VwGH 2001/20/0458

VwGH2001/20/045830.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des B, geboren 1959, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz und Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwältinnen in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. Juni 2001, Zl. 217.627/0-VIII/22/00, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheidteil wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, gelangte am 14. Jänner 2000 nach Österreich und stellte noch am selben Tag einen Asylantrag. Zur Begründung brachte er bei den Vernehmungen vor dem Bundesasylamt am 24. Jänner und am 8. Juni 2000 im Wesentlichen vor, er sei im Iran dreimal inhaftiert gewesen und schließlich nach Übermittlung einer Gerichtsladung Ende 1999 aus seinem Heimatland geflüchtet, weil er gehört habe, "dass Personen wegen der selben Probleme zu einer Haft von acht bis zehn Jahren verurteilt wurden.".

Die ersten Probleme habe er im September/Oktober 1996 gehabt, als ihm eine Steuernachzahlung von 4,2 Millionen Rial vorgeschrieben worden sei, obwohl er sein Geschäft - eine Kfz-Werkstätte - für ein Jahr geschlossen und sich in Teheran aufgehalten habe. Darauf hin habe er bei der Finanzbehörde "so laut" protestiert, dass er eine Woche lang im Karoun Gefängnis in seiner Heimatstadt Ahvaz festgehalten worden sei. Nach Unterfertigung einer Verpflichtungserklärung, dass er in Zukunft nicht mehr gegen das Regime auftreten und die vorgeschriebenen Steuern nachzahlen werde, sei er enthaftet worden.

Anfang September 1997 habe sich der Beschwerdeführer mit Mitarbeitern und anderen Unternehmern insbesondere über Maßnahmen dagegen beraten, dass Mitglieder der Revolutionswächter ihre Fahrzeuge ohne Bezahlung in ihren Werkstätten reparieren ließen. Im Anschluss daran sei die - wie der Beschwerdeführer später erfahren habe: von einem Mitarbeiter verständigte - Patrouille des Nachrichtendienstes erschienen und habe den Beschwerdeführer festgenommen. Während der zweitägigen Anhaltung sei der Beschwerdeführer auch geschlagen worden. Im Hinblick auf den vorangegangenen "Vorfall mit dem Finanzamt" in Verbindung mit dem Vorwurf, gegen das Regime zu sein, sei er in der Folge in einem namentlich bezeichneten Gefängnis 45 Tage angehalten worden. Nachdem sein Vater "die Bürgschaft, mit der Auflage, dass im Wiederholungsfalle meine Konzession entzogen wird und ich wieder verhaftet werden würde, unterschrieben" habe, sei der Beschwerdeführer freigelassen worden.

Am 12. Juli 1999 sei er von dem - später mit ihm gemeinsam geflüchteten - Bekannten K. angerufen worden, weil dessen Sohn bei den Studentendemonstrationen in Ahvaz festgenommen worden sei. Er habe den Beschwerdeführer um Unterstützung ersucht. Sie seien noch am gleichen Tag zu zwei Polizeidienststellen und danach zum Revolutionsgericht gegangen, wo "viele Eltern" nach ihren Kindern "Ausschau" gehalten hätten. Sie hätten erfolglos nach dem Sohn von K. gefragt. Schließlich habe K. aufgeregt "gebrüllt und herumgeschrieen", weshalb sie in der Folge festgenommen, vier Tage in Einzelhaft verwahrt und anschließend für drei Monate in das Karoun Gefängnis gebracht worden seien. Das Geschäft des Beschwerdeführers sei "plombiert" und verlangt worden, dass er seine Konzession und den Personalausweis hinterlege, damit er bis zur Gerichtsverhandlung freigelassen werde. Ein Monat nach seiner Freilassung am 21. Oktober 1999, bei der ihm aufgetragen worden sei, die Stadt Ahvaz auf keinen Fall zu verlassen, sei ihm eine Gerichtsladung per Boten übermittelt worden.

Der Beschwerdeführer habe danach einen Mithäftling aus dem Karoun Gefängnis getroffen, der ihm mitgeteilt habe, er kenne jemand, der "wegen so einer Ladung" eine Haftstrafe von acht Jahren erhalten habe. Eine Auseinandersetzung mit einem Staatsbeamten, die als Grund für die Ladung angeführt sei, habe der Beschwerdeführer zwar nicht gehabt. Dabei handle es sich nur um einen Vorwand, damit man den Beschwerdeführer "einsperren" könne. Der Beschwerdeführer habe eigentlich mit dem Revolutionsgericht "zu tun". Es werde "so gemacht, dass manche Ladungen vom allgemeinen Gericht ausgehen", bei der Verhandlung "sitzen jedoch Richter des Revolutionsgerichtes dabei". Auf Vorhalt, der Beschwerdeführer sei nur "Mitbeteiligter" bei dem Streit des Bekannten K. gewesen, erwiderte der Beschwerdeführer, bei den Nachforschungen sei die Behörde auf die zwei vorangegangenen Vorfälle aufmerksam geworden. Die "aktuelle Festnahme" sei daher der "dritte Vorfall". Der Beschwerdeführer habe mittlerweile erfahren, dass die Gattin von K. verhaftet worden sei und erst freigelassen werde, wenn sich K. den Behörden stelle. Deswegen sei dieser von Österreich in den Iran zurückgekehrt und dann tatsächlich verhaftet worden.

Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Juni 2000 gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gestützt auf einen Botschaftsbericht, der nach Beiziehung eines rechtskundigen Experten erstellt worden sei, ging das Bundesasylamt davon aus, die vom Beschwerdeführer vorgelegte Ladung sei echt und von einem öffentlichen Gericht für den Termin 7. Mai 2000 ausgestellt worden. Der in der Ladung erwähnte Vorwurf laute "Auseinandersetzung mit einem staatlichen Organ". In einem solchen Fall drohten laut Auskunft des erwähnten Experten drei bis sechs Monate Haft oder Peitschenhiebe. Es gäbe auf dieser Ladung keinerlei Hinweise auf das für politische Vergehen zuständige Revolutionsgericht. Dass Richter des Revolutionsgerichtes an Gerichtsverhandlungen ordentlicher Gerichte teilnehmen, wie der Beschwerdeführer behaupte, stehe "im krassen Widerspruch zu den Erkenntnissen und Erfahrungen" über den Iran. Das Bundesasylamt hielt daher die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers für nicht glaubwürdig und ortete weiters Widersprüche in der Aussage des Beschwerdeführers im Verhältnis zu jener des K. betreffend den Aufenthalt im Karoun Gefängnis.

In der rechtlichen Beurteilung vertrat die Erstbehörde die Ansicht, der als Fluchtgrund vorgebrachte Sachverhalt stehe mit keinem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe im Zusammenhang. Der Beschwerdeführer befürchte lediglich wegen einer Auseinandersetzung mit einem Staatsbeamten eine Verfolgung durch die iranischen Behörden. Es sei zwar die vorgelegte Ladung echt und es drohe dem Beschwerdeführer auf Grund des von ihm begangenen Deliktes bei einer Verurteilung im Iran eine unmenschliche Strafe (Peitschenhiebe). Ein Einschreiten staatlicher Behörden sei in einem solchen Fall aber nicht als Verfolgung anzusehen, weil es sich dabei um die Ahndung eines allgemein strafbaren Deliktes handle. Wenn auch die Art dieser Bestrafung, die sich aus der auf dem Koran basierenden Rechtsordnung ergebe, als unmenschliche Behandlung zu werten sei, obliege es dennoch jedem Staat selbst, Gesetze und Strafbestimmungen zu erlassen bzw. für deren Durchsetzung Sorge zu tragen. Die dem Beschwerdeführer drohende Strafe müsse daher als Maßnahme für ein von ihm begangenes und in seiner Heimat unter Strafe gestelltes Delikt betrachtet werden. Eine solche Maßnahme rechtfertige grundsätzlich nicht die Anerkennung als Flüchtling. Selbst die Schwere der Strafe sei asylrechtlich unbeachtlich, zumal von diesem Strafausmaß sämtliche Einwohner des Iran unabhängig von ihrer politischen Gesinnung, ihrer religiösen Zugehörigkeit oder sonstiger asylrelevanter Merkmale betroffen seien.

Bei der Begründung des Ausspruchs nach § 8 AsylG, die sonst keine fallbezogenen Erwägungen enthält, ging das Bundesasylamt davon aus, der Beschwerdeführer habe - offenbar wegen der ihm drohenden Bestrafung durch Peitschenhiebe - das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG glaubhaft gemacht.

Gegen den im Asylteil abweisenden Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte unter Bezugnahme auf seine Angaben vor dem Bundesasylamt vor, er habe begründete Angst, von einem Revolutionsgericht unter dem Vorwand nicht politischer Vergehen ("Steuerschulden", "Auseinandersetzung mit einem Staatsbeamten") bestraft, jedoch als politischer Gefangener inhaftiert und misshandelt zu werden. Er halte seine Aussage aufrecht, wonach die iranische Justiz gegenüber missliebigen Bürgern zu dem "Trick" greife, ihnen formal Ladungen eines ordentlichen Gerichtes zukommen zu lassen, um nach außen ein nicht politisches Verfahren vorzutäuschen, während tatsächlich das Revolutionsgericht dahinterstehe. Im Übrigen verwies der Beschwerdeführer auf die bisher erlittenen Folterungen, auf davon noch sichtbare Spuren und beantragte in diesem Zusammenhang die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen.

In einer im Berufungsverfahren erstatteten Stellungnahme führte der Beschwerdeführer ergänzend unter anderem aus, an der in der Ladung angegebenen Adresse gebe es ein Gerichtsgebäude, in dem verschiedene Gerichte untergebracht seien; "dass man vor dem Revolutionsstaatsanwalt/-gericht steht, erkennt man vielfach erst in der Verhandlung". Angesichts seiner Vorgeschichte, seiner aktenkundigen regimekritischen und oppositionellen Haltung und seiner vorangegangenen Inhaftierungen sei dem Beschwerdeführer klar, dass ihm zumindest ebenso schwere Strafen wie anderen vom Revolutionsgericht verhafteten Mithäftlingen, die zu acht bis zehn Jahren Haft verurteilt worden seien, drohten. Im Übrigen legte der Beschwerdeführer noch ein ärztliches Gutachten vor, aus dem sich ergibt, die vom Beschwerdeführer angegebenen Misshandlungen in seiner Heimat seien (aus medizinischer Sicht) glaubwürdig. Es bestünde auch der Verdacht auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt II.). Neben Feststellungen "betreffend die Studentenunruhen im Sommer 1999 im Iran" traf die belangte Behörde folgende Feststellungen "zur Person des Berufungswerbers":

"Er ist iranischer Staatsbürger, wurde 1959 in Ahvaz geboren (wo er auch mit einer einjährigen Unterbrechung bis zu seiner Flucht gelebt hat) und gehört keiner ethnischen und religiösen Minderheit an. Er war nie Mitglied oder Sympathisant irgendeiner politischen Gruppierung. Nach dem Abschluss der Mittelschule hat er als selbständiger Automechaniker gearbeitet. Er hatte in den Jahren 1995 und 1996 Schwierigkeiten mit den iranischen Finanzbehörden, weil er wegen der Erkrankung seines Vaters seinen Betrieb ein Jahr geschlossen hielt und von der Finanzbehörde auch für diesen Zeitraum eine Steuervorschreibung erhielt. Als er dagegen lautstark protestierte, wurde er eine Woche in Haft genommen. Nachdem er sich schriftlich verpflichtet hatte, die Behörde nicht mehr zu beleidigen und sich an die Gesetze und Vorschriften zu halten, wurde er wieder freigelassen.

In seinem Betrieb ließen auch die Revolutionswächter ihre Autos reparieren, wobei sie die hiefür erstellten Rechnungen teilweise nicht oder teilweise unpünktlich bezahlten. Aus diesem Grunde beschloss der Berufungswerber (gemeinsam mit seinen Angestellten) keine Reparaturaufträge mehr von Revolutionswächtern anzunehmen. Einer der Mitarbeiter benachrichtigte jedoch den Sicherheitsdienst und wurde der Berufungswerber neuerlich in Haft genommen und verhört. Gegen eine Verpflichtungserklärung und Hinterlegung einiger Dokumente wurde er nach 45 Tagen (im Herbst 1997) freigelassen.

Er hat sich an den Studentenunruhen im Juli 1999 nicht beteiligt. Er erhielt eine Ladung von einem öffentlichen Gericht wegen 'Auseinandersetzung mit einem staatlichen Organ' für 07.05.2000. Ende Dezember 1999 verließ er auf dem Landwege den Iran."

Die fallbezogene Beweiswürdigung leitete die belangte Behörde damit ein, die Aussagen des Beschwerdeführers seien "vergleichsweise detailliert und konkret", sie seien allerdings "voll von Widersprüchen". Daran anschließend erwähnte die belangte Behörde Abweichungen in den Angaben des Beschwerdeführers betreffend seinen einjährigen Aufenthalt in Teheran, seine berufliche Tätigkeit auch für die staatliche Ölgesellschaft und betreffend die Bezahlung der Reparaturrechnungen durch die Revolutionswächter. Letzteres wurde aber - so wie andere in diesem Zusammenhang erstattete, im angefochtenen Bescheid als "nicht plausibel" bezeichnete Angaben des Beschwerdeführers - offenbar für nicht wesentlich erachtet, hat doch die belangte Behörde insoweit den Angaben des Beschwerdeführers entsprechende Feststellungen getroffen. Soweit die belangte Behörde bei ihren Feststellungen die Aussage des Beschwerdeführers nicht zugrunde legte, führte sie beweiswürdigend Folgendes aus:

"Völlig unplausibel erscheint der Zusammenhang zwischen dem Berufungswerber, der verschiedene (nicht politisch bedingte!) Schwierigkeiten mit den iranischen Behörden aufgrund seiner Geschäftstätigkeit hatte, und den Studentenunruhen: Warum sollte er, der nach eigenen Angaben schon mehrmals Schwierigkeiten mit den iranischen Behörden hatte, mit einem Bekannten, dessen Sohn bei den Studentenunruhen verhaftet wurde, zur Polizeiwachstation mitgehen, um sich dort neuerlich der Gefahr behördlicher Zwangsmaßnahmen oder Übergriffe auszusetzen, wo er nach eigenen Angaben überhaupt nichts mit den Studentenunruhen zu tun hatte? Wenn auch aus der vorgelegten Gerichtsladung irgendwie hervorgeht, dass er eine Auseinandersetzung mit einem staatlichen Organ gehabt hätte, so ergibt sich daraus (wie auch der von der österreichischen Botschaft beigezogene Experte betonte) keinerlei Hinweis auf ein politisches Vergehen oder die Studentenunruhen!

Die Behörde erster Instanz führte (fußend auf den gutächtlichen Ausführungen des von der österreichischen Botschaft beigezogenen Experten) aus, dass es nicht mit den allgemeinen Verhältnissen im Iran vereinbar sei, dass jemand eine Ladung von einem ordentlichen Gericht ausgestellt erhalte und dann vor dem Revolutionsgericht stehe. Dies wird von der Berufungswerbervertreterin (wortreich) bezweifelt, wobei aus der Sicht der Berufungsbehörde dieser Umstand nicht völlig ausgeschlossen werden könne, aber letztlich doch nicht entscheidungsrelevant erscheint.

Der Berufungswerber hat sich (nach dem Urteil der österreichischen Botschaft in Teheran) beigezogenen Experten, dessen Qualifikation im Schreiben auch näher erläutert wurde, nicht auf ein gefälschtes Dokument gestützt, wobei dies allerdings noch nicht aussagt, dass dieses Dokument wirklich echt ist, zumal im Iran notorischer Weise viele Dokumente - auch auf echten Formularen und mit echten Stempeln - gegen Bestechung ausgestellt werden, somit gekauft sind."

Die weiteren beweiswürdigenden Überlegungen beruhen darauf, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen hinsichtlich der Folterung durch Angehörige des Nachrichtendienstes bei seiner Verhaftung im Jahre 1997 - nach Ansicht der belangten Behörde - "eindeutig" gesteigert habe und dass er den Vorfall, der zu seiner angeblich nächsten Verhaftung (im Zusammenhang mit den Studentenunruhen) geführt habe, in der mündlichen Berufungsverhandlung "völlig anders" geschildert und insbesondere hinsichtlich des Umstandes, dass ein Tumult entstanden sei, gesteigert habe. Schließlich verwies die belangte Behörde darauf, der Beschwerdeführer habe in der Berufungsverhandlung "persönlich überhaupt keinen glaubwürdigen Eindruck" hinterlassen. Zusammenfassend kam sie zu dem Ergebnis, "vor allem" das Vorbringen im Zusammenhang mit den Studentenunruhen erscheine nicht glaubwürdig. Vielmehr sei "ganz allgemein festzustellen, dass - wie aus zahlreichen anderen Verfahren der Berufungsbehörde ersichtlich ist - zahlreiche iranische Asylwerber versuchen, sich an das auch in Mitteleuropa bekannt gewordene Faktum der Studentenunruhen im Sommer 1999 'anzuhängen', obwohl sie gar keine Studenten sind oder sogar - wie der Berufungswerber - offen zugeben, mit den in Rede stehenden Studentenunruhen überhaupt nichts zu tun gehabt zu haben."

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, "jedenfalls" die Probleme "mit den Finanzbehörden 1996 und wohl auch jene mit dem Nachrichtendienst von Ahvaz 1997 wegen der Weigerung, weitere Reparaturen von Kraftfahrzeugen der Revolutionswächter anzunehmen", seien wegen zu großer zeitlicher Distanz zur Flucht asylrechtlich nicht beachtlich. Als "zentrales Faktum" sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sich nicht politisch betätigt habe. Eine innere Abneigung gegen ein herrschendes System sei jedoch nicht geeignet, Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention objektiv zu begründen. Mögen die Gründe für die (asylrechtlich allerdings nicht mehr beachtlichen) Schwierigkeiten des Beschwerdeführers auch in einem - im Iran zugegebener Maßen weit verbreiteten - Machtmissbrauch staatlicher Organe, insbesondere der Revolutionswächter liegen, so habe der Beschwerdeführer dagegen keinen organisierten Widerstand entfaltet, sodass sich seine Probleme mit den Finanzbehörden und dem Nachrichtendienst auch nicht auf den Tatbestand der "politischen Gesinnung" zurückführen ließen.

Ungeachtet des Umstandes, dass den Ausführungen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit den Studentenunruhen - so die belangte Behörde weiter - auch keine Glaubwürdigkeit beigemessen werde, erscheine der Beschwerdeführer selbst bei Unterstellung seines Vorbringens nicht ernstlich verfolgungsgefährdet, weil nur die prominentesten Anführer der Studentenunruhen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden seien. Es erscheine daher völlig unplausibel, dass der Beschwerdeführer, der nach seinen Angaben nur zufällig in behördliche Handlungen im Gefolge der Studentenunruhen hineingeraten sei, ebenfalls zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt werden könnte. Möge der Beschwerdeführer auch mehrfach Schwierigkeiten mit den iranischen Behörden gehabt haben, deren unpolitischer Charakter bereits dargestellt worden sei, so sei er jedenfalls kein prominenter Anführer einer oppositionellen Gruppierung. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in seine zu schützende persönliche Sphäre im Falle seiner Rückkehr in den Iran drohe.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

In ihrer Alternativbegründung ist die belangte Behörde - bei Unterstellung des (gesamten) Vorbringens des Beschwerdeführers als glaubwürdig - davon ausgegangen, der Beschwerdeführer sei "nicht ernstlich" verfolgungsgefährdet. Dabei hat die belangte Behörde von den über die Beteiligten an den Studentenunruhen verhängten Strafen auf die dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Iran drohenden Sanktionen geschlossen und eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers verneint. Das greift im vorliegenden Fall zu kurz. Zu Recht weist die Beschwerde darauf hin, dass bei der Beurteilung der dem Beschwerdeführer drohenden Maßnahmen die früheren Vorfälle und Inhaftierungen nicht ausgeblendet und ihnen insoweit nicht die Asylrelevanz abgesprochen werden kann. Vielmehr wäre zu beachten gewesen, dass der Beschwerdeführer in relativ nahem zeitlichen Zusammenhang auf verschiedene Art derart in oppositioneller Weise gegenüber Behörden aufgetreten ist, dass er jeweils in Haft genommen und nur gegen entsprechende Auflagen entlassen wurde. Angesichts der vom Beschwerdeführer bei diesen Vorfällen jeweils zum Ausdruck gebrachten gegenüber dem Machtapparat kritischen Haltung lässt sich entgegen der Meinung der belangten Behörde nicht sagen, das Vorgehen der iranischen Behörden habe einen "unpolitischen Charakter". Auf die Entfaltung eines "organisierten Widerstandes" kommt es bei dieser Beurteilung nicht an. Der Beschwerdeführer ist somit nicht nur in der Vergangenheit bereits wiederholt ins Blickfeld der Behörden geraten, sondern hat - die Richtigkeit seines gesamten Vorbringens unterstellt - auch mehrfach gegen die jeweils bei seiner Enthaftung übernommenen Verpflichtungen verstoßen. Dazu kommt die Flucht ins Ausland nach Zustellung einer Gerichtsladung, wobei die belangte Behörde selbst eingeräumt hat, es könne "nicht völlig ausgeschlossen" werden, dass jemand eine Ladung von einem ordentlichen Gericht erhalte und dann vor dem Revolutionsgericht stehe. Geht man weiters von der in diesem Zusammenhang vorgetragenen Behauptung aus, der Beschwerdeführer habe aufgrund seiner "aktenkundigen" regimekritischen und oppositionellen Haltung mit einer Inhaftierung als politischer Gefangener, mit Misshandlungen und einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht bis zehn Jahren - anders als die Erstbehörde hat die belangte Behörde keine ausdrücklichen Feststellungen zu den dem Beschwerdeführer im Falle eines Gerichtsverfahrens drohenden Sanktionen getroffen - zu rechnen, so lässt sich vor dem Hintergrund der Verhältnisse im Iran die Asylrelevanz der vom Beschwerdeführer befürchteten Verfolgung nicht verneinen.

Es kommt daher entscheidungswesentlich darauf an, ob die von der belangten Behörde angenommene (teilweise) Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers tragfähig begründet wurde. Die belangte Behörde hat eine differenzierende Beweiswürdigung vorgenommen, indem sie die Verhaftungen und Gefängnisaufenthalte des Beschwerdeführers in den Jahren 1996 und 1997 und die damit im Zusammenhang stehenden Vorkommnisse für glaubhaft erachtet, demgegenüber aber die im Berufungsverfahren geschilderten Folterungen während der Haft 1997 sowie die Erkundigungen nach dem Sohn des K., die Verhaftung durch das Revolutionsgericht und den anschließenden dreimonatigen Gefängnisaufenthalt im Herbst 1999 - auch wenn dazu keine ausdrücklichen negativen Feststellungen getroffen wurden - für nicht glaubwürdig angesehen hat.

Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorgelegte Gerichtsladung unter Bezugnahme auf die Beurteilung durch den von der österreichischen Botschaft beigezogenen "Experten" nicht als gefälscht angesehen. Das sage ihrer Meinung nach aber noch nichts darüber aus, dass dieses Dokument "wirklich echt sei", weil im Iran notorischer Weise viele Dokumente gegen Bestechung ausgestellt würden, somit gekauft seien. Bei diesen spekulativen Überlegungen handelt es sich aber - wie die Beschwerde zu Recht geltend macht - um kein schlüssiges Begründungselement. Insoweit kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2003, Zl. 2003/20/0082, verwiesen werden, die sich mit der von der belangten Behörde - wie auch im vorliegenden Fall - angenommenen Möglichkeit, dass vorgelegte, ein iranisches Gerichtsverfahren betreffende Dokumente zwar echt, aber "auf Grund von Bestechung oder einer 'Gefälligkeit' zu Stande gekommen" sein könnten, befassen. Aus den im zitierten Erkenntnis angeführten Gründen hätte es auch im gegenständlichen Fall nachvollziehbarer Ermittlungsergebnisse bedurft, mit welcher Häufigkeit und unter welchen Umständen solche "Gefälligkeitsurkunden" iranischer Gerichte schon bekannt geworden sind (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/20/0599).

Die übrigen beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde zu den vom Beschwerdeführer behaupteten Vorkommnissen beim Revolutionsgericht Mitte 1999 halten der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aber jedenfalls dann nicht stand, wenn das erwähnte Begründungselement wegfällt, also die Annahme einer zwar echten, aber gegen Bestechung oder aus Gefälligkeit ausgestellten (inhaltlich unrichtigen) Gerichtsladung nicht aufrecht zu erhalten ist. Schon deshalb leidet der angefochtene Bescheid an einem relevanten Begründungsmangel.

Zu den von der belangten Behörde gesehenen Widersprüchen in den Angaben des Beschwerdeführers betreffend die Vorkommnisse beim Revolutionsgericht und zu der darauf auch gestützten Annahme der persönlichen Unglaubwürdigkeit ist im Übrigen aber noch anzumerken, dass der Verhandlungsleiter dem Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung diesbezüglich nur vorgehalten hat, in der erstinstanzlichen Einvernahme habe er den Vorfall "etwas" anders geschildert, während die darauf bezogene Würdigung im angefochtenen Bescheid lautet, der Beschwerdeführer habe den Vorfall, der zu seiner Verhaftung geführt habe, "völlig" anders geschildert. Eine derart pauschale Einschätzung ist jedenfalls für sich genommen nicht nachvollziehbar und wird auch durch die beispielsweise Erwähnung eines einzelnen "gesteigerten" Umstandes (es sei ein Tumult entstanden) nicht ausreichend konkretisiert. Diese Unzulänglichkeiten wären im vorliegenden Fall schon deshalb nicht unmaßgeblich gewesen, weil der Beschwerdeführer auf den erwähnten Vorhalt in der Berufungsverhandlung seine Angaben zu erklären und miteinander zu harmonisieren versuchte, ohne dass sich die belangte Behörde damit bei ihrer Beweiswürdigung auseinander gesetzt hat.

Zu Recht verweist die Beschwerde in diesem Zusammenhang auch noch darauf, dass sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Ehefrau des K. sei in "Geiselhaft" genommen, K. dadurch zur Rückkehr in den Iran gezwungen und in der Folge im Iran wegen der vom Beschwerdeführer behaupteten Vorkommnisse verhaftet worden, nicht befasst habe. Diesen Umständen käme aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Beweiswürdigung, sondern auch unter dem Blickwinkel der dem Beschwerdeführer drohenden Maßnahmen bei einer Rückkehr in den Iran Bedeutung zu.

Zutreffend releviert die Beschwerde auch, dass der Beschwerdeführer zu den von der belangten Behörde nicht geglaubten Folterungen während der Haft im Jahre 1997 (und zu den angeblich davon gebliebenen Narben) die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt und im Berufungsverfahren ein ärztliches Gutachten vorgelegt hat, in dem sich die Schlussfolgerung findet, die behaupteten Verletzungen könnten zeitlich und im Entstehungsmechanismus mit den Angaben des Beschwerdeführers "in Korrelation" gebracht werden und seine Angaben bezüglich der behaupteten Misshandlungen schienen (aus medizinischer Sicht) glaubwürdig zu sein. Die belangte Behörde ist in ihrer Begründung darauf nicht eingegangen und hat auch die mangelnde Relevanz der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens - mit dem Hinweis, die Entscheidung der Berufungsbehörde sei "mehrfach abgesichert" und durch ein derartiges Gutachten könne keine andere Entscheidung herbeigeführt werden - (wie sich aus den einleitenden Erwägungen zu den Alternativüberlegungen der belangten Behörde ergibt) nicht ausreichend begründet. Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf die Steigerung des Vorbringens verwiesen hat, blieb im Übrigen unbeachtet, dass ein Schlag mit einer Metallstange auf den Unterschenkel vom Beschwerdeführer nicht erst im Berufungsverfahren behauptet wurde, sondern bereits vor der Erstbehörde erwähnt worden war (vgl. AS 14 oben). Zu Recht bemängelt die Beschwerde aber in diesem Zusammenhang auch, dass sich die belangte Behörde mit der in der Berufungsverhandlung vorgetragenen Rechtfertigung des Beschwerdeführers, er habe psychische Probleme und (deshalb) nicht immer alles vollständig dargestellt, unter Bedachtnahme auf die diesbezügliche ärztliche Einschätzung nicht auseinander gesetzt hat. Schließlich ist auch die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bei der "erstinstanzlichen Verhandlung detailliert nach diesen Vorgängen gefragt" worden, aus der Niederschrift nicht ersichtlich. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine zusammenhängend protokollierte Schilderung des Beschwerdeführers ohne diesbezüglich ergänzende Fragen durch das Organ des Bundesasylamtes, obwohl der Beschwerdeführer die Folterspuren und deren Entstehung bei der Befragung zu seinen persönlichen Verhältnissen erwähnt hatte.

Letztlich ist aber auch die generelle Feststellung, zahlreiche iranische Asylwerber versuchten sich an das "Faktum der Studentenunruhen im Iran" anzuhängen, für sich genommen keine tragfähige Grundlage für eine fallbezogene Beweiswürdigung.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Für die nach § 24 Abs. 3 VwGG entrichtete Gebühr waren EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 30. September 2004

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