VwGH 2008/21/0110

VwGH2008/21/011025.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerden 1. des L, und 2. des S, beide in Amstetten und vertreten durch Dr. Walter Eisl, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Ardaggerstraße 14, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 8. Jänner 2008,

  1. 1.) Zl. 316.333/2-III/4/07 (hg. Zl. 2008/21/0110), und
  2. 2.) Zl. 316.333/3-III/4/07 (hg. Zl. 2008/21/0111), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
FrPolG 2005 §60;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 und dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer ist Vater des Zweitbeschwerdeführers, beide sind Staatsangehörige von Serbien.

Mit Bescheid vom 1. September 2006 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gegen den Erstbeschwerdeführer, im Hinblick auf den Abschluss einer Aufenthaltsehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetztes 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Dagegen erhob dieser Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. Oktober 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Mit hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2009, Zl. 2008/22/0611 (davor Zl. 2006/21/0315), dem die Einzelheiten des Verfahrens entnommen werden können, wurde die genannte Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit weiterem Bescheid vom 1. September 2006 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich den Zweitbeschwerdeführer aus dem Bundesgebiet aus. Auch dieser erhob Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. Oktober 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Mit hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2009, Zl. 2008/22/0612 (davor Zl. 2006/21/0316), dem wiederum die Einzelheiten dieses Verfahrens entnommen werden können, wurde die genannte Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr erstangefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. Jänner 2008 wies die belangte Behörde (Bundesminister für Inneres) einen am 17. Juni 2005 gestellten Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Zweck "begünstigter Drittsta.-Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) ab.

Begründend verwies sie auf § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG, wonach Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden dürfen, wenn gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 60 FPG bestehe. Dies sei hier auf Grund des einleitend erwähnten Bescheides vom 1. September 2006 der Fall, sodass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zwingend zu versagen sei.

Mit dem weiters angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 2008 wies die belangte Behörde einen vom Zweitbeschwerdeführer am 17. Juni 2005 gestellten gleichartigen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 1 NAG ab.

Begründend führte sie dazu aus, der Antrag sei unter Zugrundelegung des § 81 Abs. 1 des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG als Begehren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit dem Zweck "Familienangehöriger" zu werten. Dieser Antrag sei mit der Ehe seines Vaters (des Erstbeschwerdeführers) mit einer österreichischen Staatsbürgerin begründet worden, wobei es sich jedoch - wie aus dem erwähnten rechtskräftigen Aufenthaltsverbot hervorgehe - um eine Aufenthaltsehe handle. Weiters sei gegenüber dem Zweitbeschwerdeführer eine rechtskräftige Ausweisung erlassen worden. Der Zweitbeschwerdeführer sei - bereits seit 5. April 2005 - ständig in Österreich gemeldet, wobei er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Da er noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels der Republik Österreich gewesen sei, sei sein Antrag vom 17. Juni 2005 als Erstantrag zu werten. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten. Eine Ausnahme nach § 21 Abs. 2 NAG liege im Beschwerdefall nicht vor. § 21 Abs. 1 NAG stehe somit einer Bewilligung des Antrages entgegen.

Zwar könne die Behörde einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung aus besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründen (gemäß § 72 NAG) von Amts wegen zulassen. Diese Zulassung sei jedoch "nicht zwingend zu verstehen", sondern basiere auf dem Ergebnis des Ermittlungs- und Überprüfungsverfahrens der Behörde. Gemäß § 72 NAG könne die Behörde im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (§ 11 Abs. 1 NAG), ausgenommen eines Aufenthaltsverbotes, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Solche Gründe lägen insbesondere vor, wenn der Drittstaatsangehörige einer Gefahr gemäß § 50 FPG ausgesetzt sei. Vorliegend werde daher festgestellt, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei. Auch enthielten der Antrag und die Berufung keine Behauptung humanitärer Gründe.

Über die gegen die genannten Bescheide gerichteten Beschwerden, die infolge des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden worden waren, hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

1. Zum Erstbeschwerdeführer:

Die belangte Behörde hat unberücksichtigt gelassen, dass der Erstbeschwerdeführer - wie eingangs erwähnt - gegen den die Erlassung des genannten Aufenthaltsverbotes betreffenden Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat, der mit Beschluss vom 24. Oktober 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war. Dies stand der Heranziehung des Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG im Zeitpunkt der Erlassung des erstangefochtenen Bescheides (am 31. Jänner 2008) entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. August 2009, Zl. 2008/22/0449).

Der erstangefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2. Zum Zweitbeschwerdeführer:

Zunächst ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass der vom Zweitbeschwerdeführer vor dem Inkrafttreten des NAG gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (mit 1. Jänner 2006) gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen ist. Ob nach dem - im Zeitpunkt der Stellung dieses Antrages geltenden - Fremdengesetz 1997 (FrG) die Antragstellung im Inland zulässig gewesen wäre, ist hiebei - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - ohne Belang (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. November 2007, Zl. 2007/18/0751, mwN).

Soweit die belangte Behörde mit der rechtskräftigen Ausweisung des Zweitbeschwerdeführers und der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen seinen Vater, den Erstbeschwerdeführer, argumentiert, übersieht sie jedoch die in den beiden (eingangs erwähnten) Verfahren (Zlen. 2008/22/0611 und 0612 des Verwaltungsgerichtshofes) mit Beschlüssen vom 24. Oktober 2006 zuerkannte aufschiebende Wirkung.

Auf dieser Grundlage ist nicht auszuschließen, dass die Prüfung des Vorliegens humanitärer Gründe iSd § 72 NAG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 beim minderjährigen Zweitbeschwerdeführer im Hinblick auf die gebotene Gleichbehandlung mit seinem Vater bei richtiger Beurteilung der genannten Vorfrage (Wirkungen der Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 2006) zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, was auch eine im § 74 NAG in der genannten Fassung ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland ermöglicht hätte.

Auch der zweitangefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht jeweils auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. März 2010

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