VwGH 2007/01/0466

VwGH2007/01/046621.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde 1. des A N (auch A N) und 2. der N N, beide in G und vertreten durch Mag. Dr. Franz Hafner und Dr. Karl Bergthaler, Rechtsanwälte in 4813 Altmünster, Marktstraße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Februar 2007, Zl. Gem(Stb)-419952/11-2007/Gru/Ha, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §292;
ASVG §293 Abs1;
ASVG §293;
ASVG §296 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs5;
StaatsbürgerschaftsrechtsNov 2005;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5;
ASVG §292;
ASVG §293 Abs1;
ASVG §293;
ASVG §296 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs5;
StaatsbürgerschaftsrechtsNov 2005;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Erstbeschwerdeführers, eines aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen, vom 31. Jänner 2003 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und das Ansuchen um Erstreckung der Verleihung auf die Ehegattin (die Zweitbeschwerdeführerin) "gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 und Abs. 5 sowie § 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006", ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, der Erstbeschwerdeführer beziehe laut (dem vorgelegten) Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom Jänner 2006 eine Nettopension in Höhe von EUR 1.003,72. Die Ehegattin (die Zweitbeschwerdeführerin) habe erklärt, kein eigenes Einkommen zu beziehen, der Erstbeschwerdeführer komme für ihren Lebensunterhalt auf. Der "Ausgleichszulagenrichtsatz" (damit gemeint: Richtsatz des § 293 ASVG) habe im Jahr 2006 für eine alleinstehende Person EUR 690,-- und für ein Ehepaar EUR 1.055,99 betragen. Das Einkommen der beiden Beschwerdeführer erreiche diesen Richtsatz (gemeint für Ehegatten im gemeinsamen Haushalt) nicht. Daher sei der Lebensunterhalt nicht hinreichend gesichert und liege das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.

Gemäß § 10 Abs. 5 StbG ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z. 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

Die Beschwerdeführer bestreiten die Feststellungen über den "Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehepaare" für das Jahr 2006 (in Höhe von EUR 1.055,99) und den Nettobezug der Pension (in Höhe von EUR 1.003,72) nicht, sie bringen aber gegen den angefochtenen Bescheid vor, "bei Bezug einer Ausgleichszulage" komme unabhängig von der Höhe der eigenen Pension gemäß § 73 ASVG der Krankenversicherungsbeitrag (von 4,95 %) in Abzug, sodass ein um diesen Beitrag verminderter Betrag zur Nettoauszahlung gelange. Die belangte Behörde komme zu dem Ergebnis, dass "das Einkommen eines ausgleichszulagenbeziehenden Ehepaares nicht den Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 ASVG erreicht". Soweit § 10 Abs. 5 StbG auf den Richtsatz nach § 293 ASVG verweise, sei "auf den entsprechenden Nettobetrag abzustellen".

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Mit der zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gab der Gesetzgeber zu verstehen, dass er die Staatsbürgerschaft nur an Fremde verliehen wissen will, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein; dass den Verleihungswerbern am Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts im Sinne der vorgenannten Bestimmungen kein Verschulden trifft, ist nicht von Belang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 2008, Zl. 2008/01/0494, mwN).

Zur Vermeidung einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft hat der Gesetzgeber die Höhe der nachzuweisenden Einkünfte an die Richtsätze des § 293 ASVG angeknüpft. Auch entspricht es dem Gesetz, bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0944, mwN).

Für eine Unterschreitung der vom Gesetzgeber herangezogenen Richtsätze besteht nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 5 StbG keine Grundlage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0295).

Insoweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Regelung des § 73 ASVG und den "Abzug des Krankenversicherungsbeitrages bei Bezug einer Ausgleichszulage" ins Treffen führen, ist dem zu erwidern, dass § 73 Abs. 1 ASVG keine Sonderregelung für Ausgleichszulagen trifft, sondern ein der Höhe nach näher bestimmter Beitrag für die Krankenfürsorge von jeder auszuzahlenden Pension, Pensionssonderzahlung und jedem auszuzahlenden Übergangsgeld, wenn und solange sich der Pensionist (Übergangsgeldbezieher) ständig im Inland aufhält, einzubehalten ist. § 73 Abs. 1 zweiter Satz ASVG bestimmt (ausdrücklich), dass Ausgleichszulagen zu den Pensionen (sowie Pensionssonderzahlungen) zählen. Dass unter den Begriff Versicherungsleistungen im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG auch die Ausgleichszulage fällt, hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt mit Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0295, ausgesprochen. Auf die Begründung in dieser Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 3. April 2009, Zl. 2008/22/0711, zur nahezu gleichlautenden Bestimmung des § 11 Abs. 5 NAG festgehalten hat, ist bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltsnettoeinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht. Auch bei der Prüfung nach § 10 Abs. 5 StbG ist - dem folgend - auf das Nettoeinkommen abzustellen, ist nach dieser Bestimmung und dem Willen des Gesetzgebers doch wesentlich, dass der Lebensunterhalt des Verleihungswerbers hinreichend gesichert ist und künftig gesichert sein wird (vgl. das genannte hg. Erkenntnis Zl. 2007/01/0295), was aber nur bei Heranziehung des Nettoeinkommens gesagt werden kann. Daran ändert die Aussage im zitierten hg. Erkenntnis Zl. 2007/01/0295 nichts, wonach das Erfordernis nach § 10 Abs. 5 StbG erfüllt ist, wenn der Staatsbürgerschaftswerber nachweisen kann, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage zur Pension für den maßgeblichen Zeitraum (der letzten drei Jahre) vorgelegen sind. Diese Aussage ist nämlich nicht isoliert, sondern - wie die Erwägungsgründe in ihrem Zusammenhang zeigen - dahingehend zu verstehen, dass es dem Verleihungswerber nicht zum Nachteil gereicht, wenn er Anspruch auf eine Ausgleichszulage hatte, aber auf eine Antragstellung nach § 296 Abs. 2 ASVG - aus welchen Gründen auch immer - verzichtet hat. Danach ist die Ausgleichszulage als Versicherungsleistung iS des § 10 Abs. 5 StbG zu berücksichtigen, wenn ein gesetzlicher Anspruch auf sie besteht und nicht allein dann, wenn sie tatsächlich bezogen wurde. Dies ändert nichts daran, dass auch bei dieser Betrachtungsweise zu beurteilen ist, welches Nettoeinkommen ein Verleihungswerber in einem solchen Fall unter Berücksichtigung der nach dem Gesetz einzubehaltenden Beträge gehabt hätte.

Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Erstbeschwerdeführer im Jahr 2006 als Haushaltsnettoeinkommen eine Nettopension in Höhe von EUR 1.003,72 (monatlich) bezog, die aber den für dieses Jahr maßgeblichen "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG nicht erreicht.

Die belangte Behörde ließ unberücksichtigt, dass gemäß § 105 Abs. 1 ASVG zu Pensionen aus der Pensionsversicherung, die in den Monaten April bzw. September bezogen werden, je eine Sonderzahlung gebührt. Die Sonderzahlung gebührt nach Abs. 3 leg. cit. in Höhe der für den Monat April bzw. September ausgezahlten Pension einschließlich der Zuschüsse und der Ausgleichszulage. Die Sonderzahlungen sind zu im Monat April beziehungsweise September laufenden Pensionen in diesen Monaten, sonst zugleich mit der Aufnahme der laufenden Pensionszahlung flüssigzumachen.

Davon ausgehend kann aber nicht gesagt werden, die Beschwerdeführer hätten im Jahr 2006 (also innerhalb des Beobachtungszeitraumes von drei Jahren vor der Entscheidung) nicht ein Einkommen in der gesetzlich geforderten Höhe bezogen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. Jänner 2010

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