VwGH 2003/12/0057

VwGH2003/12/005719.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde der K in G, vertreten durch Mag. Michael Leissner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Zieglergasse 12/9, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 15. Jänner 2003, Zl. -6-AP-2/455-2002, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Partei: S in V, vertreten durch Dr. Matthias Grilc, Dr. Roland Grilc und Mag. Rudolf Vouk, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z2;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs4;
AVG §71;
AVG §72 Abs4;
AVG §72;
B-VG Art7 Abs1;
VwGG §46 Abs2;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §46;
AVG §71 Abs1 Z2;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs4;
AVG §71;
AVG §72 Abs4;
AVG §72;
B-VG Art7 Abs1;
VwGG §46 Abs2;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §46;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,94 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde entschied mit Bescheid vom 15. Mai 2001 über die Besetzung der Schulleiterstelle an der Volksschule G und ernannte die Beschwerdeführerin zur Schulleiterin. Die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides wies darauf hin, dass dagegen kein ordentliches Rechtsmittel möglich sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher sie mit Beschluss vom 24. September 2002, B 967/01-7, mangels Erschöpfung des Instanzenzuges im Sinne des Art. 144 B-VG zurückwies. In der Begründung dieses Beschlusses wurde ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten zu stellen.

Der Mitbeteiligte beantragte daraufhin bei der belangten Behörde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob gleichzeitig gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Mai 2001 Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. Jänner 2003 gab die belangte Behörde gemäß § 71 Abs. 1 Z. 2 AVG dem Antrag des Mitbeteiligten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einbringung einer Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Mai 2001 statt.

Dies wurde damit begründet, dass gemäß § 5 des Kärntner Landeslehrergesetzes (K-LG), LGBl. Nr. 80/2000, der unabhängige Verwaltungssenat über Berufungen gegen Bescheide der Landesregierung entscheide, mit denen Schulleiter ernannt werden (§ 26a LDG 1984). Diese Bestimmung sei ohne Übergangsbestimmung mit 30. Dezember 2000 in Kraft getreten. Durch die letztlich nicht zulässige Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof habe der Mitbeteiligte die Berufungsfrist an den unabhängigen Verwaltungssenat versäumt; in diesem Zusammenhang habe der Verfassungsgerichtshof jedoch auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen. Diesen Antrag habe der Mitbeteiligte fristgerecht beim Amt der Kärntner Landesregierung eingebracht. Nach Wiedergabe des Wortlautes des § 71 Abs. 1 Z. 2 AVG stellte die belangte Behörde fest, der Bescheid vom 15. Mai 2001 habe eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung enthalten; aufgrund dieser Fakten und des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes sei daher die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Damit könne der Mitbeteiligte das Rechtsmittel der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat gegen den seinerzeitigen Bescheid der Landesregierung nachholen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 13. März 2003, B 294/03-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof führte aus, insofern in der Beschwerde die Verfassungswidrigkeit des § 71 Abs. 4 AVG behauptet werde, lasse ihr Vorbringen angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der genannten Bestimmung (vgl. VfSlg. 13.816/1994) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

In der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Mitbeteiligte erstattete ebenfalls eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 71 und 72 des nach § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG lauten:

"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

  1. 1. ...
  2. 2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) ...

§ 72. (1) ...

(4) Gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiedereinsetzung steht dem Antragsteller das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde, wenn aber in der Sache eine Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, an diesen zu. Gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist kein Rechtsmittel zulässig."

Unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde macht die Beschwerdeführerin geltend, wolle man die Zuständigkeit derjenigen Verwaltungsbehörde, deren Entscheidung beim unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) angefochten wird, für die Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist bejahen, störe der Umstand, dass es dann primär in die Hand derjenigen Behörde gelegt sei, über die Wiedereinsetzung und damit über die Zulässigkeit des erhobenen Rechtsmittels zu entscheiden, deren Entscheidung im Wege des verspäteten Rechtsmittels zur Überprüfung durch den UVS gebracht werden solle.

Es scheine zwar angesichts des Wortlautes des § 71 Abs. 4 AVG prima vista die Kompetenz der belangten Behörde gegeben zu sein. Dem sei aber bei einer genaueren Analyse des vorliegenden Falles nicht so, weil die zitierte Norm keineswegs nur wörtlich interpretiert werden dürfe, sondern einerseits unter Berücksichtigung der für den vorliegenden Fall anzuwendenden besonderen Vorschriften für das Verfahren vor dem UVS, sowie andererseits verfassungskonform ausgelegt werden müsse.

Die Besonderheit des durch § 5 K-LG eröffneten Rechtszuges an den UVS liege einerseits darin, dass damit ein den Anforderungen des Art. 6 EMRK entsprechendes Verfahren anzuwenden sei und andererseits darin, dass die Behörde, die den vor dem UVS angefochtenen Bescheid erlassen habe, im Verfahren vor dem UVS gemäß § 67b Z. 1 AVG Parteistellung habe. In diesem Zusammenhang dränge sich ein Vergleich zum Verfahren über Vorstellungen auf, die gegen letztinstanzliche Gemeindebescheide an die Gemeindeaufsichtsbehörde erhoben würden; diesbezüglich judiziere der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass betreffend eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Erhebung der Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde ungeachtet des § 71 Abs. 4 AVG nicht die Behörde zuständig sei, die den angefochtenen Bescheid erlassen habe, sondern nur die Vorstellungsbehörde selbst. Tragende Begründung dieser Judikatur sei der Umstand, dass die letztinstanzliche Gemeindebehörde im Vorstellungsverfahren nur Partei sei und dort keine behördlichen Befugnisse habe.

Für die Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Erhebung einer Berufung an den UVS sei daher bei Anlegung des entsprechenden Maßstabes, d.h. unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Behörde, die den mit Berufung an den UVS angefochtenen Bescheid erlassen habe, im Berufungsverfahren vor dem UVS nur Parteistellung zukomme, nicht die Behörde zuständig, die den angefochtenen Bescheid erlassen habe, sondern nur der UVS. Alles andere hätte einen den ausgewogenen und von Parteilichkeit freizuhaltenden Rechtsschutz grob störenden Effekt. Es würde dann nämlich über die Frage, ob eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu bewilligen oder zu versagen sei, die Behörde entscheiden, deren Entscheidung dann, wenn die Wiedereinsetzung bewilligt werde, vor dem Tribunal auf dem Prüfstand stehe. Solcherart hätte es die bescheiderlassende Behörde, die im Berufungsverfahren dann Partei sei, zuvor selbst in der Hand, die Sache insofern zu steuern, als sie durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung die Berufung überhaupt erst ermöglichen oder durch ihre Versagung von vornherein unterbinden könnte.

Dabei könne die Behörde von unterschiedlichen Motiven für ihre Entscheidung geleitet werden, und zwar entweder vom Motiv zum Nachteil des Berufungs- und Wiedereinsetzungswerbers eine Berufung an den UVS und damit eine Überprüfung ihres Bescheides zu verhindern zu wollen oder aber z.B. geprägt durch schlechtes Gewissen wegen einer unrichtig erteilten Rechtsmittelbelehrung vom Motiv, dem Berufungswerber gegenüber etwas gutmachen zu wollen und deshalb die Wiedereinsetzung bewilligen zu wollen. Beides seien unsachliche Elemente, die in der Entscheidungsfindung über die Bewilligung oder Versagung der Wiedereinsetzung von vornherein nichts zu suchen hätten. Aus gutem Grunde habe daher der Verfassungsgerichtshof in seinem Zurückweisungsbeschluss vom 24. September 2002 ausdrücklich und unmissverständlich ausgesprochen, dass der Wiedereinsetzungsantrag beim UVS für Kärnten zu stellen sei. Gerade das habe der Mitbeteiligte aber nicht getan und gerade diesen Umstand habe die belangte Behörde mit ihrer stattgebenden Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag vollkommen unbeachtet gelassen. Die belangte Behörde habe daher im Ergebnis eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen.

Diesem Argument ist Folgendes zu entgegnen:

Die Passage in der Begründung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 2002, es werde auf die Möglichkeit hingewiesen, "einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten zu stellen", ist lediglich ein Hinweis auf dieses dem Mitbeteiligten offen stehende außerordentliche Rechtsmittel; dem ist aber keinesfalls die Bedeutung eines die Zuständigkeit des UVS begründenden Ausspruches zu entnehmen.

§ 71 Abs. 4 AVG ordnet unmissverständlich an, dass zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung jene Behörde berufen ist, die - wie im konkreten Fall - die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Dies ist zweifelsfrei die belangte Behörde.

Die Befürchtungen der Beschwerdeführerin, diese Entscheidungsbefugnis könne von der die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt habenden Behörde in unsachlicher Weise ausgeübt werden, sind nicht zu teilen. Nach § 72 Abs. 4 AVG steht gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiedereinsetzung dem Antragsteller das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde, wenn aber in der Sache eine Berufung an den UVS vorgesehen ist, an diesen, zu. Es ist daher - jedenfalls für den Fall der Ablehnung eines Wiedereinsetzungsantrages - eine Kontrolle durch die Behörde vorgesehen, die nach Ansicht der Beschwerdeführerin über den Antrag auf Wiedereinsetzung selbst entscheiden hätte müssen. Die Auffassung, dass die gesetzliche Regelung des § 71 Abs. 4 AVG das von der Beschwerdeführerin aufgezeigte unsachliche Ergebnis zwingend nach sich ziehen würde, kann der Verwaltungsgerichtshof daher nicht teilen.

Dazu kommt, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 13. März 2003, B 294/03-4, mit eben diesen Argumenten der Beschwerdeführerin konfrontiert, ausdrücklich auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Regel des § 71 Abs. 4 AVG hingewiesen hat. Insofern die Beschwerdeführerin eine verfassungskonforme Interpretation des § 71 Abs. 4 AVG einmahnt, kann ihr daher auch nicht gefolgt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlass, aufgrund des vorliegenden Falles eine dem eindeutigen Gesetzestext entgegenstehende Anwendung dieser Bestimmung vorzunehmen. Dies vor allem deshalb, weil § 72 Abs. 4 AVG für den Fall der Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages ausdrücklich einen Instanzenzug (auch) an den UVS als Berufungsbehörde festschreibt und somit davon ausgeht, dass zur Entscheidung über Anträge auf Wiedereinsetzung auch andere Behörden (als der UVS) zuständig sein können. Der Ansicht der Beschwerdeführerin steht daher auch diese explizite Anordnung des Gesetzgebers entgegen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte auch bereits mehrfach in Verfahren über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Bedenken gegen eine Zuständigkeit des UVS als Berufungsbehörde (vgl. dazu die jeweils im Zusammenhang mit Wiedereinsetzungsverfahren bei Berufungen an den UVS stehenden hg. Erkenntnisse 21. November 1994, Zl. 94/10/0156, vom 22. März 1995, Zl. 94/03/0303, vom 31. Mai 1999, Zl. 99/10/0026, vom 16. Oktober 2002, Zl. 2001/03/0212; und - implizit - vom 17. Jänner 1997, Zl. 94/07/0114, sowie vom 21. November 1994, Zl. 94/10/0156).

Unter dem Aspekt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt die Beschwerdeführerin vor, im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zur Zl. B 967/01 hätten sowohl die belangte Behörde als auch sie, damals als mitbeteiligte Partei, in ihren im dortigen Verfahren erstatteten Gegenschriften vom 22. Juli 2002 ausdrücklich geltend gemacht, dass der Mitbeteiligte gemäß § 5 K-LG vor Erhebung der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde zuerst Berufung an den UVS hätte erheben müssen. Der Verfassungsgerichtshof habe am 24. Juli 2002 die Zustellung dieser Gegenschrift an den Mitbeteiligten zu Handen seiner Rechtsanwälte verfügt und es sei daher davon auszugehen, dass diese Zustellung spätestens am 31. Juli 2002 erfolgt sei. Der Mitbeteiligte hätte daher ab Ende Juli 2002 Kenntnis davon gehabt, dass er Berufung an den UVS hätte erheben müssen und habe daher die Berufungsfrist versäumt. Auch dann, wenn ein Parteienvertreter von der Unzulässigkeit seines Rechtsmittels nur formlos Kenntnis erlange, beginne die Wiedereinsetzungsfrist zu laufen, wobei der Umstand, dass ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter einen für den Beginn des Laufes der Wiedereinsetzungsfrist maßgeblichen Umstand nicht erkenne, nicht mehr als minderer Grad des Versehens anzusehen sei.

Daraus folge, dass für die Rechtsvertreter des Mitbeteiligten schon ab Ende Juli 2002 das Hindernis für die Erhebung einer Berufung an den UVS weggefallen sei und dass der erst nach Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes am 27. November 2002 gestellte Wiedereinsetzungsantrag schon aufgrund der Aktenlage jedenfalls verfristet sei.

Auch dieses Argument führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

§ 71 Abs. 2 AVG stellt darauf ab, wann die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat. Im vorliegenden Fall ist zu untersuchen, was in Anbetracht des im Vertrauen auf die falsche Rechtsmittelbelehrung vom Mitbeteiligten anhängig gemachten Beschwerdeverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof unter dem "Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat", anzusehen ist.

Angesichts dessen, dass das außerordentliche Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Abhilfe gegen einen Rechtsverlust schaffen sollte, der durch die von einer Behörde selbst erteilte unrichtige Information entstanden ist, muss für den Lauf der Frist der Antragstellung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gesicherte Kenntnis von der Zulässigkeit der Berufung verlangt werden, kann man doch einen Rechtsmittelwerber nicht neuerlich das Risiko eines fälschlicherweise erhobenen oder fehlgeleiteten Rechtsmittels zumuten. Die bloße Information von Seiten Dritter oder anderer Verfahrensparteien darüber, dass eine weitere Berufung zulässig gewesen wäre, reicht daher jedenfalls dann nicht aus, um die Voraussetzung der Kenntniserlangung von der Zulässigkeit der Berufung im Sinn des § 71 Abs. 2 AVG zu erfüllen, wenn der Rechtsmittelwerber im Vertrauen auf die falsche Rechtsmittelbelehrung ein unzulässiges Rechtsmittel (Beschwerde) an eine dafür nicht zuständige Behörde (Gericht) erhoben hat und eine Entscheidung darüber noch aussteht. In einem solchen Fall ist von einer gesicherten Kenntnis von der Zulässigkeit der Berufung erst mit der Zurückweisung der unzulässigen Beschwerde durch den (hier:) Verfassungsgerichtshof auszugehen.

Für ein solches Verständnis spricht auch § 46 Abs. 2 und 3 VwGG, der für den Fall einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung und vorgenommener unzulässiger Rechtsmittelerhebung hinsichtlich des Beginns des Fristenlaufes - im Gegensatz zu § 71 AVG - eine eindeutige Regelung enthält. Demnach ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist beim Verwaltungsgerichtshof spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Das hinter dieser Regelung stehende Verständnis, den bereits einmal in die Irre geleiteten Bescheidadressaten angesichts eines anhängigen Rechtsmittelverfahrens nicht das Risiko einer zusätzlichen, möglicherweise unzulässigen Beschwerdeerhebung aufzubürden, kann auch auf das Verwaltungsverfahren übertragen werden. Die formlose Mitteilung eines Dritten über die Zulässigkeit einer Berufung verschafft daher bei noch anhängigem Beschwerdeverfahren keine gesicherte Kenntnis von der Zulässigkeit der Berufung.

Auch die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang zitierte Judikatur bietet kein anderes Bild. Die von der Beschwerdeführerin genannten Erkenntnisse und Beschlüsse ergingen zu der hier nicht zur Anwendung gelangenden Bestimmung des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG; der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1986, Zl. 86/04/0150, bezog sich schließlich auf § 46 VwGG und nicht auf § 71 Abs. 1 Z. 2 AVG. Im dortigen Fall war der Zurückweisungsbescheid selbst (frühestens) gleichzeitig mit einer formlosen Erledigung, in der auf diesen Bescheid verwiesen wurde, zugestellt und die Frist somit jedenfalls gewahrt worden. Die von der Beschwerdeführerin genannte Aussage des Inhaltes, dass auch dann, wenn ein Parteienvertreter von der Unzulässigkeit seines Rechtsmittels nur formlos Kenntnis erlange, die Wiedereinsetzungsfrist zu laufen beginne, ist diesem Beschluss nicht zu entnehmen.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass - ungeachtet des Umstandes, dass dem Mitbeteiligten bereits früher die Mitteilung seiner Verfahrensgegner im verfassungsgerichtlichen Verfahren über die Zulässigkeit der Berufungserhebung zugekommen war - eine verlässliche Aussage über die Zulässigkeit einer solchen Berufung erst mit dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 2002 getroffen wurde. Die von der Beschwerdeführerin angenommene Verspätung der Antragstellung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegt daher nicht vor.

Unter dem Aspekt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin schließlich geltend, die belangte Behörde habe keine Ermittlungen dazu geführt, wann der Mitbeteiligte tatsächlich Kenntnis vom Wiedereinsetzungsgrund erlangt habe. Aus den vorhin dargestellten rechtlichen Erwägungen erwiesen sich diese Ermittlungen aber als nicht notwendig, weshalb in ihrem Unterlassen auch kein Verfahrensmangel erblickt werden kann.

Die Beschwerde war daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen wird.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. September 2003

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