VwGH 2011/08/0082

VwGH2011/08/008225.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der M K in Wien, vertreten durch Dr. Günter Kulnigg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 4. Februar 2010, Zl. 2011-0566-9- 000007, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs3;
AVG §39 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs3;
AVG §39 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (AMS), mit dem der Verlust des Anspruches der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 25. Jänner 2011 ausgesprochen wurde, keine Folge gegeben.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die regionale Geschäftsstelle der Beschwerdeführerin am 25. November 2010 eine Beschäftigung als Feinkostverkäuferin beim Dienstgeber A. mit möglichem Arbeitsantritt 1. Dezember 2010 zugewiesen habe. Dieses Beschäftigungsverhältnis sei nicht zustande gekommen. Im Rahmen einer Nachfrage beim potentiellen Dienstgeber habe dieser ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer telefonischen Bewerbung angegeben habe, dass sie ab Dezember 2010 ein Dienstverhältnis für ein Jahr eingehen werde. Mit diesen Angaben konfrontiert habe sie im Rahmen der am 15. Dezember 2010 vor der Berufungsbehörde verfassten Niederschrift angegeben, dass ihr bei "die Berater A…" gesagt worden sei, "dass man sich intensiv kümmern werde, dass sie den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt schaffen werde und dies ein Jahr gehe". Dies habe sie A. entsprechend mitgeteilt.

Nach Einholung eines "A…Endberichts", einer Fahrplanauskunft des Verkehrsbundes Ost-Region bezüglich der Fahrzeit zur zugewiesenen Arbeitsstelle als auch einer Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger kam die Behörde rechtlich zu dem Schluss, dass die der Beschwerdeführerin zugewiesene Beschäftigung als Feinkostverkäuferin beim Dienstgeber A auf Grund der geforderten Voraussetzungen zumutbar gewesen wäre. Diese Stelle wäre in angemessener Zeit erreichbar gewesen und laut Vermittlungsvorschlag sei auch Teilzeitbeschäftigung angeboten worden, um damit den Betreuungspflichten nachkommen zu können. Durch ihre Angaben bei ihrer telefonischen Bewerbung, dass sie ab Dezember ein Dienstverhältnis für ein Jahr eingehen werde, habe sie den möglichen Erfolg ihrer Bemühungen, diesen Arbeitsplatz zu erlangen, jedenfalls zunichte gemacht und somit die Annahme der Beschäftigung vereitelt. Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG wurde nicht gewährt.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruches in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Nach der ständigen Rechtsprechung kann das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses vom Arbeitslosen auf zwei Wegen verschuldet (das heißt dessen Zustandekommen vereitelt) werden: nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit), oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2010, Zl. 2008/08/0151).

Unter "Vereitelung" im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG ist ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogene Verhalten des Vermittelten zu verstehen, dass - bei Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2002/08/0193).

Die Beschwerdeführerin vermeint unter dem Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, die belangte Behörde hätte die Verfahrensvorschriften des AVG, nämlich zur Durchführung eines gesetzmäßigen Ermittlungsverfahrens "gemäß § 66 AVG", verletzt. Sie übersieht dabei, dass die Berufungsbehörde sowohl eine Niederschrift mit ihr veranlasste als auch Rückfragen beim potentiellen Dienstgeber, bei der von der Beschwerdeführerin genannten Beratungsstelle "die Berater A…" und auf Grund ihrer Einwände Anfragen bezüglich der Fahrzeit und letztlich auch beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger durchführte. Die Beschwerdeführerin bleibt schuldig darzulegen, auf Grund welcher weiteren Ermittlungstätigkeiten die Behörde zu welchen Feststellungen hätte gelangen müssen. Wenn sie anführt, dass die Behörde zur Vorlage von Urkunden bzw. Angebote von Beweisen hätte auffordern müssen, legt sie auch in der Beschwerde nicht dar, zu welchen Ergebnissen die Behörde gekommen wäre.

Somit zeigt sie keine Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangel auf. Es war vom festgestellten Sachverhalt der belangten Behörde auszugehen.

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmten Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten überhaupt für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2012, Zl. 2009/08/0227, mwN).

Im vorliegenden Fall ist bereits unter Zugrundelegung der Angaben der Beschwerdeführerin von einer Vereitelung auszugehen:

Danach hat sie im Rahmen der telefonischen Bewerbung dem potentiellen Dienstgeber A mitgeteilt, dass sie ab Dezember 2010 ein anderes Dienstverhältnis für ein Jahr in Aussicht habe und untermauerte dies mit den Ausführungen von "die Berater A…", wonach ihr gesagt worden sei, man werde sich intensiv kümmern, dass sie den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt schaffe und dies für ein Jahr gehe.

Der Tatbestand der Vereitelung ist etwa dann verwirklicht, wenn ein Arbeitssuchender beim Vorstellungsgespräch, wenn auch wahrheitsgemäß, seine Absicht zum Ausdruck bringt, die als Dauerstellung angebotene zumutbare Beschäftigung nur als Übergangslösung zu betrachten, weil er damit - bezogen auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz als Dauerstellung, seine Arbeitswilligkeit in Zweifel stellt (etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0322, mwN). Eine Vereitelungshandlung stellt auch eine Erklärung dar, vor Arbeitsantritt noch einen Kurs absolvieren zu wollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 99/03/0238) oder nach drei Monaten ein anderes Dienstverhältnis in Aussicht zu haben (vgl das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011, Zl. 2008/08/0135).

Angewendet auf den vorliegenden Fall musste der Hinweis der Beschwerdeführerin im Rahmen der telefonischen Bewerbung, sie habe schon eine andere Beschäftigung in Aussicht, den Eindruck erwecken, in Bezug auf die konkrete Beschäftigung nicht arbeitswillig zu sein. Jedenfalls war aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin kein Interesse an der zugewiesenen Beschäftigung erkennbar.

Vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund und der zitierten Judikatur stellt dieses Verhalten daher eine Vereitelung dar, weshalb die belangte Behörde zu Recht eine Sperrfrist nach § 10 AlVG verhängt hat.

Zuletzt rügt die Beschwerdeführerin die Verneinung von Nachsichtsgründen gemäß § 10 Abs. 3 AlVG.

Ein berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung kann nur dann vorliegen, wenn der Arbeitslose in der Folge entweder selbst ein Verhalten gesetzt hat, welches den potentiellen Schaden, der durch seine Nichteinstellung entstanden ist, ganz oder teilweise wieder beseitigt (also insbesondere durch alsbaldige tatsächliche Aufnahme einer anderen Beschäftigung), oder wenn ihm sein Verhalten ausnahmsweise aus besonderen (jedenfalls nicht auf Dauer vorliegenden und auch die Verfügbarkeit oder die Arbeitsfähigkeit nicht ausschließenden) Gründen im Einzelfall nicht vorgeworfen werden kann. Obwohl die amtswegige Prüfung des Sachverhalts zumindest eine Auseinandersetzung mit möglichen Nachsichtsgründen gebietet, muss die Behörde nur solche Gründe prüfen, die der Arbeitslose vorbringt oder für die es sonstige Hinweise in den Akten gibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2011, Zl. 2008/08/0020, mwN). Weder der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt noch der vorgelegte Verwaltungsakt (insbesondere auch die Berufung der Beschwerdeführerin) bieten aber Anhaltspunkte für das Vorliegen von Nachsichtsgründen im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG. Die Beschwerdeführerin hat innerhalb der Ausschlussfrist keine Beschäftigung gefunden. Mit den ins Treffen geführten Bewerbungen bei anderen Stellen (welche aber auch nicht zur Beendigung der Arbeitslosigkeit führen konnten) können keine Umstände aufgezeigt werden, die die Gewährung einer Nachsicht im Sinne von § 10 Abs. 3 AlVG rechtfertigen würden.

Die unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Juni 2013

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