde bei der Beurteilung der Erfüllung des Tatbildes der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung.
Da die belangte Behörde insofern unrichtigerweise von einer Bindungswirkung ausging und demzufolge keine Feststellungen getroffen hat, die eine Beurteilung einer Versicherungspflicht möglich machen, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig und war daher aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im Umfang der Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung einer Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand zu nehmen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf Zuerkennung eines höheren Aufwandersatzes sowie der gesetzlichen Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil es einerseits in der genannten Verordnung nicht gedeckt ist und andererseits der durch die Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand auch die anfallende Umsatzsteuer abdeckt.
Wien, am 20. März 2014
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