VwGH 2006/01/0488

VwGH2006/01/048822.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde der beschwerdeführenden Parteien 1. K Ö in W, 2. B L in K, und 3. R H in K, alle vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Siebensterngasse 42-44, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 6. Juli 2006, Zl. KUVS-455-457/8/2006, betreffend eine Beschwerde über polizeiliche Bildaufnahmen (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art83 Abs2;
DSG §31 Abs2;
SPG 1991 §51 Abs1;
SPG 1991 §88 Abs2;
SPG 1991 §90 Abs1;
SPG 1991 §90;
B-VG Art83 Abs2;
DSG §31 Abs2;
SPG 1991 §51 Abs1;
SPG 1991 §88 Abs2;
SPG 1991 §90 Abs1;
SPG 1991 §90;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 19. Jänner 2006 fand am Hauptplatz in V eine Kundgebung der Partei "Die G K" statt, an der auch die beschwerdeführenden

Parteien teilnahmen. Sie wurden dabei - ohne ihre Zustimmung - von Polizeibeamten im Auftrag der Sicherheitsdirektion Kärnten gefilmt und die Bilder an den Einsatz- und Führungsstab beim Stadtpolizeikommando V übertragen.

Dagegen erhoben die beschwerdeführenden Parteien eine Beschwerde "gemäß § 88 Abs. 2 SPG" an die belangte Behörde, mit der sie die Feststellung begehrten, "die Überwachung und das Abhören der Beschwerdeführer am 19.1.2006" sei rechtswidrig gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Beschwerde als unbegründet ab.

Sie legte ihrer Entscheidung (u.a.) folgenden Sachverhalt zugrunde:

Am 19. Jänner 2006 fand in V ein informelles Treffen der EU-Sozialminister statt. Aus Anlass dieses Ereignisses konnten die Sicherheitsbehörden auf Grund "der gesamteuropäischen Erfahrung und der aktuellen Situation" insbesondere im Licht der damaligen österreichischen EU-Präsidentschaft eine "potenzielle terroristische Bedrohung" nicht ausschließen. Ebenso erschien es möglich, dass sich nicht angemeldete Aktivisten unter die (insgesamt fünf) angemeldeten Kundgebungen in V mischen und "aktionistische Handlungen" durchführen würden. Am 18. Jänner 2006 ergaben sich ferner Hinweise auf den Aufenthalt von acht bis neun "Berufsdemonstranten" im Raum K. Der Behörde war auch bekannt, dass Vertreter gesetzgebender Körperschaften (Abgeordnete zum Nationalrat und zum Landtag) an den Kundgebungen teilnehmen würden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung schätzte eine "mittlere Gefährdungslage" ein. Auf Grund dessen wurde den Sicherheitsbehörden im Vorfeld der Veranstaltung aufgetragen, "für die Sicherheit vor Ort, die Bewachung von Menschen und Sachen sowie die Weitergabe von Wahrnehmungen nach dem Versammlungsgesetz" Sorge zu tragen. Dafür wurde es lediglich für notwendig erachtet, Bildübertragungen der stattfindenden Veranstaltungen vorzunehmen; eine Bildaufzeichnung sollte hingegen nicht stattfinden. Aus diesem Grund beauftragte die Sicherheitsdirektion Kärnten das Landeskriminalamt Kärnten mit der Durchführung einer Bildübertragung von strategisch maßgebenden Bereichen. Diese Übertragung sollte dem Einsatz- und Führungsstab als "wesentliches Führungsmittel für die effiziente Abwicklung des Gesamteinsatzes" dienen. Die mobile Bildübertragung führten jeweils zwei Polizeibeamte mit Kamera und mobiler Sendeeinheit ohne Mikrofon durch. Die Bilder wurden "wie ein Film" an den Einsatz- und Führungsstab übertragen und dort "wie eine Fernsehübertragung" angesehen. Aufzeichnungen und eine Tonübertragung fanden nicht statt. Im Zuge dieser Aktion wurden auch Bilder der beschwerdeführenden Parteien, die an der von der Partei "Die G K" am Hauptplatz veranstalteten Kundgebung teilnahmen, übertragen.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, die "hinsichtlich der Überwachung der Beschwerdeführer" erhobene Beschwerde sei gemäß § 88 Abs. 2 SPG zulässig, aber nicht berechtigt. Es sei festzuhalten, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Sinn des § 20 SPG die Gefahrenabwehr, den vorbeugenden Schutz von Rechtsgütern, die Fahndung, die kriminalpolizeiliche Beratung und die Streitschlichtung umfasse. Im Folgenden zitierte die belangte Behörde die §§ 21 (Gefahrenabwehr), 22 (vorbeugender Schutz von Rechtsgütern), 28a, 29 und 48 SPG (Bewachung von Menschen und Sachen) und führte im Anschluss daran fallbezogen (wörtlich) aus:

"Im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt, hier insbesondere den Aufenthalt von acht bis neun Berufsdemonstranten in K am 18.01.2006, die Anwesenheit von Vertretern gesetzgebender Körperschaften bei den Versammlungen selbst, die österreichische EU-Präsidentschaft und die Gefahreneinschätzung des informellen EU-Sozialministertreffens als ‚mittlere Gefährdungslage', steht jedenfalls fest, dass die (tonlosen!) Bildübertragungen auch der Kundgebung der "die Grünen Kärnten" als verhältnismäßige Maßnahme im Rahmen der sicherheitspolizeilichen Aufgabenerfüllung im Sinn der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zu qualifizieren sind. Auf das Erfordernis dieser Maßnahme ist im übrigen besonders hinzuweisen."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid "wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben".

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die relevanten Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 158/2005, lauten:

"4. Teil

Verwenden personenbezogener Daten im Rahmen der Sicherheitspolizei

1. Hauptstück

Allgemeines

§ 51. (1) Die Sicherheitsbehörden haben beim Verwenden (Verarbeiten und Übermitteln) personenbezogener Daten die Verhältnismäßigkeit (§ 29) zu beachten. Beim Verwenden sensibler und strafrechtlich relevanter Daten haben sie angemessene Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen zu treffen.

(2) Sofern nicht ausdrücklich Anderes angeordnet wird, finden auf das Verwenden personenbezogener Daten die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, Anwendung.

2. Hauptstück

Ermittlungsdienst

Aufgabenbezogenheit

§ 52. Personenbezogene Daten dürfen von den Sicherheitsbehörden gemäß diesem Hauptstück nur verwendet werden, soweit dies zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Ermächtigungen nach anderen Bundesgesetzen bleiben unberührt.

Zulässigkeit der Verarbeitung

§ 53. (1) Die Sicherheitsbehörden dürfen personenbezogene Daten ermitteln und weiterverarbeiten

1. für die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht (§ 19);

2. für die Abwehr krimineller Verbindungen (§§ 16 Abs. 1 Z 2 und 21);

2a. für die erweiterte Gefahrenerforschung (§ 21 Abs. 3) unter den Voraussetzungen des § 91c Abs. 3;

3. für die Abwehr gefährlicher Angriffe (§§ 16 Abs. 2 und 3 sowie 21 Abs. 2); einschließlich der im Rahmen der Gefahrenabwehr notwendigen Gefahrenerforschung (§ 16 Abs. 4 und § 28a);

4. für die Vorbeugung wahrscheinlicher gefährlicher Angriffe gegen Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Freiheit, Vermögen oder Umwelt (§ 22 Abs. 2 und 3) oder für die Vorbeugung gefährlicher Angriffe mittels Kriminalitätsanalyse, wenn nach der Art des Angriffes eine wiederholte Begehung wahrscheinlich ist;

  1. 5. für Zwecke der Fahndung (§ 24);
  2. 6. um bei einem bestimmten Ereignis die öffentliche Ordnung aufrechterhalten zu können.

    ...

    Besondere Bestimmungen für die Ermittlung

§ 54. (1) Sollen personenbezogene Daten durch Einholen von Auskünften ermittelt werden, so haben die Sicherheitsbehörden auf den amtlichen Charakter sowie auf die Freiwilligkeit der Mitwirkung hinzuweisen. Der Hinweis kann unterbleiben, wenn wegen wiederholter Kontakte über diese Umstände kein Zweifel besteht.

(2) Die Ermittlung personenbezogener Daten durch Beobachten (Observation) ist zulässig

  1. 1. zur erweiterten Gefahrenerforschung (§ 21 Abs. 3);
  2. 2. um eine von einem bestimmten Menschen geplante strafbare Handlung gegen Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Freiheit, Vermögen oder Umwelt noch während ihrer Vorbereitung (§ 16 Abs. 3) verhindern zu können;

    3. wenn sonst die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen gefährdet oder erheblich erschwert wäre.

(3) Das Einholen von Auskünften ohne Hinweis gemäß Abs. 1 (verdeckte Ermittlung) ist zulässig, wenn sonst die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen gefährdet oder erheblich erschwert, oder die erweiterte Gefahrenerforschung durch Einsatz anderer Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre.

(4) Die Ermittlung personenbezogener Daten mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ist nur für die Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen und zur erweiterten Gefahrenerforschung (§ 21 Abs. 3) zulässig; sie darf unter den Voraussetzungen des Abs. 3 auch verdeckt erfolgen. Das Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt. Unzulässig ist die Ermittlung personenbezogener Daten jedoch

1. mit Tonaufzeichnungsgeräten, um nichtöffentliche und nicht in Anwesenheit eines Ermittelnden erfolgende Äußerungen aufzuzeichnen;

2. mit Bildaufzeichnungsgeräten, um nichtöffentliches und nicht im Wahrnehmungsbereich eines Ermittelnden erfolgendes Verhalten aufzuzeichnen.

(4a) Die verdeckte Ermittlung (Abs. 3) und der Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten (Abs. 4) sind zur Abwehr einer kriminellen Verbindung nur zulässig, wenn die Begehung von mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlungen (§ 17) zu erwarten ist. Bei jeglichem Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ist besonders darauf zu achten, dass Eingriffe in die Privatsphäre der Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) zum Anlass wahren.

(4b) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, verdeckt mittels Einsatz von Kennzeichenerkennungsgeräten personenbezogene Daten für Zwecke der Fahndung (§ 24 SPG) zu verarbeiten. Der Einsatz ist auf maximal einen Monat zu beschränken. Die Daten sind zu löschen, sobald sie für Zwecke der konkreten Fahndung nicht mehr benötigt werden.

(5) Ist zu befürchten, daß es bei einer Zusammenkunft zahlreicher Menschen zu gefährlichen Angriffen gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum von Menschen kommen werde, so dürfen die Sicherheitsbehörden zur Vorbeugung solcher Angriffe personenbezogene Daten Anwesender mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ermitteln; sie haben dies jedoch zuvor auf solche Weise anzukündigen, daß es einem möglichst weiten Kreis potentieller Betroffener bekannt wird. Die auf diese Weise ermittelten Daten dürfen auch zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe, die sich während der Zusammenkunft ereignen, verarbeitet werden.

(6) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen vorangegangener gefährlicher Angriffe, zu befürchten, dass es an öffentlichen Orten (§ 27 Abs. 2) zu gefährlichen Angriffen gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum von Menschen kommen wird, dürfen die Sicherheitsbehörden zur Vorbeugung solcher Angriffe personenbezogene Daten Anwesender mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten ermitteln. Sie haben dies jedoch zuvor auf solche Weise anzukündigen, dass es einem möglichst weiten Kreis potentieller Betroffener bekannt wird. Die auf diese Weise ermittelten Daten dürfen auch zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe, die sich an diesen öffentlichen Orten ereignen, sowie für Zwecke der Fahndung (§ 24) verwendet werden. Soweit diese Aufzeichnungen nicht zur weiteren Verfolgung auf Grund eines Verdachts strafbarer Handlungen (§ 22 Abs. 3) erforderlich sind, sind sie nach längstens 48 Stunden zu löschen.

(7) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, an öffentlichen Orten (§ 27 Abs. 2) personenbezogene Daten mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten zu ermitteln, wenn an diesen Orten oder in deren unmittelbarer Nähe nationale oder internationale Veranstaltungen unter Teilnahme von besonders zu schützenden Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte (§ 22 Abs. 1 Z 3) stattfinden. Diese Maßnahme darf nur in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung und bei Vorliegen einer Gefährdungssituation gesetzt werden und ist auf eine Weise anzukündigen, dass sie einem möglichst weiten Kreis potentiell Betroffener bekannt wird. Die ermittelten Daten dürfen auch zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe und zur Abwehr krimineller Verbindungen sowie für Zwecke der Fahndung (§ 24) verwendet werden. Soweit sie nicht zur weiteren Verfolgung aufgrund eines Verdachts strafbarer Handlungen erforderlich sind, sind sie nach längstens 48 Stunden zu löschen.

...

6. Teil

Rechtsschutz

1. Abschnitt

Subjektiver Rechtsschutz

Recht auf Gesetzmäßigkeit sicherheitspolizeilicher Maßnahmen

§ 87. Jedermann hat Anspruch darauf, daß ihm gegenüber sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur in den Fällen und der Art ausgeübt werden, die dieses Bundesgesetz vorsieht.

Beschwerden wegen Verletzung subjektiver Rechte

§ 88. (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG).

(2) Außerdem erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

...

(4) Über Beschwerden gemäß Abs. 1 oder 2 entscheidet der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder. Im übrigen gelten die §§ 67c bis 67g und 79a AVG.

Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über den Datenschutz

§ 90. Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt."

Die relevanten Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999, lauten:

"Beschwerde an die Datenschutzkommission

§ 31. (1) Die Datenschutzkommission erkennt auf Antrag des Betroffenen über behauptete Verletzungen des Rechtes auf Auskunft gemäß § 26 durch den Auftraggeber einer Datenanwendung, soweit sich das Auskunftsbegehren nicht auf die Verwendung von Daten für Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit bezieht.

(2) Zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung nach diesem Bundesgesetz ist die Datenschutzkommission dann zuständig, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, der nicht als Organ der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit tätig ist. ..."

2. Unstrittig ist im gegenständlichen Verfahren, dass die belangte Behörde keinen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu beurteilen hatte. Die beschwerdeführenden Parteien machten in ihrer "Beschwerde gemäß § 88 Abs 2 SPG" an die belangte Behörde vielmehr geltend, durch die in Beschwerde gezogenen "Überwachungs- und Abhörmaßnahmen" in ihren Rechten "gem §§ 54 iVm 87 SPG sowie Art 8 EMRK" verletzt worden zu sein. Im Folgenden präzisierten sie, in ihren Fällen seien personenbezogene Daten ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 SPG ermittelt worden.

Auch die vorliegende Beschwerde sieht die Verletzung der Rechte der beschwerdeführenden Parteien darin, dass eine Videoüberwachung ihrer Personen ohne gesetzliche Grundlage stattgefunden habe. Sie verweist auf die Bestimmungen der §§ 53 und 54 SPG, nach denen zu beurteilen gewesen wäre, ob die Bildaufnahme bzw. Bildübertragung durch die Sicherheitsorgane zulässig gewesen sei. Diese sei nach Auffassung der beschwerdeführenden Parteien - aus näher dargestellten Gründen - zu verneinen.

3. Gemäß § 88 Abs. 2 SPG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise (als durch Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 88 Abs. 1 SPG) durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ist der unabhängige Verwaltungssenat nicht auf die vom Beschwerdeführer allenfalls als verletzt bezeichneten einfach-gesetzlichen oder verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte oder auf die vorgebrachten Gründe beschränkt. Vielmehr obliegt ihm eine umfassende Prüfungsverpflichtung, sodass er den angefochtenen Verwaltungsakt ohne Bindung an die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe nach jeder Richtung hin zu untersuchen hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. September 1998, Zl. 97/01/0407, mwN und zu § 88 Abs. 2 SPG das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2009, Zl. 2005/01/0203).

Soweit eine Beschwerde jedoch die Verletzung von Rechten durch das Verwenden personenbezogener Daten im Rahmen der Sicherheitspolizei im Sinne des 4. Teiles des SPG behauptet (arg.:

"behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen" in § 31 Abs. 2 DSG, auf den § 90 SPG Bezug nimmt), fällt sie nicht in die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate, sondern in jene der Datenschutzkommission (§ 90 SPG). Insoweit stellt § 90 Abs. 1 SPG eine lex specialis zu § 88 Abs. 2 SPG dar, in dessen Anwendungsbereich eine Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate nicht gegeben ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. Juli 2002, Zl. 2000/01/0423, vom 7. Oktober 2003, Zl. 2002/01/0278, und vom 9. Mai 2006, Zl. 2004/01/0086, mwN). Dies gilt schon dann, wenn in Rede steht, ob überhaupt eine (behauptete) Datenverwendung im Sinne der Bestimmungen des 4. Teiles des SPG vorliegt, weil auch diese Frage - nicht zuletzt unter Berücksichtigung der durch Art. 83 Abs. 2 B-VG geforderten exakten und eindeutigen Festlegung von Behördenzuständigkeiten - der ausschließlichen Zuständigkeit der Datenschutzkommission vorbehalten bleibt.

4. Ausgehend davon war die belangte Behörde für die Behandlung der an sie gerichteten gegenständlichen Beschwerde nicht zuständig.

Die Beschwerde wurde zwar formal auf § 88 Abs. 2 SPG gestützt. In der Sache erachteten sich die beschwerdeführenden Parteien jedoch nur dadurch in ihren Rechten verletzt, dass personenbezogene Daten ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 SPG ermittelt worden seien. Dass durch den angefochtenen Verwaltungsakt andere (vom unabhängigen Verwaltungssenat zu prüfende) Rechte der beschwerdeführenden Parteien verletzt worden wären, ließ sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.

Für die Entscheidung über die behauptete Rechtsverletzung war aber nach dem bisher Gesagten ausschließlich die Datenschutzkommission zuständig.

Der angefochtene Bescheid war deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 22. Dezember 2010

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