VwGH 2012/02/0044

VwGH2012/02/004411.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Beck, Mag. Dr. Köller, Dr. N. Bachler und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde 1. des N. und 2. der N., beide in F., beide vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Jänner 2012, Zl. FA7C-2- 5.0B/94-2011/13, betreffend Betriebsstättengenehmigung nach dem Stmk. Veranstaltungsgesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. H. in F.,

2. Stadtgemeinde Feldbach, vertreten durch den Bürgermeister, in 8330 Feldbach, Hauptplatz 13), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
VeranstaltungsG Stmk 1969 §22 Abs1 Z1 litb idF 2006/148;
VeranstaltungsG Stmk 1969;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
VeranstaltungsG Stmk 1969 §22 Abs1 Z1 litb idF 2006/148;
VeranstaltungsG Stmk 1969;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 18. Jänner 2011 ersuchte der Mitbeteiligte um Betriebsstättengenehmigung nach dem Steiermärkischen Veranstaltungsgesetz für das Cafe B. in F.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde F. vom 18. Mai 2011 wurde die veranstaltungsrechtliche Genehmigung für die ortsfeste Betriebsstätte "Cafe B." für Veranstaltungen der Art "Konzerte, Partys, Modenschauen und Ähnliches, jeweils auch mit Live-Musik" unter Vorschreibung von Auflagen, gemäß § 21, 22 und 26 Abs. 1 "Z. 2" (gemeint wohl: "Z. 1") Stmk. Veranstaltungsgesetz 1969 erteilt.

In diesem Bescheid wurden u.a. folgende Auflagen vorgeschrieben:

"1. Die Veranstaltungen sind auf die Tageszeit einzuschränken (zwischen 6.00 Uhr - 22.00 Uhr, während der gesetzlich geregelten Sommerzeit zwischen 07.00 Uhr - 23.00 Uhr). Es dürfen maximal 10 Veranstaltungen pro Jahr durchgeführt werden.

2. Die höchstzulässige Personenzahl der Veranstaltungsstätte wird mit insgesamt 100 Personen festgelegt. Dies gliedert sich in 50 Personen im geschlossenen Lokal und 50 Personen im Freien bei Bestuhlung oder Tischaufstellung. Bei Erreichen der maximalen Personenzahl ist der Zutritt von weiteren Besuchern durch Organe des Veranstalters zu sperren.

15. Die Beschallungsanlage des Gastgartens ist außer Betrieb zu nehmen bzw. ist für ein Betreiben der Anlage eine gewerberechtliche Genehmigung einzuholen."

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung.

In der Begründung der Berufung wird u.a. ausgeführt, in der Lärmschutzrichtlinie für Freiluftveranstaltungen seien die vom lärmtechnischen Sachverständigen in seinem Gutachten verwendeten Pegelwerte zwar als Zahlenwerte ausgewiesen, jedoch nicht als Schallleistung, sondern vielmehr als Schalldruck in dB(A). Der gegenständlich verwendete Wert von 85 dB(LA, eq) sei bloß im Zusammenhang mit der Geräuschkulisse (Hintergrundgeräusch) erwähnt. Dieser Wert diene bloß als Grundlage zur Festlegung des Konzertlärms, der im Weiteren mit 95 dB (LA, eq) definiert sei (zusammengesetzt aus Hintergrundgeräusch + 10 dB).

Der Wert 100 dB sei unter Abschnitt 8 der Richtlinie (hier gemeint: Lärmschutzrichtlinie für Freiluftveranstaltungen des Umweltbundesamtes, Band 122, aus dem Jahr 2000) als Grenzwert der Schalldruckbelastung im Publikumsbereich erwähnt und stehe nicht für die Emission der Live-Musik. Daraus folge, dass der der Beurteilung zugrunde gelegte Annahmewert des Amtssachverständigen nicht nachvollziehbar sei.

Die Behörde habe sich mit den Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen, weil hiermit aufgezeigt werde, dass der Amtssachverständige von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen sei.

Aus dem Amtssachverständigengutachten gehe nicht hervor, wie sich die Geräuschsituation an den exponierten Positionen verhielte, wenn alle im Umkreis genehmigten Veranstaltungen in die Berechnung einbezogen würden. Das Gutachten sei somit unvollständig geblieben.

Ferner liege dem Amtssachverständigengutachten eine unrichtige Berechnung der Beurteilungspegel zugrunde. Aus den Berechnungen der gutachterlichen Stellungnahme des Privatsachverständigen sei ersichtlich, dass der vom Amtssachverständigen im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren ausgewiesene Beurteilungspegel von 62,8 dB unrichtig sei. Richtig sei vielmehr am IP 1 ein Beurteilungspegel von 73,7 dB(A), am IP 3 ein Beurteilungspegel von 86,5 dB(A) und am IP 4 von 73,1 dB(A).

Zur Untermauerung des Berufungsvorbringens wurde eine gutachterliche Stellungnahme des Privatsachverständigen DI. H. vom 3. Juni 2011 vorgelegt.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde F. vom 28. Juni 2011 wurde der Berufung dahingehend Folge gegeben, dass nachstehende Auflage ergänzend festgelegt wurde:

"16. Die Musikanlage darf während der Veranstaltung einen Schallleistungspegel von 100 dB nicht überschreiten. Geeignete Nachweise sind der Behörde auf Verlangen vorzulegen."

Im Übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben und diese als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides wurde u.a. ausgeführt, dass gegen das Gutachten des Amtssachverständigen keine Bedenken bestünden. Er habe seine Beurteilung auf eine Schallleistung von 100 dB für Livemusik im Publikum aufgebaut, dies unter Annahme einer sehr lauten Livemusik-Veranstaltung. Die herangezogenen Annahmen und Berechnungsgrundlagen seien schlüssig, nachvollziehbar und richtig. Die von den Beschwerdeführern beigebrachte Stellungnahme sei zwar ebenso nachvollziehbar, ginge jedoch von anderen Annahmen aus. Es seien keine nachvollziehbaren Gründe vorgebracht worden, warum von anderen Beurteilungskriterien auszugehen sei. Aus diesem Grund sei dem Gutachten des Amtssachverständigen der Vorzug zu geben.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit Schreiben vom 22. September 2011 ersuchte die belangte Behörde den lärmtechnischen Amtssachverständigen beim Amt der Stmk. Landesregierung, eine ergänzende Stellungnahme zu den im Ermittlungsverfahren des Gemeinderates von den Beschwerdeführern vorgebrachten Ausführungen des Privatsachverständigen DI. H. abzugeben.

In einer ergänzenden Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 11. Oktober 2011 wird u.a. ausgeführt, von ihnen sei vorgebracht worden, dass durch Berechnung gemäß der "Lärmschutzrichtlinie für Veranstaltungen" mit einer höheren Schalldruckbelastung von 73,7 dB(A) zu rechnen sei.

Diese errechnete höhere Schalldruckbelastung ergebe sich dadurch, dass der in der Lärmschutzrichtlinie für Veranstaltungen vorgesehene A-bewertete Schallleistungspegel je Lautsprechereinheit von 120 dB für Veranstaltungen mit Livemusik heranzuziehen sei. Der im Gegensatz dazu herangezogene Wert von 100 dB entspreche nicht der Lärmschutzrichtlinie für Veranstaltungen.

Die Sachverhaltsfeststellung sei ergänzungsbedürftig. Gemäß Punkt 2.1 der "Lärmschutzrichtlinie für Veranstaltungen" sei dann von "seltenen Veranstaltungen" die Rede, wenn in einem Kalenderjahr nicht mehr als zehn Veranstaltungen im selben Veranstaltungsbereich abgehalten würden oder nicht mehr als zehn Veranstaltungen im selben Immissionsbereich einer Nachbarschaft einwirken würden. Aufgrund dessen hätte ein Bewertungsparameter für regelmäßige und häufige Veranstaltungen zur Anwendung gebracht werden müssen und in weiterer Folge hätte eine tatsächliche Messung vor Ort stattfinden müssen.

Hiezu wurde vom schalltechnischen Amtssachverständigen Ing. L. im Wesentlichen folgende ergänzende Stellungnahme abgegeben:

Da nach dem Maß- und Eichgesetz i.d.g.F. das Anhängen von Schriftzeichen an dem Gesetz unterliegenden Maßeinheiten nicht zulässig sei, sei die Behauptung, dass die Pegel in dB(A) (anstelle dB) anzuführen seien, nicht richtig. Darüber hinaus entspreche diese Darstellung nicht dem Stand der Technik, wie er in internationalen und nationalen Normen ausgedrückt werde. Vielmehr entspreche es der Tatsache, dass die A-Bewertung im Index zum Ausdruck zu bringen sei.

Es erübrige sich jedwede Diskussion darüber, welche Pegel der Beurteilung zugrunde zu legen seien, da der Konsenswerber (Erstmitbeteiligte) die Angaben des Amtssachverständigen als Projektänderung bzw. Ergänzung der Behörde zur Kenntnis gebracht habe. Die weitere Beurteilung baue dann auf der Lärmschutzrichtlinie für Veranstaltungen auf. Auch die Beschränkung auf maximal zehn Veranstaltungen per anno sei als Projektergänzung aufzufassen.

Die Einbeziehung der weiteren Veranstaltungen im Umfeld sei nicht Aufgabe des Amtssachverständigen gewesen. Es sei Aufgabe der Behörde, diesen Sachverhalt erforderlichenfalls zu berücksichtigen; der Sachverständige habe das konkrete Projekt zu beurteilen gehabt.

Die Berechnungen, die Befundaufnahme sowie der daraus gezogene Schluss seien aus gutachterlicher Sicht dem Stand der Technik entsprechend und fachlich richtig und nachvollziehbar.

Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurde den Parteien mit Schreiben der belangten Behörde vom 24. November 2011 zur Kenntnis gebracht.

Zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurde von den Beschwerdeführern am 19. Dezember 2011 im Wesentlichen folgende Stellungnahme abgegeben:

In der Stellungnahme des lärmtechnischen Amtssachverständigen im Vorstellungsverfahren sei auf die Ausführungen des Privatsachverständigen der Beschwerdeführer nicht eingegangen worden.

Der lärmtechnische Amtssachverständige im erstinstanzlichen Verfahren sei von falschen Berechnungsgrundlagen ausgegangen. Eine Messung der Lärmimmissionen hätte erfolgen müssen, um eine dadurch verursachte Veränderung der örtlichen Verhältnisse durch einen medizinischen Sachverständigen beurteilen lassen zu können.

Weiters sei der Sachverhalt mangelhaft erhoben worden, sowohl der Bürgermeister, als auch der Gemeinderat hätten die Frage der Zumutbarkeit von durch den Veranstaltungsbetrieb verursachten Belästigungen durch Lärm in Form einer Messung der örtlichen Verhältnisse erheben müssen.

Außerdem seien bei der Erhebung des Ist-Maßes auch sämtliche im Umkreis bereits genehmigte Veranstaltungen zu berücksichtigen.

Weiters sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig, weil sich Auflage 15 und 16 widersprächen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Jänner 2012 wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde F. vom 28. Juni 2011 als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die Frage der Zumutbarkeit einer durch den Veranstaltungsbetrieb einer Anlage im Sinne des Veranstaltungsgesetzes bewirkten Störung der Nachbarschaft durch Lärm sei unter Bedachtnahme auf die gegebenen örtlichen Verhältnisse zu beantworten. Unzumutbarkeit sei jedenfalls immer dann gegeben, wenn eine derartige Störung durch Lärm für die Nachbarschaft als gesundheitsgefährdend zu qualifizieren sei. Gesundheitsgefährdungen müssten ebenso wie unzumutbare Belästigungen vermieden werden. Belästigungen könnten jedoch durch entsprechende Auflagen auf ein zumutbares Ausmaß beschränkt werden, sofern dies möglich sei.

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn handle es sich um die Lösung einer Rechtsfrage, welche nicht dem Sachverständigen obliege. Die Behörde habe sich jedoch der Hilfe von lärmtechnischen und medizinischen Sachverständigen zu bedienen, um diese Rechtsfrage einer Lösung zuführen zu können.

Im Bescheid des Gemeinderates seien die Belästigungen durch Lärm entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Z. 1 lit. b des Stmk. Veranstaltungsgesetzes durch Auflagen unter Berücksichtigung der Amtssachverständigengutachten auf ein zumutbares Ausmaß beschränkt worden.

Eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der Beschwerdeführer durch die erteilte Betriebsstättengenehmigung sei bei Einhaltung der Auflagen nicht ableitbar und sei von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet worden.

Die von den Beschwerdeführern vorgelegten Privatgutachten seien den lärmtechnischen Amtssachverständigen zur Beurteilung übermittelt worden. Es seien jedoch die Bedenken der Beschwerdeführer hinsichtlich des im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren abgegebenen Amtssachverständigengutachtens nicht geteilt worden. Ein zusätzliches Gutachten eines Amtssachverständigen sei daher für nicht erforderlich gehalten worden.

Zur Lärmschutzrichtlinie für Veranstaltungen werde ausgeführt, dass das Stmk. Veranstaltungsgesetz - wie auch die Beschwerdeführer in der Stellungnahme zum Parteiengehör ausgeführt hätten - auf diese nicht Bezug nehme. Es seien daher die von den Beschwerdeführern im Privatgutachten vorgelegten anderen Berechnungsmethoden, die letztlich alle auf einer unterschiedlichen Auslegung der genannten Lärmschutzrichtlinie beruhten, für die Vorstellungsbehörde nicht bindend. Bemerkt werde jedoch, dass auch die mehrfach zitierte Lärmschutzrichtlinie bei einer Anzahl von zehn Veranstaltungen im Jahr, welche zur Tageszeit stattfänden, von seltenen Veranstaltungen ausgehe.

Die Beschwerdeführer stützten sich auf die Mangelhaftigkeit des Amtssachverständigengutachtens, die willkürliche Heranziehung der Lärmschutzrichtlinie und die Heranziehung einer falschen Berechnungsgrundlage, welche wiederum mit der Lärmschutzrichtlinie begründet werde.

Die Vorstellungsbehörde habe jedoch keine Zweifel an den Gutachten und gutachtlichen Stellungnamen der Amtssachverständigen. Es gelinge den Beschwerdeführern auch nicht darzulegen, worin die konkrete Gesundheitsgefährdung bestehen solle.

Mit der Betriebsstättengenehmigung seien vielmehr durch Auflagen sowohl die Anzahl der Veranstaltungstage, als auch die Größe der Veranstaltung, die Veranstaltungsart, die Veranstaltungszeit sowie die Schallleistungspegel der Musikanlage beschränkt worden. Die Beurteilungskriterien für die Zumutbarkeit der Lärmbelästigung seien sowohl von lärmtechnischen als auch medizinischen Amtssachverständigen schlüssig und nachvollziehbar begründet worden und entsprächen, wie in der im Vorstellungsverfahren nochmals eingeholten gutachtlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen ausgeführt werde, dem Stand der Technik.

Der in der Stellungnahme zum Parteiengehör vorgebrachte Widerspruch zwischen Auflage 15 und 16 sei nicht nachvollziehbar, weil sich Auflage 15 auf die Beschallungsanlage im Gastgarten beziehe, während Auflage 16 auf die Musikanlage Bezug nehme.

Die Frage der Unzumutbarkeit der Belästigung der Nachbarschaft durch Lärm sei danach zu beurteilen, wie sich die durch die Veranstaltung oder den Veranstaltungsbetrieb verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf eine gesunde, normal empfindende Person auswirkten. Dies sei anhand der Dauer und der Häufigkeit der Belästigung sowie ihrer Eigenart und Vermeidbarkeit nach dem Stand der Technik zu beurteilen.

Die im Betriebsstätten-Genehmigungsbescheid nach dem Stmk. Veranstaltungsgesetz genehmigten Veranstaltungen erschienen bei objektiver Betrachtung und unter Zugrundelegung der Stellungnahmen und Gutachten der Amtssachverständigen keinesfalls unzumutbar, sondern sie würden durch zahlreiche Auflagen jedenfalls auf ein zumutbares Ausmaß beschränkt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Zur Gegenschrift erstatteten die Beschwerdeführer eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird insbesondere eingewendet, Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Belästigung der Nachbarn durch Lärm seien die Auswirkungen der verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse (sog. "Ist-Maß") auf einen gesunden normal empfindenden Menschen. Mangels entsprechender gesetzlicher Regelung komme es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit aber nicht auf die für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Vorschriften (so genanntes "Widmungsmaß") an.

Es sei jener Lärmpegel festzulegen, der bei Zusammenwirkung von Ist-Maß und einem Immissionsanteil der zu genehmigenden Anlage wegen ansonsten zu befürchtender unzumutbarer Auswirkungen auf einen gesunden normalen Menschen nicht überschritten werden dürfe. Der aus dem Zusammenwirken des Ist-Maßes und des von der zu genehmigenden Anlage zu erwartenden Beurteilungspegels sich ergebende neue Immissionsstand (sohin das durch die Änderung der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse sich ergebende neue Ist-Maß) dürfe das Beurteilungsmaß nicht überschreiten (Verweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 20. Februar 2007, Zl. 2004/05/0248).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sei es - von Sonderfällen abgesehen - unzulässig, dann, wenn eine Messung am entscheidenden Immissionspunkt möglich sei, die dort zu erwartenden Immissionen aus den Ergebnissen einer Messung an einem anderen Ort zu prognostizieren. Sei eine Messung der von der Anlage ausgehenden Immissionen möglich, sei eine solche vorzunehmen und die bloße Schätzung bzw. Berechnung dieser Immissionen aufgrund der Projektsunterlagen unzulässig (Verweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 17. April 1998, Zl. 96/04/0269, sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom 20. Februar 2007, Zl. 2004/05/0248, letzteres zu einem Fall nach dem Stmk. Veranstaltungsgesetz).

Der Bürgermeister der Stadtgemeinde F. habe im Rahmen des erstbehördlichen Verfahrens ein lärmtechnisches Gutachten des Amtssachverständigen Ing. S. eingeholt, um die Zumutbarkeit der von der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei (durch die Abhaltung der zur Bewilligung beworbenen Veranstaltungen) ausgehenden Immissionen beurteilen zu können.

Der Amtssachverständige Ing. S. habe seine Beurteilung im Gutachten vom 7. März 2011 dabei ausschließlich auf eine prognostizierte Berechnung der anfallenden Immissionen (durch Verwendung eines Computerprogrammes) unter Anwendung der Regeln der (unverbindlichen) "Lärmschutzrichtlinie für Veranstaltungen" gestützt. Eine tatsächliche Erhebung des Ist-Maßes sowie eine konkrete Messung der Immissionen (bewirkt durch die bewussten Veranstaltungen) seien nicht vorgenommen worden. Diese Vorgehensweise widerspreche jedoch der (oben wiedergegebenen) ständigen Rechtsprechung des VwGH.

Eine bloße Schätzung bzw. Berechnung dieser Immissionen aufgrund der Projektsunterlagen - wie gegenständlich durch das Gutachten des Amtssachverständigen Ing. S. erfolgt - sei solcherart unzulässig gewesen.

Der zu beurteilende Sachverhalt sei durch den Bürgermeister und den Gemeinderat in Verkennung der Rechtslage nicht ausreichend erhoben worden (und dies sei durch die belangte Behörde nicht erkannt worden), weshalb schon aus diesem Grund der angefochtene Bescheid zu beheben sei.

Dass vor diesem Hintergrund auch das vorliegende medizinische Gutachten nicht dazu geeignet sei, die Auswirkungen der Lärmbelästigung auf den menschlichen Organismus der Beschwerdeführer richtig zu beurteilen, sei folgerichtig, zumal das Lärmgutachten hierfür keine taugliche Grundlage biete. Das Verwaltungsverfahren werde solcherart nach Einholung eines (auf Messung basierenden) Lärmgutachtens auch um ein entsprechendes medizinisches Gutachten zu ergänzen sein.

Gemäß § 20 lit. a des Steiermärkischen Veranstaltungsgesetzes, LGBl. Nr. 192/1969, ist die Abhaltung von Veranstaltungen nur zulässig auf einer Stätte, die die Behörde für Veranstaltungen entsprechender Art genehmigt hat.

Nach § 21 leg. cit. in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 148/2006, sind Betriebsstätten - unbeschadet der Notwendigkeit ihrer Bewilligung nach anderen Rechtsvorschriften - für eine bestimmte Art oder für einzelne Arten von Veranstaltungen zu genehmigen, wenn die Eignung nach §§ 22, 22a und 22b vorhanden ist.

Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 148/2006 müssen zur Erteilung der Genehmigung ortsfeste Betriebsstätten (Räume, ortsfeste Anlagen und Einrichtungen) durch ihre Lage, Beschaffenheit, bauliche Gestaltung und Ausstattung Gewähr dafür bieten, dass

a) bei ihrer widmungsgemäßen Benützung keine Gefahr für Leben oder Gesundheit der Veranstaltungsbesucher sowie unbeteiligter Personen entstehen kann (Betriebssicherheit). Insbesondere müssen die Ausgänge von Zuschauerräumen und die von diesen zu den Ausgängen führenden Wege so angelegt, so beschaffen und in solcher Zahl vorhanden sein, dass die Betriebsstätte von den Besuchern rasch und gefahrlos geräumt werden kann;

b) die durch den Veranstaltungsbetrieb verursachten Belästigungen durch Lärm den Nachbarn zumutbar sind.

Nach § 26 Abs. 1 leg. cit. obliegt die Erteilung (Zurücknahme) einer Genehmigung für Betriebsstätten und die Besorgung der Aufgaben nach §§ 24 und 25

1. Dem Bürgermeister im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, soweit es sich um ortsfeste Betriebsstätten ohne besondere technische Einrichtungen handelt, die nur für Veranstaltungen von örtlicher Bedeutung (§ 1 Abs. 3) bestimmt sind;

2. sonst der Bezirksverwaltungsbehörde.

Auch wenn das Stmk. Veranstaltungsgesetz in § 22 Abs. 1 Z. 1 lit. b in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 148/2006 hinsichtlich der Nachbarn auf die "Zumutbarkeit" durch den Veranstaltungsbetrieb verursachte Belästigungen durch Lärm abstellt (anders noch in dem von Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2007, Zl. 2004/05/0248, wonach durch den Veranstaltungsbetrieb die Nachbarschaft durch den störenden Lärm nicht "ungebührlich belästigt" werden durfte; zur Gleichsetzung des Begriffes "ungebührliche Belästigung" mit dem Begriff der "unzumutbaren Belästigung" siehe gleichfalls das zuletzt genannte hg. Erkenntnis), können hinsichtlich der Zumutbarkeit der Belästigung und auch für die Methode der dabei anzustellenden Messungen weiterhin die im vorgenannten hg. Erkenntnis 20. Februar 2007 dargelegten Grundsätze angewendet werden.

In diesem Erkenntnis wird u.a. ausgeführt:

"Die Frage der Zumutbarkeit einer durch den Veranstaltungsbetrieb einer Anlage im Sinne des Veranstaltungsgesetzes bewirkten Störung der Nachbarschaft durch Lärm ist unter Bedachtnahme auf die gegebenen örtlichen Verhältnisse zu beantworten, wobei Unzumutbarkeit jedenfalls immer dann gegeben ist, wenn eine derartige Störung durch Lärm für die Nachbarschaft als gesundheitsgefährdend zu qualifizieren ist.

Gesundheitsgefährdungen müssen ebenso wie unzumutbare Belästigungen vermieden werden. Belästigungen können jedoch durch entsprechende Auflagen auf ein zumutbares Ausmaß beschränkt werden, sofern dies möglich ist. Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer solchen Belästigung der Nachbarn durch Lärm sind die verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse (d.i. das so genannte 'Ist-Maß') auf einen gesunden normal empfindenden Menschen. Mangels entsprechender gesetzlicher Regelung kommt es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit aber nicht auf die für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Vorschriften (so genanntes 'Widmungsmaß') an. Der Verwaltungsbehörde obliegt es im Verfahren über die Genehmigung einer Betriebsstätte nach dem Veranstaltungsgesetz festzustellen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem Tatbestand einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn durch störenden Lärm entspricht. Im Rahmen der Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn bedarf es der Festlegung der noch zumutbaren Immissionsgrenze (Grenze der zumutbaren Belastung; Beurteilungsmaß).

Es ist also jener Lärmpegel festzulegen, der bei Zusammenwirken von Ist-Maß und einem Immissionsanteil der zu genehmigenden Anlage wegen ansonst zu befürchtender unzumutbarer Auswirkungen auf einen gesunden normalen Menschen nicht überschritten werden darf. Der aus dem Zusammenwirken des Ist-Maßes und des von der zu genehmigenden Anlage zu erwartenden Beurteilungspegels sich ergebende neue Immissionsstand (sohin das durch die Änderung der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse sich ergebende neue Ist-Maß) darf das Beurteilungsmaß nicht überschreiten. Die Behörde hat zur Klärung der Fragen der Immissionsbelastung durch Lärm im Ermittlungsverfahren im Allgemeinen Sachverständige heranzuziehen, und zwar einen (lärm)technischen und einen medizinischen Sachverständigen. Dabei ist es Sache des lärmtechnischen Sachverständigen, über das Ausmaß der zu erwartenden Lärmimmissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, sein Fachwissen hinsichtlich der Wirkungen dieser Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen.

In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt (siehe die Nachweise bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO2, RZ 36 zu § 77 GewO), dass es, von Sonderfällen abgesehen, unzulässig ist, dann, wenn eine Messung am entscheidenden Immissionspunkt möglich ist, die dort zu erwartenden Immissionen aus den Ergebnissen einer Messung an einem anderen Ort zu prognostizieren. Ist eine Messung der von einer Betriebsanlage ausgehenden Immission möglich, ist eine solche vorzunehmen und die bloße Schätzung bzw. Berechnung dieser Immissionen auf Grund der Projektsunterlagen unzulässig. Auswirkungen der von einer geänderten Betriebsanlage ausgehenden Emissionen sind dort, wo eine Messung möglich ist, zu messen und nicht bloß zu berechnen."

Zutreffend wird in der Beschwerde u.a. gerügt, dass die zu erwartenden Lärm-Immissionen nicht anhand von möglichen konkreten Messungen festgestellt wurden, sondern aufgrund von Schätzungen bzw. Berechnungen dieser Immissionen anhand der Projektsunterlagen.

Da eine derartige Beweisaufnahme unterblieben ist, hätte die Vorstellungsbehörde die Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf Gemeindeebene wahrnehmen müssen, zumal die Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens die Richtigkeit der vom lärmtechnischen Amtssachverständigen im Gutachten erzielten Ergebnisse insbesondere unter Vorlage eines Privatgutachtens in Zweifel zogen und darüber hinaus auch auf die Notwendigkeit von konkret durchzuführenden Messungen hinwiesen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon aus diesem Grunde als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Es erübrigt sich daher auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 11. September 2013

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