Normen
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §4 Z6;
BauO NÖ 1996 §49 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;
ZPO §14;
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §4 Z6;
BauO NÖ 1996 §49 Abs1;
BauRallg;
VwRallg;
ZPO §14;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 350/9 Baufläche (Gebäude), inneliegend der Liegenschaft EZ. 1333 Grundbuch Seyring.
O. D. ist Eigentümer des südwestlich angrenzenden Grundstückes Nr. 350/8 Baufläche (Gebäude), inneliegend der Liegenschaft EZ. 1335 Grundbuch Seyring.
Über die Grundstücksgrenze der beiden genannten Grundstücke wurde ohne baubehördliche Bewilligung ein "Verbindungsgang" in einer Länge von ca. 8 m, eine Breite von ca. 4 m und einer Höhe von ca. 4 m errichtet, dessen Fußboden betoniert ist. Die Seitenwände dieses Verbindungsganges bestehen bis zu einer Höhe von ca. 1 m aus Stahlbeton, im Übrigen wurden die mittels Metallkonstruktion errichteten Wände und das Dach mit Doppelstegplatten verkleidet. Das Bauwerk verbindet zwei behördlich genehmigte Betriebsanlagen.
Gestützt auf § 1 der NÖ Bau-Übertragungsverordnung trug die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 23. Oktober 2001 auf, dieses "Gebäude" (Verbindungsgang) gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 NÖ Bauordnung 1996 "vollständig abzubrechen".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen, die Frist zur Erfüllung des Abbruchauftrages jedoch gemäß § 59 Abs. 2 AVG neu festgesetzt. Da der als Gebäude anzusehende Verbindungsgang trotz erforderlicher Baubewilligung ohne eine solche über eine Grundstücksgrenze unzulässigerweise (§ 49 NÖ Bauordnung 1996) gebaut worden sei, habe die Behörde erster Instanz zu Recht einen Abbruchauftrag erteilt. Das Bauwerk könne auch nicht nachträglich genehmigt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 23. September 2002, B 681/02-10, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin führt aus, der vom Bauauftrag erfasste Verbindungsgang sei kein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben, weil er weder dem Begriff des Gebäude im Sinne des § 4 Niederösterreichische Bauordnung 1996 noch dem einer baulichen Anlage im Sinne des § 14 Z. 2 leg. cit. zugeordnet werden könne.
Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Ein Gebäude im Sinne des § 4 Z. 6 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (BO) ist ein oberirdisches Bauwerk (d. i. ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist; § 4 Z. 3 BO) mit einem Dach und wenigstens zwei Wänden, welches von Menschen betreten werden kann und dazu bestimmt ist, Menschen, Tiere oder Sachen zu schützen.
Nach den insoweit nicht bekämpften Feststellungen werden mit dem hier zu beurteilenden, an der vorhandenen Metallkonstruktion der beiden Seitenwände und des Daches mit Doppelstegplatten verkleideten "Verbindungsgang" zwei selbständige Gebäude (Betriebsanlagen) über die gemeinsame Grenze zweier Grundstücke ebenerdig verbunden. Demnach handelt es sich hierbei um ein selbständiges, von den beiden verbundenen Gebäuden trennbares oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und zwei Wänden im Sinne des § 4 Z. 6 BO, welches auf Grund der festgestellten Höhe von Menschen auch betreten werden kann und dessen Schutzfunktion für Menschen und Sachen außer Zweifel steht. Da die Grundrissfläche dieses Gebäudes kleiner als 100 m2 ist und auch die übrigen Voraussetzungen hiefür vorliegen (oberirdisch, nur ein Geschoß, kein Aufenthaltsraum, seiner Art nach dem Verwendungszweck den Hauptgebäuden untergeordnet), ist dieser Verbindungsgang als Nebengebäude im Sinne des § 4 Z. 6 zweiter Satz BO anzusehen.
Die Errichtung von Gebäuden unterliegt gemäß § 14 Z. 1 BO der baubehördlichen Bewilligungspflicht. Für den über die Grundstücksgrenze errichteten Verbindungsgang fehlt jedoch eine baubehördliche Bewilligung.
Gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 BO hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat. Unzulässig ist ein Bauwerk u. a. dann, wenn dem Bauvorhaben eine Bestimmung der BO entgegensteht (vgl. § 20 Abs. 1 Z. 6 BO).
Gemäß § 49 Abs. 1 BO darf "eine Grundstücksgrenze - mit Zustimmung der Grundstückseigentümer - nur überbaut werden durch bauliche Anlagen (d.s. gemäß § 4 Z. 4 BO alle Bauwerke, die nicht Gebäude sind), deren Verwendung der von Gebäuden nicht gleicht, und durch Bauwerke über Verkehrsflächen oder Gewässer, sofern keine brandschutztechnischen Bedenken bestehen, sowie durch Ver- und Entsorgungsleitungen und in den Fällen des § 52 Abs. 1 und 4" BO.
Die Überbauung einer Grundstücksgrenze ist somit nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Ausdrücklich lässt die vorgenannte Bestimmung eine Überbauung einer Grundstücksgrenze mit Gebäuden bzw. Gebäudeteilen nur in - hier nicht in Betracht kommenden - Ausnahmefällen zu (vgl. auch Anm. 8 und 9 zu § 49 BO bei Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 6. Auflage, Seite 509).
Da im Beschwerdefall die Errichtung des Verbindungsganges über die Grundstücksgrenze unzulässig ist, hatte die belangte Behörde auch von der Möglichkeit, der Beschwerdeführerin eine Frist für die Einbringung des für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrages einzuräumen zutreffend Abstand genommen.
Adressat eines Auftrages nach § 35 Abs. 2 Z. 3 BO ist - mangels anders lautender gesetzlicher Regelung - der jeweilige Eigentümer des betroffenen Grundstückes oder der Baulichkeit (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 2000, Zl. 2000/05/0020, und vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0633). Die Beschwerdeführerin hat im Bauauftragsverfahren nie bestritten, dass sie (Mit‑)Eigentümerin des Verbindungsganges ist. Auch in der Beschwerde wird von der Beschwerdeführerin die (Mit‑)Eigentümerschaft am hier zu beurteilenden Gebäude nicht angezweifelt.
Der Bauauftrag ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil nicht sämtliche (Mit‑)Eigentümer des Bauwerks dem Bauauftragsverfahren beigezogen worden sind. Bauaufträge, die sich an den Eigentümer des Grundstückes oder des Bauwerks zu richten haben, sind im Falle des Miteigentums zwar grundsätzlich - sofern keine ausdrückliche (abweichende) Sondervorschrift besteht - an alle Miteigentümer zu richten. Dies bedeutet aber noch nicht, dass dieser Auftrag auch in einem einheitlichen Bescheid gegen alle diese Personen erlassen werden müsste. Das AVG kennt den Begriff der einheitlichen Streitpartei des § 14 ZPO (unzertrennliche, gebundene Streitgenossenschaft) nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Juni 1998, Zl. 98/05/0092, und vom 29. Juni 2000, Zl. 99/06/0086). Parteistellung im baupolizeilichen Auftragsverfahren hat demnach nur derjenige, gegen den der Auftrag tatsächlich ergangen ist, nicht jedoch derjenige, gegen den der Auftrag richtigerweise (auch) zu ergehen gehabt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1999, Zl. 99/06/0035).
Auch gegen die Bestimmtheit des Abbruchauftrages bestehen keine Bedenken. Der Verbindungsgang ist hinsichtlich seiner Größe, Form und Lage eindeutig umschrieben, sodass für die Beschwerdeführerin zweifelsfrei erkennbar ist, welche Verpflichtung ihr auferlegt ist. Daran ändert auch nichts, dass die Einlagezahl eines - mit der richtigen Grundstücksnummer bezeichneten - verbauten Grundstückes irrtümlich falsch bezeichnet worden ist.
Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 17. Juni 2003
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