Normen
AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs6;
BStMG 2002 §20 Abs2;
BStMG 2002 §23 Abs1;
BStMG 2002 §23 Abs2;
B-VG Art11 Abs2;
B-VG Art140;
VerfGG 1953 §87 Abs1;
VStG §9 Abs7;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs6;
BStMG 2002 §20 Abs2;
BStMG 2002 §23 Abs1;
BStMG 2002 §23 Abs2;
B-VG Art11 Abs2;
B-VG Art140;
VerfGG 1953 §87 Abs1;
VStG §9 Abs7;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Juni 2005 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 2. November 2004 mangels Parteistellung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG und § 23 Abs. 2 Bundesstraßen-Mautgesetz (BStMG) 2002, BGBl. I Nr. 109, als unzulässig zurück. Begründend führte sie aus, mit dem genannten Straferkenntnis sei über Werner F. als Lenker eines LKWs mit näher genanntem Kennzeichen wegen einer Übertretung gemäß § 6 iVm § 7 Abs. 1 und § 20 Abs. 2 BStMG 2002 eine Geldstrafe verhängt worden. Gegen dieses Straferkenntnis habe auch die Beschwerdeführerin als Zulassungsbesitzerin des LKWs Berufung erhoben. Gemäß § 23 Abs. 2 BStMG 2002 habe der Zulassungsbesitzer im Verwaltungsstrafverfahren gegen den Lenker ex lege keine Parteistellung. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin teile die belangte Behörde im Hinblick auf die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien zu § 23 leg. cit. nicht (Hinweis auf die EB zur RV 1139 BlgNR XXI GP, Seite 21 f, sowie Wessely, Zum Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, ZVR 2004/233 f).
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH), der ihre Behandlung mit Beschluss vom 29. November 2005, B 814/05-3, ablehnte und sie in weiterer Folge antragsgemäß mit Beschluss vom 27. Dezember 2005, B 814/05-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der VfGH wies in der Begründung des Ablehnungsbeschlusses insbesondere auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum BStMG 2002 (1139 BlgNR, XXI. GP), wonach der Ausschluss des Zulassungsbesitzers von der Parteistellung im Strafverfahren gegen den Lenker gemäß § 23 Abs. 2 BStMG 2002 "aus verfassungsrechtlichen Gründen nur tragbar (ist), wenn er gleichzeitig von der Bindung an das Verfahrensergebnis befreit wird"; § 23 Abs. 2 zweiter Satz BStMG 2002 "stellt sicher, dass der Zulassungsbesitzer im Haftungsverfahren all jene Einwendungen gegen die Bestrafung vorbringen kann, die dem Lenker offen gestanden wären."
In der Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich u.a. in ihrem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt und bringt dazu vor, der letzte Halbsatz des § 23 Abs. 2 BStMG 2002 stehe im Widerspruch zu Abs. 1, zumal die letztgenannte Bestimmung eine Haftung des Zulassungsbesitzers für die über die Lenker verhängten Geldstrafen samt Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand normiere, was "nichts anderes" bedeute, als dass der gegen den Lenker ergangene Strafbescheid "sehr wohl" bindende Wirkung für den Zulassungsbesitzer habe. Personen, auf die sich die Tätigkeit der Behörde beziehe, seien Beteiligte und - insoweit sie an der Sache infolge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt seien - Parteien (§ 8 AVG sei gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anwendbar). Der Zulassungsbesitzer habe ein rechtliches Interesse am Ausgang des gegen den Lenker seines Fahrzeuges geführten Verwaltungsstrafverfahrens;
§ 23 Abs. 2 BStMG 2002 stehe mit § 8 AVG in Widerspruch und lasse sich auch mit der Bedarfskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG nicht begründen, weil nach dieser Verfassungsbestimmung abweichende Regelungen für das Verwaltungsstrafrecht bzw. das Verwaltungsstrafverfahren nur dann getroffen werden könnten, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich oder unerlässlich seien. Diese Erforderlichkeit sei hier keineswegs erkennbar; es sei überhaupt kein sachlicher Grund gegeben, dem Zulassungsbesitzer, der für die über die Lenker verhängten Geldstrafen samt Verfahrenskosten hafte, die Parteistellung nach § 8 AVG zu nehmen. Diese Bestimmung widerspreche auch dem "Fair Trial" nach Art. 6 EMRK, zumal sich der Zulassungsbesitzer gegen eine Bestrafung, für die er hafte, nicht zur Wehr setzen könne. Dazu komme, dass das in der Regierungsvorlage angesprochene Haftungsverfahren einer Rechtsgrundlage im AVG bzw. VStG entbehre und nicht davon ausgegangen werden könne, dass die in der BAO und in den LAO vorgesehenen Bestimmungen über einen Haftungsbescheid bzw. ein Haftungsverfahren analog anzuwenden seien.
Die Beschwerdeführerin verweist weiters auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2001, Zl. 99/09/0002, und macht die Verletzung in weiteren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend (nach Art. 7 Abs. 1 B-VG und Art. 2 StGG, Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK, Art. 83 Abs. 2 B-VG, Verletzung nach Art. 5 StGG und Art. 1 des 1. ZP zur EMRK, Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK, Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK und Art. 13 EMRK).
§ 23 BStMG 2002 lautet:
"Haftung für Geldstrafen und Verfahrenskosten
§ 23. (1) Zulassungsbesitzer haften für die über die Lenker ihres Fahrzeugs wegen Übertretung des § 20 Abs. 2 verhängten Geldstrafen und für die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand, wenn sie dem Lenker das Fahrzeug selbst oder über Dritte überlassen haben.
(2) Zulassungsbesitzer haben im Strafverfahren gegen den Lenker keine Parteistellung; ein gegen den Lenker ergangener Strafbescheid hat für sie keine bindende Wirkung."
Zum hier strittigen Abs. 2 des § 23 leg. cit. führen die EB zur RV, 1139 BlgNR, XXI. GP, Seite 22, aus:
"Abs. 2 schließt eine Parteistellung des Zulassungsbesitzers im Strafverfahren gegen den Lenker aus. Der Grund hiefür liegt in der Vermeidung von beträchtlichem Verwaltungsaufwand, der sich als unnötig erweist, wenn der Lenker die über ihn verhängte Strafe sowie die Verfahrenskosten zahlt. Dem Zulassungsbesitzer die Parteistellung im Strafverfahren zu nehmen, ist freilich schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nur tragbar, wenn er gleichzeitig von der Bindung an das Verfahrensergebnis befreit wird. Die im zweiten Satz getroffene Regelung stellt sicher, dass der Zulassungsbesitzer im Haftungsverfahren all jene Einwendungen gegen die Bestrafung vorbringen kann, die dem Lenker offen gestanden wären."
Im Hinblick auf die zahlreichen gerügten Verletzungen in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ist die Beschwerdeführerin zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einfachgesetzlich eingeräumter Rechte zur Entscheidung über Beschwerden zuständig ist, und Beschwerden (insoweit) zurückzuweisen sind, deren Beschwerdebehauptung (ausdrücklich oder erschließbar) nur eine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend macht (vgl. die bei Mayer, B-VG3 (2002) Art. 133 Rz. I.1 f, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die beschwerdeführende Zulassungsbesitzerin dem Verwaltungsstrafverfahren gegen den Lenker als Partei beizuziehen gewesen wäre oder nicht. Nur in diesem Fall wäre sie durch die Zurückweisung ihrer Berufung in dem von ihr geltend gemachten Recht auf eine Entscheidung in der Sache verletzt.
Die Rechtskraft eines Bescheides bedeutet in formeller Hinsicht dessen Unanfechtbarkeit im administrativen Instanzenzug und in materieller Hinsicht die Bindung der Parteien und der Behörde an den einmal erlassenen, formell rechtskräftigen Bescheid. Die Verbindlichkeit eines Bescheides tritt somit mit seiner Unanfechtbarkeit ein und endet erst mit seiner Beseitigung. Unanfechtbarkeit bedeutet, dass ein Bescheid von den Parteien durch ordentliche Rechtsmittel nicht mehr bekämpft werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2003, Zl. 2000/08/0040).
Das B-VG enthält weder ausdrücklich Rechtssätze über den Umfang der Rechtskraft von Bescheiden, noch können aus ihm Rechtssätze solchen Inhalts abgeleitet werden. Der einfache Gesetzgeber ist durch keine verfassungsrechtlichen Schranken beengt, die Rechtskraftwirkung zu bestimmen, die sich aus einem abgeschlossenen Verwaltungsverfahren ergeben. Überdies lässt § 68 Abs. 6 AVG eine Durchbrechung der Rechtskraft aus weiteren in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Gründen zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2000, Zl. 99/17/0460, mit Hinweis auf die Erkenntnisse des VfGH vom 9. Oktober 1962, Slg 4273, und vom 19. Juni 1965, Slg 4986 ).
Die Bescheidwirkungen eines ein Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheides treten daher in aus dem Gesetz zu erschließenden bestimmten objektiven (sachlichen) und subjektiven (persönlichen) Grenzen ein. Diese werden vom AVG nicht ausdrücklich geregelt, ergeben sich aber aus dem vom AVG vorausgesetzten Begriff der Rechtskraft gemäß § 68 Abs. 1 AVG (vgl. dazu Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003) Rz. 480 ff). Aus § 68 Abs. 6 AVG im Verhältnis zum Abs. 1 leg. cit. ergibt sich, dass das AVG dem Gesetzgeber verfahrensrechtlich keine bestimmte Richtung vorgibt. Er kann die Grenzen der Rechtskraft ebenso wie auch ihre Durchbrechung einfachgesetzlich regeln (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2000, Zl. 99/17/0460). Gleichzeitig ist damit zum Ausdruck gebracht, dass Vorschriften dieser Art nicht als von den Verwaltungsverfahrensgesetzen "abweichende Regelungen" im Sinne des Art. 11 Abs. 2 letzter Halbsatz B-VG zu verstehen sind (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2 I (1998) S 1400 f, Anm. 35 zu § 68 AVG).
Gemäß § 23 Abs. 1 BStMG 2002 haften die Zulassungsbesitzer für die über die Lenker ihres Fahrzeugs wegen Übertretung des § 20 Abs. 2 leg. cit. verhängten Geldstrafen und für die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand. Nach dem letzten Halbsatz des § 23 Abs. 2 BStMG 2002 hat ein gegen den Lenker ergangener Strafbescheid für Zulassungsbesitzer keine bindende Wirkung. Es besteht also keine Bindung (im Sinne einer Vorfrage gemäß § 38 AVG) an das gegen einen Lenker ergangene (rechtskräftige) Straferkenntnis, vielmehr ist gegen den Zulassungsbesitzer ein neuerliches Verwaltungsverfahren nach den Vorschriften des BStMG 2002 durchzuführen. In diesem Verfahren wird mit Bescheid über die Haftung des Zulassungsbesitzers abgesprochen. Der Zulassungsbesitzer kann alles vorbringen, was der Inanspruchnahme seiner Haftung dem Grunde oder der (vollen) Höhe nach entgegensteht. Dieser Bescheid unterliegt schließlich der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts.
Die Gesetzeslage nach dem BStMG 2002 ist im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung des § 23 Abs. 2 mit jener des § 9 Abs. 7 VStG nicht vergleichbar. Insoweit ist das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte hg. Erkenntnis vom 21. November 2000, Zl. 99/09/0002, Slg. Nr. 15.527, auf die Rechtslage nach dem BStMG 2002 nicht übertragbar. Auch hegt der Verwaltungsgerichtshof, ebenso wie der VfGH im eingangs erwähnten Ablehnungsbeschluss vom 29. November 2005, B 814/05, keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 2 BStMG 2002.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 28. November 2006
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