Normen
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 z3 litc;
WehrG 2001 §15 Abs1;
WehrG 2001 §17 Abs2;
WehrG 2001 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 z3 litc;
WehrG 2001 §15 Abs1;
WehrG 2001 §17 Abs2;
WehrG 2001 §9 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Verwaltungsakt zur hg. Zl. 2011/11/0080 erliegt eine "Bescheinigung der Stellungskommission" des Militärkommandos Wien über einen Beschluss der Stellungskommission vom 24. Mai 2006, wonach der Beschwerdeführer tauglich sei. Auf der Grundlage dieses Tauglichkeitsbeschlusses trat der Beschwerdeführer am 28. September 2009 zunächst den Grundwehrdienst an, wurde jedoch bereits mit Ablauf des 13. Oktobers 2009 infolge einer durch den Militärarzt festgestellten Dienstunfähigkeit vorzeitig aus dem Präsenzdienst entlassen.
Mit Bescheid des Militärkommandos Wien vom 27. November 2009 wurde von Amts wegen die Durchführung einer neuerlichen Stellung verfügt. Nachdem die Stellungskommission am 5. Oktober 2010 zunächst wegen der Notwendigkeit der Einholung einer fachärztlichen Stellungnahme ihre Entscheidung ausgesetzt hatte, stellte sie nach Einholung einer orthopädischen fachärztlichen Stellungnahme mit Bescheid vom 11. Jänner 2011 fest, dass der Beschwerdeführer zum Wehrdienst tauglich sei.
Die eingeholte fachärztliche Stellungnahme hat folgenden
Wortlaut:
"181010 KO/WO
Seit mehreren Jahren recidiv. Schmerzen im BWS-Bereich., seit
1 a verstärkte Beschwerden.
Kl.: GB harmon., ZFG freimöglich. FBA 0, schober 10/15, hohlrunder Rücken, li.-konv. Skol. LWS, re.-konv. Gegenkrümmung BWS, Becken horizontal, Seitn. u. Rot. leicht eingeschr., Ds + Myogelosen thorakolumbal. Lasegue neg., keine sensomot. Ausfälle UE.
Hüftgelenke Frei, Patricktest neg. Beinlänge im Liegen:
seitengleich.
Rö: li.-konv. Skoliosierung d. LWS, re.-konv. Gegenkrümmung
BWS, schmorlsche Dysplasie, Streckfehlhaltung d. LWS.
Dg.: Dorsolumbalgie bei Z. n. M. Scheuermann u. Skoliosierung.
Beurteilung: empfehle WZ 2-4."
In der Begründung ihres Bescheides führte die
Stellungskommission aus, die zusätzlich durchgeführte Facharztuntersuchung im Heeresspital Wien habe die Diagnose "Dorsolumbalgie bei Z. n. M. Scheuermann u. Skoliosierung" ergeben. Der Beschwerdeführer sei vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt worden, doch sei eine Äußerung hiezu nicht erfolgt.
Die Behörde folge dem Befund des Heeresspitals Wien sowie den vom Beschwerdeführer selbst beigebrachten Befunden. Aus militärärztlicher Sicht bestünden beim Beschwerdeführer für die Leistung des Grundwehrdienstes gesundheitliche Einschränkungen, welche bei der Beurteilung seiner Dienstfähigkeit berücksichtigt würden. Der Beschwerdeführer sei eingeschränkt heranziehbar in Bezug auf seine Dienstfähigkeit, und bei den entsprechenden Bedachtnahmen auf diesen Umstand sei eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ausgeschlossen, weil auf seinen eingeschränkten Gesundheitszustand und die damit verbundene eingeschränkte Dienstfähigkeit bei seiner Verwendung Rücksicht genommen werde. Die beim Beschwerdeführer festgestellten objektiven Gesundheitseinschränkungen seien nach Art und Ausprägung aus militärmedizinischer Sicht nicht als so erheblich einzustufen, dass ihm die Ausübung einer Soldatenfunktion nicht zugemutet werden könnte. Es könne ihm also insbesondere das Bedienen einer Waffe - zumindest einer Handfeuerwaffe - und die physische und psychische Belastbarkeit für jene militärischen Funktionen, für die noch ein Minimum an Kraftanstrengung und Beweglichkeit erforderlich ist, mit den entsprechenden Schutzmaßnahmen zugemutet werden. Diese Gesundheitseinschränkungen schlössen es nicht von vornherein aus, dass sich der Beschwerdeführer zumindest kurzzeitig rasch in Bewegung setzen, erforderlichenfalls Deckung nehmen und von der Handfeuerwaffe Gebrauch machen könne. Es sei aber gemäß § 10 Abs. 2 ADV sichergestellt, dass der Beschwerdeführer während des Präsenzdienstes nur für jene Funktionen herangezogen werde, für die er auch die Dienstfähigkeit aufweise. Der Militärarzt werde anlässlich der Einstellungsuntersuchung festzulegen haben, ob und gegebenenfalls von welchen Ausbildungsvorhaben der Beschwerdeführer aufgrund seines Gesundheitszustandes zu befreien sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001), BGBl. I Nr. 146, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, lauten wie folgt:
"§ 9. (1) In das Bundesheer dürfen nur österreichische Staatsbürger einberufen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen. …
…
Stellungskommissionen
Organisation
§ 15. (1) Die Militärkommanden haben sich zur Feststellung der notwendigen körperlichen und geistigen Eignung der Wehrpflichtigen zum Wehrdienst (Stellung) der Stellungskommission als zuständiger Behörde zu bedienen. Diese hat auf Verfahren nach diesem Bundesgesetz das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, anzuwenden. … … Aufgaben § 17. (1) Den Stellungskommissionen obliegt die Feststellung der Eignung der Personen, die sich der Stellung unterziehen, zum Wehrdienst. …
(2) Die Stellungskommissionen haben die Eignung der Personen nach Abs. 1 zum Wehrdienst auf Grund der ärztlichen und psychologischen Untersuchungen mit einem der folgenden Beschlüsse festzustellen: ‚Tauglich' oder 'Vorübergehend untauglich' oder 'Untauglich'. Zu den Beschlüssen der Stellungskommission bedarf es der Anwesenheit aller Mitglieder und der Mehrheit der Stimmen. Ein auf ‚Tauglich' lautender Beschluss bedarf jedenfalls der Zustimmung des Arztes. Erscheint für die Feststellung der Eignung eine fachärztliche Untersuchung erforderlich, so sind die Personen nach Abs. 1 von den Stellungskommissionen einer solchen Untersuchung zuzuführen. Gegen die Beschlüsse der Stellungskommission ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. …
Nachstellung und neuerliche Stellung
§ 18b.
…
(2) Wehrpflichtige, deren vorübergehende Untauglichkeit festgestellt wurde, sind nach Ablauf der von der Stellungskommission für die voraussichtliche Dauer ihrer vorübergehenden Untauglichkeit festgesetzten Frist vom Militärkommando aufzufordern, sich zu dem in der Aufforderung bestimmten Zeitpunkt einer neuerlichen Stellung zu unterziehen. …"
2. Die Beschwerde ist begründet.
2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. aus vielen die Erkenntnisse vom 25. Juli 2007, Zl. 2007/11/0061, vom 24. Jänner 2006, Zl. 2005/11/0121, vom 25. Mai 2004, Zl. 2004/11/0023, vom 20. Oktober 2011, Zl. 2011/11/0154, und vom 21. Februar 2012, Zl. 2011/11/0216, jeweils mwN) ist ein Stellungspflichtiger, der auf Grund seines körperlichen und geistigen Zustandes keine militärische Ausbildung erfahren und demnach keinen militärischen Dienst verrichten kann, nicht zum Wehrdienst geeignet. Der Dienst im Bundesheer umfasst jedenfalls eine militärische Komponente im engeren Sinn, auf die sich auch die Ausbildung der Grundwehrdiener zu erstrecken hat. Dies bringt die Anforderung mit sich, dass der Betreffende jedenfalls eine Waffe bedienen und ein gewisses Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln kann, um darüber hinaus auch die sonst bei der Leistung des Militärdienstes anfallenden Tätigkeiten und Übungen zu verrichten. Die einem auf "Tauglich" lautenden Beschluss der Stellungskommission zu Grunde liegende Beurteilung muss daher erkennen lassen, aus welchem Grund der zustimmende Arzt der Auffassung ist, der Stellungspflichtige besitze die notwendige körperliche und geistige Eignung, wie sie nach dem Gesagten beim Grundwehrdiener gegeben sein muss. Dies erfordert in Fällen, in denen Krankheitszustände oder Gebrechen festgestellt werden, die die erforderliche Leistungsfähigkeit - aus welchen Gründen immer - beeinträchtigen, begründete Ausführungen dazu, in welchem Ausmaß der Stellungspflichtige auf Grund des festgestellten Gesundheitszustandes in der Kraftanstrengung oder Beweglichkeit gehindert - oder trotz der behaupteten Leiden eben nicht gehindert - ist.
2.2.1. Derartige Ausführungen im dargestellten Sinn fehlen - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - im vorliegenden Fall. Die belangte Behörde geht zwar selbst von einem Zustand des Beschwerdeführers nach Morbus Scheuermann und Skoliosierung aus, unterlässt aber Feststellungen zum Grad der damit verbundenen Einschränkungen. Sie begnügt sich vielmehr mit formelartigen Erwägungen, die eine auf medizinischen Sachverstand gegründete konkrete Bezugnahme auf die entscheidende Frage, ob die gesundheitlichen Einschränkungen an der Wirbelsäule einen Dienst mit der Waffe, insbesondere das Deckungnehmen und das Tragen von Gegenständen im Rahmen einer militärischen Ausbildung, entgegenstehen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei der gebotenen inhaltlichen Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer im Stellungsverfahren vorgelegten und den von der Behörde eingeholten ärztlichen Unterlagen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, weil auch nicht notorisch ist, dass dem Beschwerdeführer trotz seiner Krankheitsgeschichte die Eignung zum Wehrdienst im beschriebenen Sinn zukommt.
2.2.2. Die belangte Behörde räumt in ihrer Gegenschrift selbst ein, dass dem Beschwerdeführer irrtümlich die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme betreffend einen anderen Stellungspflichtigen zugesandt worden sei und es für sie nicht mehr feststellbar sei, ob dem Beschwerdeführer die mit 12. November 2010 datierte "richtige" Verständigung nachweislich zugestellt wurde. Vor dem Hintergrund der vorgelegten Verwaltungsakten ist demnach die Einräumung von Parteiengehör nicht dargetan, weshalb das Beschwerdevorbringen nicht als unzulässige Neuerung zu qualifizieren ist.
In der Beschwerde wird, unter Hinweis ua. auf ein Gutachten eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie, vorgebracht, der Beschwerdeführer leide an kyphotischer Fehlstellung der Halswirbelsäule, an Skoliose der Stammwirbelsäule, an Hohlkreuzbildung der Lendenwirbelsäule mit Verdacht auf Bogenschlussstörung L5/S1, an einem biomechanischen Fehlbau beider Hüftgelenke bei präarthrotischen Faktoren, an Überreizerscheinungen beider Kniegelenke bei biomechanisch fehlgebauter Kniescheibenrückfläche, weshalb er Belastungen im Sinne von Direktbelastungen wie Heben und Tragen von schweren und mittelschweren Gegenständen zu unterlassen hätte und ständige Zwangs- und Fehlhaltungen nicht verantwortbar seien.
Mit diesem Vorbringen wird ebenfalls dargelegt, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der ihr unterlaufenen Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
2.3. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
2.4. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 22. Jänner 2013
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