VwGH 2000/05/0162

VwGH2000/05/016224.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Dr. Franz Ackerl und der Edith Ackerl in Wien, beide vertreten durch Dr. Otto Ackerl, Rechtsanwalt in Wien XXI, Brünnerstraße 37/5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. Mai 2000, Zl. RU1-V-00020/00, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. Rudolf Novak und Karina Novak in Wiener Neustadt, Gabelsbergergasse 7/2/6, 2. Marktgemeinde Grafenbach - St. Valentin, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4 idF 1998/I/158;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §18 Abs4 idF 1998/I/158;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund ihres Ansuchens vom 16. März 1998 war den Erstmitbeteiligten die Baubewilligung für den Neu-, Zu- und Umbau des bestehenden Wohnhauses, der Garage und von Einfriedungsmaßnahmen erteilt worden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Eingabe vom 10. Juli 1999 beantragten die Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, dass sie Eigentümer des diesem Bauvorhaben benachbarten Grundstückes seien, die Baubehörde wolle nach Durchführung eines Augenscheines den Bauwerbern und dem Bauführer geeignete bauliche Maßnahmen zur Verhinderung der Ableitung der Niederschlagswässer auf das Grundstück der Beschwerdeführer auftragen. Auf Grund dieser Eingabe wurde eine mündliche Verhandlung zur Überprüfung der durchgeführten Baumaßnahmen vorgenommen. Mit einem weiteren Antrag vom 27. Juli 1999 wiederholten die Beschwerdeführer ihren Antrag vom 10. Juli 1999 und stellten weiters den Antrag, die Baubehörde wolle den Erstmitbeteiligten und dem Bauführer die Vorlage eines Baubewilligungsantrages und eines Bauplanes gemäß §§ 18 und 19 der Nö. Bauordnung 1996 über die beabsichtigte Geländeänderung auftragen, darüber eine Baubewilligungsverhandlung nach § 21 leg. cit. ausschreiben, und die Beschwerdeführer zu dieser Baubewilligungsverhandlung als Nachbarn laden.

In der Folge erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten

Marktgemeinde folgende Erledigung:

"Marktgemeinde Grafenbach-St. Valentin

Ernst Gruberstraße 1, 2632 Grafenbach-St. Valentin

Bezirk Neunkirchen, NÖ Telefon 02630/37216, Fax 02630/333753

Grafenbach-St. Valentin, 5.10.1999

Herrn und Frau

Dr. Franz und Edith ACKERL

Fillgradergasse 9/5

1060 Wien

Betrifft: Antrag auf Baubewilligungsverhandlung Sehr geehrter Herr Dr. Ackerl, sehr geehrte Frau Ackerl!

Ihr Antrag die Baubehörde wolle den Bauwerbern und dem Bauführer die Vorlage eines Baubewilligungsantrages und des Bauplanes gemäß § 18 und 19 der NÖ BO 1996 über die beabsichtigte Geländeänderung auftragen und darüber eine Baubewilligungsverhandlung nach § 21 der NÖ BO 1996 auszuschreiben und zu dieser Baubewilligungsverhandlung Sie als Nachbar zu laden wird abgelehnt.

BEGRÜNDUNG

Gemäß § 14 Ziff. 8 bedarf die Veränderung der Höhenlage des Geländes auf einem Grundstück im Bauland einer Baubewilligung. Das Grundstück des Bauwerbers, Dr. Rudolf und Karina Novak, Grundstück Nr. 746/5, EZ 256, KG St. Valentin-Landschach, ist jedoch im gültigen Flächenwidmungsplan als Grünland ausgewiesen. Da im § 14 Veränderungen der Höhenlage des Geländes nur auf einem Grundstück im Bauland hingewiesen wird war Ihr Antrag sinngemäß abzulehnen.

Hochachtungsvoll

Der Bürgermeister:"

Es folgt eine unleserliche Unterschrift ohne Beifügung des Namens des Genehmigenden.

Die Beschwerdeführer werteten dieses Schreiben als Bescheid und brachten dagegen Berufung ein. Diese hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 als unzulässig zurückgewiesen. Das Schreiben sei weder als Bescheid bezeichnet, noch enthalte es eine Rechtsgrundlage, wonach ein "Rechtsspruch" abzuleiten wäre, ebenso fehle eine Rechtsmittelbelehrung und auch von der Anredeform her sei zu erkennen, dass das Schreiben nicht als Bescheid gelten sollte, sondern nur als Information auf Grund des Schreibens der Beschwerdeführer vom 27. Juli 1999. Die Formulierung des Antrages im Schreiben vom 27. Juli 1999 entbehre bereits jeder Grundlage. Dieser Antrag sei nicht als Antrag zu werten, sondern lediglich als Anzeige. Diese Anzeige sei seitens der Baubehörde auch aufgegriffen und entsprechend geprüft worden, wobei die Behörde zum Schluss gelangt sei, dass eine Niveauveränderung im Grünland keiner Baubewilligung gemäß § 14 Z. 8 der Nö. BO 1996 bedürfe. Dieses Ergebnis sei eben den Beschwerdeführern mit einem einfachen Schreiben zwecks Information mitgeteilt worden. Da kein Bescheid vorliege, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Es liege mit der Erledigung vom Oktober 1999 schon deshalb kein Bescheid vor, weil eine schriftliche Erledigung, um im Sinne des § 18 Abs. 4 erster Satz AVG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) Bescheidqualität zu haben, den Namen des Genehmigenden enthalten müsse. Die vorliegende bekämpfte schriftliche Erledigung, die vom Bürgermeister mit unleserlichem Schriftzug gefertigt sei und der der Name des Genehmigenden auch sonst nicht zu entnehmen sei, weise daher schon aus diesem Grund keine Bescheidqualität auf. Demgegenüber vermöge die Aufsichtsbehörde nicht nachzuvollziehen, weshalb das Fehlen der übrigen Bescheidmerkmale der Erledigung den Bescheidcharakter nehmen sollte. Wenn auch die erstinstanzliche Erledigung nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet sei, so ergebe sich doch aus dem Spruch eindeutig, dass die Behörde normativ über eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden habe. Die sprachliche Gestaltung, "Ihr Antrag ... wird abgelehnt", bringe einen normativen Inhalt zweifelsfrei zum Ausdruck. Auch habe das vollständige Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung keine Rechtsfolgen, zumal dieser Fehler das nach dem Gesetz offen stehende Rechtsmittel nicht auszuschließen vermöge. Im Ergebnis sei daher dem Gemeinderat zuzustimmen, sodass die Berufung deswegen als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei, weil sie sich gegen einen Verwaltungsakt richtete, dem kein Bescheidcharakter zukomme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Marktgemeinde hat eine Gegenschrift eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Beschwerdegegenständlich kann ausschließlich die Frage sein, ob der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde und diesem folgend die belangte Behörde, mit Recht davon ausgegangen sind, dass die Erledigung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 5. Oktober 1999 keinen Bescheid darstellt.

Schon in seinem Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass für das Vorliegen eines Bescheides als wesentliche Voraussetzungen jedenfalls die Bezeichnung der Behörde, der der Bescheid zuzurechnen ist, und der hoheitsrechtliche, rechtsverbindliche (normative) Inhalt erforderlich sind . Die Bestimmungen des AVG (damals 1950) und des im Beschwerdefall anzuwendenden materiellen Rechtes über Inhalt und Form des Bescheides seien, was die für den Bescheid aufgestellten Merkmale anlange, nicht für sich allein, sondern in ihrem Zusammenhang, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsschutz innerhalb der Verwaltung und dem Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit auszulegen; sie seien also nicht isoliert so zu verstehen, dass behördliche Erledigungen nur dann als Bescheide zu werten seien, wenn alle gesetzlichen Vorschriften über Inhalt und Form der Bescheide und über die Bescheiderlassung (sowie auch über das Zustandekommen von Bescheiden) erfüllt seien. Enthalte eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und auch die Unterschrift oder auch die Beglaubigung, dann sei das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich.

Walter-Mayer in Verwaltungsverfahrensrecht (7. Auflage, Rzl. 379) qualifizieren den Bescheid als individuellen, hoheitlichen, im Außenverhältnis ergehenden, normativen (rechtsgestaltenden oder rechtsfeststellenden) Verwaltungsakt.

Wie die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides zutreffend ausführt, enthält die Erledigung des Bürgermeisters vom 5. Oktober 1999 alle jene Merkmale, die einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides darstellen. Im Sinne der oben genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist, abgesehen von der Problematik der Unterschrift, auf die noch eingegangen wird, davon auszugehen, dass die Erledigung vom 5. Oktober 1999 einen Bescheid darstellt: Es ist die Behörde erkennbar, der die Erledigung zuzurechnen ist, nämlich der Bürgermeister, es wird ein individueller Antrag abgelehnt, die Erledigung enthält auch eine Begründung und sie ist nach außen in Erscheinung getreten.

Die belangte Behörde hat das Nichtvorliegen eines Bescheides lediglich an den Umstand geknüpft, dass diese Erledigung nicht den leserlichen Namen des Genehmigenden enthält.

In seinem Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 99/12/0291, hat der Verwaltungsgerichtshof zu der ab dem 1. Jänner 1999 geltenden Fassung des § 18 Abs. 4 AVG, BGBl. I Nr. 158/98, ausgeführt, dass dann, wenn auch ohne ausdrückliche Namensnennung in der Erledigung der dem § 18 Abs. 4 AVG zu Grunde liegenden Forderung des Gesetzgebers, dass für die Parteien eines Verwaltungsverfahrens die Identität des Genehmigenden erkennbar sein müsse, dennoch entsprochen wird, wenn (wie im damaligen Beschwerdefall) ein oberstes Staatsorgan (Minister) als zuständige oberste Verwaltungsbehörde die Erledigung persönlich - wenngleich unleserlich - fertige, weil es nur einen (damals) Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr gebe und dessen Identität als notorisch zu gelten habe.

Da die Erledigung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 5. Oktober 1999 im Kopf die Bezeichnung "Marktgemeinde Grafenbach-St. Valentin" enthält und es nur einen Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde gibt, war offenkundig, wem diese Erledigung zuzurechnen ist, auch wenn die Unterschrift des Bürgermeisters nicht leserlich ist. Im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 23. Februar 2000 ist daher davon auszugehen, dass auch ohne ausdrückliche Namensnennung in der Erledigung dem Erfordernis des § 18 Abs. 4 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 entsprochen ist.

Da die mangelnde Beifügung des Namens des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde als Genehmigenden im Beschwerdefall daher die Bescheidqualität der behördlichen Erledigung nicht verhindert hat und die übrigen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Bescheides gegeben waren, hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 5. Oktober 1999 zu Unrecht zurückgewiesen. Da die belangte Behörde dies nicht erkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2000

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