Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Auf Grund eines von der Beschwerdeführerin am 29. Juli 1991 an die Agrarbezirksbehörde Villach (AB) gestellten Antrages stellte die AB mit Bescheid vom 15. Jänner 1992 fest, daß die der Beschwerdeführerin gehörige EZ 119, KG K., keine Stammsitzliegenschaft der Agrargemeinschaft Nachbarschaft K. sei.
Gegen diesen der Beschwerdeführerin nach Ausweis des Zustellnachweises am 24. Jänner 1992 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin eine am 13. Februar 1992 zur Post gegebene Berufung, welche sie an die den Bescheid erlassende AB richtete.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof mit der zu 94/07/0030 protokollierten Beschwerde angefochtenen Bescheid vom 15. November 1993 wies die belangte Behörde diese Berufung der Beschwerdeführerin aus dem Grunde ihrer Verspätung zurück.
In einem an die belangte Behörde gerichteten Schriftsatz vom 16. November 1993 bezog sich die Beschwerdeführerin auf die von ihr als überraschend empfundene Befragung zum Bescheid-Zustellungstermin in der mündlichen Verhandlung der belangten Behörde vom 15. November 1993, erstattete ein Vorbringen über Zustellvorgänge, zu dessen Darstellung auf die Gründe des Erkenntnisses vom heutigen Tage, 94/07/0030, verwiesen werden kann, und richtete an die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Fall einer tatsächlichen Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung mit der Erklärung, daß sie unverschuldet durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der zeitgerechten Einbringung der Berufung gehindert worden sei, weil sie weder rechtzeitig zur Abgabestelle zurückkehren noch rechtzeitig vom Zustellungsvorgang Kenntnis erlangen habe können und zwischen angeblicher Hinterlegung und ihrer Kenntnis eine Woche liege. Diesen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verband die Beschwerdeführerin mit der Berufung gegen den Bescheid der AB vom 15. Jänner 1992, welche sie im folgenden neuerlich ausführte.
Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. März 1994 im wesentlichen mit der Begründung ab, daß die Beschwerdeführerin ein die Wiedereinsetzung rechtfertigendes unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis nicht behauptet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Bescheidaufhebung.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie aus der Bestimmung des § 41 Abs. 1 VwGG hervorleuchtet, hat der Verwaltungsgerichtshof eine durch einen angefochtenen Bescheid bewirkte Verletzung von Rechten eines Beschwerdeführers im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte nicht mehr zu prüfen, wenn er Unzuständigkeit der belangten Behörde als gegeben findet. Ein solcher Fall liegt vor.
Gemäß § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
Die versäumte Handlung war im vorliegenden Fall die Berufung gegen den Bescheid der AB vom 15. Jänner 1992.
Nach § 63 Abs. 5 AVG in seiner im Zeitpunkt sowohl des verfahrenseinleitenden Antrages der Beschwerdeführerin als auch der Einbringung der Berufung als auch der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides geltenden Fassung gemäß BGBl. Nr. 5/1991 (vor der Novelle BGBl. Nr. 471/1995) war die Berufung von der Partei bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24. Juni 1994, G 20-23/94-6, die Wortfolge "oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat" als verfassungswidrig aufgehoben, wobei die Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 1995 in Kraft trat. Auf den Beschwerdefall ist § 63 Abs. 5 AVG in der Fassung vor der Aufhebung der genannten Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof anzuwenden.
Die Beschwerdeführerin hat ihre Berufung bei der Agrarbehörde erster Instanz eingebracht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß eine - wenn auch verspätet - bereits gesetzte Prozeßhandlung nicht nachgeholt werden, weshalb aber auch die belangte Behörde nicht jene Behörde war, bei welcher die versäumte Berufung vorzunehmen war, da die nochmalige Einbringung einer Berufung nicht erforderlich war und es demnach auch keine versäumte Handlung mehr gab, die im Sinne des § 71 Abs. 3 AVG vorzunehmen gewesen wäre (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. November 1994, 94/10/0156 bis 0158). Da die belangte Behörde somit nicht als jene Behörde angesehen werden konnte, bei welcher nach § 71 Abs. 4 AVG die versäumte Handlung vorzunehmen war, war die belangte Behörde auch zur Entscheidung über den bei ihr gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht zuständig. Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, daß einem Beschwerdeführer im Falle der Bejahung der Zuständigkeit der Berufungsbehörde zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag die Möglichkeit einer Berufung gegen die Entscheidung über die Wiederseinsetzung genommen würde (vgl. nochmals das bereits zitierte Erkenntnis vom 21. November 1994, 94/10/0156 bis 0158).
Es hat die belangte Behörde in der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin damit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, welche ihr nach dem Gesetz nicht zukam, sodaß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der geltend gemachte Umsatzsteuerbetrag im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist und an Stempelgebühren lediglich ein Betrag von S 240,-- für die nur in zweifacher Ausfertigung zu überreichende Beschwerdeschrift und ein solcher von S 90,-- für die Ausfertigung des angefochtenen Bescheides - der Anschluß weiterer Beilagen war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich - zustand.
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