Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von EUR 1171, 20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
Begründung
Am 28. August 2001 beantragte die mitbeteiligte Partei (vertreten durch ein Mitglied des Gemeinderates) die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von Ballfangzäunen auf dem von der Pfarre St. Christophen gepachteten Grundstück Nr. 19, KG St. Christophen (Friedhofstraße 153). Laut beiliegender Baubeschreibung beabsichtigt die mitbeteiligte Partei die Herstellung einer 40 mal 60 Meter großen Spielwiese für die Jugend von St. Christophen, ausgestattet mit zwei fundierten Fußballtoren. Die geplanten Ballfangzäune sollen hinter den beiden Fußballtoren der Spielwiese eine Breite von 20 Metern und eine Höhe von 4 Metern aufweisen sowie seitlich anschließend bis zum Ende der Spielwiese eine Höhe von 1 Meter.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 1912/2, KG St. Christophen (Schulgasse 93), das unmittelbar an das zu verbauende Grundstück an der nördlichen Schmalseite angrenzt. Der geplante Ballschutzzaun soll zum Grundstück der Beschwerdeführer einen Abstand von 20 Metern haben, das Niveau entlang der Grundgrenze bleibt unverändert.
Vor der Verhandlung erhoben die Beschwerdeführer und andere Eigentümer angrenzender Grundstücke schriftlich Einwendungen. Sie sprachen sich gegen die Erteilung einer Baubewilligung aus, weil sie eine unzulässige Einflussnahme durch Lärm befürchteten. Es gäbe kein Lärmgutachten.
In der Verhandlung vom 1. Oktober 2001 wurde auf die Flächenwidmung "Grünland-Sportstätte" verwiesen. Entlang der nördlichen Grundgrenze bestehe ein Streifen mit der Widmung "Grünland-Grüngürtel". Die Beschwerdeführer brachten vor, man könne die Errichtung von Ballfangzäunen von dem beabsichtigten Spielbetrieb inhaltlich nicht trennen. Mit diesem Spielbetrieb seien allerdings Emissionen iSd § 48 NÖ BauO 1996 verbunden. Es werde daher die Einholung eines Sachverständigengutachtens für das Lärmwesen zum Beweis dafür beantragt, dass durch die Spielanlage die Beschwerdeführer infolge Lärms unzumutbar belästigt würden. Überdies sei die Errichtung einer Lärmschutzwand erforderlich und müsse der Grünstreifen zwischen der Grundstücksgrenze und der Lärmschutzwand bzw. den Ballschutzzäunen umfassend bepflanzt werden. Diesbezüglich legten sie eine Skizze vor.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Neulengbach vom 2. Jänner 2002 wurde die begehrte Bewilligung erteilt. Unter einem wurde aufgetragen, dass der das Vorhaben umgebende Grüngürtel mit heimischen Gehölzen und zwar 350 Stück Fichten mit einer Mindestpflanzhöhe von 60 cm, 175 Stück Sträucher mit einer Mindestpflanzhöhe von 80 cm - insgesamt mit einer Gesamtpflanzungsbreite von mindestens 3 Metern - zu bepflanzen sei. Begründend führte die Behörde aus, nach § 48 Abs. 2 NÖ BO seien Belästigungen hinsichtlich ihrer örtlichen Zumutbarkeit nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen. Das betroffene Grundstück weise laut rechtsgültigem Flächenwidmungsplan die Widmung "Grünland-Sportstätte" auf, weshalb die Errichtung von Ballfangzäunen zulässig sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer unter anderem aus, die Zumutbarkeit einer Belästigung sei nicht nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart zu beurteilen. Vielmehr sei gemäß § 48 NÖ BO zu prüfen, welche Belästigung vom gegenständlichen Bauwerk und dessen Benützung ausgehe und ob durch diese eine Belästigung von Menschen, die örtlich nicht zumutbar sei, ausgehe. Die Behörde erster Instanz habe verabsäumt, Feststellungen über die Geräuschentwicklung und Beeinträchtigung der Beschwerdeführer zu treffen. Unbegründet sei auch geblieben, inwieweit die vorgeschriebene Bepflanzung die befürchtete Belästigung mindern würde.
Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Neulengbach vom 11. März 2002 wurde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Entscheidend seien allein die für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart und die sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkungen des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen. Das gegenständliche Grundstück sei laut rechtsgültigem Flächenwidmungsplan als "Grünland-Sportstätte" ausgewiesen. Gemäß § 19 Abs. 2 Z 8 NÖ ROG sei auf Flächen mit dieser Widmung die Sport- und Freizeitgestaltung im Freien vorgesehen und daher zulässig. Auch sei die gegenständliche Widmung bis zum angrenzenden Bauland - Wohngebiet durch einen 5 Meter breiten Grüngürtel, dessen Bepflanzung durch den Bescheid aufgetragen worden sei, getrennt und sei dem Erläuterungsbericht des Verfahrens zur Änderung des örtlichen Raumordnungsprogramms, mit welchem das gegenständliche Grundstück als Grünland - Sportstätte bzw. Grünland - Grüngürtel gewidmet worden sei, zu entnehmen, dass der Grüngürtel zum Schutz vor etwaigen Lärmemissionen bestimmt sei. Die Baubewilligung sei daher zu Recht erteilt worden.
Die dagegen erhobene Vorstellung, der die Beschwerdeführer ein Gutachten eines Zivilingenieurs für technische Physik anschlossen, wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. In ihrer Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die beabsichtigte Nutzung eines "Sport- bzw. Spielplatzes für die Jugend", welcher auch für schulische Zwecke Verwendung finden solle, in Verbindung mit der Ausgestaltung der Anlage, nämlich lediglich der Aufstellung von zwei Toren und an zwei Seiten von Ballfangnetzen - ohne sonstiges Zubehör eines üblichen Sportplatzes -, ließe von vorne herein Belästigungen in einem über die örtliche Zumutbarkeit - bezogen auf die Widmung "Grünland-Sportstätte" - hinausgehenden Ausmaß nicht erwarten, weshalb die Durchführung einer konkreten Lärmmessung unterbleiben konnte.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 16. Juni 2003, B 1850/02, ab, und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die Beschwerdeführer machten in ihrer Beschwerdeergänzung Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, durch die Errichtung und Benützung des Bauwerks seien Emissionen zu erwarten, die das Leben und die Gesundheit der Beschwerdeführer gefährdeten bzw. die Beschwerdeführer durch Lärm und Abgase unzumutbar belästigten. Die Baubehörde habe die Einholung von Befund und Gutachten eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Lärmmesstechnik unterlassen. Ein Sachverständiger hätte jedoch die unzumutbaren Immissionen aufzeigen können und wäre auf Grund dieser Ergebnisse die Baubewilligung zu versagen gewesen.
Sofern die Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde eine unzumutbare Belästigung auf Grund von Abgasimmissionen und eine Gefährdung des Lebens behaupten, ist ihnen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegen zu halten.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines Grundstückes, das an das baugegenständliche Grundstück angrenzt. Sie sind daher Nachbarn iSd § 6 Abs. 1 Z. 3 NÖ BauO 1996 i.d.F. LGBl 8200-3 (BO). Nach § 6 Abs. 1 BO haben Nachbarn aber nur dann Parteistellung, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.
§ 6 Abs. 2 BauO 1996 lautet:
"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie
2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten und über
3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."
Die Beschwerdeführer machen ihr Nachbarrecht nach § 6 Abs. 2 Z. 2 BO geltend. Der dort genannte § 48 BO lautet:
"Immissionsschutz
(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen
- 1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
- 2. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.
(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."
§ 19 NÖ ROG 1976 idF LGBl. 8000 - 13 (ROG) lautet auszugsweise:
Grünland
(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen gehören zum Grünland.
(2) Das Grünland ist entsprechend den örtlichen Erfordernissen und naturräumlichen Gegebenheiten in folgende Widmungsarten zu gliedern:
.........
2. Grüngürtel:
Flächen zur Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes und
zur Trennung von sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen
(einschließlich immissionsabschirmender Maßnahmen) sowie Flächen
mit ökologischer Bedeutung. Die Gemeinde hat die Funktion und
erforderlichenfalls die Breite des Grüngürtels im
Flächenwidmungsplan festzulegen.
.........
8. Sportstätten:
Flächen für Sport- und Freizeitgestaltung im Freien. Erforderlichenfalls können die Sportarten im Flächenwidmungsplan festgelegt werden.
Das verfahrensgegenständliche Grundstück befindet sich im Grünland mit der Widmungsart "Sportstätte". Nach § 19 Abs. 2 Z. 8 ROG ist auf solchen Flächen die Sport- und Freizeitgestaltung im Freien vorgesehen. Obwohl diese Widmung keinen Immissionsschutz aufweist, kommt den Beschwerdeführern dennoch ein solcher, nämlich jener des § 48 BO, zu (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2002, 2002/05/0111). Nach dieser Bestimmung dürfen Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, Menschen (u.a.) durch Lärm nicht örtlich unzumutbar belästigen. Der Einwendungsausschluss des § 6 Abs. 2 Z. 2 BO (Verwendung zu Wohnzwecken) kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung (vgl. das hg Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl. 2002/05/1237).
Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa bei Flutlichtanlagen für Tennisplätze ausgesprochen, dass nicht nur die allfällige Blendwirkung, sondern auch der mittelbar durch die Flutlichtanlage bewirkte Lärm bei Beurteilung der Zulässigkeit zu berücksichtigen ist (hg. Erkenntnis vom 19. November 1985, VwSlg. 11.944/A, ergangen zur Stmk BauO; vgl. weiters zur Rechtslage in Oberösterreich die hg. Erkenntnisse vom 24. März 1998, Zl. 97/05/0301, und vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0003).
Daher wird nicht verkannt, dass der Spielplatz und dessen Benützung nicht Gegenstand der Bauberechtigung ist; allerdings ist nicht auszuschließen, dass die bestimmungsgemäße Verwendung des Ballfangzaunes zu einer Erhöhung der Immissionsbelastung führen kann.
Ob dies der Fall ist, hat die Behörde im Ermittlungsverfahren festzustellen. Sie hat sich hiebei im Allgemeinen der Mithilfe von Sachverständigen, und zwar eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen, zu bedienen. Sache des technischen Sachverständigen ist es, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, die Wirkungen dieser Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2002, Zl. 2000/05/0059, welches - mit weiteren Hinweisen - auf einen Betrieb abstellt; § 48 BO bezieht sich aber allgemein auf "Bauwerke", weshalb etwa auch im Fall des bereits oben zitierten hg. Erkenntnisses vom 31. März 2005, betreffend den Schornstein eines Presshauses, eine derartige Beweisaufnahme gefordert wurde).
Das durchgeführte Ermittlungsverfahren genügt diesen Erfordernissen nicht. Um abschließend beurteilen zu können, ob das gegenständliche Bauvorhaben eine örtlich unzumutbare Lärmbelästigung hervorrufen kann, bedarf es daher ergänzender Erhebungen durch ein Gutachten jeweils eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen.
Da die belangte Behörde diesen Mangel des Gemeindeverfahrens nicht wahrnahm, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. November 2005
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