Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §47;
EheG §23;
EheG §27;
EheG §55a;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §47;
EheG §23;
EheG §27;
EheG §55a;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. Juli 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9, § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 16. Oktober 2000 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 17. Oktober 2001 einen Asylantrag gestellt, der in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Ausweisung nach Indien sei für zulässig erklärt worden.
Am 25. Februar 2003 habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin Sabrina K. geheiratet und am 5. März 2003 einen Erstantrag auf Ausstellung der Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - § 49 Abs. 1 FrG" gestellt.
Bei einer Erhebung an der ehelichen Wohnadresse hätten sich erste Zweifel am Bestand einer Ehe im herkömmlichen Sinn ergeben. Frau K. habe am 8. Mai 2003 angegeben, dass der Beschwerdeführer mit ihr einen Tag nach der Heirat in die Wohnung einer Freundin eingezogen sei, wo sie ein Zimmer für sich allein habe benützen können. Sie müsse mit dem Beschwerdeführer langsam sprechen, weil er noch nicht alles in deutscher Sprache verstehe. Es habe sich um eine Liebesheirat gehandelt.
Frau K. - so die belangte Behörde weiter - habe im Zeitpunkt der Eheschließung Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 17,41 täglich und anschließend (jedenfalls bis 2005) Notstandshilfe in einer Höhe von EUR 15,16 täglich bezogen. In der Folge sei mehreren Verlängerungsanträgen des Beschwerdeführers auf Ausstellung von Niederlassungsbewilligungen stattgegeben worden.
Am 28. Februar 2006 habe Frau K. vor Beamten der Polizeiinspektion Mistelbach folgende Angaben gemacht:
"Nach anfänglichem Leugnen und nachdem ich von der Polizei darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ich seit 2003 dem AMS, jeweils bei Antragstellung auf Notstandsunterstützung, verschwiegen habe, dass ich mit (dem Beschwerdeführer) verheiratet bin, dieser jedoch ein dementsprechendes Einkommen hatte und mir somit keine Notstandsunterstützung zugestanden wäre, gebe ich nun zu, dass ich mit dem (Beschwerdeführer) eine Scheinehe habe. Ich habe den (Beschwerdeführer) durch einen gewissen C (Nachnahme ist mir nicht bekannt), der auch Vermittler der Scheinehe war, kennen gelernt. ... Der C hat mir damals 6.000 EUR versprochen, wenn ich
eine Scheinehe mit einem Ausländer eingehen würde. ... Erst zwei
Wochen vor der Trauung hat mir der C den (Beschwerdeführer) in einer Konditorei in der Nähe des Standesamts Hietzing vorgestellt. Dort wurde vereinbart, dass ich 3.000 EUR bei der Aufgebotsbestellung am Standesamt und weitere 3.000 EUR nach der Trauung erhalten werde. Dem war dann auch so. Das Geld wurde mir
jeweils vom C ausgehändigt. ... Mit (dem Beschwerdeführer) habe
ich niemals zusammengelebt und die Ehe wurde geschlechtlich auch nie vollzogen. ... Bei meinen pol. Meldungen in Wien handelte es sich immer um Scheinmeldungen. Seit 2003 habe ich in W, J-Straße 1- 5/15/5 (Anmerkung: nach dem Akteninhalt offensichtlich behördlich unangemeldet) gewohnt. Der (Beschwerdeführer) hat damals im
15. Bezirk gewohnt. Seit einem Jahr wohne ich nun im Bezirk
Mistelbach. ... Meine niederschriftlichen Angaben vom 08.03.2003,
die ich damals bei der Fremdenpolizei Wien gemacht habe, stimmen nicht. Ich habe damals absichtlich die Unwahrheit gesagt, damit die Scheinehe mit dem (Beschwerdeführer) nicht auffliegt.'"
Der von K. genannte Scheinehevermittler habe dem Bericht vom 30. März 2007 zufolge als der 36-jährige K S. ausgeforscht werden können. Am 11. Dezember 2006 sei die Zeugin K. neuerlich einvernommen worden, weil sie im Verdacht gestanden sei, in betrügerischer Absicht Notstandshilfe bezogen zu haben. Dabei sei sie bei den von ihr am 28. Februar 2006 gemachten Angaben geblieben. Sie habe die Notstandshilfe nicht zu Unrecht bezogen, weil es sich bei der Ehe mit dem Beschwerdeführer eben um eine Scheinehe ("Ehe auf dem Papier") gehandelt habe und sie nie zusammen gewohnt hätten.
Der Beschwerdeführer habe zu diesem Verfahrensergebnis angegeben, dass eine Scheinehe nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden könne. Ein "C" sei ihm unbekannt. Sollte diese Person existieren, möge sie einvernommen werden. Die Aussagen der Zeugin K. seien widersprüchlich. Die Ehe sei mittlerweile einvernehmlich geschieden, keineswegs aber für nichtig erklärt worden. Dies deute auf den aufrecht gewesenen Bestand der Ehe hin.
Es sei durchaus nicht ungewöhnlich - so die belangte Behörde weiter -, dass der österreichische Scheinehepartner anfänglich das Vorliegen der Scheinehe vehement bestreite, sie aber später zugebe, weil ihm oft erst nachträglich zu Bewusstsein komme, welche Nachteile mit der Scheinehe verbunden seien. Das "Geständnis" der Zeugin K. gebe den üblichen Ablauf des Abschlusses einer Scheinehe und deren weitere Aufrechterhaltung wieder und könne daher weder als unwahr noch als konstruiert erkannt werden. Es sei gängige Praxis, dass (fast) nur österreichische Männer und Frauen, die in schlechten finanziellen Verhältnissen lebten und (hohe) Schulden hätten, Scheinehen eingehen würden. Sie seien für die für einen Scheineheabschluss bezahlten Geldbeträge äußerst empfänglich. Da jedoch eine finanzielle Zuwendung an den Scheinehepartner keine Tatbestandselement des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG sei, sei die Vernehmung des "C" als Scheinehevermittler entbehrlich, zumal der Beschwerdeführer kein Beweisthema genannt habe. Der Beschwerdeführer habe ein massives Interesse, den Behörden ein gemeinsames Familienleben vorzuspiegeln, würde doch vom Gelingen der angestrebte weitere Aufenthalt im Bundesgebiet und die Sicherung des Lebensunterhalts durch Beschäftigungsaufnahme abhängen, wofür er möglicherweise Schleppern, dem Scheinehevermittler und dem Scheinehepartner hohe Geldsummen bezahlt habe. Daher werde der Zeugin K. höhere Glaubwürdigkeit zuerkannt, zumal sie sich durch ihr "Geständnis" eigentlich nur Unannehmlichkeiten zugezogen habe. Das Ehepaar sei eine Scheinehe eingegangen. Ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK habe nicht stattgefunden. Trotzdem habe sich der Beschwerdeführer im Erstantrag vom 5. März 2003 und in den Verlängerungsanträgen darauf berufen. Dass die Ehe vom Gericht geschieden worden sei, sage nichts darüber aus, ob bzw. dass während der Ehe ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt worden sei.
Das Verhalten des Beschwerdeführers, eine Scheinehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile einzugehen, laufe den öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG falle der fast siebenjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ins Gewicht. Eine von diesem Aufenthalt ausgehende Integration werde in ihrer Relevanz dadurch gemindert, dass der Beschwerdeführer fast drei Jahre lang nur eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz gehabt habe und die Asylgründe letztlich als nicht bestehend erkannt worden seien. Er habe sich in weiterer Folge die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nur durch das Vortäuschen einer "normalen" Ehe sichern können. Auch die legale Aufnahme einer Beschäftigung sei ihm nur auf Grund des Eingehens einer Aufenthaltsehe möglich gewesen.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet stehe gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und die Berufung darauf im Niederlassungsverfahren maßgebliche öffentliche Interessen iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung, geordnete Besorgung des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG). Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG).
Im Hinblick auf das Fehlverhalten des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen eines zehnjährigen Zeitraumes erwartet werden.
Da die Ehe des Beschwerdeführers mit der Zeugin K. bereits geschieden worden sei, sei auf die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 (iVm § 87) FPG nicht mehr Bedacht zu nehmen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Bebehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die die Beurteilung nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG tragenden Feststellungen und die diesbezügliche Beweiswürdigung der belangten Behörde. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe als Zeugin den Bestand einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft bestätigt. Sie sei anlässlich ihrer zuletzt durchgeführten Vernehmung unter Druck gesetzt worden, indem ihr vorgehalten worden sei, sie habe zu Unrecht Notstandshilfe bezogen, weil sie verschwiegen habe, verheiratet zu sein. Dies würde den Tatstand des Betrugs erfüllen und die Verpflichtung zur Rückerstattung der erhaltenen Sozialleistungen nach sich ziehen. Daher sei es für die Ehefrau des Beschwerdeführers nahe gelegen, eine Scheinehe zu bestätigen. Ihre Angaben über einen angeblichen Geldfluss seien "zu keinem Zeitpunkt überprüft" worden. Sie habe nach ihrer belastenden Aussage anlässlich der Scheidungsverhandlung vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien nach Wahrheitserinnerung durch den Richter "das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Bf sowie deren Zerrüttung ausdrücklich eingestanden".
1.2. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist in Anbetracht der oben dargestellten Aussagen der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers auch in Hinblick darauf nachvollziehbar und schlüssig, dass sich in den Ermittlungsergebnissen und selbst im Vorbringen des Beschwerdeführers nicht der geringste konkrete Anhaltspunkt für einen Lebensumstand findet, der auf ein tatsächlich geführtes Familienleben zwischen dem Beschwerdeführer und seiner früheren Ehefrau hindeuten würde. Die Scheidung einer Ehe besagt nicht, dass zuvor tatsächlich ein Familienleben bestanden hätte, und aus einem Beschluss über die einvernehmliche Scheidung kann nicht abgeleitet werden, dass keine Scheinehe vorgelegen habe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2007, Zl. 2007/18/0488). Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht zu beanstanden.
Anders als die Beschwerde meint, war die belangte Behörde auch nicht gehalten, den Beschwerdeführer persönlich einzuvernehmen oder eine Gegenüberstellung mit seiner früheren Ehefrau vorzunehmen, liegt doch dem Verfahrenskonzept des AVG grundsätzlich nicht das Prinzip der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme zu Grunde, zumal die Parteien des Verfahrens jederzeit die Möglichkeit haben, das ihrer Meinung nach erfolgversprechende Vorbringen zum Sachverhalt zu erstatten, das von der Behörde sodann einer Beweiswürdigung zu unterziehen wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. März 2005, Zl. 2001/08/0096, vom 16. Mai 2001, Zl. 96/08/0089, und vom 15. Dezember 2005, Zl. 2002/18/0224).
Soweit die Beschwerde schließlich rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, "die vom Bf gestellten Beweisanträge durchzuführen", so legt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar, weil sie weder angibt, um welche Beweise es sich handelt, noch darlegt, welcher Sachverhalt durch sie erwiesen werden soll.
2. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt und (im Hinblick darauf, dass das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Beschwerdeführers eine schwer wiegende Beeinträchtigung und Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt) die im § 60 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Daran ändert auch der seit dem Eingehen der Scheinehe verstrichene Zeitraum von etwa vier Jahren nichts, zumal sich der Beschwerdeführer nach dem Eingehen dieser Scheinehe noch in mehreren Verlängerungsanträgen auf die Ehe zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile berufen hat.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Oktober 2000 berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in seine persönlichen Interessen angenommen. Das Gewicht dieser Interessen wird jedoch dadurch entscheidend relativiert, dass der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers nur auf Grund eines Asylantrages und darüber hinaus auf Grund der mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Scheinehe (Aufenthaltsehe) ermöglicht wurde.
Stellt man diesen Interessen das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber, so begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht schwerer wögen als das gegenläufige öffentliche Interesse und somit die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn zulässig sei, unter dem Blickwinkel des § 66 FPG keinem Einwand.
4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, haben sich doch keine besonderen Umstände ergeben, die zu einer Ermessensübung nach § 60 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers hätten führen müssen.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 24. September 2009
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