VwGH 2006/06/0288

VwGH2006/06/028826.6.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der AT in St. A, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Brixnerstraße 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. Mai 2006, Zl. Ve1-8-1/205-2, betreffend Untersagung eines angezeigten Bauvorhabens (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St. A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4 Satz1 idF 1998/I/158;
AVG §18 Abs4 Satz2 idF 2004/I/010;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §18 Abs4 Satz1 idF 1998/I/158;
AVG §18 Abs4 Satz2 idF 2004/I/010;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde nahm mit Erledigung vom 3. Juni 2004 die Ausführung des von der Beschwerdeführerin angezeigten Bauvorhabens (die Errichtung einer Dachgaupe auf dem auf einem Grundstück in der Gemeinde errichteten Gebäude) nach Maßgabe der eingereichten Unterlagen zur Kenntnis.

Der Baubehörde wurde in der Folge bekannt, dass die angezeigte Dachgaupe nicht entsprechend den eingereichten und der Bauanzeige zu Grunde liegenden Plänen errichtet worden sei.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde setzte der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 27. Juli 2004 gemäß § 37 Abs. 2 Tir. BauO 2001 (TBO 2001) eine Frist bis zum 13. August 2004, innerhalb der die Bauanzeige unter Beilage von entsprechenden Unterlagen nachzuholen sei. Diesem Auftrag kam die Beschwerdeführerin am 11. August 2004 nach.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde untersagte mit Bescheid vom 7. September 2004 die Ausführung des mit Tekturplänen der Beschwerdeführerin belegten Bauvorhabens gemäß § 6 Abs. 1 TBO 2001 und wies die Bauanzeige zurück. Er führte dazu im Wesentlichen aus, dass Dachkapfer gemäß § 6 Abs. 2 lit. b TBO 2001 bis zu einer Länge von insgesamt 33 v.H. der Wandlänge auf der betreffenden Gebäudeseite und bis zu einer Höhe von 1,40 m bei der Berechnung der Mindestabstände gemäß Abs. 1 außer Betracht blieben, wobei vom lotrechten Abstand zwischen dem untersten Schnittpunkt des Dachkapfers mit der Dachhaut und dem höchsten Punkt des Dachkapfers auszugehen sei. Demzufolge seien also Dachkapfer, die über das genannte Maß hinausgingen, im Mindestabstandsbereich unzulässig. Die beantragte Dachgaupe habe eine Länge von 9,90 m und eine Höhe von 1,40 m, dies bei einer Gebäudelänge von 13,30 m. Zulässig wäre demnach eine Gaupenlänge von (13,3 x 0,33 =) 4,39 m. Die Außenmauer des bestehenden Gebäudes sei 3,25 m von der Grundgrenze zur Gp. 1027/3 entfernt. Die Dachgaupe sei bündig mit der Außenmauer ausgeführt. Demnach rage sie in den Mindestabstandsbereich von 4 m. Zudem liege der höchste Punkt des Gebäudes 8,60 m über dem Gelände. Ein Horizontalabstand von (8,6 x 0,6 =) 5,16 m wäre daher einzuhalten. Auch in dieser Hinsicht springe die Dachgaupe in den Abstandsbereich nach § 6 Abs. 1 TBO 2001. Die Erklärung der Eigentümerin der benachbarten Grundparzelle, gegen das Bauvorhaben keinen Einwand zu erheben und auf das Recht der Einhaltung der Mindestabstände zu verzichten, ändere die Sachlage und die gesetzlichen Vorgaben nicht.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 27. Oktober 2004 als unbegründet ab.

Die belangte Behörde gab der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 10. Jänner 2005 Folge, behob den Berufungsbescheid vom 27. Oktober 2004 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass die Genehmigung bzw. Untersagung eines Bauvorhabens als antragsbedürftiger Verwaltungsakt nach § 22 TBO 2001 grundsätzlich einen Antrag des Bauwerbers voraussetze. Werde ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt, wie im vorliegenden Fall, ohne Vorliegen eines Parteiantrages erlassen, so sei er infolge Unzuständigkeit der Behörde rechtswidrig und zu beheben. Die Beschwerdeführerin habe nach Aufforderung am 11. August 2004 neue Planunterlagen zur Abänderung der Dachgaupe vorgelegt. Eine Bauanzeige sei nicht angeschlossen worden. Da die TBO 2001 klar zwischen der Bauanzeige und den Planunterlagen unterscheide, könne die Vorlage von Planunterlagen für ein Projekt allein nicht als Bauanzeige qualifiziert werden.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde gab darauf der Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 21. März 2005 Folge, behob den erstinstanzlichen Bescheid vom 7. September 2004 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde.

Die Beschwerdeführerin zeigte mit Schreiben vom 22. April 2005 (am selben Tag im Bauamt der mitbeteiligten Gemeinde eingelangt) den Umbau der verfahrensgegenständlichen Dachgaupe, die südwestlich an das bestehende Gebäude nach den beigelegten Plänen in einer Länge von 9,90 m und einer Höhe von 1,30 m zugebaut werde, an.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde untersagte mit Erledigung vom 23. Mai 2005 die Ausführung des angezeigten Bauvorhabens und wies die Bauanzeige zurück. Er begründete dies wie im erstinstanzlichen Bescheid vom 7. September 2004.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 6. April 2006 als unbegründet ab. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass eine eingebrachte Bauanzeige nach § 22 Abs. 3 TBO 2001 mit schriftlichem Bescheid zurückzuweisen sei, wenn die angezeigten Maßnahmen den Bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften widersprächen. Gemäß § 6 Abs. 2 lit. b TBO 2001 sei festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Bewilligung einer Dachgaupe möglich sei. Eine Zustimmungsmöglichkeit des Nachbarn sei dabei nicht vorgesehen.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Auch sie stützte sich im Besonderen darauf, dass die verfahrensgegenständliche Gaupe nicht unter § 6 Abs. 2 TBO 2001 subsumiert werden könne. Sofern die Beschwerdeführerin ins Treffen führe, dass das auf dem Grundstück bestehende Gebäude die Mindestabstände bereits unterschreite und daher die Errichtung des Dachkapfers zulässig sei, sei dem entgegenzuhalten, dass gemäß der Bestimmung des § 6 Abs. 9 TBO 2001 lediglich geringfügige Zubauten zulässig seien und daher aus dem Hinweis auf das Bestehen eines Altbestandes im Hinblick auf das Ausmaß des Dachkapfers für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen sei. Da die Berufungsbehörde von der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung auszugehen habe, sei die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin Verhandlungen mit ihrer Nachbarin hinsichtlich einer allfälligen Grundabtretung führe, irrelevant.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der zunächst dagegen bei ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 5. Oktober 2006, B 1213/06-4, abgelehnt und unter einem die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In den die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof betreffenden Ausführungen der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass dem erstinstanzlichen Bescheid vom 23. Mai 2005 der Name des Genehmigenden nicht entnommen werden könne. Diese Erledigung sei somit mit einem wesentlichen Fehler behaftet, der zur absoluten Nichtigkeit dieser Erledigung führe. Gemäß § 18 Abs. 4 AVG habe die Ausfertigung einer Erledigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Sie könne ferner entweder vom Genehmigenden eigenhändig unterzeichnet oder als von der Kanzlei beglaubigte Ausfertigung ergehen. Damit einer schriftlichen Erledigung im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG Bescheidqualität zukomme, habe diese den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Diesem Erfordernis könne durch eine leserliche Unterschrift, durch die leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden bei der Unterschrift oder durch eine andere geeignete namentliche Angabe des Genehmigenden auf der Ausfertigung entsprochen werden. Diesen Anforderungen genüge die Erledigung vom 23. Mai 2005 nicht.

Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers kommt Berechtigung zu.

Für die in Frage stehende Erledigung des Bürgermeisters vom 23. Mai 2005 kam das AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 zur Anwendung.

Gemäß § 18 Abs. 4 zweiter und dritter Satz AVG hat die Ausfertigung der Erledigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Sie kann ferner entweder vom Genehmigenden eigenhändig unterzeichnet oder als von der Kanzlei beglaubigte Ausfertigung ergehen.

Der der Beschwerdeführerin zugestellte und von ihr dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegte erstinstanzliche Bescheid vom 23. Mai 2005 weist folgende Fertigungsklausel auf:

"Der Bürgermeister

....

(Unterschrift des Vizebürgermeisters JK, leserlich ist nur der Titel 'Vzbm.')

TR (der Name des Bürgermeisters)"

Eine leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden, nämlich des genannten Vizebürgermeisters, findet sich in der Fertigungsklausel nicht, vielmehr ist der Name des Bürgermeisters leserlich beigefügt. Die Unterschrift des Vizebürgermeisters wiederum ist mit Ausnahme auf den Hinweis auf die Funktion als Vizebürgermeister - wie die Beschwerdeführerin zutreffend vertritt - nicht leserlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2004, Zl. 2004/17/0201, zu dem Erfordernis des Namens des Genehmigenden auf einem Bescheid im Sinne des § 18 Abs. 4 erster Satz AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 ausgesprochen, dass diesem Erfordernis durch eine leserliche Unterschrift, durch die leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden bei der Unterschrift oder durch eine andere geeignete namentliche Angabe des Genehmigenden auf der Ausfertigung entsprochen wird. Dies muss in gleicher Weise für die nunmehr im zweiten Satz des § 18 Abs. 4 AVG in gleichartiger Weise wie in der angeführten Novelle 1998 genannten Erfordernisse für die Ausfertigung einer Erledigung (u.a. der Name des Genehmigenden) gelten. Wird diesem Erfordernis des Aufscheinens des Namens des Genehmigenden in einer behördlichen Erledigung nicht entsprochen, kommt dieser Erledigung keine Bescheidqualität zu.

Der Name des Genehmigenden geht aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Erledigung vom 23. Mai 2005 nicht in der geforderten erkennbaren Weise hervor. Die Unterschrift des Genehmigenden ist nicht leserlich und sein Name wurde auch nicht beigefügt, sondern der Name des Bürgermeisters. Die Unklarheit über den Genehmigenden ergibt sich im vorliegenden Fall vor allem daraus, dass der Name des Bürgermeisters beigefügt wurde, der in diesem Fall aber nicht der genehmigende Organwalter war, da er durch den Vizebürgermeister vertreten wurde. Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher auch maßgeblich zu jener hg. Judikatur zu § 18 Abs. 4 AVG i.d.F. BGBl. I Nr. 158/1998, nach der die Identität des genehmigenden und im Kopf der Erledigung angeführten Bürgermeisters eines Bescheides auch dann ausreichend erkennbar ist, wenn seine Unterschrift unleserlich ist, weil es nur einen Bürgermeister gibt (vgl. das Erkenntnis vom 24. Oktober 2000, Zl. 2000/05/0162). Es handelt sich bei dieser Erledigung daher nicht um einen Bescheid. Diesen wesentlichen Formalfehler der erstinstanzlichen Entscheidung, durch den die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Bindungswirkung der letztlich getroffenen bescheidmäßigen und inhaltlichen Entscheidung auch in Rechten verletzt wurde, hätte sowohl die Berufungsbehörde als auch die belangte Behörde aufgreifen müssen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf den in der genannten Verordnung für Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalsatz, in dem auch bereits die Umsatzsteuer enthalten ist, abzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte