VwGH 2004/11/0083

VwGH2004/11/008313.12.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 1. März 2004, Zl. SanRL-53101/26-2004-Tau, betreffend Errichtungsbewilligung für ein selbständiges Ambulatorium (mitbeteiligte Partei: CT-Institut Dr. M GmbH in S, vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Unterer Stadtplatz 4), zu Recht erkannt:

Normen

KAG OÖ 1997 §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
KAG OÖ 1997 §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Anträge der Beschwerdeführerin und der Mitbeteiligten auf Zuerkennung von Kostenersatz werden abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. März 2004 wurde der Mitbeteiligten auf Grund ihres Antrages für ein Institut für computertomographische Untersuchungen und Knochendichtemessungen die Bewilligung für die Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums (Institut für Computertomographie) in Schärding gemäß den §§ 4 und 5 des O.ö. Krankenanstaltengesetzes 1997 (O.ö. KAG 1997) unter Auflagen erteilt. In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass gemäß § 5 Abs. 1 O.ö. KAG 1997 für die Erteilung der beantragten Bewilligung ein Bedarf im Sinn des § 5 Abs. 2 leg. cit. erforderlich sei. Auszugehen sei dabei vom bestehenden Versorgungsangebot bezüglich der Leistungen, die die Mitbeteiligte zu erbringen beabsichtige. Hierbei habe nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber das bestehende Leistungsangebot der medizinischen Versorgung in Ambulanzen öffentlicher Krankenanstalten, im Beschwerdefall daher das Leistungsangebot des Landeskrankenhauses Schärding, außer Betracht zu bleiben, weil diesen Leistungen nur subsidiärer Charakter zukomme.

Im konkreten Fall habe das Ermittlungsverfahren ergeben, dass im extramuralen Bereich in Oberösterreich sechs CT-Institute mit Kassenverträgen in Linz, Urfahr, Wels und Ried im Innkreis betrieben würden. Im Bezirk Schärding stehe lediglich das intramurale Computertomographiegerät des Landeskrankenhauses Schärding zur Verfügung "und im gesamten Einzugsbereich nur in Ried im Innkreis und in Wels (je) eine einschlägige private CT-Einrichtung mit Kassenvertrag". Daher sei "schon aus diesem Grund" der Bedarf an der gegenständlichen Krankenanstalt zu bejahen. "Zudem" ließen aber auch die im Ermittlungsverfahren hervorgekommenen "hohen Patientenzahlen" eines privaten Ambulatoriums für bildgebende Diagnostik in Wels auf einen Bedarf am gegenständlich beantragten Ambulatorium schließen. Zum bestehenden Versorgungsangebot an Knochendichtemessungen stellte die belangte Behörde fest, dass diese Leistungen (abgesehen vom hier nicht zu berücksichtigenden Angebot des Landeskrankenhauses Schärding) von vier niedergelassenen Fachärzten in Vöcklabruck, Braunau und Wels-Stadt durchgeführt würden, und meinte daran anschließend, dass die im Verwaltungsverfahren befragte Gebietskrankenkasse in ihrer Stellungnahme den Bedarf an einer Einrichtung für Osteoporosemessung "nicht ausdrücklich verneint" habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften seitens der belangten Behörde und der Mitbeteiligten erwogen hat:

Im gegenständlichen Beschwerdefall ist die Rechtslage des O.ö. Krankenanstaltengesetzes 1997 (O.ö. KAG), LGBl. Nr. 132/1997 idF LGBl. Nr. 44/2003, maßgeblich, die (auszugsweise) wie folgt lautet:

"§ 2

Einteilung

Krankenanstalten im Sinn des § 1 Abs. 1 und 2 sind:

  1. 1. Allgemeine Krankenanstalten, ...
  2. 7. selbständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen), das sind organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. Der Verwendungszweck eines selbständigen Ambulatoriums erfährt dann keine Änderung, wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist.

    § 4

    Errichtungsbewilligung

(1) Die Errichtung einer Krankenanstalt bedarf einer Bewilligung der Landesregierung.

...

(4) Hinsichtlich des nach § 5 Abs. 1 Z. 1 zu prüfenden Bedarfes haben Parteistellung im Sinn des § 8 AVG und das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG:

1. die Wirtschaftskammer Oberösterreich als gesetzliche Interessenvertretung der privaten Krankenanstalten;

  1. 2. die betroffenen Sozialversicherungsträger;
  2. 3. bei selbständigen Ambulatorien auch die Ärztekammer für Oberösterreich;

    4. bei Zahnambulatorien überdies die Österreichische Dentistenkammer.

    § 5

    Bewilligungsvoraussetzungen

(1) Die Errichtungsbewilligung ist, soweit im Abs. 4 nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn

  1. 1. ein Bedarf im Sinn des Abs. 2 gegeben ist,
  2. 2. ...

(2) Der Bedarf nach einer Krankenanstalt mit dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot ist unter Beachtung der Höchstzahl der systemisierten Betten nach dem Oö. Krankenanstaltenplan (§ 39 Abs. 4) im Hinblick auf das in angemessener Entfernung bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, zu beurteilen. ..."

Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 2 O.ö. KAG 1997 ist die vorliegende Beschwerde der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, mit welcher der Bedarf nach dem beantragten selbständigen Ambulatorium der Mitbeteiligten bestritten wird, zulässig.

Das Hauptgewicht des Beschwerdevorbringens liegt im Einwand, die belangte Behörde habe - ausgehend von einer nach Ansicht der Beschwerdeführerin nicht mehr gerechtfertigten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - bei der Bedarfsprüfung des gegenständlichen privaten Ambulatoriums das bestehende Versorgungsangebot des öffentlichen Landeskrankenhauses Schärding betreffend Computertomographie und Knochendichtemessungen zu Unrecht außer Betracht gelassen. Die dieser Beurteilung zu Grunde liegende Rechtsprechung stehe nach Auffassung der Beschwerdeführerin im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut und zu einem in der Beschwerde zitierten Urteil des Obersten Gerichtshofes und sei auch unter verfassungsgesetzlichen Gesichtspunkten nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/11/0055, mit einem nahezu gleich lautenden Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin auseinander gesetzt. In diesem Erkenntnis wurde im Einzelnen dargelegt, weshalb, jedenfalls was die auch gegenständlich maßgebliche Rechtslage betrifft, kein Anlass besteht, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen, nach der bei der Beurteilung des Bedarfs nach medizinischen Leistungen im nicht stationären Bereich die Kapazitäten von Ambulanzen öffentlicher Krankenanstalten nicht zu berücksichtigen sind. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Die Beschwerdeführerin macht aber darüber hinaus (zutreffend) geltend, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, was das bei der Bedarfsprüfung zu berücksichtigende extramurale Versorgungsangebot betrifft, zwar von sechs bestehenden CT-Instituten mit Kassenverträgen spricht, zur Auslastung dieser Institute jedoch keine Feststellungen getroffen hat. Das Bestehen eines Bedarfs an der gegenständlichen Krankenanstalt sei daher nicht nachvollziehbar.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Bedarf dann als gegeben anzusehen, wenn durch die Errichtung des Ambulatoriums die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage betreffend selbständiger Ambulatorien ist nach dieser Rechtsprechung die durchschnittliche Wartezeit anzusehen, die der Patient im Einzugsbereich in Kauf nehmen muss. Eine Wartezeit von etwa zwei Wochen in nicht dringenden Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung für durchaus zumutbar gehalten und selbst bei einem Überschreiten dieses Richtwertes in einzelnen Fällen um einige Tage noch kein unzumutbares Versorgungsdefizit gesehen. Von einem Bedarf nach einem beabsichtigten Ambulatorium kann nämlich dann nicht die Rede sein, wenn im Großen und Ganzen die Wartezeiten zwei Wochen nicht übersteigen und Akutpatienten noch am selben Tag behandelt werden. Dabei ist jedoch Voraussetzung für die Feststellung des Bedarfs, dass das Einzugsgebiet für das zu bewilligende Ambulatorium klar umrissen ist, wobei eine Bindung an Bezirks- und Landesgrenzen nicht gegeben ist (vgl. zum Ganzen das bereits angesprochene Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/11/0055, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Im vorliegenden Beschwerdefall hat es die belangte Behörde zunächst verabsäumt, das in Frage kommende Einzugsgebiet des Ambulatoriums der Mitbeteiligten schlüssig festzustellen. Dem kommt Bedeutung zu, weil eine abschließende Beurteilung des Bedarfs erst dann möglich ist, wenn die Größe des Einzugsgebietes nachvollziehbar feststeht, sind doch bei der Bedarfsprüfung nur die im Einzugsgebiet des projektierten Ambulatoriums gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen zu berücksichtigen (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 16. November 2004, Zl. 2003/11/0210). Die belangte Behörde hätte daher nach dem letztzitierten Erkenntnis, wie erwähnt ohne Bindung an Bezirks- und Landesgrenzen, zunächst den Kreis jener Personen ermitteln müssen, die das in Betracht kommende Leistungsangebot der geplanten medizinischen Einrichtung am konkret in Aussicht genommenen Standort voraussichtlich in Anspruch nehmen werden. Wenn sie dazu im angefochtenen Bescheid (bloß) meint, dass von den in Oberösterreich bestehenden sechs CT-Instituten mit Kassenvertrag "im gesamten Einzugsbereich nur in Ried im Innkreis und in Wels" (je) eine private CT-Einrichtung mit Kassenvertrag bestehe, so ist dies mangels vorliegender Ermittlungsergebnisse zum Einzugsgebiet nicht nachvollziehbar (vgl. zur diesbezüglichen - auf sachverständiger Basis beruhenden -

Prognoseentscheidung abermals das zitierte Erkenntnis, Zl. 2003/11/0210, und zur Größe des Versorgungsgebietes auch das Erkenntnis vom 21. Jänner 2003, Zl. 2001/11/0063).

Einem Rechtsirrtum unterliegt die belangte Behörde jedenfalls, wenn sie trotz des Bestehens von zwei im angenommenen Einzugsbereich einschlägigen Behandlungseinrichtungen - ohne Feststellung der dort anfallenden Wartezeiten - einen Bedarf am Projekt der Mitbeteiligten "schon aus diesem Grund" zu erkennen vermeint, weil "im Bezirk Schärding" keine zu berücksichtigende Behandlungseinrichtung bestehe. Damit stellt die belangte Behörde nämlich entgegen der angeführten Rechtsprechung nicht auf die Wartezeiten bei den im Einzugsbereich bestehenden Behandlungseinrichtungen, sondern in unzulässiger Weise auf das Fehlen von Behandlungsmöglichkeiten innerhalb der Grenzen des politischen Bezirkes ab.

Ausgehend von den von der Rechtsprechung entwickelten, bereits dargestellten, Bedarfskriterien lässt sich entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch mit dem Hinweis auf die "hohen Patientenzahlen" in einem vergleichbaren Institut in Wels (nach dessen Angaben im Akt aber keine Wartezeiten bei Untersuchungen mit CT- und Osteoporose-Einrichtungen gegeben seien) der Bedarf an der gegenständlichen Krankenanstalt nicht begründen (vgl. dazu auch die beiden Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zlen. 2003/11/0030 und 2003/11/0055).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen vorrangig wahrzunehmender inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Das Kostenbegehren der Beschwerdeführerin war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen, weil in den Fällen des Art. 131 Abs. 2 B-VG ein Kostenzuspruch an den Beschwerdeführer nicht in Betracht kommt. Das Kostenersatzbegehren der Mitbeteiligten war gemäß § 47 Abs. 3 iVm § 48 Abs. 3 VwGG abzuweisen, weil sie nicht obsiegende Partei ist.

Wien, am 13. Dezember 2005

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