VwGH 2007/05/0170

VwGH2007/05/017011.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 47, gegen den Bescheid der NÖ Landesregierung vom 6. Juni 2007, Zl. RU1-BR-253/002-2006, betreffend baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Q), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §20 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §20 Abs1 Z6;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauRallg;
KlGG NÖ 1988;
VwRallg;
BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §20 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §20 Abs1 Z6;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauRallg;
KlGG NÖ 1988;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid vom 26. April 1977 erteilte die mitbeteiligte Marktgemeinde Dr. A, B sowie der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung zum Neubau eines Sommerhauses auf dem Grundstück in Q, Erholungszentrum S 95, Weg K, Ga. 95, Parz. Nr. 526/96, EZ F der KG Q.

Anlässlich eines Lokalaugenscheins am 15. April 2004 auf der besagten Liegenschaft wurde durch den bautechnischen Amtssachverständigen erhoben, dass konsenslos Bauarbeiten durchgeführt wurden. Mit Bescheid vom selben Tag wurde dem Erst- und der Zweiteigentümerin die Fortsetzung der Bauarbeiten untersagt. Bei einer Verhandlung an Ort und Stelle am 26. April 2004 ergab sich für die Behörde der Sachverhalt, dass baulich ein Vordach iSd § 6 Abs. 2 NÖ Kleingartengesetz aus 1988 (KlGG) ohne Bewilligung ausgeführt würde. Die Vorder- sowie die Seitenfronten wurden mit verschiebbaren Türelementen verglast. Der Ersteigentümer gab an, dass er die vorhandene Fläche nach wie vor im Sinne einer Terrasse nützen wolle, dass 60 % der Glaselemente verschiebbar nach außen zu öffnen seien und diese Elemente zur Gänze entfernt werden könnten.

Mit Bescheid vom 19. Mai 2004 trug die Baubehörde erster Instanz dem Ersteigentümer und der Zweiteigentümerin den Abbruch sämtlicher Wandelemente des konsenslos errichteten Wintergartens sowie der Wandelemente und der Überdachung des Stiegenabganges in den Keller auf der in Rede stehenden Liegenschaft binnen zwölf Wochen nach Rechtskraft des Bescheides auf. Ferner erging der Auftrag, für die Überdachung der bestehenden Terrasse gemäß § 14 der NÖ Bauordnung 1996 (BO) unter Beischluss der erforderlichen Einreichunterlagen bis spätestens sechs Wochen ab Zustellung des Bescheids um baubehördliche Bewilligung anzusuchen.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung vom 3. Juni 2004 wurde vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde zweiter Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung des Erst- und der Zweiteigentümerin wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 23. September 2005 (nach Stattgebung eines Wiedereinsetzungsantrages in den vorigen Stand wegen Versäumung der Vorstellungsfrist) als unbegründet abgewiesen.

2. Am 7. Dezember 2005 wurde der mitbeteiligten Marktgemeinde vom Ersteigentümer sowie der Zweiteigentümerin mitgeteilt, dass neben ihnen auch die Beschwerdeführerin Eigentümerin des in Rede stehenden Superädifikates sei.

In ihrer aufgrund behördlicher Aufforderung erstatteten Stellungnahme vom 31. Jänner 2006 zur Niederschrift der Verhandlung an Ort und Stelle im Jahr 2004 vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass die allein zum Schutz gegen Witterungseinflüsse vorgenommenen Adaptierungen am Kleingartenhaus keine Erweiterung der Nutzfläche, keine raumbildende Konstruktion und auch keine Wand iSd BO und des KlGG darstelle. Die zur Ausführung des Vordaches verwendeten Glaselemente an den Vorder- und an den Seitenfronten seien verschiebbar und könnten zur Gänze entfernt werden. Die Adaptierung stelle keine raumbildende Konstruktion dar, sondern einen offen ausgeführten bewilligungsfähigen Vorbau, der auf die bebaute Fläche nicht anzurechnen sei. Die Adaptierung diene einzig dem Schutz des Kleingartenhauses gegen die Witterung; in der Vergangenheit sei es häufig zu Wassereinbrüchen in das Gartenhaus sowie in den Keller gekommen, was kostspielige Sanierungsmaßnahmen erfordert hätte. Es wurde beantragt, die vorgenommenen Adaptierungen nachträglich zu bewilligen.

Von der Baubehörde erster Instanz wurde mit Bescheid vom 14. März 2006 der Abbruch sämtlicher Wandelemente und der Überdachung des Stiegenabganges in den Keller angeordnet.

Die dagegen gerichtete Berufung vom 21. März 2006 wurde vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde als Baubehörde zweiter Instanz mit Bescheid vom 11. April 2006 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass die verbaute Fläche des bewilligten Sommerhauses 50 m2 betrage, was sich aus der Addition der Grundrissfläche von 6,8 m x 7 m und dem Vorsprung von 2 m x 1,2 m ergebe. Zum Bewilligungszeitpunkt seien die besonderen Bebauungsbestimmungen für Kleingartenanlagen in der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 13. Juli 1962 (genehmigt durch die Bezirkshauptmannschaft K vom 27. November 1962) sowie entsprechende Überarbeitungen dieser Bebauungsvorschriften vom 1. März 1973 und vom 5. März 1977 anzuwenden gewesen, wonach für Kleingartenhäuser in der S als Bebauungsdichte 1/6 der Gartenfläche, höchstens jedoch 50 m2 festgelegt worden seien. Gemäß § 14 KlGG seien diese Bebauungsbestimmungen bis zum 31. Dezember 1999 in Geltung gestanden. Die maximale bebaubare Fläche von 50 m2 sei somit durch die Baubewilligung konsumiert worden. Gemäß § 14 BO seien Zubauten von Gebäuden bewilligungspflichtig. Der vorliegende Zubau erweitere die bebaute Fläche und stelle eine raumbildende Konstruktion dar, woran der Umstand, dass die Elemente verschiebbar und entfernbar seien, nichts ändere. Eine Baubewilligung für den Zubau könne nicht erteilt werden, weil sowohl die damals geltenden Bebauungsbestimmungen (50 m2) ausgeschöpft worden seien, als auch die Bestimmungen des nunmehr anzuwendenden KlGG die Vergrößerung der bebauten Fläche nicht zuließen. Vor Beginn des in Rede stehenden Bauvorhabens sei weder um eine Baubewilligung angesucht noch mittels Bauanzeige eine Klärung der Bewilligungsfähigkeit der geplanten Bauführung angestrebt worden.

Die dagegen gerichtete Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Nach § 35 Abs. 2 Z. 3 erster Fall BO (LGBl. 8200-13) habe die Baubehörde u.a. den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn für dieses keine Baubewilligung vorliege. Dies gelte auch für konsenslose Zubauten zu einem bestehenden ursprünglich bewilligten Gebäude. Gemäß § 14 BO seien Zubauten von Gebäuden bewilligungspflichtig. Der vorliegende Zubau erweitere die bebaute Fläche und stelle eine raumbildende Konstruktion dar. Eine Baubewilligung für einen Zubau dürfe nicht erteilt werden und sei daher unzulässig, weil sowohl die damals geltenden Bebauungsbestimmungen (50 m2) ausgeschöpft worden seien als auch die Bestimmungen des nunmehr anzuwendenden KlGG die Vergrößerung der verbauten Flächen nicht zulassen würden (maximal bebaute Fläche von 35 m2, vgl. § 6 Abs. 2 zweiter Satz). Dem Einwand, die vorgenommene Baumaßnahme diene nur dem Schutz des Eigentums, sei entgegenzuhalten, dass das Eigentum immer nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen geschützt werden könne und das KlGG iVm der BO die vorgenommene Bautätigkeit nicht zuließen. Ferner sei die wirtschaftliche Zumutbarkeit eines baupolizeilichen Abbruchauftrags nicht zu prüfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

3.1. In § 4 Z. 3 BO wird als "Bauwerk" ein Objekt definiert, "dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist".

Die belangte Behörde ist gestützt auf den bei ihr in Vorstellung gezogenen Bescheid und auf dem Boden der ihr vorgelegten Verwaltungsakten, einschließlich der mit Lichtbildern dokumentierten Überprüfung am 15. April 2004 sowie der Niederschrift der Verhandlung an Ort und Stelle am 26. April 2004, zu dem danach nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass der vorliegende Wintergarten ein mit dem Boden kraftschlüssig verbundenes Bauwerk iSd § 4 Z. 3 BO darstellt, zumal (entgegen der Beschwerdeführerin) eine kraftschlüssige Verbindung im Sinn der genannten Bestimmung auch bereits durch das Gewicht des Wintergartens gegeben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2006/05/0224).

Ebenso zutreffend ist (wiederum entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin) die Auffassung der Behörde, dass mit dem vorliegenden Wintergarten zu dem im Jahr 1977 bewilligten Gebäude in waag- und lotrechter Errichtung eine Vergrößerung vorgenommen wird. Hiebei handelt es sich um einen Zubau iSd § 14 Z. 1 BO, somit um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, Zl. 2008/05/0251, mwH). Dass die Vorder- sowie die Seitenfronten des Zubaus mit verschiebbaren Türelementen verglast wurden, die nach Außen geöffnet und jederzeit ohne größeren Aufwand entfernt werden könnten, vermag daran nichts zu ändern. Von daher erweist sich die Auffassung der Beschwerdeführerin als nicht zielführend, es handle sich bei dem Wintergarten nicht um einen Zubau zu einem Gebäude, sondern lediglich um ein Vordach.

3.2. Gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 BO hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung oder Anzeige vorliegt und das Bauwerk unzulässig ist oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung zur Aufforderung hierzu eingebracht hat.

Liegt keine Baubewilligung vor, dann ist die Bewilligungsfähigkeit zu prüfen und bejahendenfalls dem Eigentümer die Einbringung eines entsprechenden Antrags innerhalb einer bestimmten Frist aufzutragen. Dieser Schritt hat zu entfallen, wenn das Bauwerk unzulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, Zl. 2007/05/0057). Unzulässig iSd § 35 Abs. 2 Z. 3 erster Fall BO ist ein Bauwerk gemäß § 23 Abs. 1 zweiter Satz u. a. dann, wenn es im Widerspruch zu den Bestimmungen des § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 BO steht. § 20 Abs. 1 Z. 6 BO wiederum verweist auf das KlGG.

Die belangte Behörde ist - wie erwähnt - zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Bewilligung des vom Bauauftrag erfassten Bauwerks unzulässig ist. Sie hat die Unzulässigkeit des Zubaus wegen der Überschreitung der zulässigen Grundrissfläche (sowohl im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung geltende Rechtslage als auch nach dem nunmehr maßgeblichen § 6 Abs. 2 KlGG) ohne Rechtsirrtum aufgezeigt, weshalb der gegenläufige Einwand der Beschwerdeführerin fehl geht.

Damit bestand für einen Alternativauftrag nach § 35 Abs. 2 Z. 3 BO kein Raum.

Im Fall der Unzulässigkeit eines Bauwerks ist die Anordnung des Abbruchs zwingend vorgesehen, wobei eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen im Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, Zl. 2005/05/0368). An diesem Ergebnis vermögen die Hinweise der Beschwerdeführerin auf das Erfordernis des Wintergartens für den Schutz des bewilligten Bauwerks und die Kosten der Errichtung des Wintergartens nichts zu ändern.

3.3. Auf dem Boden des Gesagten erweisen sich die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe (insbesondere mangels Einholung eines Sachverständigengutachtens) den Sachverhalt nicht hinreichend erhoben und festgestellt sowie den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet, als nicht zielführend.

3.4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 11. Mai 2010

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