VwGH 2011/08/0097

VwGH2011/08/009717.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und den Hofrat MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde 1. des H und

2. der T GmbH, beide in Wien, beide vertreten durch Stolitzka & Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Kärntner Ring 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 25. Juni 2010, Zl. UVS-06/48/3522/2009-57, UVS-06/V/48/3580/2009, betreffend Übertretungen des § 33 ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
AuslBG §2 Abs2 litb;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
AuslBG §2 Abs2 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 20. März 2009 wurde der Erstbeschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der T-GmbH (der Zweitbeschwerdeführerin) zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Dienstgeberin mit Sitz in Wien acht namentlich genannte, in der Zeit von 1. Februar bis 7. Oktober 2008 auf einer Baustelle in S beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Arbeitnehmer, alle slowakische Staatsangehörige, entgegen der Bestimmung des § 33 Abs. 1 ASVG nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Träger der Sozialversicherung angemeldet habe. Er habe dadurch § 33 Abs. 1 ASVG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurden über ihn gemäß § 111 iVm § 33 Abs. 1 ASVG iVm § 9 VStG acht Geldstrafen zu je EUR 2.700,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je einer Woche und zehn Stunden verhängt. Außerdem sprach der Magistrat aus, dass die Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten zu ungeteilter Hand hafte.

In ihrer mit Schriftsatz vom 3. April 2009 erhobenen Berufung brachten die beschwerdeführenden Parteien im Wesentlichen - mit näherer Begründung - vor, dass es sich bei den slowakischen Arbeitern um selbständige Subunternehmer gehandelt habe. Außerdem fehle es an einem Verschulden des Erstbeschwerdeführers, habe dieser doch auf Grund der von seinen Mitarbeitern vorbereiteten Vertragsunterlagen darauf vertrauen dürfen, dass die slowakischen Subunternehmer in gleicher Weise selbständig die Montageleistungen erbringen würden, wie dies laufend durch andere, meist österreichische Subunternehmer geschehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 66 Abs. 4 AVG insoweit Folge, als sie die Tatzeiträume in näher bezeichneter Weise einschränkte und die Strafhöhe - in vier Fällen auf jeweils EUR 2.500,--, in drei Fällen auf jeweils EUR 2.180,-- und in einem Fall auf EUR 2.300,-- - und dementsprechend auch die Ersatzfreiheitsstrafen herabsetzte.

Begründend traf sie - nach Darstellung des Verfahrensgangs - folgende Feststellungen: Unternehmensgegenstand der Zweitbeschwerdeführerin sei die Errichtung brandschutztechnischer Anlagen. Beim Einbau der Brandschutzanlage auf der Baustelle, auf der die acht slowakischen Arbeiter angetroffen worden seien, habe sie zum Teil eigenes Personal, zum Teil Leasingpersonal und zum Teil Subunternehmer herangezogen. Die Haupt- und Steigleitungen hätten die Leasingarbeiter verlegt. Mit der Montage der Sprinkleräste und der Sprinkler seien die acht slowakischen Staatsangehörigen beauftragt gewesen. Grundlage für diese Tätigkeit seien mit jedem der Ausländer als Auftragsschreiben titulierte Vereinbarungen gewesen. Diese hätten den Leistungsumfang wortgleich wie folgt bestimmt:

"Montage von Sprinkleranlageteilen im Bereich der Firma D. inkl. der erforderlichen Anpassarbeiten und Errichtung von Zwischenstücken. Der angeführte Preis versteht sich als Festpreis bis Bauende für das o.a. BV und beinhaltet sämtliche Aufwendungen für die Errichtung des beauftragten Anlagenteiles sowie alle Kosten und Nebenkosten, inklusive Kosten für Handwerkzeug.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversichert, wenn nicht bestimmte Ausnahmen von dieser Vollversicherungspflicht bestehen.

Dienstnehmer ist gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Die Unterlassung der Meldung ist gemäß § 111 ASVG strafbar.

2. Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, dass die acht slowakischen Staatsangehörigen als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG verwendet worden seien. Sie hat aber entgegen § 4 Abs. 2 ASVG nicht festgestellt, dass von einem Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auszugehen sei (vgl. zu den Kriterien, auf die es dabei ankommt, etwa das hg. Erkenntnis vom 28. März 2012, Zl. 2009/08/0135, mit zahlreichen weiteren Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung). Vielmehr hat sie die persönliche Abhängigkeit wegen des von ihr angenommenen Fehlens fester Arbeitszeiten verneint; überdies ist sie ausdrücklich vom Vorliegen eines (wenn auch nicht "echten") Werkvertrages und nicht von einem Dienstvertrag ausgegangen. Die Pflichtversicherung nach dem ASVG hat sie schließlich mit der Begründung bejaht, dass "arbeitnehmerähnliche Verhältnisse" vorgelegen seien. Die Verwendung in einem bloß arbeitnehmerähnlichen Verhältnis - mag sie auch eine Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG darstellen - begründet aber entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht die Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG. Dieses Vorliegen der Merkmale des § 4 Abs. 4 ASVG, das ebenfalls eine Pflichtversicherung nach dem ASVG und somit eine Meldepflicht begründen würde, hat die belangte Behörde nicht geprüft.

3. Die belangte Behörde hat somit für die Beurteilung der Vorfrage, ob die acht slowakischen Staatsangehörigen der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterlegen sind, ein falsches Tatbestandsmerkmal herangezogen. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Oktober 2012

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