VwGH 2004/08/0171

VwGH2004/08/017117.5.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Mag. Georg Derntl, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Hauptplatz 11a/Herrenstraße 1, gegen die auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien 1. vom 22. Juni 2004, Zl. LGSW/Abt. 3- AlV/1218/56/2004-3884, und 2. vom 22. Juni 2004, Zl. LGSW/Abt. 3- AlV/1218/56/2004-3881, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AlVG 1977 §36a Abs5 Z1;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AlVG 1977 §36a Abs5 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit vier Bescheiden vom 6. Oktober 2003 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien aus, dass 1. die vom Beschwerdeführer vom 1. Jänner 1999 bis 4. Februar 2001 bezogene Notstandeshilfe widerrufen und der Betrag von EUR 15.424,65 zurückgefordert werde, dass 2. die vom Beschwerdeführer vom 21. Mai bis 31. Mai 2001 bezogene Notstandeshilfe widerrufen und der Betrag von EUR 228,14 zurückgefordert werde, dass 3. das vom Beschwerdeführer vom 5. August bis 22. Dezember 2001 bezogene Arbeitslosengeld widerrufen und der Betrag von EUR 3.034,96 zurückgefordert werde, und dass 4. die vom Beschwerdeführer vom

23. bis 31. Dezember 2001 bezogene Notstandshilfe widerrufen und der Betrag von EUR 186,66 zurückgefordert werde, weil der Beschwerdeführer in den angegebenen Zeiträumen ein über der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielt habe.

Der gegen den zu 3. genannten Bescheid erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem zu 1. angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Dem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vom 19. Februar 2004 zu Folge habe der Beschwerdeführer ein Jahreseinkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von S 127.220,-- brutto erzielt. Das daraus abzuleitende monatliche Einkommen von S 10.601,60 brutto liege über der im Jahr 2001 maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze von S 4.076,--. Der Beschwerdeführer sei im oben angeführten Zeitraum nicht arbeitslos gewesen und habe während dieser Zeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt.

Der gegen die zu 1., 2. und 4. genannten Bescheide erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem zu 2. angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Dem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 19. Februar 2004 zu Folge habe der Beschwerdeführer ein Jahreseinkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von S 105.416,-- brutto erzielt. Das daraus abzuleitende monatliche Einkommen von S 8.784,-- brutto liege über der im Jahr 1999 maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze von S 3.899,--. Dem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 19. Februar 2004 zu Folge habe der Beschwerdeführer ein Jahreseinkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von S 136.602,-- brutto erzielt. Das daraus abzuleitende monatliche Einkommen von S 11.383,50 brutto liege über der im Jahr 2000 maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze von S 3.977,--. Dem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vom 19. Februar 2004 zu Folge habe der Beschwerdeführer ein Jahreseinkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von S 127.220,-

- brutto erzielt. Das daraus abzuleitende monatliche Einkommen von S 10.601,60 brutto liege über der im Jahr 2001 maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze von S 4.076,--. Der Beschwerdeführer sei in den oben angeführten Zeiträumen nicht arbeitslos gewesen und habe während dieser Zeiten keinen Anspruch auf Notstandshilfe gehabt.

Gegen diese Bescheide richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, sie kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Als Beschäftigung gilt jede mit einem Erwerbseinkommen verbundene Tätigkeit, insbesondere eine selbständige Erwerbstätigkeit. Gemäß § 12 Abs. 6 lit. c leg. cit. gilt trotz Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit als arbeitslos, wer aus dieser Tätigkeit ein Einkommen gemäß § 36a AlVG erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b AlVG erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.

Für die Feststellung des Einkommens für die Beurteilung von Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 Abs. 6 AlVG erklärt § 36a Abs. 1 iVm Abs. 2 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 47/2001 das Einkommen im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988 für maßgebend. Gemäß § 36a Abs. 5 AlVG ist das Einkommen bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach dem AlVG bezogen wird, nachzuweisen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er in den angegebenen Zeiträumen eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat und behauptet weder, dass ein Teil dieser Tätigkeiten in bloßen Vorbereitungsarbeiten bestanden hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0260), noch, dass er die entgeltlichen Dienstleistungen nicht weiterhin dauernd angeboten hätte, womit keine durchgehende selbstständige Erwerbstätigkeit vorliegen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0032). Er bestreitet auch nicht das Vorliegen der genannten (im Verwaltungsakt erliegenden) rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide. Die im § 36a Abs. 5 Z. 1 AlVG enthaltene Anordnung, dass das Einkommen durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides nachzuweisen ist, bedeutet eine zwecks Erleichterung des praktischen Vollzuges angeordnete Bindung der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung an das Einkommensteuerrecht, wobei das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommen insoweit heranzuziehen ist, als es aus Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, d.h. aus den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 2 und 3 EStG 1988 resultiert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2004/08/0105, mwN). Diese Bindung negiert der Beschwerdeführer, wenn er in der Beschwerde vorbringt, dass es sich nur um "fiktive Einkünfte" handeln würde und er "diese in den Einkommensteuerbescheiden als Einkünfte aus selbständiger Arbeit angeführten Jahresbeträge nicht bezogen habe".

§ 25 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 103/2000 lautet:

"Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, dass der Empfänger nicht arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. g war. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten."

Gegen die Auffassung der belangen Behörde, dass die widerrufenen Beträge gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zurückgefordert werden können, bestehen in Ansehung der nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheide keine Bedenken. Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die - nicht näher erläuterte - Ansicht des Beschwerdeführers, dass § 36a Abs. 2 AlVG in der genannten Fassung verfassungswidrig sein könnte (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. März 1998, VfSlg. Nr. 15117).

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war abzusehen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (insbesondere der Inhalt der Beschwerde) und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG).

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. Mai 2006

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