VwGH 99/03/0238

VwGH99/03/023829.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des RE in W, vertreten durch Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Beatrixgasse 3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 28. Jänner 1999, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1998-1643, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §10;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 12. August 1998 wurde festgesetzt, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) für den Zeitraum vom 2. Juli 1998 bis 12. August 1998 verloren habe. Eine Nachsicht werde nicht erteilt.

Begründend führte die Behörde aus, das Dienstverhältnis bei der Firma H. sei durch Verschulden des Beschwerdeführers nicht zu Stande gekommen. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, das Dienstverhältnis sei nicht durch sein Verschulden nicht zu Stande gekommen, weil nicht er das Dienstverhältnis abgelehnt, sondern im Gegenteil der Firmenchef ihn wegen mangelnder Praxis nicht einstellen habe wollen. Darauf hin habe er sich beim Arbeitsmarktservice um einen CAM-CAD-Kurs bemüht und diesen auch bewilligt erhalten. Einige Tage vor der Aufnahmeprüfung für den Kurs am 21. Juli 1998 habe ihn der Firmeninhaber angerufen und ihm ein Angebot gemacht, welches er nicht abgelehnt, sondern mit dem Firmeninhaber vereinbart habe, diesen nach der Prüfung zu kontaktieren, was er auch gemacht habe. Der Firmeninhaber habe ihm mitgeteilt, er könne innerhalb von drei Wochen oder im September dort zu arbeiten beginnen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Jänner 1999 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, dass dem Beschwerdeführer von Seiten des Arbeitsmarktservice am 17. Juni 1998 eine Beschäftigung als Aufzugsmonteur bei der Firma H. angeboten worden sei. Die Beschäftigung sei zumutbar und kollektivvertraglich entlohnt gewesen. Arbeitsbeginn hätte der 1. Juli 1998 sein sollen. Die belangte Behörde führte weiters im Wesentlichen aus, nach Auskunft des Firmeninhabers habe der Beschwerdeführer anlässlich des Vorstellungsgespräches angegeben, dass er vor hätte, einen CAD-Kurs zu besuchen, der ein halbes Jahr dauere, wobei jedoch eine Kraft ab 1. Juli 1998 gesucht worden sei. Selbst unter der Voraussetzung, dass der Firmeninhaber die Bemühungen des Beschwerdeführers um eine Höherqualifikation durch den CAD-Kurs unterstützen habe wollen, sei ihm daran gelegen gewesen dass dieser sein Dienstverhältnis mit 1. Juli 1998 antrete, da er ab diesem Zeitpunkt Personal benötigt habe. Der Beschwerdeführer hätte sich durch den CAD-Kurs nicht davon abhalten lassen dürfen, die angebotene Stelle auch gegebenenfalls unter Hintansetzung des Kurses ab 1. Juli 1998 anzutreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des AlVG lauten:

"§ 10. (1) Wenn der Arbeitslose

(2) Der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Vor dieser Nachsicht sowie vor Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzugehören."

......

"§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden."

Zunächst bringt der Beschwerdeführer vor, er habe die Beschäftigung bei der Firma H. nicht abgelehnt, sondern mit dem Firmeninhaber vereinbart, dass er eine Beschäftigung nach Ablegung der Informationstage beim CAM-CAD-Kurs antreten könne. Es liege daher kein Verschulden seinerseits am Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses vor. Die belangte Behörde habe nicht schlüssig dargelegt, weshalb sie die Auskünfte des Firmeninhabers nachvollziehbarer als seine Angaben erachte.

Dem ist zunächst zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer selbst nie bestritten hat, dass er mit 1. Juli 1998 ein Dienstverhältnis bei der Firma H. auch ohne den angesprochenen Kurs beginnen hätte können. Selbst wenn dem Beschwerdeführer bei einem Vorstellungsgespräch am 18. Mai 1998 mitgeteilt worden wäre, es sei wegen einer mangelnden Praxis begrüßenswert, wenn er einen CAM-CAD-Kurs absolvieren würde, lässt sich daraus nicht ableiten, dass das vom Arbeitsmarktservice vermittelte Vorstellungsgespräch vom 17. Juni 1998 dazu geführt hätte, dem Beschwerdeführer sei der Antritt der Beschäftigung verwehrt worden. Der Beschwerdeführer zeigt keine schlüssigen Argumente auf, aus denen hervorgehen würde, die - auf den Angaben des Firmenchefs beruhenden - Annahmen der Behörde seien unschlüssig. Nur in dieser Weise obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung. Auf Grund des Inhaltes der Verwaltungsakten, insbesondere der Stellungnahme des Firmenchefs H., kann es nicht als mit den Denkgesetzen nicht in Einklang stehend angenommen werden, wenn die belangte Behörde folgerte, dem Beschwerdeführer sei ein sofortiger Antritt der Beschäftigung angeboten worden, weil er jedoch noch einen Kurs absolvieren wollte, sei ihm in Aussicht gestellt worden, allenfalls danach nochmals Kontakt hinsichtlich einer Beschäftigung aufzunehmen. Weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch sonst lässt sich jedoch dafür ein Anhaltspunkt gewinnen, es sei ihm zugesagt worden, dass mit der - ab 1. Juli 1998 anzutretenden - Beschäftigung seitens des Unternehmens zugewartet würde, bis er den Kurs bzw. die Prüfung absolvieren würde. Dass ihm für die Zeit danach - wie der Beschwerdeführer vorbringt - mitgeteilt worden sei, er habe "rege Aussichten .... einen Arbeitsplatz zu erhalten", führt nicht zur Annahme einer Unschlüssigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Beurteilung.

Somit kann diesbezüglich keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erkannt werden.

Weiters bemängelt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Gründe für eine allfällige Nachsicht nicht geprüft. Eine solche Prüfung hätte sie von Amts wegen vornehmen müssen. Die belangte Behörde habe ihn über die Möglichkeit einer Nachsicht nicht belehrt und ihn weder zur Bekanntgabe jener Gründe aufgefordert, die für eine Nachsicht sprechen würden oder mit ihm darüber eine Niederschrift aufgenommen. Auf Grund der Tatsache, dass er einen CAM-CAD-Kurs zur Weiterbildung absolvieren wollte und ihm vom Firmeninhaber eine Beschäftigung für voraussichtlich September 1998 in Aussicht gestellt worden sei sowie auch auf Grund der Tatsache, dass er aus eigenem Bemühen im September 1998 selbständig eine Beschäftigung bei der Firma E. gefunden habe, lägen berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 10 AlVG vor.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht. Die belangte Behörde hat nämlich im angefochtenen Bescheid zwar die Bestimmung des § 10 Abs. 2 AlVG zitiert, sie also offensichtlich als maßgeblich erachtet, jedoch keinerlei Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung der Frage, ob eine Nachsicht zu gewähren sei oder nicht, zuließen. Wegen dieses Begründungsmangels ist es dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, nachvollziehen zu können, warum die belangte Behörde offensichtlich zum Ergebnis gelangte, Nachsichtsgründe lägen nicht vor. Wenn die belangte Behörde hiezu - in der Gegenschrift, deren Ausführungen die erforderliche Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu ersetzen vermögen - ausführt, "dass § 10 AlVG lediglich den Nachsichtsgrund der Aufnahme einer anderen Beschäftigung vorsieht, der nicht gegeben war", ist dem zudem zu entgegnen, dass schon allein der Wortlaut des § 10 Abs. 2 AlVG ("...z.B. ...") diese Interpretation nicht zulässt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die bereits im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer sowie den überhöht verzeichneten Schriftsatzaufwand; von der Beibringung der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG war der Beschwerdeführer im Übrigen im Rahmen der ihm bewilligten Verfahrenshilfe befreit.

Wien, am 29. April 2002

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