VwGH 93/06/0211

VwGH93/06/021116.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Kratschmer und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der A in I, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 25. Jänner 1993, Zl. Ve1-55O-1971/2, betreffend Abweisung eines nachträglichen Bauansuchens und Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §828;
ABGB §833;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §61 Abs1;
BauO Tir 1989 §3 Abs9;
BauO Tir 1989 §31 Abs3;
BauO Tir 1989 §36 Abs1;
BauO Tir 1989 §4 Abs1;
BauO Tir 1989 §44 Abs3 lita;
BauRallg;
VVG §4;
VwRallg;
ZPO §14;
ABGB §828;
ABGB §833;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §61 Abs1;
BauO Tir 1989 §3 Abs9;
BauO Tir 1989 §31 Abs3;
BauO Tir 1989 §36 Abs1;
BauO Tir 1989 §4 Abs1;
BauO Tir 1989 §44 Abs3 lita;
BauRallg;
VVG §4;
VwRallg;
ZPO §14;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Beschwerdevorbringen, dem angefochtenen Bescheid und aus den vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung und Abtretung der von ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof übermittelten Akten ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist zu 11781/43200 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 1934 der KG X, zu deren Gutsbestand unter anderem die Grundstücke Bauparzelle 1203 sowie Grundparzelle 192 gehören; diese Bauparzelle wird von der Grundparzelle umgeben. Die gesamte Fläche dieser Bauparzelle wird von der vor Jahrzehnten errichteten sogenannten "Almhütte" eingenommen. In den Jahren 1971/1972 sowie in geringem Ausmaß im Jahr 1983 wurden Zubauten vorgenommen, die sich alle auf der Grundparzelle 192 befinden, die seit dem Jahr 1985 rechtskräftig als Freiland gewidmet ist.

Am 13. April 1990 hat die Beschwerdeführerin unter Vorlage eines mit "April 1990" (ohne Tagesangabe) datierten Planes um die baubehördliche Bewilligung für den Zubau angesucht.

Mit Bescheid vom 17. Jänner 1992 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei wie folgt entschieden:

"1) Das Bauansuchen vom 13.4.1991 (richtig: 1990), betreffend die baubehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Zubaues an das auf der Bp 1203 KG X bestehende Objekt wird gemäß § 31 Abs 3 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. 33/1989, als unzulässig abgewiesen.

2) Gemäß § 44 Abs 3 lit a TBO ergeht der baupolizeiliche Auftrag, alle jene konsenslosen Zubauten, die außerhalb der Grenzen der Bp 1203 in der Zeit nach 1964 errichet worden sind, abzubrechen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Es sind dies die im Einreichplan der Firma Hans Hauser KG vom April 1990 im Erdgeschoß als Bestand ausgewiesenen Gebäudeteile Keller - Abgang 5,80 m2, Keller 7,15 m2, Waschraum 13,20 m2 sowie die im 1. Stock (Wohnteil) ausgewiesenen Gebäudeteile Kellerabgang, Aufgang 11,50 m2, Terrasse 10,50 m2 und Balkon 4,00 m2. Ebenso sind die im genannten Einreichplan rot umrandeten Gebäudeteile östlich des Bestandobjektes, die Gegenstand des Bauansuchens sind, vom Abbruchauftrag umfaßt. Der Abbruchauftrag ist innerhalb einer Frist von 6 Monaten ab Rechtskraft des Abbruchbescheides durchzuführen und abzuschließen."

Die dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die gegen die Berufungsentscheidung erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, ging sie davon aus, daß das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspreche und das Ansuchen daher gemäß § 31 Abs 3 TBO, LGBl. Nr. 33/1989 abzuweisen sei. Darüberhinaus solle der Zubau auf der Grundparzelle zur Vergrößerung des auf der Bauparzelle befindlichen Objektes dienen, womit das Gesamtobjekt auf zwei verschiedenen Grundstücken liege. Es sei unzulässig, die Baubewilligung im Bezug auf grundstücküberschreitende Bauprojekte zu erteilen. Hinsichtlich der Zubauten könne auch nicht von einem "vermuteten Baukonsens" ausgegangen werden (wird jeweils näher ausgeführt). Dem Vorbringen, daß den Miteigentümern der betreffenen Grundparzelle vor Erlassung eines Abbruchbescheides entsprechendes Parteiengehör zukommen müsse, sei zu entgegen, daß ein allfälliges Vorliegen eines solchen Mangels nicht eine Verletzung von Rechten der Vorstellungswerberin begründen könne. Gleiches gelte hinsichtlich der Zustellung des Abbruchbescheides an alle Miteigentümer. Obwohl ein Abbruchbescheid grundsätzlich an alle Miteigentümer zuzustellen und dies von den betreffenden Behörden zu berücksichtigen sei, könne auch ein allfälliger diesbezüglicher Mangel eine Rechtsverletzung der Vorstellungswerberin nicht begründen.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Die belangte Behörde hat keine Gegenschrift erstattet, aber die Verwaltungsakten vorgelegt.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 27. September 1993, B 403/93-7, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt, ihn gemäß § 42 Abs 1 VwGG aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin zieht nicht mehr in Zweifel, daß die fraglichen Zubauten schon im Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungspflichtig waren und auch nun bewilligungspflichtig sind, aber eine entsprechende Baubewilligung nicht erteilt wurde, wie auch, daß deren Umfang nicht gering im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude ist (iS des § 15 Abs. 6 TROG).

Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, daß es nicht darauf ankommt, ob für die strittigen Zubauten im Zeitpunkt ihrer Errichtung nach dem damals geltenden Flächenwidmungsplan die Erteilung einer Baubewilligung möglich gewesen wäre, weil für die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung die im Zeitpunkt der Entscheidung geltende Rechtslage maßgeblich ist (vgl. das Erkenntnis vom 25. Oktober 1988, Zl. 88/05/0101 = Bausammlung Nr. 1207). Der Einwand der Beschwerdeführerin, daß § 31 Abs 3 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (kurz: TBO) von einem BauVORHABEN spreche und ein Bauansuchen, welches bereits errichtete Gebäude betreffe, sich nicht auf ein Bauvorhaben beziehen könne, weshalb ihres Erachtens die Bestimmung des § 31 Abs 3 TBO in diesem Sinne nicht auf ein derartiges Bauansuchen anzuwenden sei, ist unzutreffend. Diese Formulierung im § 31 Abs 3 TBO ist nicht isoliert zu sehen, sondern insbesondere in Verbindung mit § 36 Abs 1 TBO, wonach mit der Ausführung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens (von den dort genannten Vorarbeiten abgesehen) vor dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung nicht begonnen werden darf. Darf aber vor Erteilung der Bewilligung nicht mit der Bauausführung begonnen werden, ist es nur folgerichtig, wenn das Gesetz im § 31 Abs 3 (wie auch beispielsweise in der Überschrift zu § 25) von BauVORHABEN spricht, weil das Baubewilligungsverfahren grundsätzlich - daher auch im Falle einer nachträglichen Bewilligung - ein Projektgenehmigungsverfahren ist. Keineswegs kann die Berufungswerberin rechtens aus dieser Formulierung im § 31 Abs. 3 TBO die von ihr letztlich gewünschte Privilegierung rechtswidrig errichteter Bauwerke ableiten (so auch der Verfassungsgerichtshof in der Begründung seines Ablehnungsbeschlusses).

Gemäß § 4 Abs 1 TBO dürfen bauliche Anlagen nur auf Grundstücken errichtet werden, die bestimmten, in dieser Gesetzesstelle näher bezeichneten Voraussetzungen entsprechen. Gemäß § 3 Abs 9 TBO ist (abgesehen vom Sonderfall des Zusammenlegungsverfahrens) ein Grundstück als eine Grundfläche, das im Grundsteuerkataster oder im Grenzkataster mit einer eigenen Nummer bezeichnet ist, definiert. In seinem Erkenntnis vom 20. September 1990, Zl. 89/06/0198, hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit dem Begriff des Bauplatzes im Sinne des § 3 Abs 9 1. Satz TBO ausgesprochen, daß jeder Bauplatz nur aus einem Grundstück (im Sinne des § 3 Abs 9 2. Satz TBO) bestehen dürfe und daß es unzulässig sei, die Baubewilligung in Bezug auf grundstücküberschreitende Bauprojekte zu erteilen. Geht man daher davon aus, daß der fragliche Zubau nur Teil eines Gesamtobjektes ist, das sich über beide Grundstücke erstreckt, wurde die Baubewilligung auch unter diesem Aspekt deshalb zu Recht versagt, weil die Bewilligung des Zubaues als Vergrößerung eines (nun) grundstücküberschreitenden Bauwerkes gegen § 4 Abs 1 in Verbindung mit § 3 Abs 9 2. Satz TBO verstoßen würde und daher gemäß § 31 Abs 4 lit b TBO nicht erteilt werden darf (in diesem Sinne das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juli 1992, Zl. 91/06/0211. In diesem Erkenntnis findet sich auch die von der belangten Behörde zitierte Aussage, "... daß zwar unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 11 TBO bauliche Anlagen an der Grundstückgrenze zusammengebaut werden dürfen, daß im übrigen jedoch im Freiland eine Baubewilligung nur für Projekte auf EINEM GRUNDSTÜCK im Sinne des § 3 Abs. 9 zweiter Satz TBO erteilt werden darf". Die Beschwerdeführerin mißversteht diese Ausführungen, wenn sie erkennbar meint, daß sich die belangte Behörde auf § 7 Abs. 11 TBO berufen hätte, um das Gesuch abzuweisen; richtig ist vielmehr, daß sich die belangte Behörde - in diesem Zusammenhang - auf die Unzulässigkeit grundstücküberschreitender Bauprojekte gestützt hat).

Dem weiteren Einwand der Beschwerdeführerin, daß sie lediglich Minderheitseigentümerin der betroffenen baulichen Anlagen sei und ihr daher allein ein derartiger Auftrag gar nicht erteilt werden dürfe, wobei es in diesem Zusammenhang nicht um die Verletzung des Parteiengehöres der übrigen Miteigentümer, sondern um die Auferlegung einer exekutierbaren Verpflichtung gegenüber einzelnen Personen gehe, ist entgegenzuhalten, daß die hier anzuwendenden Verfahrensgesetze, insbesondere also das AVG den Begriff eines "unzertrennlichen Streitgenossen" im Sinne des § 14 ZPO nicht kennen. Wenngleich eine Vollstreckung hinsichtlich einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft nur dann in Betracht kommt, wenn der Beseitigungsauftrag sich gegen alle Miteigentümer richtet, muß dieser jedoch nicht in einem einheitlichen Bescheid ergehen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1988, Zl. 88/05/0203). Bezogen auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, daß der Abbruchauftrag gegen die Beschwerdeführerin zwar rechtens ergangen ist, aber solange nicht vollstreckt werden kann, als noch keine vollstreckbaren Abbruchaufträge gegen die übrigen Miteigentümer vorliegen.

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin mangelt es dem Abbruchauftrag auch nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, weil die in Rede stehenden Zubauten im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genau bezeichnet wurden. Auch kann hier nicht fraglich sein, daß der erstinstanzliche Bescheid auf den von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten Plan Bezug nimmt (der nur mit "April 1990" datiert ist), sodaß die Spekulationen der Beschwerdeführerin, daß dieses Bauunternehmen im April 1990 möglicherweise mehrere Einreichpläne verfaßt hätte, die Gebäude beträfen, welche nicht auf der Bauparzelle 1203 lägen, ins Leere geht.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war sie gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung abzuweisen. Damit erübrigt sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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