VwGH 2011/17/0166

VwGH2011/17/016614.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, Hofrat Dr. Köhler und Hofrätin Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, in der Beschwerdesache des FP in S, vertreten durch Grilc & Partner, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen den Gemeinderat der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten Berufung gegen Abgabenbescheide, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §311;
BAO §85 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1 Satz1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §55 Abs1;
VwRallg;
BAO §311;
BAO §85 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1 Satz1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §55 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die zur Zl. 2011/17/0166 protokollierte Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2010 erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen die den in dem vom Bürgermeister der Gemeinde St. Kanzian am Klopeinersee ausgestellten Rückstandsausweis vom 11. März 2010 genannten Abgaben zu Grunde liegenden Bescheide. Es sei über die Anträge auf Übermittlung der Bescheide in slowenischer Sprache noch nicht entschieden worden, daher seien die Bescheide noch nicht wirksam erlassen worden. Gleichzeitig erhob er in demselben Schriftsatz auch Einwendungen gemäß § 35 EO.

1.2. Da über seine Anträge nicht entschieden wurde, stellte der Beschwerdeführer am 29. Dezember 2010 einen Antrag auf "Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung auf das sachlich zuständige höhere Organ, dies ist der Gemeinderat" (mit der Beschwerde wurde eine beglaubigte Übersetzung des Devolutionsantrages vom 29. Dezember 2010 vorgelegt).

1.3. Im selben Schriftsatz stellte der Beschwerdeführer auch einen auf § 311 BAO gestützten Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung hinsichtlich seines Einspruches nach § 35 EO.

1.4. Mit der am 8. Juli 2011 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde machte der Beschwerdeführer einerseits die Säumnis des Gemeinderats der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See und andererseits die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Gemeindevorstand der Gemeinde St. Kanzian am Klopeinersee geltend. Aus der Begründung der Beschwerde ergibt sich, dass in der Angelegenheit Berufung gegen die Abgabenbescheide die Säumnis des Gemeinderats (insoweit wurde die Beschwerde zur hg. Zl. 2011/17/0166 protokolliert) und hinsichtlich der Einwendungen gegen den Rückstandsausweis gemäß § 35 EO die Säumnis des Gemeindevorstands (insoweit wurde die Beschwerde zur hg. Zl. 2011/17/0177 protokolliert) geltend gemacht wird.

1.5. Mit Verfügung vom 14. Juli 2011 forderte der Verwaltungsgerichtshof die belangten Behörden auf, binnen drei Monaten jeweils den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung des Bescheides an die beschwerdeführende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

1.6. Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2011 teilte der Beschwerdeführer mit, dass am 17. Oktober 2011 die "in der Anlage befindlichen Bescheide" sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache zugestellt worden seien. Die belangte Behörde sei "damit der Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes laut Beschluss vom 14. Juli 2011 nachgekommen".

Dem Schreiben sind je zwei Ausfertigungen eines Bescheids vom 10. Oktober 2011 in slowenischer und in deutscher Sprache angeschlossen.

1.7. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2011 legte auch die Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See, vertreten durch den Bürgermeister, den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 10. Oktober 2011 (in slowenischer und deutscher Sprache) vor. In diesem Schreiben weist die Gemeinde auch darauf hin, dass der Devolutionsantrag nur in slowenischer Sprache eingebracht worden sei. Da zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die Abgabenbehörde erster Instanz keine gesetzliche Verpflichtung zur Verwendung der slowenischen Sprache als Amtssprache bestanden habe, sei ein Verbesserungsauftrag, das Anbringen auch in deutscher Sprache einzubringen, erteilt worden.

1.8. Mit dem nunmehr vorgelegten Bescheid vom 10. Oktober 2011 sprach der Gemeindevorstand der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See über die "Berufungen gegen die Abgabenbescheide des Bürgermeisters der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See vom 10.10.2008, 9.3.2009 und 5.10.2009" ab und wies die Berufungen als unbegründet ab. Als Rechtsgrundlage wurde § 289 BAO, "LGBl. Nr. 194/1961, in der Fassung des Gesetzes BGBl. I Nr. 76/2011", angegeben.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Säumnisbeschwerde einerseits die Säumnis des Gemeinderats der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See in der Angelegenheit seiner Berufungen gegen Abgabenbescheide, andererseits die Säumnis des Gemeindevorstands der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See hinsichtlich seiner Einwendungen gemäß § 35 EO geltend gemacht.

2.2. Mit dem nunmehr vorgelegten Bescheid vom 10. Oktober 2011 hat der Gemeindevorstand der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See meritorisch über die Berufungen gegen die Abgabenbescheide entschieden.

Der Beschwerdeführer hatte in der zur hg. Zl. 2011/17/0166 protokollierten Säumnisbeschwerde die Säumnis des Gemeinderats der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See geltend gemacht, weil er am 29. Dezember 2010 infolge Säumnis über seine Berufung gegen Abgabenbescheide einen Devolutionsantrag eingebracht hatte.

Über diesen Devolutionsantrag wurde vom Gemeinderat aus den oben wiedergegebenen Gründen (siehe Punkt 1.7.) nicht entschieden. Der Gemeindevorstand (also nicht die im Verfahren zur Zl. 2011/17/0166 belangte Behörde) hat jedoch nunmehr in der Abgabensache eine Entscheidung über die eingebrachten Berufungen getroffen.

2.3. § 33 Abs. 1 VwGG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt auch dann vor, wenn auf andere Weise als durch formelle Klaglosstellung das rechtliche Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes weggefallen ist (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 22. Mai 1990, Zl. 89/08/0143, vom 22. Oktober 1991, Zl. 90/08/0115, oder vom 29. Jänner 2009, Zl. 2005/10/0084). Dies gilt nach der Rechtsprechung auch im Falle einer Säumnisbeschwerde (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 26. April 2005, Zl. 2004/21/0230, vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/09/0061, und vom 18. Dezember 2008, Zl. 2008/06/0175).

Mit der Erlassung des oben genannten Bescheides des Gemeindevorstandes wurde zwar nicht über jenen Antrag entschieden, hinsichtlich dessen die Säumnis mit der vorliegenden Beschwerde geltend gemacht wurde, es wurde aber die vom Beschwerdeführer angestrebte Sachentscheidung in seiner Abgabensache getroffen.

Das Rechtsschutzinteresse an der Entscheidung über den Devolutionsantrag, welches auf die Erlassung des Berufungsbescheides gerichtet ist, ist damit fortgefallen. Es liegen daher die Voraussetzungen für die Einstellung wegen sonstiger Gegenstandslosigkeit vor.

2.4. Die Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

2.5. Zur Entscheidung über den Aufwandersatz:

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 55 Abs. 1 und § 58 Abs. 2 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG kommt bei der Einstellung wegen einer sonstigen Gegenstandslosigkeit nicht zum Tragen (vgl. den hg. Beschluss vom 15. September 2009, Zl. 2008/06/0199).

2.5.1. Zunächst ist zur grundsätzlichen Möglichkeit eines Devolutionsantrags und zu der sich daraus ergebenden Entscheidungspflicht der belangten Behörde in der vorliegenden Abgabensache Folgendes zu bemerken:

Der gegenständliche Devolutionsantrag wurde am 29. Dezember 2010 bezüglich der Säumnis mit der Entscheidung über eine am 16. Juni 2010 eingebrachte Berufung erhoben. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Devolutionsantrages war daher die BAO anzuwenden (vgl. § 323a Abs. 1 Z 1 BAO).

Gemäß § 311 Abs. 2 BAO kann jede Partei, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat, den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragen (Devolutionsantrag), wenn Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu seiner amtswegigen Erlassung bekanntgegeben werden.

Einen Devolutionsantrag im Falle der Säumnis der Behörde zweiter Instanz sieht die BAO nicht vor (vgl. Ellinger in Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 311 Anm. 22, und zur vergleichbaren früheren Rechtslage nach der Kärntner LAO das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2009, Zl. 2009/17/0097, sowie zur daraus folgenden Konsequenz für das Säumnisbeschwerdeverfahren Köhler, Die Säumnisbeschwerde, in: Holoubek/Lang (Hrsg.), Das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, 1999, 77 (95)). Der Devolutionsantrag wäre daher von der Behörde, an die er gerichtet war, zurückzuweisen gewesen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 2009, Zl. 2008/17/0170, und vom 11. Dezember 2009, Zl. 2009/17/0097).

Auf Grund der Einbringung des Devolutionsantrags vom 29. Dezember 2010 wäre somit grundsätzlich die Entscheidungspflicht des Gemeinderats der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See eingetreten, wenngleich der unzulässige Devolutionsantrag zurückzuweisen gewesen wäre. Auch die Säumnis einer Behörde mit der Erlassung eines Zurückweisungsbescheides kann nach der ständigen hg. Rechtsprechung mit Säumnisbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. zur Verpflichtung der Behörden zur Zurückweisung unzulässiger Anträge das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, und beispielsweise den hg. Beschluss vom 25. November 2003, Zl. 2003/17/0196).

2.5.2. Zum Einwand der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe auf einen Verbesserungsauftrag, das Anbringen auch in deutscher Sprache vorzulegen, nicht reagiert, ist Folgendes auszuführen:

Auch dieser Einwand vermag nichts an der Kostentragungspflicht der Gemeinde zu ändern.

Auch die Erteilung eines Verbesserungsauftrages enthob die belangte Behörde nämlich nicht der Verpflichtung, im Falle des ungenützten Verstreichens der gesetzten Frist gemäß § 85 Abs. 2 BAO einen sogenannten Zurücknahmebescheid zu erlassen (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar4, § 85 BAO Rz 18).

2.5.3. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass selbst unter der Annahme, dass der von der belangten Behörde erteilte Verbesserungsauftrag zulässig war, eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde hinsichtlich des Devolutionsantrags bestand, sodass im Beschwerdefall nicht abschließend zu klären

war, ob ein Zurücknahmebescheid im Sinne des Punktes 2.5.2. oder ein Zurückweisungsbescheid im Sinne des Punktes 2.5.1. zu erlassen gewesen wäre.

Wien, am 14. Dezember 2011

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