Normen
BauO NÖ 1996 §20 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
BauO NÖ 1996 §20 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Marktgemeinde wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 13. März 1998 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Beschwerdeführerin die Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf ihrem Grundstück in Perchtoldsdorf, Corneliusgasse 5. Das Haus sollte nach den Einreichunterlagen direkt an die hintere Baufluchtlinie und somit im Abstand von 7 m zur hinteren Grundstücksgrenze angebaut werden.
Als Ergebnis einer baubehördlichen Überprüfung am 4. Oktober 2004 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 (u.a.) den Auftrag, das Gebäude abzubrechen und die ursprüngliche Höhenlage des Geländes wieder herzustellen.
In der Begründung wurde ausgeführt, dass im Gegensatz zum bewilligten Lageplan das Gebäude in einem Abstand von 3,20 m von der hinteren Grundstücksgrenze entfernt errichtet worden sei und somit die Baufluchtlinie um 3,80 m überbaut worden sei. Es sei daher ein anderes Gebäude als das mit Bescheid vom 13. März 1998 bewilligte Gebäude errichtet worden, welches nachträglich nicht bewilligungsfähig sei, da entgegen dem Bebauungsplan die hintere Baufluchtlinie auf ganzer Länge um 3,80 m überbaut worden sei. Die vorgefundenen großflächigen Änderungen der Höhenlage seien von der Baubewilligung nicht erfasst.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung erklärte die Beschwerdeführerin, dass das errichtete Gebäude durchaus der erteilten Bewilligung entspreche, allerdings nur auf einem anderen Standort innerhalb des Grundstückes errichtet worden sei. Dieser Standort sei ohnehin innerhalb des Mindestabstandes von 3 m zur hinteren Grundstücksgrenze situiert und die Überschreitung der Baufluchtlinie betrage im Verhältnis zur Gesamtlänge des Gebäudes lediglich 36,6 %. Die Überbauung der Baufluchtlinie sei nicht unzulässig; die Beschwerdeführerin hätte aufgefordert werden müssen, um eine nachträgliche Baubewilligung anzusuchen. Auch eine Interessenabwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit an der Einhaltung der NÖ Bauordnung, den subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten sowie der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit des Abbruches und der wirtschaftlichen Härte der Delogierung für die Mieter der Beschwerdeführerin hätte erfolgen müssen.
Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde wies diese Berufung mit Bescheid vom 27. Jänner 2005 ab. Im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan der Marktgemeinde Perchtoldsdorf sei für das gegenständliche Grundstück ein hinterer Bauwich in der Breite von 7 m über die gesamte Breite des Grundstückes ausgewiesen. Nach § 50 Abs. 2 NÖ BauO betrage der hintere Bauwich wie der seitliche Bauwich 3 m, sofern im Bebauungsplan nicht anderes festgelegt sei. Hier ist aber eine hintere Baufluchtlinie eingetragen, sodass ein hinterer Bauwich von 7 m von einer Bebauung freizuhalten ist. Die Beschwerdeführerin habe nicht das bewilligte Vorhaben ausgeführt. Bei einem Bauwerk sei nicht nur die summenmäßige Ansammlung von Baumaterial ausschlaggebend, sondern ein Bauwerk müsse definitionsgemäß mit dem Boden kraftschlüssig verbunden sein, sodass die Situierung des Bauwerkes auf einem Grundstück wesentlicher Bestandteil der Baubewilligung sei. Davon ausgehend sei hier etwas anderes errichtet worden, wofür keine Baubewilligung gemäß § 23 NÖ BauO vorliege; eine solche Baubewilligung sei wegen der Überschreitung der hinteren Baufluchtlinie ausgeschlossen. Die verlangten Abwägungen seien hier nicht anzustellen; wenn das Objekt ohne Baubewilligung errichtet wurde, so müsse es gemäß § 35 Abs. 3 NÖ BauO abgebrochen werden.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung wiederholte die Beschwerdeführerin ihre Auffassung, dass sie das Gebäude lediglich in einem Abstand von 3,20 m von der hinteren Grundstücksgrenze, aber sonst entsprechend der Baubewilligung errichtet habe. Hätte die Baubehörde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt, nachträglich um Baubewilligung anzusuchen, dann hätte eine Bauverhandlung stattgefunden, bei der die Nachbarn ihre Zustimmung erteilt hätten, sodass die von der Bewilligung abweichende Lage des Gebäudes zu genehmigen gewesen wäre. In Anbetracht der Gesamtlänge des Gebäudes von 10,38 m sei die Überbauung im Ausmaß von 3,8 m lediglich 36,6 % der Gebäudelänge, dies stelle keine deutliche Abweichung dar.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Die unbestritten erfolgte Ausführung sei unzulässig; es handle sich gegenüber der Baubewilligung um ein "Aliud". Aus § 50 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 51 Abs. 4 NÖ BauO ergebe sich, dass der Mindestbauwich von 3 m bzw. der halben Gebäudehöhe nur dann maßgeblich sei, wenn keine hintere Baufluchtlinie festgesetzt sei, andernfalls sei die hintere Baufluchtlinie als Mindestbauwich anzusehen und daher von jeglicher Bebauung mit Gebäuden freizuhalten. Dies könne weder durch eine Vereinbarung mit den Nachbarn noch aus wirtschaftlichen Überlegungen abgeändert werden. Auf Grund des Widerspruches zum Bebauungsplan wäre eine nachträgliche Baubewilligung nicht möglich, sodass zu Recht der Abbruch angeordnet worden war.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen, ursprünglich an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 14. Dezember 2005, B 3377/05, ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiven Recht auf Nichterlassung eines Abbruchauftrages sowie in ihrem Recht auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung verletzt. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, wie auch die mitbeteiligte Marktgemeinde, eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin habe die belangte Behörde das Gesetz deshalb unrichtig angewendet, weil sie in ihrem Abbruchbescheid davon ausgehe, dass ein anderes Gebäude errichtet worden sei. Es sei jedoch das Gebäude in Form, Größe und Ausstattung gemäß der erteilten Bewilligung errichtet worden und dies sei von der Firma E-Fertighaus AG als zuständiger Bauführerin mit Fertigstellungsanzeige vom 9. Oktober 2001 bestätigt worden. Es sei richtig, dass im Einreichplan ein Abstand von 7 m zur hinteren Grundstücksgrenze verzeichnet sei und dass das Gebäude tatsächlich in einem Abstand von 3,20 m von der hinteren Grundstücksgrenze errichtet worden sei. Wenn die belangte Behörde meine, dass eine derartige Überschreitung der hinteren Baufluchtlinie nicht zulässig sei, übersehe sie, dass die Bestimmungen über die Baufluchtlinien primär schutzwürdigen Interessen der Nachbarn dienten. Man müsse im Beschwerdefall an den sich aus § 50 NÖ BauO ergebenden Mindestabstand von 3 m anknüpfen; es könne nicht Ziel der NÖ BauO sein, dass sämtliche Gebäude, die über eine Baufluchtlinie errichtet wurden, abgetragen werden müssen. Da hier der gesetzliche Mindestabstand von 3 m gewahrt sei, hätte die nachträgliche Konsensfähigkeit bejaht werden müssen. Wenn nur mit einem Drittel der Gebäudelänge die Baufluchtlinie überbaut worden sei, könne von einem deutlichen Abweichen nicht gesprochen werden. Es hätte vielmehr eine Bauverhandlung unter Beiziehung der Nachbarn durchgeführt und deren Einverständnis geklärt werden müssen.
Der den Abbruch regelnde § 35 NÖ BauO 1996 in der Fassung
LGBl. 8.200-8 (BO) lautet auszugsweise:
"§ 35
Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag
(1) ...
(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn
1. mehr als die Hälfte des voll ausgebauten umbauten Raumes eines Gebäudes durch Baugebrechen unbenützbar geworden ist und gesundheits-, bau- oder feuerpolizeiliche Missstände vorliegen oder
2. die Behebung des Baugebrechens unwirtschaftlich ist und der Eigentümer innerhalb der ihm nach § 33 Abs. 2 gewährten Frist die Missstände nicht behoben hat oder
3. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und
- das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder
- der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.
Für andere Vorhaben gilt Z. 3 sinngemäß.
(3) ..."
Hier kommt allein der Tatbestand des § 35 Abs. 2 Z. 3 BO in Betracht; es ist zu prüfen, ob für das tatsächlich vorhandene, gegenüber der ursprünglich erteilten Baubewilligung um 3,8 m verschobene Bauwerk eine Bewilligung vorliegt.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Baubewilligung für ein durch seine Lage bestimmtes Vorhaben erteilt wird, sodass für jedes Verrücken des Vorhabens eine neuerliche Bewilligung erwirkt werden muss (siehe beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 15. Juli 2003, 2002/05/0743, vom 3. April 2003, Zl. 2002/05/1438 und vom 3. Juli 2001, Zl. 2001/05/0072). Wohl wurde auch eingeräumt, dass Einzelfälle denkbar sind, in denen durch eine geringfügige Verschiebung eines Bauwerkes nicht vom Vorliegen eines rechtlichen "Aliud" auszugehen sei; bei einer Verschiebung mit einem Drittel der Gebäudelänge kann von einer solchen Geringfügigkeit keine Rede sein, sodass schon deshalb ein Konsens zu verneinen ist und es diesbezüglich nicht darauf ankommt, dass hier mit dieser Verrückung auch eine Norm verletzt wurde, auf die § 23 Abs. 1 BO verweist.
Die zuletzt angesprochene Frage spielt allein insofern eine Rolle, als nur bei Unzulässigkeit der Bauauftrag unverzüglich erteilt werden kann, während ansonsten nach dem zweiten Unterfall des § 35 Abs. 2 Z. 3 BO die Möglichkeit eines Bauansuchens eingeräumt werden muss. Unzulässig im Sinne des dort genannten § 23 Abs. 1 BO ist ein Bauwerk, wenn ein Widerspruch zu den im § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 BO angeführten Bestimmungen besteht. § 20 Abs. 1 Z. 2 BO nennt den Bebauungsplan; ein Widerspruch zum Bebauungsplan macht ein Vorhaben wie auch ein schon bestehendes Bauwerk unzulässig.
Diese Unzulässigkeit liegt hier dadurch vor, dass durch die Ausführung die Baufluchtlinie um 3,80 m überschritten wurde. Für einen Alternativauftrag nach § 35 Abs. 2 Z. 3 BO bestand kein Raum, weil ein Ansuchen gemäß § 23 Abs. 1 2. Satz BO wegen des Hindernisses des § 20 Abs. 1 Z. 2 BO abgewiesen werden müsste.
Ist das Bauwerk unzulässig, dann hat die Behörde den Abbruch anzuordnen. Diese Anordnung ist somit zwingend vorgesehen; eine Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen sieht das Gesetz ebenso wenig vor wie eine Bedachtnahme darauf, ob Nachbarn mit der Abweichung einverstanden sind.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Marktgemeinde war abzuweisen, weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997) und weil sich diese Bestimmung auch auf § 48 Abs 3 Z 2 VwGG bezieht (hg. Erkenntnis vom 7. September 2004, Zl. 2001/05/0748 mwN).
Wien, am 3. Juli 2007
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