VwGH 2003/11/0030

VwGH2003/11/003013.12.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Ärztekammer für Kärnten, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf und Dr. Gernot Murko, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 6, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 23. Dezember 2002, Zl. 14-Ges-635/8/2002, betreffend Errichtungsbewilligung für ein selbständiges Ambulatorium (mitbeteiligte Partei: Dr. H, vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in 9800 Spittal an der Drau, Bahnhofstraße 17), zu Recht erkannt:

Normen

KAG OÖ 1997 §5 Abs2;
KAO Krnt 1999 §9 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;
KAG OÖ 1997 §5 Abs2;
KAO Krnt 1999 §9 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Anträge der Beschwerdeführerin und des Mitbeteiligten auf Zuerkennung von Kostenersatz werden abgewiesen.

Begründung

Mit Erkenntnis vom 4. Oktober 2000, Zl. 99/11/0318, hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 1997, mit welchem der Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung der Bewilligung zur Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums (Allergieambulatorium) in Spittal an der Drau mangels Bedarfs abgewiesen worden war, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. In seinen Entscheidungsgründen hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass bei der Beurteilung des Bedarfs nach medizinischen Leistungen im nicht stationären Bereich privater erwerbswirtschaftlich geführter Ambulatorien, wie es auch jenes des Mitbeteiligten darstelle, die Kapazitäten von Ambulatorien (Ambulanzen) öffentlicher Krankenanstalten nicht herangezogen werden dürfen, um einen Bedarf zu verneinen. Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis außerdem für das fortgesetzte Verfahren darauf hingewiesen, die belangte Behörde werde zur Beurteilung des Bedarfs an der gegenständlichen Krankenanstalt Sachverhaltsfeststellungen darüber zu treffen haben, ob das vom Mitbeteiligten im geplanten Ambulatorium in Aussicht genommene Leistungsangebot vor allem durch niedergelassene Kassenvertragsärzte ausreichend abgedeckt werde. Allerdings könne der Gesichtspunkt, dass häufig die Beurteilung durch Fachärzte verschiedener Fachrichtungen notwendig sei, was in dem vom Mitbeteiligten geplanten Ambulatorium sichergestellt sei, für sich allein einen Bedarf nicht begründen, wenn die fächerübergreifende Beurteilung auch im Wege der Koordination von Ordinationen möglich sei.

Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof nunmehr von der Ärztekammer für Kärnten angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 23. Dezember 2002 hat die belangte Behörde unter Spruchpunkt I. (nur dieser ist hier von Bedeutung) die vom Mitbeteiligten beantragte sanitätsbehördliche Errichtungsbewilligung für die in Spittal an der Drau geplante Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums (Allergieambulatorium) gemäß § 6 Abs. 2 der Kärntner Krankenanstaltenordnung 1999 (K-KAO) unter Auflagen erteilt und über die Kosten des Verwaltungsverfahrens entschieden.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Geschehens im Verwaltungsverfahren aus, im fortgesetzten Verfahren habe die Wirtschaftskammer Kärnten die Auffassung vertreten, dass ein Bedarf am in Rede stehenden Allergieambulatorium bestehe. Hingegen hätten die Beschwerdeführerin, die Kärntner Gebietskrankenkasse und der Landessanitätsrat für Kärnten einen solchen Bedarf in ihren Stellungnahmen verneint. Diese Äußerungen seien aber nach Ansicht der belangten Behörde nur unzureichend begründet, sodass auf deren Grundlage der Bedarf am Allergieambulatorium des Mitbeteiligten nicht verneint werden könne. So habe die Beschwerdeführerin lediglich behauptet, dass es für die in Rede stehende Krankenanstalt keinen Bedarf gebe, weil die Versorgung einschlägig erkrankter Patienten durch bereits niedergelassene Fachärzte (konkret durch einen Facharzt für Dermatologie, einen Facharzt für Lungenheilkunde und durch zwei Fachärzte für HNO) möglich sei. Die Beschwerdeführerin habe jedoch, obwohl sie von der belangten Behörde darum ersucht worden sei, nicht bekannt gegeben, wie viele Behandlungsfälle bei den in Frage kommenden Ärzten und welche Wartezeiten dabei anfielen.

Aber auch die Befragung der einzubeziehenden Fachärzte durch die Behörde habe, so die Begründung des angefochtenen Bescheides weiter, "kein eindeutiges, nachvollziehbares und realistisches Ergebnis" erbracht. So hätten die befragten Fachärzte einerseits angegeben, dass die Anzahl der Allergieerkrankungen steigend und deren Behandlung zeit- und personalintensiv sei, andererseits hätten aber die meisten Ärzte in ihren Fragebögen angegeben, dass in ihren Ordinationen "keine Wartezeiten" (bzw. Wartezeiten "bis 1 Woche" - jeweils bezogen auf das vom Mitbeteiligten angebotene Leistungsspektrum) auftreten würden. Dabei handle es sich nach Auffassung der belangten Behörde um "unrealistische Angaben", weil "jedenfalls mit wesentlich längeren Wartezeiten" gerechnet werden müsse. Es sei "nämlich allgemein bekannt, dass man bei Fachärztebesuchen mit Wartezeiten zu rechnen hat". Eine Verneinung des Bedarfs am gegenständlichen Allergieambulatorium des Mitbeteiligten könne daher auch nicht mit den Ergebnissen der befragten Fachärzte begründet werden.

In ihrer Schlussfolgerung gelangte die belangte Behörde sodann zu folgendem Ergebnis:

"Im Hinblick darauf, dass unbestritten Allergieerkrankungen ansteigen und dass in Kärnten gegenüber den anderen Bundesländern noch kein Allergieambulatorium errichtet wurde, sowie des Umstandes, dass im durchgeführten Bedarfsprüfungsverfahren keine nachvollziehbare Begründung für die Verneinung des Bedarfs des in Rede stehenden Allergieambulatoriums vorgebracht wurde, erachtet die Bewilligungsbehörde insbesondere auch unter Berücksichtigung der Judikatur des VwGH den Bedarf für das geplante selbständige Ambulatorium als gegeben."

Im Übrigen werde die Ansicht, dass ein solcher Bedarf bestehe, einerseits dadurch gefestigt, dass durch die zentrale Betreuung in einem Ambulatorium sowohl der Zeitaufwand des Patienten, der sonst mehrere Facharztordinationen aufsuchen müsste, als auch die Belastung des Gesundheitsbudgets - im Ambulatorium müssten nach Ansicht der belangten Behörde nicht mehrere Ärzte honoriert werden - reduziert würden. Andererseits sei ein selbständiges Ambulatorium, im Unterschied zu einer Gruppenpraxis, "hierarchisch strukturiert" und es gebe daher "eine zentrale Ansprechstelle mit einer endkompetenten Meinung".

Erkennbar nur gegen den dargestellten Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde der Ärztekammer für Kärnten, in der diese die unzutreffende Beurteilung des Bedarfs am gegenständlichen Ambulatorium geltend macht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften seitens der belangten Behörde und des Mitbeteiligten erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften der Kärntner Krankenanstaltenordnung 1999, LGBl. Nr. 26/1999 idF LGBl. Nr. 57/2002, lauten (auszugsweise):

"§ 2

Einteilung der Krankenanstalten

Die Krankenanstalten werden eingeteilt in

  1. 1. allgemeine Krankenanstalten, ...
  2. 7. selbständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen), das sind organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. ...

    § 6

    Bewilligung zur Errichtung

(1) Krankenanstalten können von physischen oder juristischen Personen errichtet und betrieben werden.

(2) Die Errichtung einer Krankenanstalt bedarf der Bewilligung der Landesregierung. ...

§ 9

Sachliche Voraussetzungen

(1) Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt darf nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen nach Abs. 2 und die Mindestanforderungen nach Abs. 3 erfüllt werden.

(2) Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt darf nur erteilt werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

a) es muss nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater, gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag ein Bedarf gegeben sein;

b) ...

§ 11

Einholung von Stellungnahmen

(1) Im Verfahren zur Erteilung der Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt ist ein Gutachten des Landeshauptmannes einzuholen, das zum Antrag vom Standpunkt der sanitären Aufsicht Stellung nimmt. Hiebei ist der Landessanitätsrat zu hören.

(2) Im Verfahren gemäß Abs. 1 haben die gesetzlichen Interessenvertretungen privater Krankenanstalten und betroffene Sozialversicherungsträger, bei selbständigen Ambulatorien auch die Ärztekammer für Kärnten, sowie bei Zahnambulatorien auch die Österreichische Dentistenkammer hinsichtlich des zu prüfenden Bedarfes (§ 9 Abs. 2 lit. a) Parteistellung im Sinne des § 8 AVG und das Recht gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG Beschwerde zu erheben."

Die vorliegende Beschwerde der Ärztekammer für Kärnten ist, weil Gegenstand des bekämpften Bescheides die Beurteilung des Bedarfs an einem selbständigen Ambulatorium ist, gemäß § 11 Abs. 2 K-KAO zulässig. Die Beschwerde ist aus nachstehenden Gründen auch begründet:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage, wann ein Bedarf an einer Krankenanstalt vorliegt, im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/11/0055, auf seine ständige Rechtsprechung hingewiesen, nach der ein solcher Bedarf dann als gegeben anzusehen ist, wenn durch die Errichtung des Ambulatoriums die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage ist nach der zitierten Rechtsprechung die durchschnittliche Wartezeit anzusehen, die der Patient im Einzugsbereich in Kauf nehmen muss. Eine Wartezeit von etwa zwei Wochen in nicht dringenden Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur für durchaus zumutbar gehalten und selbst bei einem Überschreiten dieses Richtwertes in einzelnen Fällen um einige Tage noch kein unzumutbares Versorgungsdefizit gesehen. Von einem Bedarf nach einem beabsichtigten Ambulatorium kann demnach dann nicht die Rede sein, wenn im Großen und Ganzen die Wartezeiten zwei Wochen nicht übersteigen und Akutpatienten noch am selben Tag behandelt werden. Dabei ist jedoch Voraussetzung für die Feststellung des Bedarfs, dass das Einzugsgebiet für das zu bewilligende Ambulatorium klar umrissen ist, wobei eine Bindung an Bezirks- und Landesgrenzen nicht gegeben ist (vgl. auch dazu die im zitierten Erkenntnis, Zl. 2003/11/0055, angeführte Judikatur).

Im vorliegenden Fall hat es die belangte Behörde zunächst verabsäumt, das in Frage kommende Einzugsgebiet des Ambulatoriums des Mitbeteiligten festzustellen, sodass nicht nachprüfbar ist, von welchem bestehenden Leistungsangebot in räumlicher Hinsicht auszugehen war. Was die für die Beurteilung des Bedarfs entscheidungswesentliche Frage bestehender Wartezeiten in den Ordinationen der in Frage kommenden Kassenvertragsärzte betrifft, so ist die belangte Behörde ganz allgemein - und entgegen den diesbezüglichen Angaben der meisten befragten Ärzte - von gegebenen Wartezeiten bei den niedergelassenen Ärzten ausgegangen. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob diese Sachverhaltsannahme, wie die Beschwerdeführerin einwendet, unschlüssig ist (zu den dieser Annahme entgegen stehenden Ermittlungsergebnissen meint die belangte Behörde nur ganz allgemein, dass "man bei Fachärztebesuchen mit Wartezeiten zu rechnen" habe, und lässt dabei außer Acht, dass die befragten Ärzte Wartezeiten in ihren Ordinationen nicht generell verneint haben, sondern nur bezüglich des befragten Leistungsspektrums).

Ungeachtet dessen hat die belangte Behörde jedenfalls in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen über das Ausmaß der von ihr angenommenen Wartezeiten getroffen, konkret ob Wartezeiten hinsichtlich des hier zu beurteilenden Leistungsangebotes im Großen und Ganzen zwei Wochen übersteigen und ob auch bei Akutpatienten Wartezeiten auftreten, sodass diese nicht am selben Tag behandelt werden. Nur unter diesen Voraussetzungen könnte im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung vom Bestehen eines Bedarfs am gegenständlichen Allergieambulatorium gesprochen werden. Wenn die belangte Behörde aber meint, die Antworten der Ärzte in den Fragebögen und die eingelangten Stellungnahmen hätten kein realistisches Ergebnis über das Ausmaß der Wartezeiten erbracht, so wäre es ihre Aufgabe gewesen, sich durch geeignete Maßnahmen (so etwa durch Befragung von Patienten vor oder nach den Ordinationsbesuchen) von Amts wegen ein schlüssiges Bild über die tatsächlich auftretenden Wartezeiten bei den in Frage kommenden Fachärzten zu verschaffen.

Unzutreffend stützt die belangte Behörde ihre Ansicht über einen gegebenen Bedarf des geplanten Ambulatoriums des Mitbeteiligten auf - dafür - nicht maßgebliche Umstände (wie insbesondere auf das Fehlen eines Allergieambulatoriums im betreffenden Bundesland oder auf budgetäre Effekte) bzw. auf für sich gesehen noch nicht aussagekräftige Gesichtspunkte (vgl. zum bloßen Umstand "steigender" Patientenzahlen das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2003/11/0055, und zur bloß bedingten Relevanz des Tätigwerdens von Fachärzten mehrerer Fachrichtungen in einem Ambulatorium das - oben bereits im Zusammenhang mit dem ersten Rechtsgang erwähnte - hg. Erkenntnis Zl. 99/11/0318). Entsprechendes gilt auch für das (im Übrigen nicht näher ausgeführte) Argument der belangten Behörde, ein Bedarf am beantragten Ambulatorium sei aus seiner hierarchischen Strukturierung und dem Vorteil der sich daraus ergebenden zentralen (ärztlichen) Ansprechstelle abzuleiten.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher in seinem die Errichtungsbewilligung nach dem K-KAO betreffenden Spruchteil I. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Das Kostenbegehren der Beschwerdeführerin war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen, weil in den Fällen des Art. 131 Abs. 2 B-VG ein Kostenzuspruch an den Beschwerdeführer nicht in Betracht kommt. Das Kostenersatzbegehren des Mitbeteiligten war gemäß § 47 Abs. 3 iVm § 48 Abs. 3 VwGG abzuweisen, weil er nicht obsiegende Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist.

Wien, am 13. Dezember 2005

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