VwGH 2009/04/0112

VwGH2009/04/011215.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Hauptplatz 25, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 5. Februar 2009, Zl. KUVS-1989/4/2008, betreffend Übertretung der GewO 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
GewO 1994 §113 Abs5;
VStG §22 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
GewO 1994 §113 Abs5;
VStG §22 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten (UVS) wurde über den Beschwerdeführer wegen Verletzung von § 370 iVm § 368 iVm § 113 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 und 2 der Sperrzeitenverordnung (des Landeshauptmannes von Kärnten vom 30. November 1995), LGBl. Nr. 110/1995, iVm einem nach Geschäftszahl näher bezeichneten Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 5. November 2007 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt. Der Beschwerdeführer habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der S Gastronomie OG an einem näher genannten Standort zu verantworten, dass in diesem Gastgewerbebetrieb in der Betriebsart "Buffet-Espresso" am 6. September 2008, um 4 Uhr, ca. 15 Personen der Aufenthalt gestattet, sohin das Lokal offengehalten worden sei, obwohl der Betrieb spätestens um 2 Uhr zu schließen gewesen wäre und gemäß des Bescheides des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 5. November 2007, die gegenständliche Gastgewerbebetriebsanlage erst um 6 Uhr aufgesperrt werden dürfe.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Bescheid des Bürgermeisters sei aufgrund zahlreicher Beschwerden wegen Lärms erlassen worden. Bis dahin seien 62 Strafverfügungen wegen Übertretungen von gewerblichen Vorschriften bzw. zwei Strafverfügungen wegen Übertretungen des Kärntner Veranstaltungsgesetzes vorgelegen. Nach Einholung eines lärmtechnischen und eines medizinischen Sachverständigengutachtens sei die Verfügung einer späteren Aufsperrstunde geboten gewesen.

Aus § 80 Abs. 5 GewO 1994 gehe hervor, dass sich die verankerte dingliche Wirkung nicht nur auf den Bescheid betreffend die Genehmigung oder Änderung der Betriebsanlage bzw. der darin vorgeschriebenen Auflagen erstrecke, sondern auch auf weitere behördliche Maßnahmen, wie beispielsweise die Vorschreibung einer späteren Aufsperrstunde. Die Absicht des Gesetzgebers bestehe darin, dass von einer erteilten gewerberechtlichen Genehmigung jeder neue Betriebsanlageninhaber Gebrauch machen könne, er also keiner neuerlichen Anlagengenehmigung bedürfe. Umgekehrt obliege dem neuen Inhaber jedoch die Erfüllung bzw. Einhaltung aller dem Rechtsvorgänger vorgeschriebenen Auflagen, ohne dass es hiezu eines neuen, gesonderten Auftrages der Gewerbebehörde bedürfte. Die Gewerbebehörde habe ausdrücklich "für die Gastgewerbebetriebsanlage an dem näher genannten Standort, eine spätere Aufsperrstunde, nämlich 6 Uhr" verfügt. Sie habe daher eindeutig den Betrieb hinsichtlich der Sperrzeiten reglementieren wollen und zwar unabhängig von der Person des gewerberechtlichen Geschäftsführers. Ein Wechsel des gewerberechtlichen Geschäftsführers habe keinen Einfluss.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur dinglichen Wirkung der Vorschreibung einer späteren Aufsperrstunde (§ 113 Abs. 5 GewO 1994):

1.1. Die Beschwerde bringt vor, die Betriebsanlagengenehmigung für den gegenständlichen Gewerbebetrieb in der Betriebsart "Buffet-Espresso" bestehe bereits seit 17. September 1998. Die Betriebszeiten seien damals mit "täglich von 4 bis 2 Uhr" festgelegt worden. In der Folge sei das Gewerbe von drei Personen in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben worden. Mit Bescheid vom 5. November 2007 sei gemäß § 113 GewO 1994 die Einschränkung der Öffnungszeiten auf 6 bis 2 Uhr vorgeschrieben worden, was durch den Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. September 2008, Zlen. 2008/04/0094-0096).

Mit Gesellschaftsvertrag vom 12. August 2008 sei die S Gastronomie OG gegründet worden, die drei bisherigen Gewerbeinhaber hätten die Gewerbeberechtigungen zurückgelegt und die S Gastronomie OG habe den Betrieb mit dem Beschwerdeführer als gewerberechtlichem Geschäftsführer aufgenommen.

Aufgrund der dinglichen Wirkung des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides habe der Beschwerdeführer jeweils an Samstagen, Sonn- und Feiertagen um 4 Uhr aufgesperrt und um 2 Uhr zugesperrt. Die Verlegung der Aufsperrstunde von 4 Uhr auf 6 Uhr, die gegenüber den vorigen Betreibern angeordnet sei, habe jedoch zu keiner Änderung des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides geführt. Diese Bescheide hätten sich ausdrücklich nur an die damaligen Betreiber gerichtet, die später den Betrieb eingestellt und ihre Gewerbeberechtigungen zurückgelegt hätten. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei auch nicht in der S Gastronomie OG aufgegangen. Für den Beschwerdeführer gelte daher der ursprünglich erlassene Betriebsanlagengenehmigungsbescheid und die darin enthaltenen Betriebszeiten.

1.2. Mit diesem Vorbringen kann die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigen:

Gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 hat die Gemeinde eine spätere Aufsperrstunde oder eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen.

Nach den insoweit unstrittigen Feststellungen des angefochtenen Bescheides wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 5. November 2007 (bestätigt durch den Bescheid des Stadtsenates Villach vom 14. Mai 2008 - vgl. das obzitierte hg. Erkenntnis vom 3. September 2008) gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 für den gegenständlichen Gastgewerbebetrieb des Beschwerdeführers, jedoch zu einem Zeitpunkt, als dieser noch von den früheren Gewerbetreibenden geführt wurde, eine spätere Aufsperrstunde, nämlich 6 Uhr statt 4 Uhr, vorgeschrieben.

Ein Bescheid hat dingliche Wirkung, wenn (infolge ihrer Projekt- bzw. Sachbezogenheit) die durch den Bescheid begründeten Rechte und Pflichten an der Sache haften und durch einen Wechsel in der Person des Eigentümers nicht berührt werden. Von dinglicher Wirkung eines Bescheides kann dann gesprochen werden, wenn dieser jedem gegenüber wirkt, der entsprechende Rechte an der "betroffenen" Sache hat; dingliche Wirkung eines Bescheides bedeutet daher regelmäßig die Erstreckung der Bescheidwirkungen auf die Rechtsnachfolger der Partei in dem zur Erlassung des betreffenden Bescheides führenden Verwaltungsverfahren. Bescheiden kann auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung dingliche Wirkung zukommen, nämlich dann, wenn der Bescheid zwar an eine bestimmte Person ergeht, sich jedoch derart auf eine Sache bezieht, dass es lediglich auf die Eigenschaften der Sache und nicht die der Person ankommt, der gegenüber der Bescheid erlassen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 2009, Zl. 2007/03/0050, mwN).

Die Vorschreibung einer späteren Aufsperrstunde oder einer früheren Sperrstunde gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 hat ihren Grund in Umständen, die nicht in der Person des Gastgewerbetreibenden liegen, sondern knüpft an die Eigenschaften der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes bzw. das Verhalten der diese Betriebsanlage aufsuchenden Gäste an. Einer derartigen Vorschreibung kommt daher dingliche Wirkung zu (vgl. idS auch Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3 (2011), § 113, Rz 35).

Im Beschwerdefall wirkt daher die Vorschreibung einer späteren Aufsperrstunde gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 auch gegenüber der nunmehrigen Betreiberin der gegenständlichen Gastgewerbebetriebsanlage. Der Beschwerdeführer ist als deren gewerberechtlicher Geschäftsführer für die Einhaltung der vorgeschriebenen späteren Aufsperrstunde verantwortlich.

2. Nichteinhalten der späteren Aufsperrstunden als fortgesetztes Delikt:

2.1. Die Beschwerde bringt weiters vor, das Offenhalten der gewerblichen Betriebsanlage entgegen der vorgeschriebenen späteren Aufsperrstunde stelle ein fortgesetztes Delikt dar. Im Beschwerdefall habe es sich dabei um das Offenhalten jeweils an Samstagen, Sonn- und Feiertagen ab 4 Uhr gehandelt. Es lägen noch weitere Straferkenntnisse vom selben Tage vor, wobei alle Deliktszeitpunkte in einem Zeitraum zwischen 31. August 2008 und 18. Jänner 2009 lägen. In einer Verhandlung vom 3. April 2009 vor der belangten Behörde seien 20 Berufungen verhandelt und eine Zurückweisung der Akten zur neuerlichen Ermittlung und Entscheidung im Sinne der Judikatur hinsichtlich der fortgesetzten Delikte erfolgt. Es gehe daher auch die belangte Behörde inzwischen davon aus, dass es sich um ein fortgesetztes Delikt handle. Ungeachtet einer im Spruch des Strafbescheides erster Instanz angeführten Tatzeit seien alle bis zur Erlassung des Strafbescheides ergangenen Einzeltathandlungen erfasst und könnten daher deswegen keinerlei neue Strafen verhängt werden. Der angefochtene Bescheid sei in diesem Sinne durch den Bescheid der belangten Behörde vom 5. Februar 2009 hinsichtlich des Offenhaltens am 7. September 2008 mitumfasst, es läge daher eine unzulässige Doppelbestrafung vor.

Die belangte Behörde hält dem in ihrer Gegenschrift entgegen, der Beschwerdeführer habe in der Berufung auf den Umstand eines fortgesetzten Deliktes nicht hingewiesen und aufgrund der getrennten Aktenvorlage sei ein zeitlicher Zusammenhang hinsichtlich der Übertretungen nicht erkennbar gewesen.

2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein fortgesetztes Delikt vor, wenn eine Reihe von Einzelhandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst war und wegen der Gleichartigkeit ihrer Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs zu einer Einheit zusammentraten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2006/09/0202, mwN).

Im Falle eines fortgesetzten Delikts sind durch die Bescheiderlassung alle bis dahin erfolgten Einzelakte abgegolten, mögen sie auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sein. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses durch die Behörde erster Instanz. Setzt der Täter nach diesem Zeitpunkt die verpönte Tätigkeit fort, so darf die neuerliche Bestrafung nur die nach der letzten Bestrafung gesetzten Tathandlungen umfassen. Eine neuerliche Bestrafung wegen Tathandlungen, die in den von der ersten Bestrafung umfassten Tatzeitraum fallen, verstößt gegen das Verbot der Doppelbestrafung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2000, Zl. 99/09/0219, mwN).

2.3. Im Beschwerdefall behauptet der Beschwerdeführer eine Reihe von Tathandlungen, die durch die Gleichartigkeit der Begehungsform, die äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges sowie eines einheitlichen Willensentschlusses des Beschwerdeführers zu einer Einheit zusammentreten und daher ein fortgesetztes Delikt bilden würden. So handelt es sich bei den vom Beschwerdeführer angeführten Tathandlungen gleichermaßen um die Nichteinhaltung der bescheidmäßig vorgeschriebenen (späteren) Aufsperrstunde. Diese Tathandlungen wurden auch in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang und zwar in einem Zeitraum von wenigen Wochen (31. August bis 20. September 2008) begangen. Letztlich liegt diesen Tathandlungen die Verantwortung des Beschwerdeführers zugrunde, es sei dabei nicht die genannte (spätere) Aufsperrstunde, sondern allein die in der Betriebsanlagengenehmigung festgesetzte Betriebszeit maßgeblich. Diese Verantwortung lässt nicht erkennen, dass der Beschwerdeführer zwischen den einzelnen Tathandlungen Maßnahmen zur Vermeidung der Übertretungen gesetzt hat, sodass von einem einheitlichen Willensentschluss und einem Gesamtkonzept gesprochen werden kann (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 9. August 2006, Zl. 2003/10/0053, und vom 26. Februar 2007, Zl. 2005/10/0011, jeweils mwN; vgl. im Übrigen zu Sperrstundenübertretungen als fortgesetztes Delikt Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, § 368, Rz. 12).

Soweit die belangte Behörde im Ergebnis ausführt, dieses Vorbringen sei eine unzulässige Neuerung vor dem Verwaltungsgerichtshof, ist darauf hinzuweisen, dass die vom Beschwerdeführer angeführten sechs Verwaltungsstrafverfahren (zu den Zahlen KUVS-1986, 1987, 1988, 1989, 1990 und 1991/2008) - wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt - in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde zur gemeinsamen Verhandlung verbunden wurden und neben der im angefochtenen Bescheid vorgeworfenen Tathandlung zumindest ein weiteres Verfahren (KUVS- 1990/2008) eine gleichartige Tathandlung zum Gegenstand hatte (wie der vom Beschwerdeführer beigelegte Bescheid der belangten Behörde vom 5. Februar 2009 zeigt). Diese sechs Verwaltungsstrafverfahren waren Gegenstand der (gemeinsamen) Berufung des Beschwerdeführers (OZ 8 des Verwaltungsaktes), welche bereits die oben angeführte Verantwortung des Beschwerdeführers enthalten hat, es sei (bei allen vorgeworfenen Übertretungen) nicht die genannte (spätere) Aufsperrstunde sondern allein die in der Betriebsanlagengenehmigung festgesetzte Betriebszeit maßgeblich. Bei diesem Sachverhalt kann dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht werden, er hätte den Umstand, es habe sich um ein fortgesetztes Delikt gehandelt, ausdrücklich vor der belangten Behörde rügen müssen.

2.4. Vielmehr hat sich die belangte Behörde nicht mit der Frage des Vorliegens eines fortgesetzten Deliktes beschäftigt, weshalb sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die verzeichnete Umsatzsteuer im Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.

Wien, am 15. September 2011

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