VwGH 2007/21/0262

VwGH2007/21/026229.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der B, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 2007, Zl. 145.372/3-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §11 Abs6;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §46 Abs4;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §11 Abs6;
NAG 2005 §2 Abs1 Z15;
NAG 2005 §46 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, beantragte (rechtsfreundlich vertreten) mit am 7. Oktober 2005 bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch eingelangter Eingabe vom 4. Oktober 2005 die Erteilung einer (Erst‑)Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Ehemann. Dieser sei ebenfalls türkischer Staatsbürger und seit 2002 in Österreich aufenthaltsberechtigt. Die Eheschließung sei am 7. Jänner 2005 erfolgt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 14. Juni 2007 wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin strebe eine Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Ehegatten an, sodass "von diesem" ein Einkommensnachweis zu erbringen sei. Er habe jedoch (auch im Beschwerdeverfahren unstrittig - infolge Erkrankung und Arbeitslosigkeit) lediglich Notstandshilfe von EUR 16,82 pro Tag (EUR 504,60 monatlich) bezogen. Zur Errechnung der Unterhaltsmittel, die einer Familie zur Verfügung stehen müssten, sei der Richtsatz gemäß § 293 ASVG heranzuziehen. Demnach müsse für ein Ehepaar, das im gemeinsamen Haushalt lebe, ein Betrag von monatlich EUR 1.091,14 zur Verfügung stehen. Da das Einkommen des Ehemannes der Beschwerdeführerin weit unter diesem Richtsatz liege, habe der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel nicht erbracht werden können.

Das im Verfahren namhaft gemachte Sparguthaben des Ehegatten von ca. EUR 5.000,-- könne dafür als nicht geeignet betrachtet werden, weil die Beschwerdeführerin eine dauernde Zuwanderung ins Bundesgebiet beabsichtige. Auch könne dabei nicht von festen oder regelmäßigen Einkünften, wie sie § 11 Abs. 5 NAG für eine entsprechende Zukunftsprognose fordere, gesprochen werden, zumal nicht ersichtlich sei, dass außer einem Einmalerlag weitere regelmäßige Einzahlungen auf dieses Sparbuch erfolgen würden.

Auch theoretische Ausführungen der Beschwerdeführerin, so argumentierte die belangte Behörde weiter, über einen "fiktiven Geldbetrag von EUR 1.200,--", der in etwa den Gegenwert ihrer kostenlosen Unterkunft darstellen solle, gingen insofern ins Leere, weil durch derartige Konstruktionen kein Nachweis tatsächlich vorhandener Unterhaltsmittel erbracht werde. Es sei daher sehr wahrscheinlich, dass ihr Aufenthalt in Österreich - ebenso wie der Aufenthalt ihres Ehegatten bereits derzeit - zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen werde.

In der weiteren Bescheidbegründung zitierte die belangte Behörde das Berufungsvorbringen zum Vorliegen humanitärer Gründe sowie den Inhalt des § 11 Abs. 3 NAG und führte dazu aus, dass in Österreich noch kein Privat- und Familienleben geführt worden sei, sodass auch nicht von der Aufrechterhaltung eines solchen gesprochen werden könne. Den öffentlichen Interessen sei gegenüber privaten Interessen der Beschwerdeführerin "absolute Priorität" einzuräumen, weil es ihr an einem gesicherten Lebensunterhalt fehle und dies eine wichtige Grundvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels darstelle.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, dass der gegenständliche, bei Inkrafttreten des NAG am 1. Jänner 2006 anhängige Fall gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach diesem Gesetz zu Ende zu führen war. Dabei ist offenkundig, dass der eingangs dargestellte Antrag nunmehr als solcher auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" im Zug der Familienzusammenführung gemäß § 46 Abs. 4 NAG zu verstehen ist.

Gemäß dem dabei anzuwendenden § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn - u.a. - dessen Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (Z. 4). Gemäß § 11 Abs. 5 NAG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und die der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, Zl. 2008/22/0711).

Aus § 11 Abs. 5 NAG ergibt sich, dass der Nachweis des Vorhandenseins der für einen Fremden notwendigen Unterhaltsmittel auch durch das Bestehen von Unterhaltsansprüchen erbracht werden kann. Der in § 11 Abs. 5 NAG erwähnte Unterhaltsanspruch kann sowohl aus einem gesetzlichen, etwa familienrechtlichen, als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren. Eine Einschränkung der zum Nachweis der Unterhaltsmittel geeigneten gesetzlichen Unterhaltsansprüche enthält das NAG nicht.

Im Fall eines vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruches, der durch Beibringung einer Haftungserklärung jenes Dritten, der sich zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet hat, nachzuweisen ist, legt § 11 Abs. 6 NAG demgegenüber fest, dass die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG mit einer Haftungserklärung im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 15 NAG erbringen zu können, ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein muss. Daraus ergibt sich nun, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Fremden, seine Unterhaltsmittel aus einem vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruch abzuleiten, auf jene Fälle einschränkte, in denen dies im Gesetz ausdrücklich für zulässig erklärt (bzw. sogar die Vorlage einer Haftungserklärung verpflichtend angeordnet) wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/22/0241).

Die Beschwerdeführerin strebt im vorliegenden Fall, wie oben erwähnt, die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 46 Abs. 4 NAG an. Weder § 46 NAG noch eine mit diesem unmittelbar im Zusammenhang stehende Bestimmung erlaubt zum Nachweis der Unterhaltsmittel die Vorlage einer Haftungserklärung. Somit können im vorliegenden Fall als Unterhaltsansprüche nach § 11 Abs. 5 NAG lediglich gesetzliche Unterhaltsansprüche zum Tragen kommen (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/22/0241, und vom 25. Februar 2010, Zl. 2009/21/0351).

Derartige Ansprüche sind nach der Aktenlage im vorliegenden Zusammenhang nur gegenüber dem Ehegatten der Beschwerdeführerin ersichtlich. Im Unterbleiben der Berücksichtigung von Haftungserklärungen der Schwiegereltern sowie näher bezeichneter Schwager und Schwägerinnen, denen gegenüber das Bestehen gesetzlicher Unterhaltsansprüche nicht ersichtlich ist, liegt daher - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - keine Gesetzwidrigkeit.

Die belangte Behörde ging weiters zutreffend davon aus, dass sie für die Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel den "Familienrichtsatz" des § 293 ASVG heranzuziehen habe, wenn - wie hier - ein Zusammenleben der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt geplant ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, Zl. 2008/22/0711).

Der Unterhalt muss für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts gesichert sein, wobei diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen. Der Verwaltungsgerichtshof hat (etwa im Erkenntnis vom 6. August 2009, Zl. 2008/22/0391) unter Hinweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaketes 2005 ausgesprochen, dass der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG auch durch Spareinlagen in Betracht kommt.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der beantragte Aufenthaltstitel gemäß § 20 Abs. 1 NAG lediglich für die Dauer von 12 Monaten auszustellen gewesen wäre, stand - von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen - einem monatlichen Einkommen (an Notstandshilfe) von EUR 504,60 ein Bedarf von jeweils EUR 1.091,14 gegenüber. Die Differenz, hochgerechnet auf ein Jahr, war somit durch das vorhandene Sparbuch mit einem Guthaben von EUR 5.000,-- nicht gedeckt. Auf die Fragen der Herkunft der angesparten Mittel und deren Offenlegung im Verwaltungsverfahren musste daher nicht näher eingegangen werden.

Ebenso ist - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - keine Rechtsgrundlage dafür ersichtlich, Naturalunterhaltsleistungen (Wert einer der Beschwerdeführerin eingeräumten "freien Station") allfälligen eigenen Einkünften hinzuzurechnen (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, Zl. 2008/22/0711).

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang Anleitungs- und Ermittlungsmängel der belangten Behörde geltend macht, ist sie darauf zu verweisen, dass ein Fremder nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen hat, dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts gesichert erscheint (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 6. August 2009, Zl. 2008/22/0391, und vom 26. Jänner 2010, Zl. 2009/22/0219 mwN). Dass dieser Nachweis erfolgt wäre, ist nach dem Gesagten im vorliegenden Fall jedoch, so wie die behaupteten Verfahrensfehler, zu verneinen.

Ebenso hat es die Beschwerdeführerin, soweit sie Rechte aus Art. 6 oder 7 des Beschlusses des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation (ARB) abzuleiten versucht, unterlassen, im Verwaltungsverfahren ein Vorbringen zu erstatten, aus dem entsprechende Anspruchsgrundlagen für ihre Person abgeleitet werden könnten.

Schließlich zitiert die belangte Behörde § 11 Abs. 3 NAG, demzufolge ein Aufenthaltstitel trotz des Fehlens einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 bis 6 NAG erteilt werden kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. In der Folge führte sie jedoch mit der Begründung der mangelnden Sicherung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin aus, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen "absolute Priorität" einzuräumen sei. Diese Begründung würde zwar dazu führen, dass bei fehlenden Unterhaltsmitteln die Interessenabwägung niemals zu Gunsten des Fremden ausgehen könnte und steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. September 2009, Zl. 2008/22/0659).

Daraus ist für die Beschwerdeführerin im Ergebnis aber nichts gewonnen. Es sind nämlich keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die der Führung eines Familienlebens der Beschwerdeführerin mit ihrem - in Österreich Notstandshilfe beziehenden - Ehegatten im gemeinsamen Heimatstaat entgegengestanden wären.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die von der Beschwerdeführerin beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. April 2010

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