VwGH 98/05/0092

VwGH98/05/009230.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der "Wohnungsfreunde" Gemeinnützige Bau- und Siedlungs-Gesellschaft mbH in Linz, vertreten durch Dr. Horst Koch, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5. Februar 1997, Zl. BauR - 011849/1 - 1996 Pe/Vi, betreffend Instandsetzungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §112 Abs1 impl;
BauO NÖ 1996 §33 Abs2 impl;
BauO OÖ 1976 §60 Abs2 impl;
BauO OÖ 1994 §31;
BauO OÖ 1994 §48 Abs2;
BauO Tir 1989 §44 Abs1 impl;
BauO Wr §129 impl;
BauRallg;
VVG §1;
ZPO §14;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §112 Abs1 impl;
BauO NÖ 1996 §33 Abs2 impl;
BauO OÖ 1976 §60 Abs2 impl;
BauO OÖ 1994 §31;
BauO OÖ 1994 §48 Abs2;
BauO Tir 1989 §44 Abs1 impl;
BauO Wr §129 impl;
BauRallg;
VVG §1;
ZPO §14;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde, deren Ergänzung (§ 34 Abs. 2 VwGG) sowie dem angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 500, Grundbuch 45212 Urfahr des Bezirksgerichtes Linz, zu 52224/1,000.000 Anteilen, mit welchen entsprechend aufgegliedert Wohnungseigentum an 50 Wohnungseinheiten verbunden ist. Auf dieser Liegenschaft wurde in den Jahren 1973 bis 1975 unter der Bezeichnung "Lentia 2000" ein kombiniertes Kauf-, Wohn-, Kultur- und Schulzentrum errichtet. Die Beschwerdeführerin übt seit mehr als 20 Jahren die Hausverwaltung betreffend das auf dieser Liegenschaft errichtete Gebäude aus. Der bautechnische Amtssachverständige des Magistrates Linz hat anläßlich eines am 20. Jänner 1995 durchgeführten Ortsaugenscheines Schäden an der Decke des im ersten Untergeschoß gelegenen Parkdecks auf dieser Liegenschaft festgestellt, über welchem sich die Geschäftspassage des Erdgeschosses befindet. Mit Bescheid vom 2. März 1995 hat der Magistrat der Landeshauptstadt Linz der Beschwerdeführerin rechtskräftig Instandsetzungs- bzw. Sicherungsaufträge vorgeschrieben. In Entsprechung der Vorschreibungspunkte dieses Bescheides wurde am 28. April 1995 der Baubehörde eine von einem Zivilingenieur für Bauwesen erstellte Dokumentation der Gebäudeinspektion und des Sanierungsvorschlages vorgelegt. Die Inspektion erstreckte sich über die drei Parkebenen und die Geschäftsebene, wobei sämtliche Decken, Träger, Stützen und Fugenkonstruktionen kontrolliert wurden. Hiebei zeigten sich an den verschiedenen Bauteilen Risse, Hohlstellen, Abplatzungen, freiliegende, korrodierte Bewehrungen, mangelnde Auflagerungen, Sinterungen und Ausblühungen infolge Durchfeuchtung. Weiters konnten zahlreiche Aufbrüche in der nur wenige Zentimeter dicken Bitumenschicht des Fahrbahnbelages festgestellt werden, wobei diese Schäden teilweise bis zur Betondecke reichten und vereinzelt sogar freiliegende Bewehrungen vorgefunden wurden. Ein mit dem Untersuchungsbefund befaßter bautechnischer Amtssachverständiger stellte in einem Gutachten vom 19. Mai 1995 fest, daß die im Untersuchungsbefund aufgezeigten Mängel eine Schwächung des statisch erforderlichen Querschnittes und eine daraus resultierende verminderte Standsicherheit bewirken würden und es bei weiterem Fortschreiten der Schädigung sogar zu einem Einsturz kommen könnte.

Gestützt auf diese Feststellungen des Sachverständigen wurden der Beschwerdeführerin "als Miteigentümerin" des gegenständlichen Gebäudes gemäß § 48 Abs. 2 bis 4

O.Ö. Bauordnung 1994 im angefochtenen Bescheid näher angeführte Instandsetzungsmaßnahmen betreffend das "Parkdeck" von der Baubehörde erster Instanz vorgeschrieben. Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 17. Oktober 1996 keine Folge gegeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der

O.Ö. Landesregierung vom 5. Februar 1997 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt wird. Angesichts der aktenkundigen Beweisergebnisse stehe fest, daß die beim verfahrensgegenständlichen Gebäudekomplex festgestellten Mängel Baumängel im Sinne des § 48 Abs. 1 O.Ö. Bauordnung 1994 seien. Sowohl der bautechnische Amtssachverständige als auch der von der Beschwerdeführerin beigezogene Sachverständige seien davon ausgegangen, daß die festgestellten Mängel ohne die aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten zu einer Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die körperliche Sicherheit von Menschen und für fremde Sachwerte führen würden. Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie sei lediglich Miteigentümerin der betroffenen baulichen Anlage sei nicht rechtserheblich. Fragen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit seien nicht zu prüfen.

Die Behandlung der dagegen erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Februar 1998, B 660/97-6, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes fristgerecht erstatteten Ergänzung ihrer Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Nichterlassung von Instandsetzungsaufträgen verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Ein auf § 48 Abs. 2 O.Ö. Bauordnung 1994 gestützter Auftrag könne nicht einem von mehreren Miteigentümern erteilt werden. Während nach der Textierung des § 31 Abs. 1 O.Ö. Bauordnung 1994 bzw. des § 129 der Bauordnung für Wien klargestellt sei, daß die dort behandelten Rechte und Pflichten jeden einzelnen Miteigentümer berechtigen und verpflichten, könne die Verpflichtung nach § 48 Abs. 2 der O.Ö. Bauordnung 1994 nur so verstanden werden, daß diese die "Gesamtheit der Miteigentümer" und nicht willkürlich einen von diesen treffen könne. Der Gesetzgeber der O.Ö. Bauordnung 1994 unterscheide, ob eine Pflicht (oder ein Recht) jeden einzelnen Miteigentümer für sich genommen treffe, oder ob die Gesamtheit der Miteigentümer als Gemeinschaft gesehen belastet bzw. berechtigt sei. Durch den Umstand, daß der gegenständliche Instandsetzungsauftrag nur an einen von vielen Miteigentümern erteilt worden sei, sei auch das Wesen der "Vollziehungsverfügung" geradezu vereitelt, zumal die Behörde selbst hervorhebe, daß die gegenständlichen Instandsetzungsaufträge gegen die Beschwerdeführerin nicht vollstreckbar seien. Dies sei nur auf eine nicht gesetzeskonforme Auslegung des § 48 Abs. 2 der

O.Ö. Bauordnung 1994 zurückzuführen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 der O.Ö. Bauordnung 1994 (BO) liegt, gleichgültig worauf die Verschlechterung zurückzuführen ist, ein Baugebrechen vor, wenn sich der Zustand einer baulichen Anlage so verschlechtert hat, daß eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Hygiene oder die körperliche Sicherheit von Menschen oder für fremde Sachen entsteht.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Baubehörde, falls sie Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens erlangt, die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen und dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens durch Instandsetzung oder, wenn eine Instandsetzung nicht mehr möglich ist oder so weitgehend wäre, daß sie einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, die Abtragung aufzutragen. Ein Instandsetzungsauftrag steht der Erteilung einer Abbruchbewilligung nicht entgegen.

Schon die Vorgängerbestimmung des § 60 Abs. 2 der O.Ö. Bauordnung 1976 enthielt die Anordnung, daß die Baubehörde bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen "dem Eigentümer" einen Instandsetzungsauftrag zu erteilen hat. Bauordnungen anderer Bundesländer (vgl. hiezu § 112 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976, nunmehr § 33 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1996 sowie § 44 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung) enthalten vergleichbare Regelungen. Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 96/06/0182, mit weiteren Judikaturnachweisen) sind Bauaufträge der hier zu beurteilenden Art, die sich an den Eigentümer des Grundstückes oder des Bauwerkes zu richten haben, im Falle des Miteigentums - auch wenn der Gesetzgeber nicht ausdrücklich den Miteigentümer erwähnt, wie in § 129 der Bauordnung für Wien - grundsätzlich an alle Miteigentümer zu richten, soferne nicht - wie im Fall des Wohnungseigentums - eine ausdrückliche (abweichende) Sondervorschrift besteht. Wenngleich eine Vollstreckung hinsichtlich einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft nur dann in Betracht kommt, wenn sich der Beseitigungsauftrag gegen alle Miteigentümer richtet, muß dieser jedoch nicht in einem einheitlichen Bescheid ergehen; das AVG kennt den Begriff der einheitlichen Streitpartei des § 14 ZPO (unzertrennliche, gebundene Streitgenossenschaft) nicht (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 28. November 1988, Zl. 88/05/0203, und vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/06/0211). Von dieser Rechtsprechung abzugehen bietet auch der Beschwerdefall keinen Anlaß. Der baupolizeiliche Auftrag ist eine sogenannte "Vollziehungsverfügung", deren Zweck darin liegt, die unmittelbar aus dem Gesetz bestehenden Verpflichtungen zu konkretisieren und für die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes im Wege des Verwaltungszwanges einen Exekutionstitel zu schaffen. Der baupolizeiliche Auftrag im Sinne des § 48 Abs. 2 BO hat sich an eine physische oder juristische Person zu richten; der Eigentümer bzw. Miteigentümer des betroffenen Grundstückes ist somit im Bescheid namentlich zu nennen. Ein Bescheidadressat "Gesamtheit der Miteigentümer" des betroffenen Grundstückes, wie dies die Beschwerdeführerin offenbar fordert, ohne namentliche Anführung der Miteigentümer, genügt nicht. Der Instandsetzungsauftrag ist vielmehr gegen alle Miteigentümer des Grundstückes zu erlassen; ein einheitlicher Bescheid ist hiefür nicht erforderlich, da eine Vollstreckung des Exekutionstitels (baupolizeilichen Auftrages) im Falle des Miteigentums nur dann in Betracht kommt, wenn der Auftrag gegen alle Miteigentümer bereits erlassen ist. Vereitelt ist der Zweck des Instandsetzungsauftrages an nur einen Miteigentümer schon deshalb nicht, weil gegen ihn bereits mit Erlassung des Auftrages ein Exekutionstitel geschaffen wurde, der die unmittelbar aus dem Gesetz bestehende Verpflichtung ihm gegenüber konkretisiert.

Auch aus dem Hinweis der Beschwerdeführerin auf die im § 31 BO gewählte Formulierung "Eigentümer (Miteigentümer)" ist für die von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsansicht nichts gewonnen, weil damit nur klargestellt werden sollte, daß jeder einzelne Miteigentümer Nachbar im Sinne dieser Gesetzesstelle sein und Einwendungen erheben kann.

Die Beschwerdeführerin bekämpft die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht. Ausgehend von diesen Feststellungen vermag der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erblicken, wenn die belangte Behörde davon ausging, daß die von den Baubehörden dem Instandsetzungsauftrag zugrunde gelegten Baugebrechen solche im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 BO sind. Für die Erteilung eines Instandsetzungsauftrages nach § 48 Abs. 2 BO ist Gefahr im Verzug nicht gefordert.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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