VwGH 2002/20/0599

VwGH2002/20/059930.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des E in T, geboren 1972, vertreten durch Dr. Paul Wuntschek, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Grazbachgasse 39/III, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. Oktober 2002, Zl. 217.948/0- VIII/22/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AsylG 1997;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AsylG 1997;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein aus Teheran stammender Staatsangehöriger des Iran, reiste am 29. Dezember 1999 (gemeinsam mit seiner Ehefrau und Tochter) nach Österreich ein und stellte noch am selben Tag einen Asylantrag. Bei der Vernehmung vor dem Bundesasylamt am 29. Februar 2000 brachte er zu seinen Fluchtgründen (zusammengefasst) vor, am 9. Juli 1999 habe er vier im Zuge der Studentenunruhen auf der Flucht befindliche Personen - darunter einen namentlich genannten Freund seines Schwagers - ins Haus gelassen und sein Schwager habe sie auf deren Ersuchen in seiner Wohnung im zweiten Stock versteckt. Unmittelbar danach seien Sicherheitsbeamte in das Haus eingedrungen, die eine der Personen namens "Omid" am Dachboden hätten festnehmen können. Die anderen seien entkommen. Der Beschwerdeführer und sein Schwager seien zwei Wochen - davon zwei Tage gemeinsam mit Omid - angehalten und der Beschwerdeführer sei unter Folter vor allem dazu verhört worden, welche politische Gesinnung er habe, bei welcher Partei er Mitglied sei und wie er sich mit Omid angefreundet habe. Der Beschwerdeführer sei (wie sein Schwager) gegen Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung, keine "Schritte" gegen Einrichtungen der Islamischen Republik und gegen die Regierung zu setzen, widrigenfalls er "gemäß den islamischen Gesetzen sogar mit der Todesstrafe bestraft" würde, sowie nach dem Vollzug einer Strafe von 74 Peitschenhieben auf den Rücken freigelassen worden.

Als der Beschwerdeführer und sein Schwager (sowie deren Ehefrauen und die Tochter des Beschwerdeführers) nach einem gemeinsamen Aufenthalt bei seiner Mutter Anfang November 1999 nach Hause gekommen seien, hätten sie (aus einiger Entfernung vom Auto aus) vor ihrem Haus zwei quer stehende Fahrzeuge und Omid, der von einem Beamten "bei der Hand" gehalten worden sei, bemerkt und beobachtet, dass ein Beamter mit einem "Seesack" aus dem Haus gekommen sei. Der Schwiegervater des Beschwerdeführers habe in der Folge mit dem (im selben Haus im dritten Stock wohnenden) Hauseigentümer telefoniert, der mitgeteilt habe, die Beamten hätten auf dem Flachdach eine Tasche gefunden, in der sich Filme und Flugblätter befunden hätten. Die Beamten hätten zunächst "bei uns" geläutet und sich erst dann an den Hauseigentümer gewandt. Zwei Tage später hätten die Beamten auch bei der Mutter des Beschwerdeführers nach ihnen gesucht. Bis zur Ausreise hätten sich der Beschwerdeführer und sein Schwager (sowie deren Ehefrauen und die Tochter des Beschwerdeführers) in einem Haus eines Freundes des Schwiegervaters in der Umgebung eines näher bezeichneten Ortes versteckt gehalten.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 3. Juli 2000 den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer ausführlich gegen die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes und brachte (u.a.) ergänzend vor, "da eine Tasche vermutlich mit Agitationsmaterial drei Monate später" in seinem Haus gefunden worden sei, fürchte er, dass die iranischen Behörden annehmen, er habe gegen die Verpflichtungserklärung verstoßen und die angedrohte Strafe (Todesstrafe) sei "somit gültig und vollstreckbar" geworden.

Die belangte Behörde führte am 15. März 2001 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer einer ergänzenden Befragung zu seinen Fluchtgründen unterzogen wurde. In der Folge richtete die belangte Behörde zu der vom Beschwerdeführer am 19. April 2001 im Original vorgelegten, an ihn ergangenen Gerichtsladung Fragen an die österreichische Botschaft in Teheran, die mit Schreiben vom 21. August 2001 wie folgt beantwortet wurden:

  1. "1. Die Ladung wurde durch ein Revolutionsgericht ausgestellt.
  2. 2. Es wird keine Begründung angegeben.
  3. 3. Es bleibt unklar, welche Bestrafung droht.
  4. 4. Nichts deutet auf die Studentenrevolte 1999 hin."

    In der ihm dazu eingeräumten Stellungnahme wies der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf entsprechende Quellen darauf hin, dass sich Revolutionsgerichte nicht mit "normalen" kriminellen Delikten, sondern mit Straftaten, die gegen die äußere und innere Sicherheit der Islamischen Republik Iran gerichtet sind, beschäftigen. Aufgrund des noch näher beschriebenen Aufgabenkreises der iranischen Revolutionsgerichte sei es daher offensichtlich, dass dem Beschwerdeführer ein schwerwiegendes Delikt (gegen das Regime) vorgeworfen werde und ihm eine harte Bestrafung drohe, auch wenn die vorgelegte Ladung explizit keine Begründung enthalte und (nur aufgrund des Inhaltes der Ladung) unklar sei, welche Bestrafung drohe. Die Verfahren vor den Revolutionsgerichten würden "in keinster Weise international anerkannten Maßstäben für faire Gerichtsverfahren entsprechen."

    Erschwerend komme im vorliegenden Fall hinzu, dass der Beschwerdeführer der Ladung des Revolutionsgerichtes keine Folge geleistet habe und ins Ausland geflüchtet sei.

    Dem hierauf ergangenen Ersuchen der belangten Behörde, die Gerichtsladung auf das Vorliegen von Fälschungsmerkmalen zu überprüfen, entsprach die genannte Botschaft nach Befassung eines "erfahrenen Rechtsexperten", dessen "Profil" im Schreiben vom 23. April 2002 näher dargestellt wurde, mit folgender Beurteilung:

    "Das vorgelegte Dokument scheint echt zu sein. Die Unterschrift ist dem Rechtsexperten bekannt, Siegel, Datum, Geschäftszahl etc. weisen keine Fälschungsmerkmale auf. Der Text erscheint plausibel zu sein."

    Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß §§ 7, 8 AsylG ab. Sie nahm eine differenzierende Beweiswürdigung vor und hielt das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nur zum Teil für glaubwürdig. Insoweit traf sie folgende - dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Wesentlichen entsprechende - (auszugsweise wiedergegebene) Feststellungen:

    "Der Berufungswerber ist am 02.04.1972 in Teheran geboren, wo er auch bis zu seiner Ausreise aus dem Iran Ende 1999 lebte, und gehört keiner ethnischen oder religiösen Minderheit an. ... Er kommt weder aus einer politisch aktiven Familie, noch hat er sich selbst politisch betätigt, noch mit irgendeiner oppositionellen Gruppe sympathisiert. Er hatte auch mit den Studentenunruhen im Iran im Sommer 1999 direkt nichts zu tun und auch sonst vor diesen keine Schwierigkeiten mit den iranischen Behörden.

    Am 09.07.1999 wurde er - da sich flüchtige Studenten in dem Haus, in dem er wohnte, versteckten - festgenommen und 2 Wochen angehalten. Dabei wurde er mehrmals einvernommen, wobei er auch geohrfeigt und mit Fußtritten misshandelt wurde. Nachdem die Behörden keine Beweise für eine Zusammenarbeit mit oppositionellen Gruppierungen finden konnten, wurde er gegen Unterfertigung einer Verpflichtungserklärung, keinerlei Aktivitäten mehr gegen das Regime zu setzen, freigelassen und - weil er flüchtigen Personen Unterschlupf gewährte - ausgepeitscht.

    Anschließend hatte er keine direkten Schwierigkeiten mehr mit den iranischen Behörden. Er hat den Iran im Dezember 1999 auf Geheiß seines Schwiegervaters illegal auf dem Landwege verlassen."

    Danach folgen Feststellungen "betreffend die Studentenunruhen im Sommer 1999 im Iran" und "hinsichtlich einer allfälligen Gefährdung durch die illegale Ausreise und Asylantragstellung im Ausland".

    Die beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde beziehen sich zunächst auf das (nicht für wahr gehaltene) Vorbringen des Beschwerdeführers, gegen ihn sei wegen des Verdachtes oppositioneller Aktivitäten beim Revolutionsgericht ein Strafverfahren anhängig, und nehmen zu der in diesem Zusammenhang vorgelegten Ladung wie folgt Stellung:

    "Was die vorgelegte Ladung des Berufungswerbers durch das Revolutionsgericht betrifft, so ist zunächst einmal mit der ersten Auskunft der Österreichischen Botschaft in Teheran vom 21.08.2001 darauf zu verweisen, dass in dieser Ladung keine Begründung angegeben ist, unklar bleibt, welche Bestrafung schlechtestenfalls droht und nichts auf die Studentenrevolte 1999 hindeutet. In der zweiten Auskunft der Österreichischen Botschaft in Teheran vom 23.04.2002 wurde ausgeführt, dass 'das vorgelegte Dokument echt zu sein scheint', wobei auch Gründe hiefür angegeben wurden. Eine völlig eindeutige Beurteilung der Urkunde als echt ist damit für das zuständige Mitglied der Berufungsbehörde nicht erfolgt.

    Weiters muss man im Iran sehr wohl nicht nur zwischen gefälschten und echten Urkunden unterscheiden, sondern auch zwischen echten Urkunden, deren Inhalt wahr ist und solchen, deren Inhalt nicht wahr ist, weil sie aufgrund von Bestechung oder einer 'Gefälligkeit' zustande gekommen sind, wobei die äußerst weit verbreitete Korruption im Iran als notorische Tatsache anzusehen ist. Allgemein kann daraus der Schluss gezogen werden, dass iranische (aber auch irakische) Urkunden, z. B. Gerichtsladungen und Urteile, mögen sie auch keine Fälschungsmerkmale aufweisen, für sich allein keinen ausreichenden Beweis einer Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr darstellen."

    Die weiteren fallbezogenen Überlegungen im Rahmen der Beweiswürdigung lauten im Wesentlichen folgendermaßen:

    "Das Vorbringen des Asylwerbers ist vergleichsweise substantiiert und detailliert, insbesondere was die Ereignisse im Zusammenhang mit den Studentenunruhen und die anschließenden Verfolgungshandlungen betrifft. Die Angaben werden jedoch vager und 'dünner', wenn es um die Vorgänge mit dem angeblichen Oppositionellen Omid im November 1999 geht.

    Der von der Behörde erster Instanz gesehene Widerspruch zwischen der Aussage des Berufungswerbers und seines Schwagers wird von der Berufungsbehörde nicht als zentral gesehen und konnte der Berufungswerber in der Berufungsverhandlung die bezughabenden Umstände detailliert und widerspruchsfrei darstellen. Insgesamt ist eine relativ gute Übereinstimmung mit den Aussagen seines Schwagers feststellbar.

    ...

    Durchaus plausibel (und im übrigen auch detailliert und konkret) erscheint das Vorbringen zur Entlassung des Berufungswerbers aus der 15tägigen Anhaltung, was im übrigen durch die getroffenen Feststellungen betreffend die Studentenunruhen erhärtet wurde. Den Umstand hingegen, warum den Berufungswerber wegen der ominösen Tasche des angeblichen oppositionellen Omid eine Verfolgungsgefahr treffen sollte, konnte er nicht plausibel erklären (der Berufungswerber erzählte etwas von seinem Schwiegervater, der über ein Mobiltelefon den Hauseigentümer angerufen haben soll, der jedoch gar nicht beim Wegwerfen der Tasche am 09.07. dabei gewesen sei und dass diese am 05.11.1999 sichergestellt worden sei. Wegen des Umstandes, dass am 09.07. der Hauseigentümer nicht zu Hause gewesen sei, sei der Berufungswerber von den iranischen Behörden irgendeines Zusammenhange mit dieser Tasche verdächtigt worden.) Nicht plausibel ist vor allem der Umstand, warum gerade er (und sein Schwager) wegen dieser Tasche, in der angeblich Propagandamaterial war, verfolgt werden sollte, wo doch diese Tasche nicht in seiner Wohnung gefunden wurde und es noch zahlreiche andere Hausparteien gibt, die das gleiche 'Naheverhältnis' zu dieser Tasche aufweisen.

    Schon die Behörde erster Instanz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es zumindest äußerst unwahrscheinlich ist, dass sich - zufällig - die gesamte Familie des Berufungswerbers während einer Hausdurchsuchung nicht daheim befindet und gerade im Zeitpunkt der Rückkehr eines angeblicher Oppositioneller (?) die bereits mehrmals erwähnte mysteriöse Tasche gefunden wird. Aufgrund der obigen Feststellungen über die Studentenunruhen ist es jedenfalls mit den allgemeinen politischen Verhältnissen im Heimatland des Berufungswerbers nicht vereinbar, dass er als eine oppositionell nicht aktive Person, die nicht an den Studentenunruhen aktiv teilgenommen hat, hinaus (offenbar gemeint: über die bisher erlittenen Maßnahmen hinaus) noch irgendwie Verfolgung durch die iranischen Behörden befürchten musste.

    ...

    Schließlich ist eine relativ gute Übereinstimmung zwischen der erst- und zweitinstanzlichen Aussage des Berufungswerbers feststellbar, wobei die Aussage vor der Berufungsbehörde um einiges detaillierter ist. Dem Berufungswerber kann eine mangelnde Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes nicht nachgesagt werden, noch hat er wichtige Tatsachen verheimlicht, noch bewusst falsch dargestellt, noch unbegründet oder verspätet ein Vorbringen erstattet.

    Als Person vermittelte der Berufungswerber auch dem Verhandlungsleiter der Berufungsverhandlung keinen unglaubwürdigen Eindruck, das Vorbringen ist jedoch, insbesondere was die Vorgänge im November 1999 betrifft, nicht ganz plausibel und - wie bereits ausgeführt - teilweise nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen im Heimatland des Berufungswerbers vereinbar. Wie aus den obigen Sachverhaltsfeststellungen ersichtlich, wird daher das Vorbringen des Berufungswerbers nur teilweise als glaubwürdig angesehen."

    Rechtlich führte die belangte Behörde fallbezogen aus, der Beschwerdeführer habe sich nicht aktiv politisch betätigt, sei den Behörden nicht als Oppositioneller aufgefallen und habe mit den Studentenunruhen nichts zu tun gehabt. Nur die prominentesten Anführer der Studentenunruhen seien zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Es erscheine daher völlig unplausibel, dass der Beschwerdeführer, der nach seinen Angaben nur zufällig in behördliche Handlungen im Gefolge der Studentenunruhen hineingeraten sei, ebenfalls zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt werden könnte. Der Beschwerdeführer sei jedenfalls kein prominenter Anführer einer oppositionellen Gruppierung, aber auch kein aktiver Teilnehmer an den Studentenunruhen, die nach wenigen Tagen bzw. Wochen Anhaltung wieder freigelassen worden seien. Es könne somit die Befürchtung des Beschwerdeführers, als nicht politisch tätige oder auffällige Person mehrere Monate nach den Studentenunruhen die Todesstrafe (oder zumindest eine langjährige Haftstrafe) zu erleiden, objektiv nicht nachvollzogen werden.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

    In der rechtlichen Beurteilung hat die belangte Behörde von den über die Beteiligten an den Studentenunruhen verhängten Strafen auf die dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Iran drohenden Sanktionen geschlossen und eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers verneint. Dabei handelt es sich erkennbar nicht um eine unter (hypothetischer) Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers vorgenommene Einschätzung, weil diesfalls die Tatsache, dass an den Beschwerdeführer eine Ladung vom Revolutionsgericht ergangen ist, vor dem Hintergrund des Vorbringens zum Aufgabenkreis und (willkürlichen) Verfahren der Revolutionsgerichte nicht hätte ausgeblendet werden dürfen. Die Rechtsausführungen stellen somit offenbar nur eine im Rahmen der Beweiswürdigung schon angesprochene ("Aufgrund der obigen Feststellungen über die Studentenunruhen ist es jedenfalls mit den

    ... politischen Verhältnissen ... nicht vereinbar, dass er als

    eine oppositionell nicht aktive Person ... noch irgendwie

    Verfolgung durch die iranischen Behörden befürchten musste."), wiederholende Plausibilitätsüberlegung dar. Soweit damit aber (auch) zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass dem Beschwerdeführer ausgehend von den festgestellten (abgeschlossenen) Ereignissen - Verhaftung, Anhaltung und Bestrafung wegen Fluchthilfe im Zuge der Studentenunruhen - keine weitere Verfolgungsgefahr mehr drohe, wäre das nicht zu beanstanden und wird auch in der Beschwerde nicht kritisiert.

    Maßgeblich ist daher, ob die von der belangten Behörde angenommene (teilweise) Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers tragfähig begründet wurde. Die belangte Behörde hat - wie erwähnt - eine differenzierende Beweiswürdigung vorgenommen, indem sie die Verhaftung am 9. Juli 1999 einschließlich der Gründe, die dazu geführt haben, die anschließende Anhaltung, die Verhöre unter Folter und die nur unter Auflagen und nach Bestrafung durch 74 Peitschenhiebe erfolgte Enthaftung des Beschwerdeführers (und seines Schwagers) für glaubhaft erachtet, demgegenüber aber die Beobachtungen anlässlich der "Hausdurchsuchung" Anfang November 1999, die im Hinblick auf den Inhalt der aufgefunden Tasche entstandenen Verdachtsmomente in Richtung oppositioneller Aktivitäten, die anschließende behördliche Suche nach dem Beschwerdeführer und seinem Schwager und schließlich die Ladung durch das Revolutionsgericht - auch wenn dazu keine ausdrücklichen negativen Feststellungen getroffen wurden - für nicht glaubwürdig angesehen hat.

    Die belangte Behörde kam zu dieser Einschätzung lediglich aufgrund der oben (bei der Darstellung des Bescheidinhaltes) wörtlich zitierten Plausibilitätsüberlegungen, die jedoch - insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Vorbringen "vergleichsweise substantiiert und detailliert" und "eine relativ gute Übereinstimmung" mit den Aussagen seines Schwagers und zwischen seiner erst- und zweitinstanzlichen Aussage "feststellbar" war und dass der Beschwerdeführer "wichtige Tatsachen" weder verheimlichte noch bewusst falsch darstellte und auch "als Person" in der Berufungsverhandlung "keinen unglaubwürdigen Eindruck" vermittelte - für eine schlüssige Begründung der angenommenen Unglaubwürdigkeit in den erwähnten Teilbereichen nicht genügen:

    So bleibt die belangte Behörde zunächst eine nachvollziehbare Erklärung dafür schuldig, aus welchen Gründen sie das Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf "die Vorgänge mit dem angeblichen Oppositionellen Omid im November 1999" als "vager und dünner" eingeschätzt hat. Insbesondere wurde nicht aufgezeigt, in welchen Punkten das Vorbringen lückenhaft gewesen sei und welche näheren Angaben und Details vom Beschwerdeführer insoweit zu erwarten gewesen wären, oder dass entsprechende Fragen unbeantwortet geblieben wären. Zu dem von der belangten Behörde für "nicht plausibel" erachteten Umstand, dass gerade dem Beschwerdeführer (und seinem Schwager) wegen des Inhaltes der Tasche eine Verfolgungsgefahr drohen soll, findet sich lediglich eine auszugsweise Wiedergabe der (von der belangten Behörde offenbar bezweifelten) Angaben des Beschwerdeführers, ohne dass diese im Bescheid einer nachvollziehbar begründeten Würdigung unterzogen wurden. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis, dass der Hauseigentümer am 9. Juli 1999 "beim Wegwerfen der Tasche" gar nicht "dabei" gewesen sei, ist aber nach der Schilderung des Beschwerdeführers (vgl. deren Wiedergabe in der Bescheidausfertigung Seiten 6 f, 16 und 18) ohne Relevanz und trägt daher nichts zur von der belangten Behörde insoweit angenommenen mangelnden Plausibilität der Angaben des Beschwerdeführers bei. Dass es noch "zahlreiche andere Hausparteien gibt, die das gleiche 'Naheverhältnis' zu dieser Tasche aufweisen", greift jedenfalls zu kurz. Abgesehen davon, dass neben der Familie des Beschwerdeführers und jener seines Schwagers in diesem "dreigeschossigen" Haus nur noch der Eigentümer gewohnt haben dürfte (vgl. Seite 17 der Akten des Bundesasylamtes iVm Seite 3 des Verhandlungsprotokolls), liegt das "Naheverhältnis" im Hinblick auf den bereits während der Haft im Juli 1999 geäußerten Verdacht, der Beschwerdeführer sei Angehöriger einer oppositionellen Vereinigung und mit Omid befreundet, auf der Hand. Angesichts der erwähnten - generell positiven - Glaubwürdigkeitsbeurteilung lässt sich schließlich im gegenständlichen Fall die Einschätzung eines Ereignisses als "zumindest äußerst unwahrscheinlich" - ohne Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für die Unwahrheit der Darstellung - schlüssig auch nicht mit der Zufälligkeit einzelner Umstände begründen. Letztlich kann aber auch aus der Behandlung von Teilnehmern an den Studentenunruhen keine Schlussfolgerung auf die (Un)Glaubwürdigkeit der Darstellung des Beschwerdeführers hinsichtlich der ihn (und seinen Schwager) individuell betreffenden Ereignisse Anfang November 1999 gezogen werden, stehen diese doch nur angesichts der Vorgeschichte im Zusammenhang mit der geleisteten Fluchthilfe im Zuge der Studentenunruhen, während nunmehr vorrangig aus dem Verdacht der (entgegen der Verpflichtungserklärung vorgenommenen) oppositionellen Betätigung eine Verfolgungsgefahr abgeleitet wird.

    Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass die belangte Behörde auch die vom Beschwerdeführer vorgelegte Gerichtsladung keiner schlüssig begründeten Beurteilung unterzogen hat. Zunächst ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die belangte Behörde davon ausging, eine "völlig eindeutige" Beurteilung der vorgelegten Ladung als echt sei nicht erfolgt. Der in diesem Zusammenhang vorgenommene Hinweis auf die Angaben im ersten Botschaftsschreiben geht schon deshalb ins Leere, weil den dort genannten Umständen, insbesondere dem Fehlen einer Begründung in der Ladung, nach dem Inhalt des zweiten Botschaftsschreibens offenbar keine Bedeutung beigemessen wurde. Das ergibt sich schon daraus, dass der "Text", also der Inhalt der Ladung, als "plausibel" bezeichnet wurde. Allein die Formulierung, das vorgelegte Dokument "scheint" echt zu sein, bietet aber angesichts des sonstigen Inhaltes des Botschaftsschreiben, in dem mehrere für die Echtheit der Ladung sprechende Umstände - insbesondere, dass dem beigezogenen Experten die Unterschrift bekannt sei - ausdrücklich angeführt sind, keinen ausreichenden Anhaltspunkt für eine mehrdeutige Beurteilung. Hätte sich dem Schreiben aber - wie die belangte Behörde meint - keine eindeutige Aussage zur Echtheit der Gerichtsladung entnehmen lassen, wäre im Übrigen eine nochmalige Befassung der Botschaft angezeigt und ein Versuch zur Beseitigung von Unklarheiten vorzunehmen gewesen.

    Bei den weiteren spekulativen Überlegungen in Bezug auf echte Urkunden mit unwahrem Inhalt, die vor dem Hintergrund der notorisch "äußerst weit verbreiteten Korruption im Iran" aufgrund von Bestechung oder einer "Gefälligkeit" zustande gekommen sind, handelt es sich aber - wie die Beschwerde zu Recht geltend macht - auch um kein schlüssiges Begründungselement. Insoweit kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2003, Zl. 2003/20/0082, verwiesen werden, die sich mit der von der belangten Behörde - wie auch im vorliegenden Fall - angenommenen Möglichkeit, dass vorgelegte, ein iranisches Gerichtsverfahren betreffende Dokumente zwar echt, aber "auf Grund von Bestechung oder einer 'Gefälligkeit' zu Stande gekommen" sein könnten, befassen. Aus den im zitierten Erkenntnis angeführten Gründen hätte es insoweit auch im gegenständlichen Fall nachvollziehbarer Ermittlungsergebnisse bedurft, mit welcher Häufigkeit und unter welchen Umständen solche "Gefälligkeitsurkunden" iranischer Gerichte schon bekannt geworden sind (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/20/0458).

    Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

    Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Für die nach § 24 Abs. 3 VwGG entrichtete Gebühr waren EUR 181,68 zuzusprechen.

    Wien, am 30. September 2004

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