VwGH 2011/08/0209

VwGH2011/08/020924.7.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des V H in Wien, vertreten durch MMag. DDr. Irmgard Schartner, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Porzellangasse 22A/7, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 9. Mai 2011, Zl. 2011-0566-9-000922, betreffend Verlust der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §9;
AMFG §4 Abs1 Z1;
AMSG 1994 §32 Abs2 Z5;
AMSG 1994 §32 Abs4;
AMSG 1994 §32 Abs5;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §9;
AMFG §4 Abs1 Z1;
AMSG 1994 §32 Abs2 Z5;
AMSG 1994 §32 Abs4;
AMSG 1994 §32 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom 22. Februar bis 4. April 2011 gemäß § 10 iVm § 38 AlVG verliere.

Dem Beschwerdeführer sei von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (im Folgenden: AMS) anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 18. Februar 2011 u.a. ein Vermittlungsvorschlag für eine Beschäftigung als Abwäscher beim Dienstgeber R. mit Arbeitsbeginn 22. Februar 2011 angeboten worden. Dem Vermittlungsvorschlag zu Folge sei vom Arbeitgeber Praxis erwünscht gewesen. Die Bewerbung des Beschwerdeführers habe im Rahmen einer Vorauswahl (durch das AMS) stattgefunden. Die Mitarbeiterin des AMS habe dazu festgehalten, der Beschwerdeführer habe sofort mitgeteilt, dass er sich nur für Bücher interessiere. Damit sei die Kommunikation beendet worden. Der Beschwerdeführer habe einen unmotivierten und desinteressierten Eindruck hinterlassen. Der Dienstgeber habe angegeben, es hätte gereicht, wenn jemand den Willen zu Arbeiten mitbringe. Der Beschwerdeführer sei bereits "sehr verhalten" zur Vorauswahl erschienen. Er habe gemeint, er würde nicht verstehen, was er "da solle", er hätte sowieso keine Qualifikationen für diese Stelle. Die Mitarbeiterin des AMS habe den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass man zum Abwaschen keine Qualifikationen benötige, und ihn gefragt, wo das Problem liege. Der Beschwerdeführer habe angegeben, immer nur in Büchereien zu arbeiten und "was anderes nicht zu können". Auf den Vorhalt, auch andere Dienstverhältnisse annehmen zu müssen, habe der Beschwerdeführer aufbrausend reagiert und gemeint, er sei arbeitswillig und die Mitarbeiterin des AMS möge ihm die Adresse aushändigen, damit er gehen könne. Davon habe die Mitarbeiterin des AMS Abstand genommen, da zu erwarten gewesen wäre, dass sich der Beschwerdeführer dort (beim Dienstgeber) nicht anders verhalte. Der Beschwerdeführer sei auf eine "Grundsatzdiskussion" aus gewesen und nicht auf ein Bewerbungsgespräch.

Der Beschwerdeführer stehe - so die belangte Behörde weiter - seit 15. Oktober 2004 mit kurzen Unterbrechungen im Bezug von Arbeitslosengeld bzw. seit 13. Mai 2005 im Bezug der Notstandshilfe. In den Aufzeichnungen des AMS sei als Beruf "Bibliothekar" vermerkt. Als solcher sei der Beschwerdeführer vom 15. Jänner bis 12. Februar 2010 in einem Dienstverhältnis auf Probe gestanden. Ein weiteres Dienstverhältnis als Buchhändler scheine vom 20. August bis zum 20. September 2007 auf.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten bei der Vorauswahl das Zustandekommen eines Dienstverhältnisses vereitelt. Er habe sein Desinteresse an der Stelle sofort zum Ausdruck gebracht, indem er darauf hingewiesen habe, nicht zu wissen, was er dort überhaupt machen solle, und für die Tätigkeit nicht qualifiziert zu sein. Dies sei ausschlaggebend dafür gewesen, dass der Beschwerdeführer für die Besetzung der Stelle nicht in Frage gekommen sei. Dies habe er zumindest in Kauf genommen. Das Verhalten sei ihm auch vorwerfbar. Wenn jemand sofort seine Einwendungen bezüglich der angebotenen Tätigkeit vorbringe, so lasse dies nach der allgemeinen Lebens- und Berufserfahrung darauf schließen, dass er an der Stelle nicht interessiert sei. Bezüglich der Zumutbarkeit der Stelle werde auf die Stellungnahme des Dienstgebers verwiesen. Potenzielle Dienstgeber würden erfahrungsgemäß in die Stellenausschreibung die Idealvoraussetzungen schreiben, von welchen - abhängig von den Bewerbern - durchaus abgegangen werde.

Berücksichtigungswürdige Nachsichtsgründe iSd § 10 AlVG lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senate erwogen hat:

1. Die Beschwerde bringt vor, die Zuweisung einer Beschäftigung als Abwäscher sei unzulässig gewesen. Der Arbeitgeber habe im Anforderungsprofil eine "berufseinschlägige Praxis" gewünscht. Der Beschwerdeführer verfüge jedoch nicht über eine solche. Er könne auch nicht die geringsten Erfahrungen (Schulungen) im Bereich der Gastronomie vorweisen. Es widerstreite dem Gesetzeszweck "Vermittlung von Arbeitssuchenden", wenn das AMS das Anforderungsprofil des Dienstgebers abschwäche, indem es entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut der Stellenbeschreibung keine Qualifikation für erforderlich hält. Dies lasse sich auch nicht mit der allgemein gehaltenen Floskel, potenzielle Dienstgeber würden erfahrungsgemäß in Stellenausschreibungen von Idealvoraussetzungen ausgehen, rechtfertigen. Selbst für einfach anmutende Tätigkeiten, die man "jeder Hausfrau zutrauen wird", sei eine Berufserfahrung notwendig, würde doch sonst die Kontrolle des Arbeitgebers die gleiche Arbeit darstellen, wie die Durchführung der Arbeit selbst. Zu beachten seien Schutzvorschriften wie Hygiene- und Brandschutzbestimmungen, vielfach sei Stressbewältigung gerade in der Gastronomie notwendig. Wäre "das alles tatsächlich so einfach, wie man sich den Tellerwäscher und den Küchenhelfer vorstellt, hätte ein Lehrberuf in der Gastronomie, insb. auch der gerade erst geschaffene Lehrberuf des Systemgastronomen, keine Berechtigung".

Damit zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer u.a. bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer anzunehmen und von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

Nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen.

Gemäß § 38 AlVG ist diese Bestimmung auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0157, mwN).

Gemäß § 32 Abs. 2 Z 5 und Abs. 5 AMSG iVm § 4 Abs. 1 Z 1 AMFG gehört auch die Arbeitsvermittlung zu den Aufgaben des AMS. Aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 AMSG ergibt sich, dass auch die Vorauswahl von Bewerbern vom AMS für potentielle Arbeitgeber angeboten werden kann. Hierbei wird das AMS für das jeweilige Unternehmen im Rahmen der Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG als Dienstleister tätig und unterliegt somit im Wesentlichen denselben Rechtsvorschriften wie private Arbeitsvermittlungsunternehmen. Davon zu unterscheiden ist die Beratungstätigkeit des AMS für den Arbeitslosen, insbesondere im Rahmen der Aufgaben des AMS nach dem AlVG.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ihm bewusst gewesen ist, dass er sich gegenüber der genannten Mitarbeiterin des AMS nicht in einer Beratungs-, sondern in einer Vorstellungssituation für eine konkret zugewiesene Beschäftigung befunden hat. Ihm musste klar sein, dass sein Verhalten im Rahmen der Vorauswahl des AMS iSd §§ 9 und 10 AlVG gleichbedeutend ist mit jenem im Rahmen einer Vorstellung unmittelbar beim potenziellen Dienstgeber (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 2009, Zl. 2007/08/0187).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 2008, Zl. 2007/08/0084, mwN).

Die Verpflichtung einer arbeitslosen Person, sich in Bezug auf ein konkretes Arbeitsangebot vor dem rechtlichen Hintergrund des § 9 AlVG unter der Androhung der Sanktion des § 10 AlVG arbeitswillig zu zeigen, setzt ein Minimum an Information an die arbeitslose Person voraus. Diese Anforderung darf aber insofern nicht überspannt werden, als ein Unternehmen nicht gezwungen werden kann, bereits in seinem an einen unbekannten Bewerberkreis gerichteten (zunächst unverbindlichen) Angebot alle erdenklichen Details der Beschäftigung zu spezifizieren, sodass es letztlich auch Aufgabe eines Arbeitssuchenden ist, im Zuge der Kontaktaufnahme mit einem potentiellen Arbeitgeber bzw. mit dessen Vertreter in einer geeigneten (d.h. nicht unqualifizierten und im Ergebnis als Vereitelungshandlung anzusehenden) Weise jene Informationen zu erfragen, die zur Beurteilung von persönlicher Eignung und Zumutbarkeit unerlässlich sind.

Das Gesetz verpflichtet eine arbeitslose Person nicht dazu, eine unzumutbare Beschäftigung im Sinne der näheren Bestimmungen des § 9 AlVG anzunehmen. Es verlangt aber nicht, dass alle Einzelheiten, die für die Zumutbarkeit einer Beschäftigung von Bedeutung sein können, für die arbeitslose Person schon in einer frühesten Stufe der Bewerbung erkennbar sein müssen. Eine arbeitslose Person ist nur insoweit und ab jenem Zeitpunkt zu keinen Bewerbungsschritten (mehr) verpflichtet (und das AMS zum Verlangen nach solchen Schritten nicht berechtigt), in dem solche Umstände einer Beschäftigung zutage treten, welche diese als für eine arbeitslose Person unzumutbar erscheinen lassen (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2007/08/0187).

Dem Beschwerdeführer war im vorliegenden Fall bekannt, dass ihm eine Beschäftigung als Abwäscher zugewiesen werden sollte. Umstände, die ihm eine solche Beschäftigung unzumutbar machen würden, waren nicht erkennbar. Insbesondere stellt das bloße Fehlen einer vom Arbeitgeber erwünschten Qualifikation (hier: Abwäscher "mit berufseinschlägiger Praxis") keinen solchen Umstand dar. Die Bestimmungen über die Zumutbarkeit einer zugewiesenen Beschäftigung (vgl. § 9 Abs. 2 AlVG) haben nicht den Sinn, die Interessen des Arbeitgebers an einer möglichst optimalen Besetzung der Arbeitsstelle zu schützen, sondern sie dienen dem Schutz des Arbeitnehmers vor unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Einem Mitarbeiter erwächst - jedenfalls bei manuellen Hilfstätigkeiten wie den vorliegenden - in der Regel kein Nachteil daraus, dass der Dienstgeber bei seiner Einstellung von seinen ursprünglichen Qualifikationsvorstellungen abrückt. Etwas anderes könnte gelten, wenn sich im Zuge des Bewerbungsverfahrens herausstellt, dass ein Arbeitgeber Defizite hinsichtlich des Anforderungsprofils nicht akzeptieren wird und daher von vornherein mit einer Überforderung eines nicht entsprechend qualifizierten Dienstnehmers zu rechnen wäre. Eine solche Nichtakzeptanz der Abweichung von einem Anforderungsprofil ist jedoch nicht zu vermuten. Im vorliegenden Fall lagen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Arbeitsbedingungen durch ein solches Abrücken für den Beschwerdeführer unzumutbar geworden wären, zumal der Dienstgeber den Feststellungen zufolge ausdrücklich deponierte, ihm genüge, wenn jemand den Willen zu Arbeiten mitbringe. Bei dieser Sachlage war der Beschwerdeführer daher verpflichtet, bei der Vorauswahl durch AMS keine Vereitelungshandlungen zu setzen, die seine Chancen für das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses verringern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2012, 2008/08/0243).

2. Die Beschwerde bringt vor, im Zuge des Vorstellungsgespräches beim AMS sei keine Niederschrift aufgenommen worden. Der Wortlaut des Gespräches sei einziger Anlass gewesen, das inkriminierte Verhalten iSd § 10 AlVG als bescheinigt anzusehen. Auch der elektronische Aktenvermerk vom 1. März 2011 enthalte kein Gedächtnisprotokoll, sondern gebe den "Eindruck", den die Mitarbeiterin des AMS vom Beschwerdeführer habe, wieder. Der Stellungnahme der Mitarbeiterin sei zu entnehmen, dass das in Aussicht gestellte Dienstverhältnis selbst gar nicht thematisiert worden sei. Schon in seiner Berufung habe der Beschwerdeführer den Inhalt des Vorstellungsgespräches anders wiedergegeben, so z.B. eine Äußerung, "der Beschwerdeführer solle keine Angst haben, es handle sich nicht um ein Bewerbungsgespräch".

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:

Der Beschwerdeführer schilderte in seiner Berufung den Ablauf des Vorauswahlverfahrens ganz anders als die mit der Vorauswahl befasste Mitarbeiterin des AMS. Die belangte Behörde hat sich im Berufungsverfahren damit begnügt, von dieser Mitarbeiterin eine nochmalige Stellungnahme per E-Mail einzuholen und den Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, zu dieser Äußerung Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hat in seinem Schreiben vom 15. April 2011 nochmals darauf hingewiesen, dass er die Zuweisung der genannten Beschäftigung keineswegs abgelehnt habe.

Die Behörde darf sich nur in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung (oder schriftlichen Stellungnahme) als Beweismittel begnügen. Wo hingegen einander widersprechende Beweisergebnisse vorliegen und der Glaubwürdigkeit von Personen für die Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt, ist es im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit erforderlich, diese Personen förmlich als Zeugen oder Parteien niederschriftlich zu vernehmen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. September 2012, Zlen. 2009/08/0139 und 2011/08/0177, sowie vom 19. Dezember 2012, Zl. 2012/08/0190). Derartige Vernehmungen des Beschwerdeführers und der genannten Mitarbeiterin des AMS sind unterblieben. Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Durchführung dieser Beweise zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, liegt ein relevanter Verfahrensmangel vor.

3. Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das auf Ersatz der Eingabengebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrenshilfe von deren Entrichtung befreit worden ist.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am 24. Juli 2013

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