VwGH 2008/22/0071

VwGH2008/22/007115.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Klaudius May, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Franz-Josef-Straße 41, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. April 2007, Zl. 316.720/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs2;
NAG 2005 §23 Abs1;
NAG 2005 §24 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §13 Abs3;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs2;
NAG 2005 §23 Abs1;
NAG 2005 §24 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der im Jahr 1969 geborene Beschwerdeführer, dessen Vater österreichischer Staatsbürger sei, habe am 12. Dezember 2005 (noch während der Geltung des am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG) einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG 1997" eingebracht.

Infolge des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG sei der Antrag nach dessen Bestimmungen zu beurteilen. Der Beschwerdeführer begehre einen Aufenthaltstitel für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit (seinem) in Österreich lebenden Vater". Dieser Antrag sei nach dem NAG als Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" (§ 47 Abs. 3 NAG) zu werten. Zwar könnte der Vater des Beschwerdeführers "theoretisch" als Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG in Betracht kommen, allerdings sei auf Grund der Aktenlage nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer von ihm "bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen" oder "mit diesem bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen" hätte. Es seien daher die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG nicht gegeben. Es liege zwar eine schriftliche Erklärung vor, wonach der Vater des Beschwerdeführers seit 1971 jährlich EUR 1.500,-- an den Beschwerdeführer und seine Schwester geleistet habe. Diese Behauptung sei jedoch nicht mit "dementsprechenden Beweisen (z.B. Kontobewegungen)" belegt worden.

Im Verfahren seien auch weitere Haftungserklärungen, nämlich jene des N sowie des SM und des SG, des Bruders des Beschwerdeführers, vorgelegt worden. SM sei serbischer Staatsangehöriger, weshalb er nicht Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG sein könne. Die anderen Personen seien zwar österreichische Staatsbürger, jedoch lägen auch hinsichtlich dieser Personen die Voraussetzungen der Unterhaltsgewährung im Herkunftsstaat bzw. das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft im Herkunftsstaat nicht vor.

Der gegenständliche Antrag sei sohin von Amts wegen dahingehend der Prüfung unterzogen worden, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" vorlägen.

Der Vater des Beschwerdeführers verfüge über eine monatliche Pension von EUR 1.003,72. Er müsse auch für den Lebensunterhalt der Mutter des Beschwerdeführers, die selbst keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, aufkommen. Im Zuge des Berufungsverfahrens sei zwar die Kopie eines Sparbuches vorgelegt worden, der zu entnehmen sei, dass das Sparbuch auf den Vater des Beschwerdeführers "identifiziert" sei und einen Guthabenstand von EUR 34.221,95 aufweise. Es könne aber aus der vorgelegten Kopie nicht ersehen werden, in welchem Bezug dieses Sparbuch zum Beschwerdeführer stehe und ob er darüber verfügungsberechtigt sei. Auch fänden sich keine Hinweise darauf, dass dieser Geldbetrag tatsächlich zur Bestreitung des Unterhalts des Beschwerdeführers zur Verfügung stehe. Des Weiteren handle es sich beim Sparguthaben nicht um feste oder regelmäßige Einkünfte. Selbst wenn der Beschwerdeführer im Besitz des Sparguthabens wäre, wären die finanziellen Mittel "für die Erteilung des von (ihm) angestrebten Aufenthaltstitels nicht ausreichend". Gemäß § 42 Abs. 1 NAG müsste der Beschwerdeführer über feste und regelmäßige monatliche Einkünfte in der Höhe des Zweifachen der Richtsätze des § 293 ASVG verfügen. Dies bedeute, dass der Vater des Beschwerdeführers über Unterhaltsmittel von mindestens EUR 3.634,28 netto monatlich verfügen müsste, woraus sich ergebe, dass ein Guthaben von EUR 43.611,36 vorliegen müsste. Da der Vater des Beschwerdeführers nicht über EUR 3,634,28 an monatlichem Einkommen verfüge, sei die Tragfähigkeit der vom Vater des Beschwerdeführers vorgelegten Haftungserklärung nicht gegeben.

Im Zuge der nach § 11 Abs. 3 NAG notwendigen Interessenabwägung müsse den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers "absolute Priorität" eingeräumt werden, weil er keinen Nachweis über die Sicherung seines Lebensunterhalts erbracht habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006 richtet.

Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid bei der Berechnung der notwendigen Unterhaltsmittel die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer strebe für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet eine "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" nach § 42 Abs. 1 NAG an.

Damit wurde aber der durch den Antrag des Beschwerdeführers bestimmte Verfahrensgegenstand von der Behörde eigenmächtig geändert. Dieser beantragte nämlich (noch während der Geltung des FrG) einen Aufenthaltstitel zwecks Familienzusammenführung mit seinem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater, was infolge des Ankreuzens der im Antragsformular zur Festlegung des Aufenthaltszwecks dienenden Rubrik "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" deutlich zum Ausdruck kommt. Dementsprechend ging die belangte Behörde vorerst in ihrer Beurteilung davon aus, dass das Begehren des Beschwerdeführers nach den - im Entscheidungszeitpunkt relevanten - Bestimmungen des NAG einem Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" im Sinn des § 47 Abs. 3 NAG entspreche. Dafür, dass der Beschwerdeführer - wie von der belangten Behörde in weiterer Folge angenommen - eine Niederlassungsbewilligung nach § 42 Abs. 1 NAG beantragt hätte, gibt es demgegenüber überhaupt keine Hinweise.

Zum Verfahrensgegenstand eines Antrages im Anwendungsbereich des NAG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass nach dessen Bestimmungen eine amtswegige Umdeutung eines Antrages grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich nicht nur aus der aus § 19 Abs. 2 NAG hervorgehenden strengen Antragsbindung, sondern auch aus § 23 Abs. 1 NAG, wonach die Behörde den Antragsteller zu belehren hat, wenn sich ergibt, dass der Fremde einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel benötigt. Die Richtigstellung (Änderung) des Antrages - innerhalb einer von der Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu setzenden Frist - ist Sache des Antragstellers (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, 2010/22/0004, mwN). Somit war es der Behörde verwehrt, aus eigenem den Antrag ohne Weiteres umzudeuten und den auf die Ausstellung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gerichteten Antrag als Begehren auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 42 Abs. 1 NAG zu werten. Damit erweisen sich aber auch die Ausführungen der belangten Behörde zu den vom Beschwerdeführer nach § 42 Abs. 1 Z 3 NAG (als besondere Erteilungsvoraussetzung) aufzubringenden Einkünften (diese Bestimmung legt fest, dass die festen und regelmäßigen monatlichen Einkünfte des Drittstaatsangehörigen der Höhe nach dem Zweifachen der Richtsätze des § 293 ASVG entsprechen müssen) schon vom Ansatz her als gänzlich verfehlt, weil im gegenständlichen Fall das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 NAG nicht zu prüfen war.

Soweit die belangte Behörde aber auch darauf abstellt, der Beschwerdeführer erfülle die in § 47 Abs. 3 Z 3 NAG genannten Voraussetzungen nicht, so stellt sich die von ihr im Ergebnis ausgedrückte Auffassung, das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen könnte nicht durch zeugenschaftliche Erklärungen nachgewiesen werden, als nicht nachvollziehbar dar. Was die belangte Behörde mit "dementsprechenden Beweisen" meint, bleibt völlig im Unklaren. Sollte sie darauf abstellen, dass lediglich Kontoauszüge geeignet wären, das Vorliegen von in § 47 Abs. 3 Z 3 NAG festgelegten Voraussetzungen nachzuweisen, so kann dem nicht gefolgt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, 2007/21/0557).

Im Übrigen teilt der Verwaltungsgerichtshof auch nicht die Ansicht der belangten Behörde, dass im Rahmen der nach § 11 Abs. 3 NAG vorzunehmenden Interessenabwägung den öffentlichen gegenüber den privaten Interessen im Hinblick auf vermeintlich nicht ausreichende Unterhaltsmittel "absolute Priorität" einzuräumen sei (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, 2008/22/0411, mwN).

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das über den in der genannten Verordnung enthaltenen Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand hinausreichende Mehrbegehren war abzuweisen, weil Umsatzsteuer im Pauschalsatz bereits enthalten ist.

Wien, am 15. April 2010

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