VwGH 2008/05/0087

VwGH2008/05/008715.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der H P in L, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in 2000 Stockerau, Pampichler Straße 1a, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. März 2008, Zl. RU1- BR-745/001-2007, betreffend Erteilung eines Bauauftrags (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde L), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §20 Abs1 Z6;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
KlGG NÖ 1988;
VwRallg;
ZPO §14;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §20 Abs1 Z6;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
KlGG NÖ 1988;
VwRallg;
ZPO §14;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. März 1988 erteilte die mitbeteiligte Marktgemeinde die baubehördliche Bewilligung zum Neubau eines Sommerhauses auf der Liegenschaft in L, Erholungszentrum S, Weg O., Ga.F, Parzelle Nr. 526/146, EZ 1895 der KG L.

Anlässlich einer baubehördlichen Überprüfung der Baulichkeit am 15. Mai 2006 wurde festgestellt, dass das Sommerhaus durch einen Wintergarten im Ausmaß von 3 x 6 m, montiert auf die bestehende Terrasse, erweitert wurde. Das mit Bescheid vom 2. März 1988 bewilligte Sommerhaus besitzt bereits eine verbaute Fläche von 49,70 m2, weshalb eine nachträgliche baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Wintergartens auf Grund der Bestimmungen des NÖ Kleingartengesetzes nicht möglich sei. Die Beschwerdeführerin gab an, dass der Wintergarten bereits seit dem Jahr 1992 bestehe und vor Baubeginn vom zuständigen Sachbearbeiter beim Bauamt der mitbeteiligten Marktgemeinde die Auskunft erteilt worden sei, dass die Errichtung eines Wintergartens möglich wäre und "im schlimmsten Fall (Anzeige)" lediglich eine Geldstrafe verhängt würde; wäre für den Fall der Konsenswidrigkeit auf eine Abbruchsverpflichtung hingewiesen worden, hätte man von der Durchführung eines Bauvorhabens Abstand genommen.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2006 trug der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde als Baubehörde erster Instanz der Beschwerdeführerin die Entfernung des besagten Wintergartens binnen 38 Wochen nach Rechtskraft des Bescheides auf. Abzutragen seien sämtliche Glaselemente des Wintergartens, diese Gebäudeteile stünden im Widerspruch zur baubehördlichen Bewilligung aus dem Jahr 1988. Die verbaute Fläche sei vorliegend überschritten worden, die damals möglichen 50 m2 seien beinahe ausgeschöpft. Aus diesem Grund könne eine Baubewilligung für den Zubau nicht erteilt werden; aus der Aktenlage ergebe sich, dass für den Zubau weder um eine Baubewilligung angesucht noch diesbezüglich eine Bauanzeige erfolgt sei.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung vom 22. November 2006 wurde vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde als Baubehörde zweiter Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach § 35 Abs. 2 Z. 3 erster Fall der NÖ Bauordnung 1996 (LGBl. 8200-14; BO) habe die Baubehörde u.a. den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn für dieses keine Baubewilligung oder Anzeige vorliege und das Bauwerk unzulässig sei. Dies gelte auch für konsenslose Zubauten zu einem bestehenden ursprünglich bewilligten Gebäude. Unzulässig iSd § 35 Abs. 2 Z. 3 erster Fall BO sei ein Bauwerk gemäß § 35 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. u.a. dann, wenn es im Widerspruch zu den Bestimmungen des § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 BO stehe. Dieser wiederum verweise auf das NÖ Kleingartengesetz (KlGG). Die verbaute Fläche des in Rede stehenden Sommerhauses (dessen Errichtung im Jahr 1988 auf einer Liegenschaft im Widmungsgebiet "Grünland-Kleingarten" bewilligt worden sei) betrage laut Plan 7,10 m x 7,00 m. Daraus ergebe sich in Summe eine verbaute Fläche von 49,7 m2. Zum Bewilligungszeitpunkt seien die besonderen Bebauungsbestimmungen für Kleingartenanlagen in der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 13. Juni 1962 (genehmigt von der Bezirkshauptmannschaft K am 27. November 1962) sowie entsprechende Überarbeitungen dieser Bebauungsvorschriften vom 1. März 1973 und vom 5. März 1977 anwendbar gewesen, wonach für Kleingartenhäuser in der S als Bebauungsdichte ein Sechstel der Gartenfläche, höchstens jedoch 50 m2, festgelegt worden seien. Gemäß § 14 KlGG seien diese Bebauungsbestimmungen bis Ende Dezember 1999 in Geltung gestanden. Die maximal bebaute Fläche von 50 m2 sei vorliegend bereits durch die Baubewilligung konsumiert worden. Gemäß § 14 Z. 1 BO seien Zubauten von Gebäuden bewilligungspflichtig. Der vorliegende Zubau erweitere die verbaute Fläche und stelle eine raumbildende Konstruktion dar, woran auch die Tatsache nichts ändere, dass die Elemente aus Glas seien. Baubewilligungen seien gemäß § 5 Abs. 1 BO zudem schriftlich zu erteilen, eine solche schriftliche Baubewilligung für den Zubau liege nicht vor. Eine Baubewilligung für den Zubau könne nicht erteilt werden, weil die damals geltenden Bebauungsbestimmungen ausgeschöpft worden seien und auch die Bestimmungen des nunmehr anzuwendenden KlGG die Vergrößerung der bebauten Fläche nicht zuließen. Bei der Erlassung eines baupolizeilichen Abbruchauftrages sei die wirtschaftliche Zumutbarkeit dieses Auftrages nicht zu prüfen. Ergänzend wurde festgehalten, dass derzeit keine Absicht des Landesgesetzgebers bestehe, die Bestimmungen des KlGG zu novellieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 BO hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung oder Anzeige vorliegt und das Bauwerk unzulässig ist oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung zur Aufforderung hierzu eingebracht hat.

Liegt keine Baubewilligung vor, dann ist die Bewilligungsfähigkeit zu prüfen und bejahendenfalls dem Eigentümer die Einbringung eines entsprechenden Antrags innerhalb einer bestimmten Frist aufzutragen. Dieser Schritt hat zu entfallen, wenn das Bauwerk unzulässig ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 11. Mai 2010, Zl. 2007/05/0170). Unzulässig iSd § 35 Abs. 2 Z. 3 erster Fall BO ist ein Bauwerk gemäß § 23 Abs. 1 zweiter Satz u. a. dann, wenn es im Widerspruch zu den Bestimmungen des § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 BO steht. § 20 Abs. 1 Z. 6 BO wiederum verweist auf das KlGG.

Aus den Erwägungen im zitierten Erkenntnis vom 11. Mai 2010, Zl. 2007/05/0170, das einen in seinen wesentlichen Punkten gleichgelagerten Fall betrifft, auf das gemäß § 43 Abs. 2

2. Satz VwGG verwiesen wird, ist die belangte Behörde zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass der in Rede stehende Wintergarten ein Bauwerk iSd § 4 Abs. 3 BO darstellt und als Zubau zu dem im Jahr 1988 bewilligten Sommerhaus iSd § 14 Z. 1 BO einzustufen ist.

Die belangte Behörde ist (wie erwähnt) zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Bewilligung des vom Bauauftrag erfassten Bauwerkes unzulässig ist. Die Unzulässigkeit des Zubaus wegen Überschreitung der zulässigen Grundrissfläche im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Baubewilligung geltende Rechtslage wurde von ihr ohne Rechtsirrtum aufgezeigt. Angesichts des § 6 Abs. 2 zweiter Satz KlGG, wonach die Grundrissfläche einer Kleingartenhütte 35 m2 nicht übersteigen darf, war die Überschreitung der zulässigen Grundrissfläche auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegeben. Damit bestand für den Alternativauftrag gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 BO kein Raum.

Adressat eines Auftrags nach § 35 Abs. 2 Z. 3 BO ist - mangels anderslautender gesetzlicher Regelung - der jeweilige Eigentümer des betroffenen Gebäudes oder der Baulichkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2003, Zl. 2002/05/1503, mwH). Die Beschwerdeführerin hat im Bauauftragsverfahren nie bestritten, Eigentümerin des hier zu beurteilenden Bauwerks zu sein. Wenn sie in der Beschwerde geltend macht, dass sie lediglich Miteigentümerin dieses Bauwerkes - neben ihrem Ehemann - sei, wird damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Bauaufträge, die sich an den Eigentümer des Grundstücks oder des Bauwerks zu richten haben, sind im Fall des Miteigentums zwar grundsätzlich - sofern keine ausdrückliche (abweichende) Sondervorschrift besteht - an alle Miteigentümer zu richten. Dies bedeutet aber noch nicht, dass dieser Auftrag auch in einem einheitlichen Bescheid gegen all diese Personen erlassen werden müsste. Das AVG kennt den Begriff der einheitlichen Streitpartei des § 14 ZPO (unzertrennliche, gebundene Streitgenossenschaft) nicht. Parteistellung im baupolizeilichen Auftragsverfahren hat demnach (entgegen der Beschwerde) nur derjenige, gegen den der Auftrag tatsächlich ergangen ist, nicht jedoch derjenige, gegen den der Auftrag richtigerweise (auch) zu ergehen gehabt hätte. Wenngleich die Vollstreckung eines Bauauftrags hinsichtlich einer der im Miteigentum stehenden Liegenschaft nur dann in Betracht kommt, wenn der Auftrag gegenüber allen Miteigentümern rechtskräftig ist, muss der Auftrag jedoch (wie erwähnt) nicht in einem einheitlichen Bescheid ergehen (vgl. das insofern auch für die Rechtslage nach der BO maßgebliche hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 98/05/0092, mwH, sowie Moritz, Bauordnung für Wien, 4. Auflage, 2009, S. 327).

Auch das Vorbringen betreffend die Erkundigung beim zuständigen Sachbearbeiter im Bauamt der mitbeteiligten Gemeinde vor Errichtung des Wintergartens erweist sich als nicht zielführend. Ihre Angabe bei der baubehördlichen Überprüfung am 15. Mai 2006, wonach bei Errichtung des Wintergartens im schlimmsten Fall mit einer Anzeige zu rechnen sei, verwehrt entgegen der Beschwerde die Annahme, dass im vorliegenden Fall von einem vermuteten Konsens auszugehen sei. Ferner lässt sich aus dem Bestand des Wintergartens seit (nach Angabe der Beschwerdeführerin) 1992 nicht ableiten, dass die Errichtung rechtmäßig erfolgt sei. Gleiches gilt für den Hinweis, dass "im gesamten Siedlungsbereich zahlreiche Wintergärten unbeanstandet errichtet" worden seien.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 15. Februar 2011

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