VwGH 2007/13/0022

VwGH2007/13/002227.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Mag. Dr. Roland Kier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, Außenstelle Wien (Finanzstrafsenat 2), vom 9. Jänner 2007, GZ. FSRV/0138-W/06, betreffend Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung sowie Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §145 Abs4;
FinStrG §161 Abs1;
VwRallg;
FinStrG §145 Abs4;
FinStrG §161 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Zurückweisung des Einspruches gegen die Strafverfügung betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der Begründung, die Strafverfügung vom 11. Juli 2005 sei dem Beschwerdeführer zu eigenen Handen (RSa-Brief) zugestellt worden und "daher" bereits am 16. August 2005 in Rechtskraft erwachsen, wies das Finanzamt mit Bescheid vom 26. September 2006 die in der Eingabe vom 23. August 2006 erhobene "Berufung (Einspruch) gegen die Strafverfügung" als verspätet zurück. Gemäß § 145 FinStrG könne der Beschuldigte gegen die Strafverfügung innerhalb eines Monats nach Zustellung bei der Finanzstrafbehörde erster Instanz Einspruch erheben. Der nunmehr am 23. August 2006 eingebrachte - als Berufung bezeichnete - Einspruch sei somit verspätet eingebracht worden und deshalb zurückzuweisen.

Mit Bescheid ebenfalls vom 26. September 2006 wies die Finanzstrafbehörde erster Instanz weiters einen in der Eingabe vom 23. August 2006 ("in eventu") gestellten Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" ab. Die Strafverfügung vom 11. Juli 2005 sei bereits am 16. August 2005 in Rechtskraft erwachsen. Die Zustellung sei deshalb nicht an den Verteidiger erfolgt, weil gemäß § 9 Abs. 1 ZustellG in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2004 die Bevollmächtigung zur Empfangnahme von Dokumenten gegenüber der Behörde ausdrücklich erteilt werden müsse, "eine solche jedoch zum Zeitpunkt der Zustellung nicht aktenkundig war, sondern lediglich eine allgemeine Vollmacht vorlag". Da die Zustellung somit wirksam durch Hinterlegung erfolgt und kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis glaubhaft gemacht worden sei, welches den Beschwerdeführer an der rechtzeitigen Einbringung eines Einspruches gehindert hätte, sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen gewesen.

In der Administrativbeschwerde vom 29. September 2006 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, bei aufrechtem Bestand einer Zustellbevollmächtigung könne nicht an die Partei selbst rechtswirksam zugestellt werden. Die Zustellung habe vielmehr an den Zustellbevollmächtigten zu erfolgen. Werde stattdessen an den Vertretenen selbst zugestellt, dann sei diese Zustellung unwirksam. Auch eine allgemeine Vertretungsvollmacht schließe die Zustellbevollmächtigung ein. Die an den Beschwerdeführer selbst erfolgte Zustellung sei damit als nicht rechtswirksam zu betrachten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde als unbegründet ab. Außer Streit stehe, dass bei aufrechtem Bestand einer Zustellbevollmächtigung - wie sich dies aus § 56 Abs. 3 FinStrG iVm § 9 Abs. 1 Zustellgesetz ergebe - nicht an die Partei selbst rechtswirksam zugestellt werden dürfe, die Zustellung vielmehr an den Zustellbevollmächtigten zu erfolgen habe und eine Zustellung, die an den Vertretenen selbst erfolge, unwirksam sei. Vom Beschwerdeführer werde allerdings übersehen, dass mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004 mit Wirksamkeit ab 1. März 2004 eine Änderung des Zustellgesetzes in Kraft getreten sei. Durch die Einfügung des Wortes "ausdrücklich" in § 9 Abs. 1 ZustellG habe der Gesetzgeber seinen Willen dahingehend kundgetan, dass ab 1. März 2004 neben dem allgemeinen Hinweis, dass eine Vollmacht erteilt worden sei, ausdrücklich auch eine Zustellvollmacht erklärt werden müsse. Da sich der Verteidiger des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall nicht ausdrücklich (auch) auf die Zustellungsbevollmächtigung berufen habe, sei die unmittelbare Zustellung an den Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 16. Juli 2006 rechtmäßig erfolgt. Damit sei der mit Eingabe vom 23. August 2006 nach Ablauf der in § 145 FinStrG normierten Monatsfrist erhobene Einspruch gesetzeskonform als verspätet zurückgewiesen worden. Da die Zustellung zu Recht persönlich an den Beschwerdeführer erfolgt sei, könne darin auch kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis erblickt werden, welches den Beschwerdeführer an der rechtzeitigen Einbringung eines Einspruches gehindert hätte. Das Vorbringen des Beschwerdeführers stelle damit auch keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, sodass auch diesbezüglich die Administrativbeschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass der angefochtene Bescheid auf der rechtsirrigen Ansicht der belangten Behörde beruhe, wonach eine allgemein erteilte Vollmacht (auf die sich der Beschwerdeführer in Schriftsätzen vom 12. Mai und 10. Juni 2005 berufen habe) nach der Novelle des § 9 Abs. 1 ZustellG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004 eine Zustellvollmacht nicht mehr einschließe.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht. Im Beschluss vom 23. Oktober 2008, 2007/16/0032, auf dessen Entscheidungsgründe nach § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass auch nach der Novelle des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz durch das Bundesgesetz BGBl I Nr. 10/2004 eine nur allgemein erteilte Vollmacht die Zustellvollmacht einschließt. Eine Heilung des Zustellmangels dadurch, dass das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist, war mit der Änderung des Zustellgesetzes durch die zitierte Novelle weiters nicht mehr möglich (erst mit § 9 Abs. 3 Zustellgesetz idF des Verwaltungs- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl I Nr. 5/2008, wurde eine solche Heilungsmöglichkeit wieder eingeführt).

Gemäß § 145 Abs. 4 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz den Einspruch gegen eine Strafverfügung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn er unzulässig ist oder nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Die Bescheidwirkungen der Zurückweisung einer Eingabe mangels Bescheidcharakters der bekämpften Erledigung erstrecken sich auch darauf, dass verbindlich vom Nichtbestehen des bekämpften Bescheides auszugehen ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 30. April 1996, 95/14/0127, und vom 21. Juli 1998, 98/14/0067). Im Beschwerdefall hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz den Einspruch wegen Verspätung (somit nach der zweiten Alternative des § 145 Abs. 4 FinStrG) zurückgewiesen, wobei die belangte Behörde durch die Abweisung der dagegen gerichteten Administrativbeschwerde den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides übernommen hat. Damit wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Abspruch über die Zurückweisung der Berufung in seinen Rechten verletzt (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 9. Dezember 2004, 2000/14/0197, mwN).

Soweit der angefochtene Bescheid auch über die Abweisung eines (im Verwaltungsverfahren nur "in eventu" geltend gemachten) Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abspricht, wird diesbezüglich in der Beschwerde keine Rechtsverletzung angesprochen, sodass der angefochtene Bescheid als insoweit nicht in Beschwerde gezogen anzusehen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er über die Zurückweisung des Einspruches gegen die Strafverfügung abspricht, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. Jänner 2009

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