VwGH 2008/09/0377

VwGH2008/09/03771.7.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie Senatspräsidentin Dr. Händschke und Hofrat Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerden der R GmbH in S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg 1.) vom 10. November 2008, Zl. UVS-11/10965/5-2008 (protokolliert zur hg. Zl. 2008/09/0377) und 2.) vom 3. November 2008, Zl. UVS- 11/10963/5-2008 (protokolliert zur hg. Zl. 2008/09/0380), jeweils betreffend Zurückweisung von Berufungen in Angelegenheiten nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien:

Bundesminister für Finanzen und Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AVG §59 Abs1 impl;
AVG §8;
VStG §24;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs7 idF 2008/I/003;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AVG §59 Abs1 impl;
AVG §8;
VStG §24;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs7 idF 2008/I/003;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 610,60 (insgesamt daher EUR 1.221,20) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 14. Juli 2008 wurde über den handelsrechtlichen Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei BR eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG verhängt, weil er es als das nach § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der beschwerdeführenden Partei zu verantworten habe, dass von dieser ein namentlich genannter serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger in der Zeit vom 23. Jänner bis 24. Jänner 2008 in Salzburg beschäftigt worden sei, ohne dass eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft, eine Entsendebewilligung, eine Anzeigebestätigung, eine Arbeitserlaubnis, ein Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt", ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" oder ein Niederlassungsnachweis vorgelegen sei.

Mit weiterem Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 15. Juli 2008 wurde über den handelsrechtlichen Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei ferner gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 12 Stunden) verhängt, weil er es als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der beschwerdeführenden Partei zu verantworten habe, dass von dieser eine namentlich genannte kroatische Staatsangehörige in der Zeit vom 7. Jänner bis 13. Februar 2008 in M beschäftigt worden sei, ohne dass eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft, eine Entsendebewilligung, eine Anzeigebestätigung, eine Arbeitserlaubnis, ein Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt", ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" oder ein Niederlassungsnachweis vorgelegen sei.

In den Sprüchen dieser Straferkenntnisse finden sich keine Hinweise auf die Haftung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG; lediglich in den Zustellverfügungen dieser Straferkenntnisse sind die Zusätze "unter Hinweis auf die Strafbestimmungen des § 9 Abs. 7 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG" vermerkt. Beide Straferkenntnisse wurden daher - entsprechend der Zustellverfügungen - (auch) der beschwerdeführenden Partei zugestellt.

Mit den - wortgleichen - angefochtenen Bescheiden wurden die dagegen von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG, § 51 VStG und § 8 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Die belangte Behörde rechnete die erhobenen Rechtsmittel - mit näherer Begründung - der beschwerdeführenden Partei zu und führte unter Hinweis auf die Bestimmung des § 9 Abs. 7 VStG und das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. November 2000, Zl. 99/09/0002, ferner aus, der Haftungspflichtige nach § 9 Abs. 7 VStG sei im Verwaltungsstrafverfahren als Partei beizuziehen und könne in diesem Verfahren alle Parteirechte einschließlich des Berufungsrechtes ausüben, weil nur die volle Einbindung des Haftungspflichtigen als Partei in das Verfahren, in dem die Grundlage und der Umfang der Haftung ermittelt und festgesetzt werde, eine rechtlich einwandfreie Lösung darstellen könne. Das Fehlen einer "ausdrücklichen" Regelung der Parteistellung des Haftungspflichtigen im VStG vermöge infolge der allgemeinen Regeln des gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 8 AVG zu keinem anderen Ergebnis führen.

Dennoch seien die Berufungen ungeachtet der unstrittigen Parteistellung der beschwerdeführenden Partei unzulässig, weil diese im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren weder als Partei beigezogen noch im angefochtenen Straferkenntnis deren Haftung für die über den Beschuldigten ausgesprochenen Geldstrafen samt Verfahrenskosten in den Spruch nicht aufgenommen worden seien und der Hinweis auf die Haftungsbestimmung des § 9 Abs. 7 VStG in der Zustellverfügung allein - da nicht rechtskraftfähig - nicht ausreichend sei. Ohne einen solchen Ausspruch könnten die Straferkenntnisse auch nach einer allfälligen Zustellung an den Haftungspflichtigen nicht Grundlage einer Haftung nach § 9 Abs. 7 VStG sein. Da nach den Grundsätzen des § 51 VStG die Berufungsbehörde in ihrer Entscheidung auf diejenige Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bilde, beschränkt sei, könne der Ausspruch über eine derartige Haftung im Berufungserkenntnis auch nicht mehr nachgeholt werden. Dies bedeute, dass die beschwerdeführende Gesellschaft im vorliegenden Fall von der Möglichkeit der haftungsmäßigen Inanspruchnahme für die über ihren verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen verhängten Geldstrafen endgültig befreit sei und daher durch die angefochtenen Straferkenntnisse nicht beschwert sein könne. Da ein Berufungsrecht nur jenen Parteien eines Verfahrens zustehe, deren Rechtsansprüche oder rechtliche Interessen durch den Bescheid beeinträchtigt werden könnten, die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides für die beschwerdeführende Partei jedoch nur mehr abstrakt-theoretische Bedeutung hätte, fehle es ihr insoweit an der erforderlichen Berufungslegitimation, weshalb die Berufungen als unzulässig zurückzuweisen gewesen seien.

Gegen diese Bescheide richten sich die - ebenfalls wortgleichen - Beschwerden, in welchen die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht, dass "nicht entgegen den Bestimmungen der § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG und § 51 VStG iVm § 8 AVG die Berufung als unzulässig zurückgewiesen" werde sowie in dem Recht, "dass nicht entgegen den Bestimmungen gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG eine Geldstrafe gegen sie verhängt" werde, verletzt.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht die beschwerdeführende Partei geltend, zu Unrecht sei die belangte Behörde davon ausgegangen, dass rechtliche Interessen ihrerseits nicht berührt würden, weil einerseits ein rechtliches Interesse nicht nur bestehe, wo finanzielle Interessen unmittelbar betroffen seien, sondern auch dort, wo andere Interessen, wie z. B. der Ruf und das Ansehen einer Firma beeinträchtigt werde. Im Gegenstandsfalle drohe der beschwerdeführenden Partei durch die erfolgten Bestrafungen in Zukunft nicht nur vermehrte Kontrollen, sondern erleide sie dadurch auch unter ihren Mitkonkurrenten sowie den insbesondere auch potenziell auftraggebenden Unternehmen einen erheblichen Imageverlust. Auch könne und werde der Bestrafte gegenüber der beschwerdeführenden Partei im Innenverhältnis die Geldstrafe nach den einschlägigen Bestimmungen zurückfordern, was jedenfalls eine Beschwer der beschwerdeführenden Partei darstelle.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die beschwerdeführende Partei unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 AVG geltend, sie sei im Zeitpunkt der Berufungseinbringung ebenso wie ihr Geschäftsführer unvertreten gewesen. Die belangte Behörde hätte sie bzw. ihren Geschäftsführer im Rahmen ihrer Manuduktionspflicht von ihrer Rechtsansicht unterrichten, jedenfalls aber über die möglichen Verfahrensfolgen aufklären müssen. Der schlichte Verweis auf die gesetzliche Bestimmung des § 9 Abs. 7 VStG reiche nicht aus, zumal diese rechtsunkundigen Personen in Bedeutung und Auswirkung unverständlich sei. Sie sei durch Zustellung der erstinstanzlichen Straferkenntnisse jedenfalls beschwert, weil die Strafbehörde erster Instanz jederzeit die Möglichkeit habe, einen Haftungsbescheid gemäß § 9 Abs. 7 VStG gegen sie zu erlassen. Voraussetzung hiefür sei einzig die Rechtskraft "des bekämpften Bescheides" und müsse "auch unter diesem Gesichtspunkt davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin eine Beschwer auferlegt wurde und ihr Berufungsinteresse zu bejahen ist". Der beschwerdeführenden Partei jedenfalls wären Parteirechte zugekommen, die die Erhebung einer Berufung umfassten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung von Gegenschriften Abstand, sondern beantragte lediglich die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 7 VStG BGBl. I Nr. 52/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2008, haften juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

Vorauszuschicken ist, dass Gegenstand der Entscheidung der belangten Behörde ausschließlich die Frage der Haftung der beschwerdeführenden Partei im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung und ihre Parteistellung war und nicht die gegen ihr Organ gerichteten (und offenbar in Rechtskraft erwachsenen) Strafbescheide. Insoweit sich daher Beschwerdepunkt und Beschwerdeausführungen (auch) auf die gegen ihr Organ erlassenen Straferkenntnisse und deren Folgen beziehen, gehen sie an der Sache vorbei.

Die belangte Behörde hat bereits zutreffend darauf verwiesen, dass dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. November 2000, Zl. 99/09/0002, die Auffassung zu Grunde lag, dass es einer Einbindung der gemäß § 9 Abs. 7 VStG haftungspflichtigen Gesellschaft in das gegen ihr Organ geführte Strafverfahren bedürfe, um dieser gegenüber die Garantien eines rechtsstaatlich einwandfreien Verfahrens gewährleisten zu können. Dies hat zur Folge, dass die haftungspflichtige Gesellschaft in dem gegen ihr Organ geführten Strafverfahren Parteistellung mit allen dazu gehörigen Rechten genießt. Das bedeutet aber weiters, dass ihr gegenüber auch im Spruch des das Strafverfahren gegen das Organ abschließenden Erkenntnisses ein Haftungsausspruch zu erfolgen hat; die Erlassung eines nachträglichen Haftungsbescheides kommt nicht mehr in Betracht. Erst durch den im Spruch des gegen das Organ ergehenden Straferkenntnisses enthaltenen normativen Abspruch über die Haftung der vertretenen Gesellschaft wird diese in einer der Exekution zugänglichen Weise zur Zahlung der gegen ihr Organ verhängten Geldstrafe samt Anhang verpflichtet. Liegt kein Haftungsausspruch vor, besteht auch keine Zahlungspflicht der vertretenen Gesellschaft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2010, Zl. 2010/02/0074). Dem

hg. Erkenntnis vom 14. April 2010, Zl. 2009/08/0149, lag ein anders gelagerter Sachverhalt zu Grunde, es steht daher diesem Ergebnis nicht entgegen.

Im vorliegenden Fall enthalten die Sprüche der bekämpften, gegen das Organ gerichteten erstinstanzlichen Straferkenntnisse keine normative Feststellung der Haftung nach § 9 Abs. 7 VStG. Eine solche kann auch nicht durch Aufnahme eines bloßen Hinweises auf diese Gesetzesbestimmung in die Zustellverfügungen oder gar nur durch die auch an die Gesellschaft erfolgte Zustellung der Strafbescheide ersetzt werden.

Die belangte Behörde hat daher zutreffend festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei mangels Ausspruch einer sie treffenden (exekutierbaren) Haftung für die über ihr Organ verhängten Geldstrafen samt Anhang nicht in ihren subjektivöffentlichen Rechten berührt und damit auch nicht zur Erhebung einer Berufung legitimiert war. Zu Recht hat daher die belangte Behörde die der beschwerdeführenden Partei zugerechneten Berufungen als unzulässig zurückgewiesen.

Aus diesen Gründen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 1. Juli 2010

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