VwGH 2006/01/0888

VwGH2006/01/088816.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des Z M in J, geboren 1987, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Schlick & Mag. Steinhofer Kommandit-Partnerschaft in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. Oktober 2006, Zl. FA7C - 11-168/2006-31, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs5;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §11;
ASVG §293 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs5;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §11;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. Oktober 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines am 13. Oktober 1987 geborenen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 26. Jänner 2006 abgewiesen. Als Rechtsgrundlage wurden von der belangten Behörde die §§ 10, 11 iVm § 64a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), angeführt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, im Beschwerdefall sei das StbG in der Fassung der am 23. März 2006 in Kraft getretenen Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 anzuwenden, zumal ein Zusicherungsbescheid, auf Grund dessen sich nach der Übergangsbestimmung des § 64a Abs. 4 StbG die Anwendbarkeit der Rechtslage vor der genannten Novelle ergeben hätte, nicht ergangen sei.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG dürfe die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert sei. Diese Voraussetzung liege beim Beschwerdeführer nicht vor, da er mit seiner Familie, mit der er gemeinsam in einem Haushalt lebe, vom 10. Mai 2005 bis 31. Oktober 2005 Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (zum Zweck der Abdeckung der Mietkosten) in der Höhe von insgesamt EUR 2.612,68 in Anspruch genommen habe. Eigene Einkünfte des Beschwerdeführers bestünden nur in Form einer für die Dauer einer Ausbildung vom 27. Februar 2006 bis (voraussichtlich) 2. November 2006 vom Arbeitsmarktservice gewährten Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes in der Höhe von täglich EUR 18,50.

Da der Beschwerdeführer somit über keine (entsprechenden) eigenen Einkünfte verfüge, sei zur Beurteilung, ob sein Lebensunterhalt gesichert sei, das Einkommen der Eltern, die für den Beschwerdeführer zudem Familienbeihilfe beziehen würden, in den letzten 36 Monaten heranzuziehen. Deren Sozialhilfebezug von 10. Mai 2005 bis 31. Oktober 2005 schließe jedoch die Annahme eines gesicherten Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers aus.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.

Gemäß § 10 Abs. 5 StbG ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z. 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

2. Zur Bestimmung des § 10 Abs. 5 StbG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass diese nicht bloß "demonstrativen Charakter" hat, sondern damit eine "Definition" der in § 10 Abs. 1 Z. 7 leg. cit. aufgestellten zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts des Verleihungswerbers vorgenommen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 2008, Zl. 2007/01/1394).

§ 10 Abs. 1 Z. 7 und Abs. 5 StbG müssen dabei unter dem Blickwinkel des damit verfolgten Zwecks gesehen werden, die Staatsbürgerschaft nur an Fremde zu verleihen, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. August 2007, Zl. 2007/01/0459). Auch für den Beschwerdeführer ist das Vorliegen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes somit anhand der Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 StbG zu prüfen, wobei zum Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes für den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Bescheiderlassung unter anderem eigene Einkünfte aus Erwerb oder Versicherungsleistungen bzw. aus gesetzlichen Unterhaltsansprüchen dienen können.

3. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, ab 27. Februar 2006 bis (voraussichtlich) 2. November 2006 eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes in der Höhe von täglich EUR 18,50 zu beziehen; darüber hinausgehende (regelmäßige) Einkünfte aus Erwerb oder aus Versicherungsleistungen wurden hingegen nicht behauptet. Auch einem im vorgelegten Verwaltungsakt befindlichen Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung vom 25. Jänner 2006 lassen sich für die Zeit davor lediglich kurze Beschäftigungszeiten (vom 25. Dezember 2004 bis 8. Jänner 2005, vom 20. Oktober 2005 bis 8. November 2005 und vom 24. Dezember 2005 bis 30. Dezember 2005) entnehmen. Soweit die Beschwerde daher Ermittlungsmängel hinsichtlich des Bestehens eines ausreichenden eigenen Einkommens des Beschwerdeführers rügt, ist ihr nicht zu entnehmen, über welche - über die festgestellte Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes hinausgehenden - festen und regelmäßigen Einkünfte der Beschwerdeführer in den letzten drei Jahren vor Bescheiderlasssung tatsächlich verfügt hat, die die belangte Behörde festzustellen verabsäumt habe. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers wird somit nicht aufgezeigt.

4. Die soeben genannten Einkünfte wären - würde man beim Beschwerdeführer nur darauf abstellen - nicht geeignet, feste und regelmäßige eigene Einkünfte für die letzten drei Jahre vor dem Entscheidungszeitpunkt, die der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 Abs. 1 ASVG entsprechen, nachzuweisen (vgl. zur Berechnung des maßgeblichen Einkommens das hg. Erkenntnis vom 4. September 2008, Zl. 2008/01/0494). Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren aber vorgebracht, mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt gelebt und (im Zeitpunkt der Bescheiderlassung) eine Berufsausbildung absolviert zu haben. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie infolge dessen die Unterhaltsleistungen der Eltern des Beschwerdeführers bei der Beurteilung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG als maßgeblich angesehen hat.

5. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt hat, ist bei einem gemeinsamen Haushalt von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0944, unter Verweis auf das zu § 11 Abs. 5 NAG ergangene hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, Zl. 2008/22/0711). Der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers wäre in diesem Fall im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG hinreichend gesichert, wenn im maßgeblichen Zeitraum der letzten drei Jahre vor dem Entscheidungszeitpunkt ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch des Beschwerdeführers gegen seine Eltern bestand und deren Einkommen durchgehend den "Haushaltsrichtsatz" gemäß § 293 Abs. 1 ASVG erreicht hat, ohne dass dabei Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften in Anspruch genommen wurden. Dies war aber den insoweit nicht bestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zufolge schon deshalb nicht der Fall, weil vom 10. Mai 2005 bis zum 31. Oktober 2005 tatsächlich Sozialhilfeleistungen durch die Eltern bezogen wurden.

6. Da die Annahme eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes somit schon durch den dargestellten Bezug von Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen wurde, konnten fallbezogen weitere Feststellungen zur Haushaltsgröße und dem daraus sich ergebenden notwendigen Einkommen sowie dessen Gegenüberstellung mit dem tatsächlichen Haushaltseinkommen unterbleiben. Soweit die Beschwerde fehlende Feststellungen dazu, "ob, wie und wann" die Sozialhilfe dem Beschwerdeführer zugute gekommen sei, bemängelt, ist darauf hinzuweisen, dass es nach dem Gesagten lediglich darauf ankommt, ob Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften im hier vorliegenden Ausmaß (vgl. zu besonderen Fallkonstellationen im Hinblick auf eine einmalige Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen die hg. Erkenntnisse vom 22. August 2007, Zl. 2007/01/0459, und vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0944) durch die zum Unterhalt verpflichteten Eltern in Anspruch genommen wurden.

7. Die Beschwerde rügt weiters, der Begründung des angefochtenen Bescheides sei nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Sozialhilfebezuges tatsächlich mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Diesbezüglich ist ihr zu entgegnen, dass die belangte Behörde unmissverständlich davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern gelebt hat und lebt. Diese Feststellung beruht im Übrigen auf dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, Gegenteiliges wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Darüber hinaus wird aber auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht aufgezeigt, weil die Annahme eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes im Falle des Fehlens von Unterhaltsleistungen der Eltern des Beschwerdeführers wiederum ein eigenes Einkommen des Beschwerdeführers in der Höhe des Richtsatzes für Einzelpersonen gemäß § 293 Abs. 1 ASVG voraussetzen würde, das im Beschwerdefall nicht vorlag.

8. Die Beschwerde legt weiters nicht dar, inwiefern der (von der belangten Behörde nicht festgestellte) Umstand, dass die Eltern und Geschwister des (volljährigen) Beschwerdeführers nunmehr österreichische Staatsbürger seien, für diesen ein anderes Ergebnis herbeiführen hätte können. Die Ausführungen der Beschwerde zur fortgeschrittenen Integration des Beschwerdeführers in Österreich müssen schon deshalb erfolglos bleiben, weil es sich beim Nachweis eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 iVm § 10 Abs. 5 StbG um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung handelt, bei deren Fehlen für eine Berücksichtigung der Kriterien des § 11 StbG im Sinne einer positiven Ermessensübung kein Raum bleibt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. August 2005, Zl. 2004/01/0578).

9. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

10. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Dezember 2009

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